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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §13 Abs3 idF 1998/I/158;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des I in E, vertreten durch Dr. Rolf Schuhmeister und Dr. Walter Schuhmeister, Rechtsanwälte in 2320 Schwechat, Bruck-Hainburger Straße 7, gegen den Bescheid des Bundesministers für Landesverteidigung vom 21. November 2001, Zl. 821.973/1-2.1/01, betreffend Zurückweisung der Berufung in Angelegenheit Zuerkennung der Wohnkostenbeihilfe, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund ist schuldig, dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Heeresgebührenamtes vom 18. Oktober 2001 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 13. September 2001 auf Zuerkennung von Wohnkostenbeihilfe mit der wesentlichen Begründung abgewiesen, dass das von ihm an einer näher bezeichneten Adresse bewohnte Zimmer und die Tatsache der Mitbenützung anderer Räumlichkeiten den Tatbestand einer eigenen Wohnung im Sinne des § 31 Abs. 2 HGG 2001 nicht erfülle. Dieser Bescheid wurde dem Beschwerdeführer unbestritten am 29. Oktober 2001 zugestellt.
Am 12. November 2001 gab der Beschwerdeführer ein an die Erstbehörde gerichtetes Schreiben vom 11. November 2001 in einem ihn als Absender bezeichnenden Briefumschlag eingeschrieben zur Post, welches von ihm und von einer weiteren Person unterfertigt ist, und welches folgenden Inhalt hat:
"An das Heeresgebührenamt z.H.. Herr Mag. jur. T Ich bestätige hiermit, dass Herr I die Sanitärräume und die Küche nicht mit mir gemeinsam benützt.
Herr I hat eine eigene Dusche, Waschküche und WC. Ferner hat
er eine eigene Kochstelle.
E, 2001.11.11.
(Unterschriften:) I L "
Dieses Schreiben langte, wie der Eingangsvermerk der Erstbehörde aufzeigt, am 13. November 2001 bei dieser ein. Am selben Tag brachte der Beschwerdeführer per Fax an die Erstbehörde ein Schreiben ein, in welchem er ausführt, dass er gegen den "HGA-Bescheid" vom 18. Oktober 2001 Berufung einlege; die Begründung, dass Küche und Sanitärräume gemeinsam mit der näher bezeichneten Person benützt würden, entspreche nicht den Tatsachen. Diese Einrichtungen befänden sich innerhalb der von ihm gemieteten Räumlichkeit und stünden ihm alleine zur Verfügung. Er ersuche daher, den Antrag unter Berücksichtigung dieses Sachverhaltes erneut zu prüfen.
Mit dem nun angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 21. November 2001 wurde die "Berufung gegen den Bescheid des Heeresgebührenamtes vom 18. Oktober 2001, Zl. ...," wegen Fristversäumnis zurückgewiesen. In der wesentlichen Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, im Hinblick auf die Zustellung des Erstbescheides am 29. Oktober 2001 habe die Berufungsfrist am Montag, dem 12. November 2001 geendet. Da die Berufung erst am Dienstag, dem 13. November 2001, "per FAX" beim Heeresgebührenamt eingelangt sei, sei sie als verspätet eingebracht zurückzuweisen.
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der der Beschwerdeführer die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt.
Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Unbestritten ist, dass die Frist zur Erhebung der Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid vom 18. Oktober 2001 am 12. November 2001 geendet hat. Im angefochtenen Bescheid finden sich keinerlei Ausführungen dahin, welche Beurteilung die belangte Behörde hinsichtlich des Schreibens des Beschwerdeführers, welches am 12. November 2001 per Post aufgegeben wurde, getroffen hat. Aus der Gegenschrift ist ersichtlich, dass die Behörde dieses Schreiben nicht als Berufung des Beschwerdeführers angesehen hat (sie bezieht sich hiebei auf Antoniolli/Koja, Allgemeines Verwaltungsrecht3, 1996), und die erst am 13. November 2001 per Fax eingebrachte Berufung als verspätet eingebracht ansieht.
Der Beschwerdeführer bringt gegen den angefochtenen Bescheid im Wesentlichen vor, er habe mit der rechtzeitig am 12. November 2001 zur Post gegebenen Berufung den erstinstanzlichen Bescheid bekämpft. Aus dem Inhalt sei zumindest schlüssig zu erkennen, dass sie auf Abänderung des Bescheides und Zuerkennung der Wohnkostenbeihilfe gerichtet war. Mit diesem Vorbringen ist der Beschwerdeführer im Ergebnis im Recht:
Gemäß § 37 AVG ist es Zweck des Ermittlungsverfahrens, den für die Erledigung einer Verwaltungssache maßgebenden Sachverhalt festzustellen und den Parteien Gelegenheit zur Geltendmachung ihrer rechtlichen Interessen zu geben.
Nach § 63 Abs. 5 erster Satz AVG ist die Berufung von der Partei binnen zwei Wochen bei der Behörde einzubringen, die den Bescheid in erster Instanz erlassen hat. Eine Verlängerung der zweiwöchigen Berufungsfrist ist nicht möglich. Nach § 63 Abs. 3 AVG hat die Berufung den Bescheid zu bezeichnen, gegen den sie sich richtet, und einen begründeten Berufungsantrag zu enthalten. Fehlt ein begründeter Berufungsantrag, so ist die Berufung nach § 13 Abs. 3 AVG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 158/1998 zur Verbesserung zurückzustellen.
Ausgehend von dem in § 37 AVG normierten Grundsatz und der hieraus abzuleitenden Verpflichtung der Behörde, sich im Zweifelsfall Klarheit darüber zu verschaffen, wer Rechtsmittelwerber ist (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 19. Dezember 1984, Slg. Nr. 11.625/A), wäre daher zunächst zu prüfen gewesen, wem das Schreiben vom 11. November 2001 - unbestritten rechtzeitig am 12. November 2001 zur Post gegeben - zuzurechnen ist.
Nach der textlichen Gestaltung dieses Schreibens wurde es nicht vom Beschwerdeführer verfasst, sondern von der weiteren Person, die in der "Ich-Form" den Sachverhalt - in einer den Annahmen der Erstbehörde in ihrem Bescheid widerstreitenden Weise -
darstellt und die das Schreiben auch selbst unterfertigt hat. Das Schreiben trägt aber auch die Unterschrift des Beschwerdeführers, der es in einem Briefumschlag, der ihn als Absender ausweist, an die Erstbehörde übermittelt hat. Aus dem Akteninhalt ist ferner ein Aktenvermerk eines Beamten der Erstbehörde vom 2. November 2001 ersichtlich, der folgenden Inhalt hat:
" ... I, .... (Versicherungsnummer, Eintrittstermin, Truppenkörper);
Der ASt erkundigt sich, warum sein Antrag auf WKB abgewiesen wurde. Er wird über die gesetzlichen Voraussetzungen bzw. unter Hinweis auf das Ende der Berufungsfrist (= 12. November 2001) auf das Rechtsmittel der Berufung (Form, Parteistellung etc.) belehrt.
..."
Die belangte Behörde hatte demnach drei Anhaltspunkte für eine Zurechnung des Schreibens vom 11. November 2001 an den Beschwerdeführer, nämlich seine Unterschrift unter dem Text des Schreibens selbst, den Briefumschlag, der den Beschwerdeführer als Absender auswies, sowie den Aktenvermerk vom 2. November 2001, aus dem hervorgeht, dass der Beschwerdeführer sich nach Zustellung des abweisenden Bescheides an die Erstbehörde gewandt hat und ausdrücklich über das Rechtsmittel der Berufung und das Ende der Berufungsfrist am 12. November 2001 belehrt wurde. Es war daher keinesfalls auszuschließen, dass das an diesem Tag tatsächlich zur Post gegebene Schreiben - unabhängig von seiner textlichen Formulierung - (auch) dem Beschwerdeführer - und zwar wegen der erkennbaren Bestreitung der den erstinstanzlichen Bescheid tragenden Sachverhaltsannahme als Berufung - zuzurechnen ist. Die Behörde hätte dieses Schreiben aus den dargestellten Erwägungen somit nicht als unerheblich abtun dürfen, sondern hätte - so sie überhaupt noch Zweifel an der Zurechenbarkeit an den Beschwerdeführer hatte - diesbezüglich Ermittlungen pflegen bzw. beim Beschwerdeführer nachfragen müssen.
Die belangte Behörde hat aber - was den Inhalt des Schreibens vom 11. November 2001 anlangt - auch verkannt, dass nach der genannten Novelle zum § 13 Abs. 3 AVG das Fehlen des begründeten Berufungsantrages nicht bereits eine Zurückweisung rechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. März 2001, Zl. 2000/07/0261), sodass der Bezug der belangten Behörde (in der Gegenschrift) auf die frühere Rechtslage und die genannte Literaturstelle im vorliegenden Fall verfehlt war.
Im Hinblick darauf, dass der Beschwerdeführer jedoch bereits an dem auf die Postaufgabe des ersten Schreibens folgenden Tag, dem 13. November 2001, per Fax ein weiteres Schreiben an die Behörde richtete, in dem er klarlegte, dass er gegen den erstinstanzlichen Bescheid Berufung erhebe, und auch einen begründeten Berufungsantrag stellte, erübrigte sich ein Verbesserungs- bzw. Ermittlungsverfahren.
Aus den vorhin dargelegten Gründen belastete die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, er war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001110399.X00Im RIS seit
06.08.2003