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90/02 Führerscheingesetz;Norm
FSG 1997 §24 Abs1 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des R in A, vertreten durch Dr. Johann Postlmayr, Rechtsanwalt in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Oberösterreich vom 13. Dezember 2001, Zl. VerkR-394.429/1-2001-Kof/He, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung, Verbot des Lenkens von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen sowie Anordnung begleitender Maßnahmen, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Mandatsbescheid der Bezirkshauptmannschaft Braunau am Inn vom 24. September 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 7 Abs. 1 und 3 Z. 1, § 24 Abs. 1 Z. 1, § 3 Abs. 1 Z. 2 und § 26 Abs. 2 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klassen A1, B, C, E, F und G für die Dauer von vier Monaten, gerechnet ab der am 10. September 2001 erfolgten vorläufigen Abnahme des Führerscheines, entzogen. Weiters wurde ihm gemäß § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG das Lenken von vierrädrigen Leichtkraftfahrzeugen für denselben Zeitraum verboten. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG wurde die Absolvierung eines Einstellungs- und Verhaltenstrainings für alkoholauffällige Lenker und die Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens unter Berücksichtigung der Ergebnisse einer verkehrspsychologischen Untersuchung aufgetragen. Die Behörde nahm als erwiesen an, dass der Beschwerdeführer am 10. September 2001 um 04.27 Uhr einen dem Kennzeichen nach bestimmten Pkw auf einer näher bezeichneten Straßenstelle gelenkt habe, obwohl der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,90 mg/l betragen habe.
Der dagegen erhobenen Vorstellung des Beschwerdeführers gab die erstinstanzliche Behörde mit Bescheid vom 20. November 2001 keine Folge.
Die gegen diesen Bescheid erhobene Berufung des Beschwerdeführers wies der Landeshauptmann von Oberösterreich mit Bescheid vom 13. Dezember 2001 als unbegründet ab. In der Begründung führte die Behörde aus, der entscheidungswesentliche Sachverhalt sei vom Beschwerdeführer in der Berufung nicht bestritten worden.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag vom 8. August 2002, Zl. A 2002/0033-1, § 26 Abs. 2 sowie die Wortfolgen "oder Abs. 2" und ", bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8" in § 26 Abs. 8 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (sowohl § 26 Abs. 2 als auch die in § 26 Abs. 8 enthaltenen Wortfolgen in der Fassung (zuletzt) der 2. Führerscheingesetznovelle BGBl. I Nr. 94/1998), als verfassungswidrig aufzuheben, sowie die dazu gestellten Eventualanträge wurden mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/02 u.a., abgewiesen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001) maßgeblich:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
Sonderfälle der Entziehung
§ 26.
...
(2) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 StVO 1960 begangen, so ist die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens vier Monaten zu entziehen.
...
(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.
..."
§ 14 Abs. 2 Führerscheingesetz-Gesundheitsverordnung - FSG-GV
lautet wie folgt:
"Alkohol, Sucht- und Arzneimittel
§ 14. (2) Lenker von Kraftfahrzeugen, bei denen ein Alkoholgehalt des Blutes von 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Atemluft von 0,8 mg/l oder mehr festgestellt wurde, haben ihre psychologische Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen durch eine verkehrspsychologische Stellungnahme nachzuweisen.
..."
§ 99 StVO 1960 lautet in der Fassung der Novelle BGBl. I
Nr. 134/1999 (auszugsweise):
"§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 16 000 S bis 80 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,
c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.
(1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 12 000 S bis 60 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.
(1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 8 000 S bis 50 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.
..."
Der Beschwerdeführer hat in seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Entziehungsbescheid ausdrücklich erklärt, sich nicht gegen die Annahme seiner Verkehrsunzuverlässigkeit und auch nicht gegen die Entziehungsdauer bzw. die angeordneten Maßnahmen zu wenden. Der Bescheid der Erstbehörde werde auf einfachgesetzlicher Ebene nicht angefochten, er entspreche den Bestimmungen des FSG und werde auf dieser Stufe nicht bekämpft. Das Verfahren verletze ihn jedoch in seinem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht nach Art. 6 Abs. 1 EMRK, dass in diesem Verfahren ein Tribunal entscheide, weil es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung sowohl um ein ziviles Recht als auch um eine strafrechtliche Anklage im Sinne dieser Verfassungsbestimmung handle.
In der vorliegenden Beschwerde erblickt der Beschwerdeführer eine Rechtswidrigkeit darin, dass die belangte Behörde die Verpflichtung zur Durchführung einer verkehrspsychologischen Untersuchung auf § 17 Abs. 1 FSG-GV stütze. Der Beschwerdeführer verkennt in diesem Zusammenhang, dass der mit dem angefochtenen Bescheid bestätigte erstinstanzliche Entziehungsbescheid das Erfordernis einer verkehrspsychologischen Untersuchung vor der Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens ausdrücklich nicht auf § 17 Abs. 1, sondern auf § 14 Abs. 2 FSG-GV gestützt hat. Die Notwendigkeit einer verkehrspsychologischen Stellungnahme nach dieser Verordnungsstelle ergibt sich auf Grund des unbestrittenen Ausmaßes der beim Beschwerdeführer festgestellten Alkoholbeeinträchtigung (Alkoholgehalt der Atemluft von 0,9 mg/l).
Im Beschwerdefall ist nicht strittig, dass der Beschwerdeführer am 10. September 2001 eine Übertretung nach § 99 Abs. 1 lit. a StVO 1960 begangen hat. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde in Anwendung des § 26 Abs. 2 FSG dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Monaten entzogen hat. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Entziehung der Lenkberechtigung hegt der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen das von der belangten Behörde auf § 32 Abs. 1 Z. 1 FSG gestützte Lenkverbot sowie gegen die auf § 26 Abs. 8 FSG gestützte Anordnung einer Nachschulung und der Beibringung eines amtsärztlichen Gutachtens. Dagegen bringt der Beschwerdeführer auch nichts Konkretes vor.
In der Beschwerde wird die Auffassung vertreten, dass es sich bei der Entziehung der Lenkberechtigung um eine strafrechtliche Anklage im Sinne des Art. 6 Abs. 1 EMRK handle. Das in diesem Zusammenhang erstattete Vorbringen entspricht der Sache nach den vom Verwaltungsgerichtshof in seinem erfolglos gebliebenen Anfechtungsantrag vom 8. August 2002, Zl. A 2002/0033-1, geäußerten (Eventual)Bedenken. Die Auffassung des Beschwerdeführers, es handle sich bei der Lenkberechtigung um einen zivilrechtlichen Anspruch im Sinne des Art. 6 EMRK, teilt der Verwaltungsgerichtshof hingegen nicht und sieht sich daher auch nicht zu einer neuerlichen Antragstellung an den Verfassungsgerichtshof gemäß Art. 140 Abs. 1 B-VG veranlasst. Dies gilt auch für die im Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 29. August 2002 enthaltene Anregung, § 25 Abs. 3 zweiter Satz FSG wegen Verstoßes gegen den Gleichheitssatz und das Rechtsstaatlichkeitsprinzip anzufechten. Die vom Beschwerdeführer in diesem Schriftsatz anhand verschiedener Fallbeispiele aufgezeigten Probleme indizieren nicht die Verfassungswidrigkeit der genannten Bestimmung, sondern resultieren im Wesentlichen daraus, dass Entziehungsmaßnahmen (auf Grund ihrer Anordnung durch Mandatsbescheid oder auf Grund von Aussprüchen gemäß § 64 Abs. 2 AVG im erstinstanzlichen Entziehungsbescheid) schon vor ihrer Rechtskraft wirksam werden können und die Folgen der sofortigen Wirksamkeit im Falle der späteren Aufhebung des Entziehungsbescheides nicht mehr vollständig beseitigt werden können.
Soweit der Beschwerdeführer die Verletzung des aus Art. 6 Abs. 1 EMRK abgeleiteten Rechtes behauptet, ist er darauf hinzuweisen, dass der Verwaltungsgerichtshof insoweit zufolge Art. 133 Z. 1 in Verbindung mit Art. 144 Abs. 1 B-VG nicht zuständig ist.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 24. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110137.X00Im RIS seit
24.07.2003