TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/25 2000/04/0092

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Veröffentlicht am 25.06.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
22/02 Zivilprozessordnung;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/01 Gewerbeordnung;

Norm

AVG §45 Abs2;
AVG §8;
GewO 1994 §75 Abs2;
GewO 1994 §75 Abs3;
GewO 1994 §79 Abs1;
GewO 1994 §79a Abs3;
VwRallg;
ZPO §274 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde des C in E, vertreten durch Dr. Günther Csar, Rechtsanwalt in 2700 Wiener Neustadt, Hauptplatz 35, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Niederösterreich vom 20. März 2000, Zl. WST1-BA-9670/3, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: P GmbH in E, Hauptstraße 11), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Baden vom 19. November 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 19. August 1999 betreffend Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen für den Betrieb der "Napfpresse der Linie 2 in der Betriebsanlage" der mitbeteiligten Partei im näher bezeichneten Standort abgewiesen. Zugleich wurde festgestellt, "dass das Ermittlungsverfahren im gegenständlichen Fall nicht ergeben hat, dass die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen in Bezug auf ihren Schutz vor durch den Betrieb dieses Teiles der Betriebsanlage der P GmbH hervorgerufenen Erschütterungen nicht hinreichend geschützt sind. Somit sind keine anderen oder zusätzlichen Auflagen für den Betrieb des genannten Betriebsanlagenteiles vorzuschreiben."

In der Begründung dieses Bescheides heißt es u.a.:

"...

Im gegenständlichen Fall wurde vom Amtssachverständigen für Lärm- und Erschütterungsschutz anläßlich der Erhebung am 6.10.1999 festgestellt, daß sowohl bei eingeschalteter als auch bei ausgeschalteter großer Napfpresse keinerlei Wahrnehmungen von Störgeräuschen oder Schwingungen gemacht werden konnten. Somit sei die behördliche Beurteilung der Zumutbarkeit der Auswirkungen entsprechend dem Maßstab des § 74 und § 77 Abs. 2 GewO 1994 nicht erforderlich. Aufbauend auf diesem Gutachten des technischen Amtssachverständigen hat der medizinische Amtssachverständige in seinem Gutachten ausgeführt, daß mangels festgestellter Immissionen durch rhythmische Schwingung oder Geräusche durch den Betrieb der Napfpresse mit keinerlei negativen Einflüssen im Sinne der im Befund angeführten Definition auf den Beschwerdeführer zu rechnen sei. Die Beurteilung sei unter Berücksichtigung des normal empfindenden Erwachsenen und des normal empfindenden Kindes durchgeführt worden.

Ergänzend dazu hat der bautechnische Amtssachverständige im wesentlichen festgestellt, daß hinsichtlich der ihm vom Beschwerdeführer gezeigten Schäden am Wohngebäude ein Einfluß von Schwingungen, welcher Intensität auch immer, nach den Erfahrungen des täglichen Lebens nicht abgeleitet werden kann. Vielmehr handle es sich offensichtlich beim Riß beim Traufenpflaster um eine klaffende Fuge aufgrund von Setzungen der Böschung in der das Traufenpflaster verlegt ist bzw. seien die anderen Haarrisse als Schwind- und Schubrisse einzustufen, die aufgrund von Temperaturschwankungen und Bewegungen des Gebäudes entstehen.

...

Im Hinblick auf dieses Ergebnis der durchgeführten Erhebungen sowie gestützt auf die schlüssigen und mit den Denkgesetzen im Einklang stehenden Gutachten der Amtssachverständigen ist somit festzustellen, daß sich im vorliegenden Fall nicht ergeben hat, daß die gemäß § 74 Abs. 2 GewO 1994 wahrzunehmenden Interessen im Bezug auf den Schutz vor Erschütterungen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind. Daraus folgt, daß die Behörde keine anderen oder zusätzlichen Auflagen für den Betrieb des gegenständlichen Teiles der Betriebsanlage vorzuschreiben hat. Was die Mitteilung des Herrn Univ. Prof. Dr. P vom 19.6.1999 anlangt, wird festgestellt, daß diesem Schreiben lediglich zu entnehmen ist, daß die Fühlbarkeitsreichweite von Erschütterungen von der Stärke der Erschütterungserregung und von den lokalen geologischen Bedingungen abhängt. Danach seien Erschütterungsweiten von mehr als 1 km zwar außergewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen. Diesbezüglich schließt sich die Behörde der entsprechenden Äußerung im Gutachten des Amtssachverständigen für Lärm- und Erschütterungsschutz an, wonach konkrete tatsächliche Meßergebnisse als Beweis

des Beschwerdevorbringens nicht vorliegen und ist kein Anlaß gegeben, weiterführende Ermittlungen durchzuführen.

..."

Auf Grund der dagegen vom Beschwerdeführer erhobenen Berufung wurde mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der erstinstanzliche Bescheid behoben und der Antrag als unzulässig zurückgewiesen.

In der Begründung dieses Bescheides heißt es im Wesentlichen, in einem Antrag betreffend Vorschreibung anderer oder zusätzlicher Auflagen muss (gemäß § 79a Abs. 3 GewO 1994) der Nachbar u.a. glaubhaft machen, dass er vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist. "Glaubhaft machen" bedeute, die Richtigkeit einer Tatsache bloß wahrscheinlich machen, also weniger als beweisen. Das Ermittlungsverfahren der Gewerbebehörde erster Instanz habe jedoch schon ergeben, dass keinerlei Lärmimmissionen wahrnehmbar gewesen seien, d.h. keine Gesundheitsgefährdungen bzw. unzumutbaren Belästigungen vorlägen. Der Beschwerdeführer habe somit nicht ausreichend glaubhaft gemacht, dass er vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt sei. Deshalb sei kein dem § 79a Abs. 3 GewO 1994 entsprechender Antrag eingebracht worden und habe der Nachbar auch keine Parteistellung erlangt. Mangels Parteistellung sei der Antrag daher als unzulässig zurückgewiesen und der (erstinstanzliche) Bescheid behoben worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

In der Beschwerde werden als Beschwerdegründe ausgeführt:

"Gründe für Behauptung der Rechtswidrigkeit (gem. § 28 (1) 5. VwGG)

Für die Behauptung der Rechtswidrigkeit führe ich an:

-

Aktenwidrigkeit

-

Sachverhalt ist ergänzungsbedürftig.

-

Rechtswidrigkeit infolge Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können, Punkt A), Punkt B).

ad 'Aktenwidrigkeit'

Aktenwidrigkeit ist gegeben durch eine sinnentstellt zitierte Literaturstelle, die in dem Gutachten des medizinischen SV, zu unzulässiger, gegenteiliger Schlußfolgerung führte, in dem Bescheid 12-B-999101 v. 19. Nov. 1999.

Diesen bekämpfte ich schon in meiner Berufung vom 1999-12-09. ad 'Sachverhalt ist ergänzungsbedürftig'

Schon in der Kommissionellen Verhandlung vom 10.3.1997 wies ich hin auf das Erfordernis der Herstellung eines objektiven Ermittlungsverfahrens, unter Beiziehung des ursprünglich schon von der Behörde vorgesehenen, allgemein beeideten gerichtlichen Sachverständigen für Erschütterungsschutz und Ingenieurgeophysik (genannt war: Univ. Prof. Dr. P, ZI für technische Physik), zur Durchführung koinzidenter Messungen. Die Behörde machte mir zur Auflage, die Möglichkeit meiner Wahrnehmung, von dem SV vorab bestätigen zu lassen, was ich auch durchgeführte. ('Koinzidente Messungen' sind Messungen am Ort der Erregung und am Ort der Wahrnehmung, um damit die Kausalität nachzuweisen). Dies ist die einzige objektive Methode, um den vorliegenden Bedingungen gerecht zu werden. Denn das Unternehmen P befindet sich in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem ebenfalls mit Pressen produzierendem Unternehmen - der Fa. E -, die im übrigen vormaliger Besitzer des heutigen P-Grundstückes ist.

Dieser geforderten Beiziehung wurde nicht entsprochen, trotz Glaubhaftmachung des Beschwerdegrundes, durch Beibringung des geforderten SS des SV (Beilage), in meinem SS

              v.              1999-08-19 an die Erst-Behörde. Ebenso wurde mein schriftlicher Einspruch von 1997-11-17 zur Verhandlungsschrift 12-B-904 nicht behandelt. Ich wiederholte darin meine o.a. verbalen Hinweise.

Die Behörde machte den Sachverhalt auch ergänzungsbedürftig, durch das Ignorieren des von mir beigebrachten SS (Beilage) des 'Institut für Umwelthygiene der Universität Wien', der u. a. enthält, daß ein entsprechender Befund, auch eine objektive (meßtechnische) Grundlage haben muß.

De facto wurden nur die subjektiven Wahrnehmungen der ASV erhoben.

ad 'Rechtswidrigkeit infolge Außerachtlassung von Verfahrensvorschriften, bei deren Einhaltung die belangte Behörde zu einem anderen Bescheid hätte kommen können'

A)

Von der Gewerbebehörde erster Instanz wurden zwei Ermittlungsverfahren geführt. Beide Ermittlungsverfahren waren rechtswidrig:

1.

Ermittlungsverfahren vom 10.3.1997

2.

Ermittlungsverfahren vom 7. Okt. 1999 - 1. Ermittlungsverfahren vom 10.3.1997

Die Rechtswidrigkeit, nach einschlägiger Entscheidung des VwGH (z.B. VwGH Zl. 919/74) bestand u.a. darin, dass der med. ASV sein Urteil abgab, ohne an der Kommissionellen Verhandlung teilgenommen, ohne die Orte von Erregung und Wahrnehmung (der mechanischen Schwingungen/Erschütterungen) betreten zu haben.

-

2. Ermittlungsverfahren vom 7. Okt. 1999

Die Rechtswidrigkeit bestand u.a. darin, daß § 7 (1) 5. AVG 'Befangenheit von Verwaltungsorganen' mißachtet wurde, da der ASV für Lärmschutz und der med. ASV, schon an dem 1. Ermittlungsverfahren vom 10.3.1997, in gleicher Funktion teilnahmen.

Der Hinweis der belangten Behörde auf Ermittlungsverfahren der Gewerbebehörde erster Instanz, sind als Prämisse wegen Rechtswidrigkeit dieser Ermittlungsverfahren nicht zulässig und können allein deshalb nicht für die gezogenen Schlußfolgerung dienen,

-

wonach ich nicht ausreichend glaubhaft machte, vor den Auswirkungen der Betriebsanlage hinreichend geschützt zu sein und wieder daraus folgend,

-

daß keine Parteistellung besteht.

B)

Weiters besteht Rechtswidrigkeit, weil die belangte Behörde es unterließ, gem. § 13a AVG, mir als Beschwerdeführer, der ich nicht durch berufsmäßigen Parteienvertreter vertreten wurde, die zur Verfahrenshandlung nötige Anleitungen zu geben und mich über die mit diesen Handlungen oder Unterlassungen unmittelbar verbundenen Rechtsfolgen zu belehren.

Auch aus diesem Grund sind die Begründungen der Behörde unzulässig, ich hätte nicht ausreichend glaubhaft gemacht, gegen die Auswirkungen der Betriebsanlage hinreichend geschützt zu sein und daraus folgend, daß keine Parteistellung besteht.

Und dies, obwohl die Oberbehörde WST1 selbst und auch die Erst-Behörde BH Baden, die Parteistellung niemals in Frage stellte. Die Erst-Behörde (BH Baden) bestätigte in Bescheid 12-B- 99101/Seite 7 v. 19. Nov. 1999 sogar ausdrücklich:

Zitat

Im gegenständlichen Fall wurden die Voraussetzungen für die Parteistellung im Sinne des § 79a Abs. 3 GewO 1984 neuerlich

positiv geprüft.

Zitatende

Im übrigen ist meine Parteistellung schon nach § 8 AVG

definiert.

Wenn die Behörde - entgegen der Rechtsauskunft des BMwA - nicht die Rechtsbasis der Erst-Antrages (v. 1997-01-20) annahm, so hätte entsprechende Anleitung bezügl. Novellierung des § 79a GewO

(3) (4) und deren Konsequenzen erfolgen müssen."

Mit diesem Vorbringen vermag eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden:

§ 79 Abs. 1 GewO 1994 sieht eine Regelung vor, wonach dann, wenn sich nach Genehmigung der Anlage ergibt, dass die gemäß § 74 Abs. 2 wahrzunehmenden Interessen trotz Einhaltung der im Genehmigungsbescheid vorgeschriebenen Auflagen nicht hinreichend geschützt sind, die Behörde die nach dem Stand der Technik (§ 71a) und dem Stand der medizinischen und der sonst in Betracht kommenden Wissenschaften zur Erreichung dieses Schutzes erforderlichen anderen oder zusätzlichen Auflagen (§ 77 Abs. 1) vorzuschreiben hat.

Nach § 79a Abs. 1 GewO 1994 hat die Behörde ein Verfahren gemäß § 79 Abs. 1 u.a. nach Maßgabe des Abs. 3 auf Antrag eines Nachbarn einzuleiten.

Nach § 79a Abs. 3 GewO 1994 muss der Nachbar in seinem Antrag gemäß Abs. 1 glaubhaft machen, dass er als Nachbar von den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist, und nachweisen, dass er bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 war.

Gemäß § 79a Abs. 4 erster Satz GewO 1994 erlangt durch die Einbringung des dem Abs. 3 entsprechenden Antrages der Nachbar Parteistellung.

Im Beschwerdefall ist das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzung des Nachweises des Beschwerdeführers "im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder der betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3" gewesen zu sein, nicht strittig. Im Beschwerdefall geht es vielmehr darum, ob der Beschwerdeführer als Nachbar die weitere Tatbestandsvoraussetzung erfüllt (und damit Parteistellung erlangt) hat, in seinem Antrag glaubhaft gemacht zu haben, dass er als Nachbar von den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist.

Wie die belangte Behörde - an sich - zutreffend erkannte, setzt die Erlangung der Parteistellung nach § 79a Abs. 3 GewO 1994 auch die "Glaubhaftmachung" des Umstandes, "als Nachbar von den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt" zu sein, voraus.

Eine nähere Bestimmung, wodurch eine "Glaubhaftmachung" gekennzeichnet ist und wie eine solche "Glaubhaftmachung" (bereits) im Antrag zu erfolgen hat, enthält das Gesetz nicht. Auch die Gesetzesmaterialien geben diesbezüglich keine Auskunft. Zur Bedeutung des Begriffes der Glaubhaftmachung ist daher dessen Auslegung in anderen Rechtsbereichen heranzuziehen, wobei im Bereich der ZPO (§ 274) die Glaubhaftmachung das Ziel hat, der Behörde die Überzeugung von der Wahrscheinlichkeit bestehender Tatsachenbehauptungen zu vermitteln, wobei ein summarisches Verfahren bei der Tatsachenermittlung genügt und Beweisaufnahmen, die sich nicht sofort ausführen lassen, ausgeschlossen sind (vgl. das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes VfSlg. 8853/1980 zum Begriff der Glaubhaftmachung nach der Tir LWO 1975).

Hinsichtlich des Gegenstandes einer "Glaubhaftmachung" stellt auch die hg. Rechtsprechung über die allgemeinen Grundsätze über den Beweis, und zwar als Gegensatz zu einer Beweisführung, auf die Wahrscheinlichkeit - und nicht Richtigkeit - des Vorliegens einer Tatsache ab (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 21 bis 24 zu § 45 AVG, wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Unter "Glaubhaftmachung" des nicht hinreichenden Schutzes vor den Auswirkungen der Betriebsanlage wird also - hinsichtlich des Gegenstandes - zu verstehen sein, dass der Antragsteller die Behörde von der Wahrscheinlichkeit - und nicht von der Richtigkeit - des Vorliegens der Tatsache, als Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein, zu überzeugen hat.

Auf der gleichen Linie, dass hinsichtlich des Verfahrens zur Glaubhaftmachung (als Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein) auf die Verfahrensregel des § 274 Abs. 1 ZPO zurückgegriffen werden kann, liegt auch die Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG, wobei insofern eine Parallelität besteht, als eine Partei, die einen Antrag auf Wiedereinsetzung in den vorigen Stand wegen Versäumung einer Frist stellt, den behaupteten Wiedereinsetzungsgrund (bereits) im Wiedereinsetzungsantrag glaubhaft zu machen hat (vgl. Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, E 299 zu § 71 AVG). Auch nach der diesbezüglichen Rechtsprechung (zu § 71 Abs. 1 Z. 1 AVG) ist nach den Verfahrensregeln, wie sie im § 274 Abs. 1 ZPO für das zivilgerichtliche Verfahren normiert wurden, vorzugehen (vgl. den hg. Beschluss vom 14. Februar 1997, Zl. 96/19/2891).

Die belangte Behörde ist nun zwar richtig davon ausgegangen , dass es für eine "Glaubhaftmachung" genügt, dass der Antragsteller die Behörde von der Wahrscheinlichkeit (des nicht hinreichenden Schutzes vor den Auswirkungen der Betriebsanlage) überzeugt. Die belangte Behörde hat aber daraus den falschen Schluss gezogen, wenn sie eine nicht ausreichende Glaubhaftmachung darin erblickte, dass das Ermittlungsverfahren der Gewerbebehörde erster Instanz ergeben habe, dass keinerlei Lärmimmissionen wahrnehmbar gewesen seien. Sie vermischt damit die Frage der Prozessvoraussetzung mit der Frage des Sachverfahrens nach § 79 Abs. 1 GewO 1994.

Die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen des § 79a GewO 1994 ist nämlich - der Art nach - ein Zulassungsverfahren: Wird im Antrag nicht glaubhaft gemacht, dass der Nachbar vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt ist, so (erlangt der Antragsteller keine Parteistellung und) ist der Antrag zurückzuweisen und kein Sachverfahren durchzuführen; wurde jedoch der Prozessvoraussetzung der Glaubhaftmachung (sowie weiters des Nachweises, dass der Antragsteller bereits im Zeitpunkt der Genehmigung der Betriebsanlage oder betreffenden Betriebsanlagenänderung Nachbar im Sinne des § 75 Abs. 2 und 3 GewO 1994 war) entsprochen, so ist der Antrag zulässig und das Sachverfahren gemäß § 79 Abs. 1 GewO 1994 durchzuführen (und meritorisch über den Antrag abzusprechen, sei es auch durch Abweisung des Antrages). Mit anderen Worten: Ein Antrag kann zulässig sein, weil die Wahrscheinlichkeit des nicht hinreichenden Schutzes vor den Auswirkungen der Betriebsanlage glaubhaft gemacht wurde, aber ungeachtet dessen unbegründet sein, weil das Sachverfahren ergeben hat, dass die Tatbestandsvoraussetzungen für eine Auflagenvorschreiben nach § 79 Abs. 1 GewO 1994 (auch wenn es zunächst als wahrscheinlich erscheint) nicht gegeben sind (und insoweit der Antrag abzuweisen ist).

Dass es nach dem Spruch des angefochtenen Bescheides allein darauf ankommt, ob die belangte Behörde rechtens von der Unzulässigkeit des Antrages (mangels "Glaubhaftmachung" vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein) ausgehen durfte, wird aber auch in der Beschwerde verkannt, soweit darin auf das Vorliegen der Tatbestandsvoraussetzungen des § 79 Abs. 1 GewO 1994 abgestellt wird und fehlt es den damit im Zusammenhang stehenden Verfahrensrügen an der Wesentlichkeit.

Wenn in der Beschwerde aber (noch erkennbar) weiters geltend gemacht wird, der Beschwerdeführer habe in seinem Antrag glaubhaft gemacht, vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein ("Glaubhaftmachung des Beschwerdegrundes"), so vermag auch damit eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufgezeigt zu werden.

Das vom Beschwerdeführer ins Treffen geführte, von ihm beigebrachte "SS" des "Instituts für Umwelthygiene der Universität Wien" erschöpft sich, wie die Behörde erster Instanz richtig erkannt hat, nämlich darin, dass diesem Schreiben lediglich zu entnehmen ist, dass die Fühlbarkeitsreichweite von Erschütterungen von der Stärke der Erschütterungserregung und von den lokalen geologischen Bedingungen abhängt. Danach seien Erschütterungsweiten von mehr als 1 km zwar außergewöhnlich, aber nicht ausgeschlossen. Eine (nähere) Konkretisierung auf den Beschwerdefall fehlt und lässt sich auch aus dem übrigen Antragsvorbringen des Beschwerdeführers nicht gewinnen.

Ebenso vermag das Vorbringen des Beschwerdeführers, es hätte der gerichtlich beeidete Sachverständige für Erschütterungsschutz und Ingenieurgeophysik, Univ. Prof. Dr. S zur Durchführung "koinzidenter Messungen" beigezogen werden müssen, eine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides nicht aufzuzeigen. Ausgehend davon, dass, wie oben ausgeführt, der Begriff der Glaubhaftmachung im Sinne des § 274 ZPO zu verstehen ist, kommen nur parate Bescheinigungsmittel in Frage (vgl. auch OGH 23. März 1999, Zl. 4 Ob 26/99y, = ÖBl 1999, 240, sowie OGH 23. September 1997, Zl. 4 Ob 251/97h, = ÖBl 1998, 225).

Dass es aber zur "Glaubhaftmachung" (vor den Auswirkungen der Betriebsanlage nicht hinreichend geschützt zu sein) wegen der Offenkundigkeit überhaupt keiner (weiteren) Bescheinigungsmittel bedurft hätte, bietet der Beschwerdefall keinen Anhaltspunkt.

Schließlich ist auch der Einwand des Beschwerdeführers, die belangte Behörde sei ihrer Pflicht zur Rechtsbelehrung nach § 13a AVG nicht nachgekommen, nicht stichhältig. Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung ausgeführt hat, lässt sich aus § 13a AVG keine Verpflichtung der Behörde ableiten, darzutun, wie ein Vorbringen zu gestalten ist, um den von der Partei gewünschten Erfolg zu erzielen (vgl. u.a. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 25. April 1990, Zl. 90/08/0067).

Die Beschwerde erweist sich somit zur Gänze als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 25. Juni 2003

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Gewerberecht Nachbar Rechtsnachfolger

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000040092.X00

Im RIS seit

31.07.2003

Zuletzt aktualisiert am

06.12.2011
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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