Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AufG 1992 §1 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des F, geboren 1959, vertreten durch Dr. Josef Unterweger und Mag. Robert Bitsche, Rechtsanwälte in 1080 Wien, Buchfeldgasse 19a, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 26. Mai 1999, Zl. SD 695/98, betreffend Ausweisung gemäß § 34 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 953,42 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 26. Mai 1999 wurde der Beschwerdeführer, ein nigerianischer Staatsangehöriger, gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 iVm § 10 Abs. 1 Z. 2 und Abs. 2 Z. 2 und 3 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei im Februar 1990 in das Bundesgebiet eingereist und habe in weiterer Folge Sichtvermerke erhalten. Vom 31. März 1994 bis 31. März 1998 habe er über Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck des Studiums verfügt. Er habe jedoch einen Studienerfolg nicht nachweisen können. Am 24. Februar 1998 habe er einen Erstantrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit gestellt. Er habe angegeben, als Taxifahrer arbeiten zu wollen. Der Beschwerdeführer sei bisher jedoch weder im Besitz einer Einzelsicherungsbescheinigung noch einer Bewilligung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz (AuslBG) gewesen, obwohl ihm eine mehrmonatige Frist, zuletzt bis 17. Mai 1999, zur Erlangung bzw. Vorlage einer ausländerbeschäftigungsrechtlichen Bescheinigung bzw. Bewilligung eingeräumt worden sei.
Nach Wiedergabe des § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG führte die belangte Behörde weiter aus, dass gemäß § 19 Abs. 3 leg. cit. einem Fremden, der in Österreich eine unselbstständige Erwerbstätigkeit auszuüben beabsichtige, die Niederlassungsbewilligung (überdies) nur erteilt werden dürfe, wenn ihm eine Sicherungsbescheinigung oder eine Beschäftigungsbewilligung ausgestellt worden sei oder wenn er über eine Aufenthaltserlaubnis oder einen Befreiungsschein verfüge. Daraus ergebe sich, dass für die Erteilung des vom Beschwerdeführer begehrten Aufenthaltstitels das Vorliegen einer der angeführten Bewilligungen nach dem AuslBG grundlegende Voraussetzung sei. Trotz mehrerer eingebrachter Anträge sei ihm weder eine Beschäftigungsbewilligung noch eine Einzelsicherungsbescheinigung erteilt worden. Angesichts dieser Rechtslage gehe das Berufungsvorbringen, er könnte eine Beschäftigungsbewilligung nach Erteilung der Niederlassungsbewilligung erhalten, ins Leere.
Es sei weiters aktenkundig, dass der Beschwerdeführer vom 4. Mai 1998 bis 17. Juni 1998 als Taxilenker beschäftigt gewesen sei. Er meine zwar, dass diese Beschäftigung im Hinblick auf § 20b AuslBG rechtmäßig gewesen sei, das Arbeitsmarktservice Wien habe jedoch in der Mitteilung vom 8. Juni 1998 festgestellt, dass er einer Bewilligung nach dem AuslBG bedurft hätte und § 20b leg. cit. nicht anzuwenden wäre, weil er über keinen Aufenthaltstitel im Sinn des § 4 Abs. 3 Z. 7 leg. cit. verfügte. Diese Mitteilung erscheine deswegen zutreffend, weil § 20b Abs. 4 AuslBG vorsehe, dass die in Abs. 1 vorgesehene vorläufige Berechtigung zur Beschäftigungsaufnahme nur dann entstehe, wenn der Ausländer über ein Niederlassungsrecht oder über eine Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z. 2 FrG verfüge. Zum damaligen Zeitpunkt habe der Beschwerdeführer jedoch lediglich über eine Aufenthaltsbewilligung verfügt, die als Aufenthaltserlaubnis gemäß § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG anzusehen gewesen sei. Die von ihm eingegangene Beschäftigung sei daher sowohl aus ausländerbeschäftigungsrechtlicher als auch aus fremdenrechtlicher Sicht unzulässig gewesen, weil eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums die Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nicht gestatte. Die Aufnahme dieser Beschäftigung beeinträchtige das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, dem aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zukomme. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass der in § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG normierte Versagungsgrund verwirklicht sei.
Da der Beschwerdeführer bisher keiner rechtmäßigen Beschäftigung nachgehe, sei die Erstbehörde zu Recht davon ausgegangen, dass er nicht über ausreichende eigene Mittel zu seinem Unterhalt verfüge. Da er bislang keine Einzelsicherungsbescheinigung bzw. Beschäftigungsbewilligung habe erlangen können, gehe sein Berufungsvorbringen, er könnte nach Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und einer Beschäftigungsbewilligung als Taxilenker arbeiten, ins Leere.
Auf Grund dieser Umstände seien die in § 10 Abs. 2 Z. 2 und 3 FrG normierten Versagungsgründe verwirklicht. Ergänzend sei festzuhalten, dass daran selbst ein allfälliges Weiterbestehen der zuvor erteilten Verpflichtungserklärungen nichts ändern könne. Gemäß § 10 Abs. 3 letzter Satz FrG sei die Erteilung einer Niederlassungsbewilligung auf Grundlage einer Verpflichtungserklärung unzulässig. Die Ausnahmebestimmung des § 113 Abs. 5 leg. cit. sei auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden.
Die Vielzahl der genannten Versagungsgründe beeinträchtige das öffentliche Interesse an einem geordneten Fremdenwesen in erheblichem Ausmaß, sodass sich die Ausweisung des Beschwerdeführers - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 FrG - im Grund des § 34 Abs. 1 leg. cit. als gerechtfertigt erweise.
Der Beschwerdeführer sei verheiratet und für zwei Kinder sorgepflichtig. Nicht zuletzt auf Grund seines mehrjährigen inländischen Aufenthaltes sei zweifelsfrei von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privat- und Familienleben auszugehen gewesen. Dieser Eingriff sei jedoch zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Der Beschwerdeführer verfüge nicht über wesentliche Voraussetzungen für den von ihm beantragten Aufenthaltstitel. Darüber hinaus seien die genannten Versagungsgründe wirksam. Den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften und deren Einhaltung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein sehr hoher Stellenwert zu. Durch die Vielzahl der genannten Versagungsgründe werde dieses öffentliche Interesse erheblich beeinträchtigt, sodass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei.
Bei der gemäß § 37 Abs. 2 leg. cit. durchzuführenden Interessenabwägung sei zunächst auf den mehrjährigen Aufenthalt des Beschwerdeführers und seiner Familie Bedacht zu nehmen gewesen. Zu berücksichtigen sei jedoch auch gewesen, dass er seine bisher erlangten Aufenthaltstitel zum Zweck des Studiums erhalten habe, im Zeitraum von acht Jahren jedoch keinen einzigen positiven Studienerfolg habe aufweisen können. Es erscheine daher indiziert, dass der wahre Zweck seines Aufenthaltes ein anderer gewesen sei, als sein Studium zu beenden. Auch im Hinblick auf die unrechtmäßig eingegangene Beschäftigung führe dies zu einer erheblichen Minderung der jeglicher Integration zu Grunde liegenden sozialen Komponente und unter Berücksichtigung der mangelnden eigenen Unterhaltsmittel und des Fehlens jeglicher Integration am Arbeitsmarkt zu einer nicht unbeachtlichen Minderung der für einen Weiterverbleib im Bundesgebiet sprechenden privaten Interessen des Beschwerdeführers. Auch habe berücksichtigt werden müssen, dass gegen seine Familie mit Bescheid vom selben Tag ebenfalls wegen des Vorliegens von Versagungsgründen die Ausweisung habe erlassen werden müssen. Den insgesamt zwar keinesfalls unerheblichen, an Gewicht jedoch deutlich verminderten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers sei das hoch zu veranschlagende öffentliche Interesse entgegengestanden. Die Auswirkungen der Ausweisung auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie wögen keinesfalls schwerer als das öffentliche Interesse an der Ausweisung des Beschwerdeführers aus dem Bundesgebiet. Diese Maßnahme erweise sich daher auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG als zulässig.
Die von ihm geltend gemachte Aufenthaltsverfestigung habe nicht eintreten können. Gemäß § 113 Abs. 4 FrG seien die bisher erteilten Sichtvermerke und Aufenthaltsbewilligungen als Aufenthaltserlaubnis nach dem FrG anzusehen gewesen. Das Eintreten der Aufenthaltsverfestigung gemäß § 35 leg. cit. setzte jedoch das Bestehen einer Niederlassungsbewilligung voraus. Diese Bestimmung sei daher auf den Beschwerdeführer nicht anzuwenden gewesen.
Da sonst keine besonderen, zu seinen Gunsten sprechenden Umstände gegeben gewesen seien, habe die belangte Behörde von der Erlassung der Ausweisung auch nicht im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand nehmen können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Gemäß § 34 Abs. 1 Z. 2 FrG können Fremde, die sich während eines Verfahrens zur Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels im Bundesgebiet aufhalten, mit Bescheid ausgewiesen werden, wenn der Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels ein Versagungsgrund entgegensteht.
Gemäß § 10 Abs. 2 FrG kann die Erteilung eines Einreise- oder Aufenthaltstitels wegen Gefährdung öffentlicher Interessen (§ 8 Abs. 3 Z. 2 FrG) insbesondere versagt werden, wenn (Z. 2) der Aufenthalt des Fremden zu einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft führen könnte, es sei denn, diese Belastung ergebe sich aus der Erfüllung eines gesetzlichen Anspruches, oder (Z. 3) der Aufenthalt des Fremden die öffentliche Ruhe, Ordnung oder Sicherheit gefährden würde.
2. Der Beschwerdeführer verfügte nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde nach seiner Einreise im Februar 1990 über Sichtvermerke und von 31. März 1994 bis 31. März 1998 über Aufenthaltsbewilligungen zum Zweck des Studiums. Am 24. Februar 1998 stellte er den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck der unselbstständigen Erwerbstätigkeit.
Die Beschwerde wendet sich gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass die dem Beschwerdeführer zum Zweck des Studiums erteilten Aufenthaltsbewilligungen die Aufnahme einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nicht gestattet hätten und eine solche Aufenthaltsbewilligung als Aufenthaltserlaubnis im Sinn des § 7 Abs. 4 Z. 1 FrG anzusehen sei, und bringt vor, dass eine Aufenthaltsbewilligung nach dem Aufenthaltsgesetz (AufG) nur Fremden erteilt worden sei, die sich in Österreich niedergelassen hätten. Der Aufenthalt des Beschwerdeführers habe nicht ausschließlich dem Studium gedient, und er habe sich dauerhaft im Bundesgebiet niedergelassen, wobei (auch) die ihm von 24. Februar 1990 bis 30. März 1994 durchgehend erteilten Wiedereinreisesichtvermerke Aufenthaltsberechtigungen zur dauernden Niederlassung gewesen seien. Bei seinem Antrag (vom 24. Februar 1998) handle es sich daher um keinen Erstantrag. Darüber hinaus hätten ihn die für die Zeit vom 24. Februar 1990 bis 30. März 1994 erteilten Sichtvermerke ebenso wie die im Anschluss daran erteilten Aufenthaltsbewilligungen zur dauernden Niederlassung in Österreich berechtigt und er sei seit über acht Jahren ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen, weshalb seine Ausweisung gemäß § 35 Abs. 1 und 2 FrG unzulässig sei.
3.1. Gemäß § 113 Abs. 5 erster Satz FrG gelten die bis 31. Dezember 1997 erteilten Aufenthaltsbewilligungen - je nachdem -
als Erstniederlassungsbewilligung oder weitere Niederlassungsbewilligung. Nach § 113 Abs. 4 leg. cit. gelten die Aufenthaltsbewilligungen Fremder, die ab 1. Jänner 1998 eine Aufenthaltserlaubnis benötigen, bis zum Ende ihrer Gültigkeitsdauer - je nachdem - als Erstaufenthaltserlaubnis oder als weitere Aufenthaltserlaubnis.
Eine Ausnahme von der Regelung des § 113 Abs. 5 erster Satz leg. cit. ergibt sich aus § 113 Abs. 4 leg. cit. somit lediglich für den Fall, dass der Fremde ab 1. Jänner 1998 eine Aufenthaltserlaubnis benötigt.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 4. Februar 2000, Zl. 98/19/0223, unter Hinweis auf Vorjudikatur dargelegt hat, ist für die Prüfung der Frage, ob ein Fremder (lediglich) eine Aufenthaltserlaubnis benötigt, nicht schematisch auf den in der zuletzt erteilten Aufenthaltsbewilligung angegebenen Aufenthaltszweck abzustellen. Vielmehr orientiert sich das Verständnis des Begriffes "benötigen" in § 113 Abs. 4 FrG daran, ob der Fremde lediglich Bedarf nach einer Aufenthaltserlaubnis oder aber solchen nach einer Niederlassungsbewilligung hat. Dieser letztere Bedarf ist schon dann gegeben, wenn ein rechtzeitiger Antrag auf Erteilung eines weiteren Aufenthaltstitels vorliegt und nach Maßgabe der darin geltend gemachten Zwecke des Aufenthaltes an die zuletzt erteilte Aufenthaltsbewilligung nur mit einer weiteren Niederlassungsbewilligung angeschlossen werden kann. Gemäß § 10 Abs. 1 erster Satz AufG berechtigte eine Aufenthaltsbewilligung - unabhängig davon, zu welchem Zweck sie erteilt wurde - den Fremden zur Einreise und zum Aufenthalt im Bundesgebiet für deren Geltungsdauer. Eine Einschränkung des Umfanges dieser Berechtigung auf den bei der Antragstellung geltend gemachten Aufenthaltszweck war dem § 10 Abs. 1 AufG in keiner seiner Fassungen zu entnehmen. Dem geltend gemachten Aufenthaltszweck kam im System dieses Gesetzes daher in erster Linie der Charakter einer Antragsbegründung zu. Dementsprechend war während der Geltungsdauer des AufG ein Fremder, der - wie der Beschwerdeführer - über eine Aufenthaltsbewilligung zum Zweck des Studiums verfügte, fremden- und aufenthaltsrechtlich durchaus berechtigt, neben diesem Studium auch einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit nachzugehen.
Aus dem Antrag des Beschwerdeführers vom 24. Februar 1998 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung ergibt sich nun seine Absicht, dass er seinen Aufenthalt im Bundesgebiet in Zukunft (auch) zur Ausübung einer unselbstständigen Erwerbstätigkeit zu nutzen beabsichtigt. Schon daraus folgt, dass der Beschwerdeführer im Verständnis des § 113 Abs. 4 FrG nicht bloß eine Aufenthaltserlaubnis "benötigt". Die in Rede stehende Bestimmung ist daher auf ihn nicht anwendbar, und die ihm bis 31. März 1998 erteilte Aufenthaltsbewilligung galt somit gemäß § 113 Abs. 5 erster Satz leg. cit. als weitere Niederlassungsbewilligung. (Vgl. zum Ganzen nochmals das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 98/19/0223, mwN.)
3.2. Die mit "Aufenthaltsverfestigung bei Fremden mit Niederlassungsbewilligung" überschriebene Bestimmung des § 35 Abs. 1 und 2 FrG hat folgenden Wortlaut:
"§ 35. (1) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits fünf Jahre, aber noch nicht acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen mangels eigener Mittel zu ihrem Unterhalt, mangels ausreichenden Krankenversicherungsschutzes oder wegen der Möglichkeit der finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft nicht ausgewiesen werden. Dies gilt allerdings nur, wenn und solange erkennbar ist, dass der Fremde bestrebt ist, die Mittel zu seinem Unterhalt durch Einsatz eigener Kräfte zu sichern, und dies nicht aussichtslos scheint.
(2) Fremde, die vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen waren, dürfen nur mehr ausgewiesen werden, wenn sie von einem inländischen Gericht wegen Begehung einer strafbaren Handlung rechtskräftig verurteilt wurden und ihr weiterer Aufenthalt die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährden würde."
Die in der vorgenannten Gesetzesbestimmung enthaltene Wortfolge "vor Verwirklichung des maßgeblichen Sachverhaltes" ist so auszulegen, dass zu prüfen ist, ob der Fremde vor Verwirklichung des ersten von der Behörde zulässigerweise zur Begründung der aufenthaltsbeendenden Maßnahme herangezogenen Umstandes während der in dieser Gesetzesbestimmung angeführten Zeitspanne ununterbrochen und rechtmäßig auf Dauer niedergelassen war (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2000, Zl. 99/18/0217, mwN).
3.3. Nach der hg. Judikatur (vgl. etwa das Erkenntnis vom 14. Mai 1999, Zl. 98/19/0230) berechtigte ein nach dem Passgesetz 1969 erteilter Sichtvermerk, wenn dieser für einen sechs Wochen übersteigenden Zeitraum ausgestellt wurde und keine Einschränkungen betreffend Grenzübergänge, Reisewege oder Reiseziele enthielt, - anders als ein nach dem 1. Juli 1993 gemäß § 6 Abs. 1 Z. 1 des Fremdengesetzes aus 1992 ausgestellter Sichtvermerk (vgl. § 7 Abs. 7 des Fremdengesetzes aus 1992 iVm § 1 Abs. 1 des mit 1. Juli 1993 in Kraft getretenen Aufenthaltsgesetzes - AufG; ferner das vorzitierte Erkenntnis, Zl. 99/18/0217, mwN) - einen Fremden, sich im Bundesgebiet auf Dauer niederzulassen. Ebenso berechtigte eine gemäß § 1 Abs. 1 AufG erteilte Bewilligung den Fremden zur dauernden Niederlassung im Bundesgebiet.
Den insoweit unbestrittenen Feststellungen der belangten Behörde zufolge erhielt der im Februar 1990 in das Bundesgebiet eingereiste Beschwerdeführer in weiterer Folge Sichtvermerke erteilt und verfügte vom 31. März 1994 bis 31. März 1998 über Aufenthaltsbewilligungen. Nähere Feststellungen zu diesen Sichtvermerken, insbesondere hinsichtlich des Zeitpunktes ihrer Erteilung und der jeweiligen Gültigkeitsdauer, wurden im angefochtenen Bescheid nicht getroffen.
Sollte der Beschwerdeführer zuerst (wie in der Beschwerde behauptet: seit 24. Februar 1990) 0auf Grund von Sichtvermerken nach dem Passgesetz 1969 und sodann auf Grund von Aufenthaltsbewilligungen nach § 1 Abs. 1 AufG ununterbrochen im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sein, so wäre eine Ausweisung des Beschwerdeführers unzulässig, wenn der erste von der Behörde zur Begründung dieser Maßnahme herangezogene Umstand zu einem Zeitpunkt verwirklicht wurde, in dem jener bereits acht Jahre ununterbrochen und rechtmäßig im Bundesgebiet auf Dauer niedergelassen war.
3.4. Die belangte Behörde begründete ihre Auffassung, dass der Versagungsgrund nach § 10 Abs. 2 Z. 3 FrG erfüllt sei, damit, dass der Beschwerdeführer vom 4. Mai 1998 bis 17. Juni 1998 ohne die für diese Tätigkeit erforderliche Bewilligung als Taxilenker beschäftigt gewesen sei. Bei Zutreffen des oben (II.2.) zitierten Beschwerdevorbringens wäre somit eine auf diesen Versagungsgrund gestützte Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 35 Abs. 2 FrG unzulässig.
Ferner erachtete die belangte Behörde auch den Tatbestand gemäß § 10 Abs. 2 Z. 2 FrG als erfüllt und begründete dies damit, dass der Beschwerdeführer bisher keiner rechtmäßigen Beschäftigung nachgehe, er über keine ausreichenden Mittel zu seinem Unterhalt verfüge und, weil er bislang keine Einzelsicherungsbescheinigung bzw. Beschäftigungsbewilligung habe erlangen können, auch nach Erlangung einer Niederlassungsbewilligung nicht als Taxilenker arbeiten dürfte. Eine ausdrückliche Feststellung, seit wann der Beschwerdeführer nicht über ausreichende Mittel zu seinem Unterhalt verfüge, ist im angefochtenen Bescheid nicht enthalten. Im Hinblick darauf ist mangels anderer Anhaltspunkte auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides abzustellen (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 14. April 2000, Zlen. 99/18/0306, 0307). Sollte der Beschwerdeführer bereits seit 24. Februar 1990 ununterbrochen auf Dauer und rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sein, so wäre auch insoweit die Ausweisung des Beschwerdeführers gemäß § 35 Abs. 2 FrG nicht zulässig.
3.5. Die belangte Behörde hat somit dadurch, dass sie in Verkennung der Rechtslage keine näheren Feststellungen zu den dem Beschwerdeführer erteilten Sichtvermerken im oben dargelegten Sinn getroffen hat, den angefochtenen Bescheid mit inhaltlicher Rechtswidrigkeit belastet.
4. Darüber hinaus ist die Beschwerde auch insoweit berechtigt, als die von der belangten Behörde im Spruch ihres Bescheides zitierte Bestimmung des § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG keine tragfähige Grundlage für den vorliegenden Ausweisungsbescheid bietet.
Nach dieser Gesetzesbestimmung ist die Erteilung eines Aufenthaltstitels zu versagen, wenn dieser zeitlich an den durch ein Reise- oder Durchreisevisum ermöglichten Aufenthalt anschließen und nach der Einreise erteilt werden soll.
Die Heranziehung dieses Versagungsgrundes ist verfehlt, weil es sich bei der dem Beschwerdeführer zuletzt erteilten Aufenthaltsberechtigung nicht um ein Reise- oder Durchreisevisum, sondern um eine Aufenthaltsbewilligung gehandelt hat, die mit Inkrafttreten des FrG als Niederlassungsbewilligung gegolten hat, sodass die belangte Behörde auch insoweit die Rechtslage verkannt hat.
5. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.
6. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere auf § 52 Abs. 1 VwGG iVm § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000, und der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001. Dem Beschwerdeführer war neben dem Schriftsatzaufwand von EUR 908,-- ein Viertel der von ihm und den weiteren Beschwerdeführern im hg. Beschwerdeverfahren
Zl. 99/18/0274 gemeinsam verzeichneten Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG zuzuerkennen.
Wien, am 26. Juni 2003
Schlagworte
Maßgebende Rechtslage maßgebender SachverhaltEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:1999180273.X00Im RIS seit
28.07.2003