TE Vfgh Erkenntnis 2008/2/25 B1948/06

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Veröffentlicht am 25.02.2008
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Index

L6 Land- und Forstwirtschaft
L6800 Ausländergrunderwerb, Grundverkehr

Norm

B-VG Art7 Abs1 / Verwaltungsakt
Tir GVG 1996 §6 Abs1 lita
  1. B-VG Art. 7 heute
  2. B-VG Art. 7 gültig ab 01.08.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 114/2013
  3. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.2004 bis 31.07.2013 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 100/2003
  4. B-VG Art. 7 gültig von 16.05.1998 bis 31.12.2003 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 68/1998
  5. B-VG Art. 7 gültig von 14.08.1997 bis 15.05.1998 zuletzt geändert durch BGBl. I Nr. 87/1997
  6. B-VG Art. 7 gültig von 01.07.1988 bis 13.08.1997 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 341/1988
  7. B-VG Art. 7 gültig von 01.01.1975 bis 30.06.1988 zuletzt geändert durch BGBl. Nr. 444/1974
  8. B-VG Art. 7 gültig von 19.12.1945 bis 31.12.1974 zuletzt geändert durch StGBl. Nr. 4/1945
  9. B-VG Art. 7 gültig von 03.01.1930 bis 30.06.1934

Leitsatz

Verletzung im Gleichheitsrecht durch Versagung dergrundverkehrsbehördlichen Genehmigung eines Kaufvertrages wegenAufsplitterung des Alleineigentums an der Liegenschaft auf ideellesMiteigentum und angesichts der Entfernung der Kaufliegenschaft zu denWohnsitzen der Beschwerdeführer; keine Auseinandersetzung mit demkonkreten Sachverhalt, insbesondere im Hinblick auf bereitsbestehenden landwirtschaftlichen Grundbesitz der Beschwerdeführer inder Gemeinde

Spruch

Die Beschwerdeführer sind durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt worden.

Der Bescheid wird aufgehoben.

Das Land Tirol ist schuldig, den Beschwerdeführern zuhanden ihrer Rechtsvertreter die mit € 2.556,- bestimmten Prozesskosten binnen 14 Tagen bei sonstiger Exekution zu bezahlen.

Begründung

Entscheidungsgründe:

I. 1. Mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 2005 erwarben dierömisch eins. 1. Mit Kaufvertrag vom 21. Dezember 2005 erwarben die

Beschwerdeführer je zur Hälfte ein näher bezeichnetes Abfindungsgrundstück in Fendels im Ausmaß von 1,3738 ha.

Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde I. Instanz erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 29. März 2006 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Die Bezirks-Grundverkehrskommission als Grundverkehrsbehörde römisch eins. Instanz erteilte diesem Rechtserwerb mit Bescheid vom 29. März 2006 die grundverkehrsbehördliche Genehmigung.

2. Der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung des Landesgrundverkehrsreferenten gab die Landes-Grundverkehrskommission beim Amt der Tiroler Landesregierung (im Weiteren: LGVK) mit Bescheid vom 4. Oktober 2006 Folge und versagte dem Rechtserwerb die grundverkehrsbehördliche Genehmigung. Begründend führte die LGVK im Wesentlichen Folgendes aus:

"Das ergänzend durchgeführte Ermittlungsverfahren hat u.a. ergeben, dass die Käufer Eigentümer von land- und forstwirtschaftlich genutzten Flächen in Fendels sind. Der Käufer E.P. [der nunmehrige Erstbeschwerdeführer] wohnt in Imst und beträgt die Entfernung von diesem Wohnort zum kaufgegenständlichen Grundstück rund 31,50 km. Der Käufer Dr. R.K. [der nunmehrige Zweitbeschwerdeführer] ist in Innsbruck wohnhaft und beträgt die Entfernung von Innsbruck zur kaufgegenständlichen Liegenschaft rund 86,8 km.

Die Landes-Grundverkehrskommission vertritt in diesem Zusammenhang die Auffassung, dass bei dem zur Genehmigung anstehenden Rechtsgeschäft ein Widerspruch zu den im §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996 angeführten Schutzinteressen allein schon im Hinblick auf die Entfernung des Kaufgrundstückes zu den Wohnorten der beiden Käufer in Imst bzw. Innsbruck erblickt werden muss. Mit dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes ist es nämlich [gemeint wohl: nicht] in Einklang zu bringen, wenn rund 30 bzw. über 80 km entfernte landwirtschaftliche Grundstücke erworben werden.

Ausgehend von diesem Sachverhalt vertritt die Landes-Grundverkehrskommission im Hinblick auf die aufgezeigte Rechtslage die Auffassung, dass nicht zu erwarten ist, dass die verfahrensgegenständliche Liegenschaft in Hinkunft durch die beiden Erwerber selbst bewirtschaftet wird und somit eine verlässliche Prognose im positiven Sinn erfolgen könnte.

Nach Auffassung der Landes-Grundverkehrskommission steht die vorliegend beabsichtigte Aufsplitterung des Alleineigentums an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft auf ideelles Hälfteeigentum und die damit einhergehende Begründung von Miteigentum an land- und forstwirtschaftlichen Flächen ganz allgemein im Widerspruch zu den land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen im Sinne des §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996. Durch das verfahrensgegenständliche Rechtsgeschäft würden nämlich die gegenwärtig bestehenden Eigentumsverhältnisse durch die Begründung von Miteigentum in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung verändert werden. Dies deshalb, da im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ideell geteiltes Eigentum ganz allgemein als agrarstruktureller Mangel zu bezeichnen ist (so der Landesgesetzgeber expressis verbis im §1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996). Auch stellt die Bereinigung von ideell oder materiell geteiltem Eigentum den Gegenstand von Siedlungsverfahren nach §2 Z. 7 des Tiroler landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1969 dar." Nach Auffassung der Landes-Grundverkehrskommission steht die vorliegend beabsichtigte Aufsplitterung des Alleineigentums an der verfahrensgegenständlichen Liegenschaft auf ideelles Hälfteeigentum und die damit einhergehende Begründung von Miteigentum an land- und forstwirtschaftlichen Flächen ganz allgemein im Widerspruch zu den land- und forstwirtschaftlichen Schutzinteressen im Sinne des §6 Abs1 lita Tiroler Grundverkehrsgesetz 1996. Durch das verfahrensgegenständliche Rechtsgeschäft würden nämlich die gegenwärtig bestehenden Eigentumsverhältnisse durch die Begründung von Miteigentum in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung verändert werden. Dies deshalb, da im Bereich der Land- und Forstwirtschaft ideell geteiltes Eigentum ganz allgemein als agrarstruktureller Mangel zu bezeichnen ist (so der Landesgesetzgeber expressis verbis im §1 des Tiroler Flurverfassungslandesgesetzes 1996). Auch stellt die Bereinigung von ideell oder materiell geteiltem Eigentum den Gegenstand von Siedlungsverfahren nach §2 Ziffer 7, des Tiroler landwirtschaftlichen Siedlungsgesetzes 1969 dar."

3. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde gemäß Art144 B-VG, in der die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Unversehrtheit des Eigentums, auf Freiheit des Liegenschaftsverkehrs, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf Freiheit der Erwerbsbetätigung sowie eine Verletzung der Kapitalverkehrsfreiheit iSd Art56 EG und die Verletzung in Rechten wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm behauptet sowie die kostenpflichtige Aufhebung des angefochtenen Bescheides beantragt wird.

4. Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie dem Antragsvorbringen mit näherer Begründung entgegentritt und die Abweisung der Beschwerde beantragt.

II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (im Weiteren: TGVG 1996), LGBl. 61 idF LGBl. 85/2005, lauten:römisch II. Die im vorliegenden Fall maßgebenden Bestimmungen des Tiroler Grundverkehrsgesetzes 1996 (im Weiteren: TGVG 1996), LGBl. 61 in der Fassung Landesgesetzblatt 85 aus 2005,, lauten:

"2. Abschnitt

Rechtserwerbe an land- oder
forstwirtschaftlichen Grundstücken

§4

Genehmigungspflicht

  1. (1)Absatz einsDer Genehmigung durch die Grundverkehrsbehörde bedürfen Rechtsgeschäfte, die den Erwerb eines der folgenden Rechte an land- oder forstwirtschaftlichen Grundstücken zum Gegenstand haben:

a) den Erwerb des Eigentums;

..."

"§6

Genehmigungsvoraussetzungen

  1. (1)Absatz einsDie Genehmigung nach §4 darf nur erteilt werden, wenn

a) der Rechtserwerb weder dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes noch dem öffentlichen Interesse an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspricht,

..."

III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:römisch III. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:

1. Der angefochtene Bescheid stützt sich - der Sache nach - auf die (kumulative) Genehmigungsvoraussetzung des §6 Abs1 lita TGVG 1996. Gegen diese Rechtsvorschrift sind beim Verfassungsgerichtshof aus Anlass des vorliegenden Verfahrens keine Bedenken entstanden. Es erübrigt sich insofern, auf die - weitwendigen - Ausführungen der Beschwerde zur behaupteten Gemeinschaftsrechtswidrigkeit und - infolge Inländerdiskriminierung - Verfassungswidrigkeit der "Selbstbewirtschaftungspflicht" (§6 Abs1 litb TGVG 1996) sowie der "Residenzpflicht" einzugehen.

Es ist daher ausgeschlossen, dass die Beschwerdeführer wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt wurden.

2. Angesichts der verfassungsrechtlichen Unbedenklichkeit der den Bescheid tragenden Rechtsvorschriften und des Umstandes, dass kein Anhaltspunkt dafür besteht, dass die Behörde diesen Vorschriften fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt hat, könnte der Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz nur verletzt worden sein, wenn die Behörde Willkür geübt hätte.

Ein willkürliches Verhalten der Behörde, das in die Verfassungssphäre eingreift, liegt unter anderem in einer gehäuften Verkennung der Rechtslage, aber auch im Unterlassen jeglicher Ermittlungstätigkeit in einem entscheidenden Punkt oder dem Unterlassen eines ordnungsgemäßen Ermittlungsverfahrens überhaupt, insbesondere in Verbindung mit einem Ignorieren des Parteivorbringens und einem leichtfertigen Abgehen vom Inhalt der Akten oder dem Außer-Acht-Lassen des konkreten Sachverhaltes (zB VfSlg. 8808/1980 mwN, 14.848/1997, 15.241/1998 mwN, 16.287/2001, 16.640/2002).

3. Ein solcher Fehler ist der belangten Behörde im vorliegenden Fall unterlaufen:

3.1. Die Beschwerdeführer bringen zu den behaupteten Grundrechtsverletzungen im Wesentlichen vor, dass sie (gemeinsam) bereits Eigentümer eines geschlossenen Hofes und weiterer landwirtschaftlicher Grundflächen in Fendels seien, eines dieser Grundstücke an die Erwerbsliegenschaft angrenze und sämtliche Liegenschaften bewirtschaftet würden. Es sei daher denkunmöglich und willkürlich, wenn die belangte Behörde davon ausgeht, dass der Rechtserwerb einer Parzelle, die zum bereits bestehenden Eigentum passt und dieses de facto erweitert, der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widerspreche. Es komme in weiterer Folge auch nicht auf die Entfernung zum Wohnsitz der Erwerber, sondern auf die Entfernung zum bestehenden landwirtschaftlichen Betrieb und den bewirtschafteten Grundstücken an. Die Zuschreibung des Erwerbsgrundstücks bewirke überdies keine Aufsplitterung, da sie an die bereits bestehenden Hälfteanteile des geschlossenen Hofes erfolgen solle; der Hof werde damit aufgewertet.

3.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach darlegte, ist es nicht generell denkunmöglich, dass die Begründung von ideellem Miteigentum dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widersprechen kann (vgl. VfSlg. 17.591/2005 mwN). 3.2. Wie der Verfassungsgerichtshof bereits mehrfach darlegte, ist es nicht generell denkunmöglich, dass die Begründung von ideellem Miteigentum dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung oder Stärkung eines leistungsfähigen Bauernstandes bzw. an der Schaffung oder Erhaltung eines wirtschaftlich gesunden land- oder forstwirtschaftlichen Grundbesitzes widersprechen kann vergleiche VfSlg. 17.591/2005 mwN).

Es ist der belangten Behörde jedoch in verfassungsrechtlicher Hinsicht zum Vorwurf zu machen, wenn sie ihrer Beurteilung, ob der Rechtserwerb den Zielsetzungen iSd §6 Abs1 lita TGVG 1996 entspricht, die allgemeine Behauptung, dass die Schaffung ideell geteilten Miteigentums den genannten öffentlichen Interessen widerspreche, zugrunde legt, ohne sich dabei mit dem konkreten Sachverhalt auseinanderzusetzen. Angesichts dessen hätte die LGVK im vorliegenden Fall insbesondere darauf Bedacht zu nehmen gehabt, dass - wie sie selbst im angefochtenen Bescheid feststellte - beide Erwerber bereits Eigentümer je zur Hälfte eines geschlossenen Hofes in Fendels sind, der von ihnen auch bewirtschaftet wird. Darüber hinaus verfügen die Beschwerdeführer über weitere landwirtschaftliche Flächen in Fendels im Miteigentum, wobei laut Beschwerdevorbringen eines dieser Grundstücke direkt an die Erwerbsliegenschaft angrenzt. Warum daher die bestehenden Eigentumsverhältnisse durch die Schaffung von Miteigentum gerade im vorliegenden Fall in eine agrarpolitisch unerwünschte Richtung derart verändert würden, dass die öffentlichen Interessen iSd §6 Abs1 lita TGVG 1996 dem Rechtserwerb entgegenstehen, wurde von der Behörde nicht dargetan und vermag auch der Verfassungsgerichtshof nicht zu erkennen. Unter Bedachtnahme auf den in Fendels bereits bestehenden landwirtschaftlichen Grundbesitz kann aber auch die von der Behörde ins Treffen geführte Entfernung der Kaufliegenschaft zu den Wohnsitzen der Beschwerdeführer allein keine hinreichende und nachvollziehbare Begründung für das Vorliegen eines Widerspruchs zu den Schutzinteressen gemäß §6 Abs1 lita TGVG 1996 bieten.

Indem die belangte Behörde dies verkannte, hat sie die Beschwerdeführer im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz verletzt.

4. Der angefochtene Bescheid war schon aus diesem Grund als verfassungswidrig aufzuheben, ohne dass auf das weitere Beschwerdevorbringen einzugehen war.

IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In demrömisch IV. 1. Die Kostenentscheidung stützt sich auf §88 VfGG. In dem

zugesprochenen Betrag sind ein Streitgenossenzuschlag in Höhe von € 180,-, Umsatzsteuer in Höhe von € 396,- sowie der Ersatz der entrichteten Eingabengebühr in Höhe von € 180,- enthalten.

2. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VfGG ohne mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.

Schlagworte

Grundverkehrsrecht

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2008:B1948.2006

Zuletzt aktualisiert am

18.08.2010
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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