TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/26 99/18/0013

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Veröffentlicht am 26.06.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

ABGB §6;
AsylG 1997 §21 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z1;
FrG 1997 §36 Abs1 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des M, (geb. 1955), vertreten durch Mag. German Bertsch, Rechtsanwalt in 6800 Feldkirch, Saalbaugasse 2, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol vom 19. November 1998, Zl. III 294-1/98, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 41,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Tirol (der belangten Behörde) vom 19. November 1998 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen türkischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und Abs. 2 Z. 7 sowie §§ 37, 38 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot bis zum 19. Oktober 2005 erlassen.

Der Beschwerdeführer sei am 6. September 1998 um ca. 23.00 Uhr über die "grüne Grenze" aus Slowenien in das Bundesgebiet eingereist; "Übertretung des Grenzkontrollgesetzes, § 16 Abs. 1 Z. 2". Er sei - beim anschließenden Aufenthalt in Österreich beim Neffen seiner geschiedenen Frau in Feldkirch - weder im Besitz des erforderlichen gültigen Reisedokumentes noch der erforderlichen österreichischen Aufenthaltsbewilligung gewesen; "Übertretung des Fremdengesetzes, § 107 Abs. 1 Z. 3, Z. 4". Durch seinen Rechtsanwalt habe der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 17. September 1998 beim Bundesasylamt/Außenstelle Innsbruck, eingelangt am 21. September 1998, einen Asylantrag gestellt. Am 12. Oktober 1998 - nach seiner ersten Einvernahme beim Bundesasylamt - sei er von der Erstbehörde in Schubhaft genommen worden.

Das verwaltungsstrafrechtlich relevante Gesamtfehlverhalten "(Übertretung des Grenzkontroll- und Fremdengesetzes; erwiesen durch seine persönlichen niederschriftlichen Angaben vom 12. 10 1998 vor dem Bundesasylamt und vor der Bundespolizeidirektion Innsbruck)" rechtfertige die Annahme (und eine für den Beschwerdeführer negative Zukunftsprognose), dass sein (weiterer) Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde (§ 36 Abs. 1 Z. 1 FrG). Die Mittellosigkeit des Beschwerdeführers gefährde darüber hinaus das wirtschaftliche Wohl des Landes (§ 36 Abs. 1 Z. 2 FrG) und bilde den gesetzlichen Aufenthaltsverbotsgrund des § 36 Abs. 2 Z. 7 FrG. Der Ausnahmetatbestand dieser Gesetzesstelle komme dem Beschwerdeführer nicht zugute, weil er - am 6. September 1998 - nicht rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme in das Bundesgebiet eingereist sei und innerhalb des letzten Jahres im Inland nicht mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen sei. Da sich der Beschwerdeführer nicht nur rechtswidrig im Bundesgebiet aufhalte, sondern auch mittellos sei, werde vom Ermessen des § 36 Abs. 1 FrG zu seinem Nachteil Gebrauch gemacht.

Zum Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers durch das Aufenthaltsverbot werde einerseits auf seinen kurzen, rechtswidrigen Aufenthalt in Österreich hingewiesen (seit 6. September 1998; in Schubhaft seit 12.Oktober 1998), andererseits auf den Umstand, dass der Beschwerdeführer im Bundesgebiet keine relevante privat/familiäre Bindung habe, wie der Erstbescheid richtig feststelle. Aus diesem Sachverhalt könne ohne weiteres der Schluss gezogen werden, dass das Aufenthaltsverbot keinen relevanten Eingriff in das Privat- oder Familienleben des Beschwerdeführers im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG darstelle - dies mit der Folge, dass nicht mehr darauf eingegangen zu werden brauche, ob die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung der im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele dringend geboten sei. Stelle sich aber die Frage, ob ein Aufenthaltsverbot gegen den Beschwerdeführer dringend geboten sei, nicht, so bedürfe es auch keiner Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG, weil diese als die im Verhältnis zu jener des § 37 Abs. 1 leg. cit. speziellere Abwägung nur dann vorzunehmen sei, wenn die Erlassung des Aufenthaltsverbotes als im Sinn des § 37 Abs. 1 leg. cit. dringend geboten erachtet worden sei. Ein Aufenthaltsverbot-Verbotsgrund gemäß § 38 FrG liege im Fall des Beschwerdeführers nicht vor. Die Dauer des Aufenthaltsverbotes entspreche § 39 Abs. 1 FrG und den für seine Erlassung maßgeblichen Umständen ("ist gleich" dem Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers und der sich daraus ergebenden Gefährlichkeit seiner Person für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und für das wirtschaftliche Wohl des Landes) und jenem Zeitraum, innerhalb dessen ein allfälliger, dauerhafter Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes erwartet werden könne. Die belangte Behörde sei der Ansicht, dass bis zum Wegfall des Grundes für die Erlassung des Aufenthaltsverbotes, nämlich der Gefährlichkeit des Beschwerdeführers für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit und für das wirtschaftliche Wohl des Landes, das Verstreichen von sieben Jahren vonnöten sei.

Zum Berufungsvorbringen, dass ein Aufenthaltsverbot nicht gerechtfertigt wäre, solange über den Asylantrag des Beschwerdeführers nicht entschieden wäre, werde auf § 21 Abs. 1 des Asylgesetzes 1997 verwiesen, wonach die Erlassung des Aufenthaltsverbotes gegen den Beschwerdeführer trotz des anhängigen Asylverfahrens zulässig sei. Das Bundesasylamt habe dem Beschwerdeführer keine vorläufige Aufenthaltsberechtigung gemäß § 19 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 bescheinigt, und außerdem habe der Beschwerdeführer den Asylantrag nicht außerhalb einer Vorführung persönlich beim Asylamt eingebracht. § 21 Abs. 2 des Asylgesetzes 1997 gelte, das heiße, dass der Beschwerdeführer bis zum rechtskräftigen Abschluss des Asylverfahrens nicht abgeschoben werden dürfe. Von einer Beschneidung des Beschwerdeführers "im Recht auf Asyl" könne daher keine Rede sein. Das Vorliegen einer rechtskräftigen Bestrafung sei nicht Voraussetzung für die Erlassung eines Aufenthaltsverbotes "gemäß § 36 Abs. 1, Abs. 2 Z. 7 FrG". Daraus, dass die Strafverfügung der Bundespolizeidirektion Innsbruck vom 13. Oktober 1998 gegen den Beschwerdeführer wegen Übertretung des Grenzkontroll-, Fremden- und Meldegesetzes nicht rechtskräftig sei, könne der Beschwerdeführer daher nichts gewinnen. Es sei Sache des Fremden, von sich aus (initiativ) nachzuweisen, dass er über die für seinen Unterhalt erforderlichen Mittel verfüge. Davon, dass der Beschwerdeführer das getan habe, könne keine Rede sein.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes bzw. Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1.1. Gemäß § 36 Abs. 1 FrG kann gegen einen Fremden ein Aufenthaltsverbot erlassen werden, wenn auf Grund bestimmter Tatsachen eine der in den Z. 1 und 2 umschriebenen Annahmen gerechtfertigt ist. Gemäß § 36 Abs. 2 leg. cit. hat als bestimmte Tatsache im Sinn des Abs. 1 insbesondere zu gelten, wenn ein Fremder (Z. 7) den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht nachzuweisen vermag, es sei denn, er wäre rechtmäßig zur Arbeitsaufnahme eingereist und innerhalb des letzten Jahres im Inland mehr als sechs Monate einer erlaubten Erwerbstätigkeit nachgegangen. Nach ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde initiativ, untermauert durch Vorlage entsprechender Bescheinigungsmittel, nachzuweisen, dass er nicht bloß über Mittel zur kurzfristigen Bestreitung seines Unterhaltes verfügt, sondern dass sein Unterhalt für die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes gesichert erscheint. (Vgl. zum Ganzen aus der hg. Rechtsprechung etwa das Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0011, mwH.)

1.2. Gegen die im angefochtenen Bescheid getroffene Annahme, dass der Beschwerdeführer den Besitz der Mittel zu seinem Unterhalt nicht habe nachweisen können, bringt die Beschwerde vor, dass sich ein näher genannter Freund des Beschwerdeführers "mit Erklärung bzw. Bestätigung" vom 16. Oktober 1998 dazu bereit erklärt habe, "für Kost und Logis" des Beschwerdeführers aufzukommen und ihm Unterkunft zu gewähren; ferner habe der Beschwerdeführer in einem näher genannten Ort in Tirol Verwandte, bei denen er wohnen dürfe, und wo er auch seit seiner Enthaftung "um den 12.12.1998" gemeldet sei.

Dieses Vorbringen ist nicht zielführend, sind doch Unterstützungsleistungen, auf die kein Rechtsanspruch besteht, zur Dartuung ausreichender Unterhaltsmittel nicht geeignet (vgl. das schon genannte Erkenntnis Zl. 2003/18/0011). Dass der Beschwerdeführer einen solchen Rechtsanspruch habe, wird von der Beschwerde nicht behauptet. Von daher kann die Auffassung der belangten Behörde, dass der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 7 FrG verwirklicht sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.

Schon in Anbetracht der aus der Mittellosigkeit resultierenden Gefahr der illegalen Mittelbeschaffung und einer finanziellen Belastung einer Gebietskörperschaft (vgl. nochmals das Erkenntnis Zl. 2003/18/0011) begegnet ferner die Auffassung der belangten Behörde, dass die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme im Beschwerdefall gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Der Frage, ob der Beschwerdeführer - wogegen sich die Beschwerde unter Hinweis darauf wendet, dass die diesbezüglichen Verwaltungsstrafverfahren noch nicht rechtskräftig abgeschlossen seien - das Grenzkontrollgesetz bzw. das Fremdengesetz übertreten habe, und auch von daher die Annahme gemäß § 36 Abs. 1 Z 1 FrG gerechtfertigt sei, braucht daher nicht näher nachgegangen werden.

2.1. Der Beschwerdeführer bringt gegen das Aufenthaltsverbot vor allem vor, dass nach wie vor ein Asylverfahren anhängig sei und gute Chancen dafür bestünden, dass ihm Asyl gewährt würde. Das Aufenthaltsverbot sei daher "unzulässig, verfrüht und konventionswidrig". Zudem hätte die belangte Behörde auf das anhängige Asylverfahren näher eingehen und das Aufenthaltsverbotsverfahren in Anbetracht des Asylverfahrens "zumindest" unterbrechen müssen.

2.2. Auch dieses Vorbringen geht fehl. Nach den insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid hat der Beschwerdeführer seinen Asylantrag, nachdem er am 6. September 1998 nach Österreich eingereist war, beim Bundesasylamt/Außenstelle Innsbruck durch seinen Rechtsanwalt mit Schriftsatz vom 17. September 1998 eingebracht. Nach der hg. Rechtsprechung ist aber ein Antrag nur dann als iSd § 21 Abs. 1 Z. 1 AsylG außerhalb einer Vorführung persönlich beim Bundesasylamt eingebracht anzusehen, wenn sich der Asylwerber selbst zum Bundesasylamt begibt und dort einen Asylantrag deponiert (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 2002/18/0202, mwH). Die Einbringung des Asylantrags durch einen Vertreter erfüllt diese Voraussetzung nicht. § 21 Abs. 1 AsylG steht daher dem vorliegenden Aufenthaltsverbot nicht entgegen.

3.1. Der Beurteilung der belangten Behörde, dass § 37 FrG die Verhängung des Aufenthaltsverbotes nicht hindere, tritt der Beschwerdeführer mit dem Vorbringen entgegen, dass ein Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben durch das Aufenthaltsverbot allein schon deswegen vorliege, weil er um Asyl angesucht habe und das Asylverfahren beim Bundesasylamt nach wie vor anhängig sei. Nach Auffassung des Beschwerdeführers sei der mit dem Aufenthaltsverbot verbundene Eingriff in seine persönlichen Interessen an einem Verbleib in Österreich im Licht des Art. 8 EMRK "keinesfalls zulässig".

3.2. Auch mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf. Angesichts des auf dem Boden der diesbezüglich unbestrittenen Feststellungen von seiner Einreise bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten am 24. November 1998) liegenden ganz kurzen Zeitraums in der Dauer von 12 Wochen und einem Tag kann die Auffassung der belangten Behörde, dass mit dem Aufenthaltsverbot kein relevanter Eingriff in das Privat- bzw. Familienleben des Beschwerdeführers verbunden sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden. Seinem Hinweis auf das noch nicht abgeschlossene Asylverfahren sind die Ausführungen unter II. 2.2 entgegenzuhalten, weshalb sich aus diesem auch unter dem Blickwinkel der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Verbleib in Österreich nichts gewinnen lässt.

4. Nach dem Gesagten erweist sich die Beschwerde als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

5. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Juni 2003

Schlagworte

Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Bindung an den Wortlaut des Gesetzes VwRallg3/2/1

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180013.X00

Im RIS seit

18.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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