TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/26 98/18/0414

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Veröffentlicht am 26.06.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

FrG 1997 §57 Abs1;
FrG 1997 §57 Abs2;
FrG 1997 §75 Abs1;
FrG 1997 §75 Abs3;
MRK Art3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der A in Wien, geboren 1947, vertreten durch Mag. Nadja Lorenz, Rechtsanwältin in 1070 Wien, Kirchengasse 19, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Mai 1998, Zl. SD 1087/97, betreffend Feststellung gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. Mai 1998 wurde auf Grund des Antrags der Beschwerdeführerin, einer Staatsangehörigen des Iran, vom 10. Juli 1997 gemäß § 75 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, festgestellt, dass keine stichhaltigen Gründe für die Annahme bestünden, dass die Beschwerdeführerin im Iran gemäß § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 leg. cit. bedroht sei.

Begründend führte die belangte Behörde aus, dass die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides der Bundespolizeidirektion Wien vom 14. Juli 1997 im Ergebnis auch für die Berufungsentscheidung maßgebend seien.

Im erstinstanzlichen Bescheid wurde Folgendes ausgeführt: Die Beschwerdeführerin habe ihren Antrag im Wesentlichen damit begründet, dass sie im Jahr 1993 ihr Heimatland verlassen habe. Sie verstoße gegen iranisches Recht, weil sie sich derzeit unerlaubt im Bundesgebiet befinde. Im Fall einer Rückkehr in ihr Heimatland hätte die Beschwerdeführerin mit ihrer Inhaftierung und damit auch mit Folter und mit unmenschlicher Behandlung zu rechnen. Die Beschwerdeführerin habe keine konkreten Verfolgungshandlungen der iranischen Behörde gegen sie vorgebracht. Dem rechtskräftig negativ abgeschlossenen Asylverfahren sei zu entnehmen, dass die Beschwerdeführerin deshalb aus ihrem Heimatland geflüchtet sei, weil ihr Gatte, der nach wie vor im Iran lebe, nach dem Sturz des Schah-Regimes seine Arbeit als Regierungsangestellter verloren habe. Auch im Asylverfahren habe die Beschwerdeführerin keine gegen ihre Person gerichteten Verfolgungshandlungen geltend gemacht. Ihrem Vorbringen habe sich lediglich entnehmen lassen, dass sie in ihrer Heimat mit wirtschaftlichen Problemen zu kämpfen gehabt habe. Ihr Vorbringen, dass ihr unerlaubter Aufenthalt im Bundesgebiet ein Verstoß gegen iranisches Recht darstelle, könne nicht als glaubwürdig erachtet werden.)

Die belangte Behörde führte aus, dass die Beschwerdeführerin (in ihrer Berufung) vorgebracht habe, dass sie auf Grund ihrer unerlaubten Ausreise als verheiratete Frau ohne Einwilligung ihres Ehemannes mit schweren Konsequenzen nach iranischem Recht zu rechnen hätte. In ihrer Einvernahme vor dem Bundesasylamt am 2. März 1993 habe die Beschwerdeführerin (hingegen) angegeben, dass eine Flucht für die ganze Familie zu teuer gewesen wäre. Ihr Ehemann hätte gewusst, wo sie sich jetzt befände, und würde früher oder später nachkommen. Sie hätte sich schon lange mit der Absicht getragen, den Iran für immer zu verlassen, weil sie und ihre Familie nicht länger im Iran "dahinvegetieren" wollten. Nach dem Sturz des Schah-Regimes wäre ihr Gatte als Regierungsangestellter abgesetzt worden. Seit diesem Zeitpunkt wäre er arbeitslos gewesen. Zunächst von Ersparnissen lebend hätte sie sich anschließend zur Flucht - nach Kanada - entschlossen, um sich dort eine Existenz aufzubauen.

Für eine Verfolgung der Beschwerdeführerin wegen unerlaubter Ausreise aus dem Iran - so führte die belangte Behörde weiter aus -

gebe es keine Anzeichen. Generell müsse festgehalten werden, dass iranische Behörden bei verschiedenen Gelegenheiten bekannt gegeben hätten, dass es allen Iranern, die das Land verlassen hätten und nicht in terroristische Aktivitäten verwickelt wären, frei stünde, zurückzukehren. Viele Iraner, die im Ausland lebten und keinen gültigen iranischen Reisepass hätten, reisten freiwillig und ohne die geringsten Schwierigkeiten auf Grund eines durch die iranische Vertretung im Ausland ausgestellten Passierscheines in den Iran. Die Tatsache, dass jemand im Ausland Asyl beantragt habe, werde von den iranischen Behörden nicht als politischer Akt angesehen und stelle an sich keine strafbare Handlung dar. Es gebe keine Anzeichen dafür, dass Iraner, die in Österreich Asyl beantragt hätten, irgendwelche Schwierigkeiten mit den iranischen Behörden bekommen hätten. Eine illegale Ausreise aus dem Iran werde nicht bestraft.

Dem Vorbringen der Beschwerdeführerin, auf Grund ihrer kurdischen Volkszugehörigkeit und ihrer vergangenen Tätigkeiten als Regimekritikerin müsste sie bei ihrer Rückkehr unmenschliche Behandlung, Folter und Vergewaltigung im Zuge ihrer Verhaftung befürchten, sei entgegenzuhalten, dass sie im erstinstanzlichen Asylverfahren angegeben hätte, nie politische Probleme gehabt zu haben und auch nie von (iranischen) Behörden verfolgt worden zu sein. Erst am 25. April 1997 habe sie im fremdenpolizeilichen Verfahren eine solche Verfolgung behauptet. Weder in ihrem Feststellungsantrag noch in ihrer Berufung habe sie aber dazu konkrete Angaben gemacht, sondern lediglich auf eine Fülle von Berichten und Dokumenten verwiesen. Aus allgemeinen Berichten bzw. Gutachten über die Situation im Heimatstaat der Beschwerdeführerin könne jedoch für ihre persönlichen Bedrohungsgründe nichts gewonnen werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die inhaltliche Rechtswidrigkeit und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde als unbegründet abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes hat der Fremde im Rahmen eines Feststellungsverfahrens nach § 75 FrG das Bestehen einer aktuellen, also im Fall seiner Abschiebung in den von seinem Antrag erfassten Staat dort gegebenen, durch staatliche Stellen zumindest gebilligten oder infolge nicht ausreichenden Funktionierens der Staatsgewalt nicht abwendbaren Bedrohung im Sinn des § 57 Abs. 1 oder Abs. 2 FrG glaubhaft zu machen, wobei diese aktuelle Bedrohungssituation mittels konkreter, die Person des Fremden betreffender, durch entsprechende Bescheinigungsmittel untermauerter Angaben darzutun ist. Ebenso wie im Asylverfahren ist auch im Verfahren gemäß § 75 FrG die konkrete Einzelsituation in ihrer Gesamtheit, gegebenenfalls vor dem Hintergrund der allgemeinen Verhältnisse, in Form einer Prognose für den gedachten Fall der Abschiebung des Antragstellers in diesen Staat zu beurteilen. Für diese Beurteilung ist nicht unmaßgeblich, ob etwa allenfalls gehäufte Verstöße der im § 57 Abs. 1 FrG umschriebenen Art durch den genannten Staat bekannt geworden sind. (Vgl. zum Ganzen etwa das Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 99/18/0423, mwN.)

Die bloße Möglichkeit einer Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung in jenem Staat, in den ein Fremder abgeschoben werden soll, genügt allerdings nicht, um die Abschiebung des Fremden in diesen Staat unter dem Gesichtspunkt des § 57 FrG als unzulässig erscheinen zu lassen (vgl. auch dazu das vorzitierte Erkenntnis).

2.1. Aus dem Protokoll über die Vernehmung der Beschwerdeführerin im Asylverfahren am 2. März 1993 ergibt sich, dass sie dort deponiert hat, im Iran keine Probleme auf Grund ihres Glaubens und keine politischen Probleme gehabt zu haben. Eine Flucht für die ganze Familie wäre zu teuer gewesen. Ihr Gatte wisse, wo sie sich befände, er werde sicher früher oder später nachkommen. Ihr Gatte und sie hätten sich schon lange mit der Absicht getragen, das Land für immer zu verlassen, weil sie im Iran nicht länger "dahinvegetieren" wollten. Sie hätten zuletzt keine Hoffnung mehr gehabt und die letzten Ersparnisse für ihre Flucht verwendet.

Die Beschwerdeführerin behauptet nicht, dass ihre Angaben im Asylverfahren vom 2. März 1993 unrichtig wiedergegeben worden seien, und sie bestreitet auch nicht die von der belangten Behörde getroffene Feststellung, die Beschwerdeführerin habe dort angegeben, dass bislang keine sie betreffenden konkreten Verfolgungshandlungen staatlicher Behörden stattgefunden hätten. Erst in der Berufung hat sie behauptet, im Iran dürfe eine verheiratete Frau nur mit schriftlicher Zustimmung ihres Ehemannes das Land verlassen, sie habe vor ihrer Flucht aus dem Iran keine Gelegenheit mehr gehabt, ihren Mann zu sehen, und sie habe nicht einmal gewusst, ob er nicht auch verhaftet worden oder überhaupt noch am Leben sei. Daher habe sie mit gefälschten Dokumenten und ohne schriftliche Zustimmungserklärung ihres Mannes den Iran verlassen müssen. Dies sei den iranischen Behörden bekannt.

Wenn die belangte Behörde in Anbetracht dieser unterschiedlichen Darstellung den erst in der genannten Berufung erhobenen Behauptungen keinen Glauben geschenkt hat, so begegnet die Beweiswürdigung im Rahmen der dem Verwaltungsgerichtshof zukommenden Überprüfungsbefugnis (vgl. etwa das Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 3. Oktober 1985, Zl. 85/02/0053) keinen Bedenken. Es kann daher auf sich beruhen, ob und wenn ja, welche Bestrafung eine Ehefrau im Iran befürchten muss, die sich ohne Zustimmung ihres Ehemannes unter Mitnahme ihres minderjährigen Sohnes ins Ausland begeben hat. Auch das in keiner Weise konkretisierte Vorbringen der Beschwerdeführerin in ihrer Berufung betreffend ihre "vergangenen Tätigkeiten als Regimegegnerin" steht in Widerspruch zu ihrem Vorbringen im Asylverfahren. Der belangten Behörde kann nicht entgegengetreten werden, wenn sie auch dies als unglaubwürdig erachtet hat.

2.2. Bei ihrer Feststellung, dass die bloße illegale Ausreise aus dem Iran dort nicht bestraft werde, konnte sich die belangte Behörde auf eine gemäß § 75 Abs. 3 FrG eingeholte Stellungnahme des Bundesasylamtes vom 17. April 1998 stützen. Die Beschwerdeführerin, die vorbringt, keine Gelegenheit erhalten zu haben, zu diesem Ermittlungsergebnis Stellung zu nehmen, führt dazu in ihrer Beschwerde lediglich aus, es könne bei Rückkehr in den Iran "zumindest nicht ausgeschlossen werden", dass es zu "Gefahrenlagen im Sinn von Art. 3 EMRK kommt". Dies unter Berufung auf ein mit der Beschwerde vorgelegtes Schreiben des Hochkommissärs der Vereinten Nationen für die Flüchtlinge vom 23. August 1997, in dem ausgeführt wird, allein die Tatsache einer Asylantragstellung im Ausland "kann im Fall des Bekanntwerdens den Verdacht auf Regimegegnerschaft auslösen und in weiterer Folge zu Verfolgungshandlungen im Sinn von Art. 3 MRK führen." Da - wie erwähnt - die bloße Möglichkeit einer dem Art. 3 EMRK widersprechenden Behandlung des Fremden in jenem Staat, in den er abgeschoben wird, eine Abschiebung unter dem Blickwinkel des § 57 FrG nicht als unzulässig erscheinen lässt, vermag die Beschwerdeführerin mit diesem Vorbringen eine Relevanz des vorgeworfenen Verfahrensmangels der Verletzung des Parteiengehörs nicht aufzuzeigen.

3. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.

4. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 26. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1998180414.X00

Im RIS seit

24.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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