TE Vwgh Erkenntnis 2003/6/26 2003/18/0123

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Veröffentlicht am 26.06.2003
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Index

19/05 Menschenrechte;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;

Norm

AsylG 1997 §21 Abs1;
AsylG 1997 §21 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z2;
FrG 1997 §36 Abs2 Z8;
FrG 1997 §36 Abs4;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
MRK Art8 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde der M, geboren 1958, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hadikgasse 104, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. März 2003, Zl. SD 957/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. März 2003 wurde gegen die Beschwerdeführerin, eine rumänische Staatsangehörige, gemäß § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z 2 und Z 8 iVm Abs. 4 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von fünf Jahren erlassen.

Die Beschwerdeführerin sei erstmals im Dezember 1995 nach Österreich eingereist. Auf Grund ihrer Mittellosigkeit sei mit Bescheid vom 15. April 1996 gegen sie ein Aufenthaltsverbot in der Dauer von fünf Jahren erlassen worden. Noch bevor die Beschwerdeführerin in ihr Heimatland habe abgeschoben werden können, sei sie am 21. April 1996 wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft entlassen worden. In weiterer Folge sei die Beschwerdeführerin am 22. August 1996, am 19. Oktober 1996, am 22. November 1996, am 19. August 1997, am 4. April 1998, am 19. Februar 1999 und am 31. Oktober 2001 festgenommen worden. Sie habe jedoch nur am 23. Oktober 1996 und am 4. September 1997 in ihre Heimat abgeschoben werden können, weil sie in allen anderen Fällen jeweils wegen Haftunfähigkeit aus der Schubhaft habe entlassen werden müssen.

Insgesamt sei die Beschwerdeführerin während ihrer Aufenthalte in Österreich sechsmal rechtskräftig wegen unrechtmäßigen Aufenthalts bestraft worden. Diese Bestrafungen seien am 29. April 1996, am 1. September 1996, am 5. November 1996, am 4. September 1997, am 21. April 1998 und zuletzt am 9. März 1999 erfolgt. Darüber hinaus sei die Beschwerdeführerin am 4. September 1997 wegen einer Übertretung des Meldegesetzes rechtskräftig bestraft worden.

Am 8. Dezember 1996 sei die Beschwerdeführerin gemäß §§ 223 Abs. 2, 224 StGB zu einer bedingt nachgesehenen Freiheitsstrafe von zwei Monaten rechtskräftig verurteilt worden. Dieser Verurteilung liege zu Grunde, dass sich die Beschwerdeführerin am 22. November 1996 mit einem durch Austausch des Lichtbildes verfälschten ungarischen Reisepass, der auf eine andere Person gelautet habe, gegenüber einem Polizeibeamten ausgewiesen habe.

Am 19. August 1997 sei die Beschwerdeführerin von Beamten der Bundespolizeidirektion Wien in einem Cafehaus am Neubaugürtel dabei betreten worden, wie sie hinter der Schank stehend Getränke ausgeschenkt und Geld kassiert habe. Mit Schreiben vom 21. Februar 2003 habe das Hauptzollamt Wien bestätigt, dass es sich bei dieser Tätigkeit der Beschwerdeführerin um eine bewilligungspflichtige Beschäftigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz gehandelt habe, für die Beschwerdeführerin jedoch keine Bewilligung erteilt worden sei. Diesbezüglich sei die handelsrechtliche Geschäftsführerin der Arbeit gebenden Gesellschaft gemäß § 28 Abs. 1 Z 1 lit. a iVm § 3 Abs. 1 Ausländerbeschäftigungsgesetz rechtskräftig bestraft worden, weil sie die Beschwerdeführerin als Kellnerin beschäftigt habe, obwohl weder eine gültige Beschäftigungsbewilligung erteilt noch eine Anzeigenbestätigung oder eine Arbeitserlaubnis oder ein Befreiungsschein ausgestellt worden sei.

Am 7. August 1998 habe die Beschwerdeführerin einen Asylantrag gestellt, welcher am 22. Februar 1999 als offensichtlich unbegründet abgewiesen worden sei. Eine gegen diese Entscheidung eingebrachte Berufung sei derzeit beim unabhängigen Bundesasylsenat anhängig.

Es könne kein Zweifel bestehen, dass die Beschwerdeführerin "sowohl den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z 1 FrG, als auch jenen des § 36 Abs. 2 Z 8 i.V.m. Abs. 4 FrG erfüllt hat".

Dem öffentlichen Interesse an der Wahrung eines geordneten Arbeitsmarktes komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Jede Verletzung der zwingenden Bestimmungen des Ausländerbeschäftigungsgesetzes schädige staatliche und privatwirtschaftliche Interessen in erheblichem Ausmaß. Dadurch komme es zu einer Verzerrung des Wettbewerbes und einer Störung des Arbeitsmarktes. Dieses öffentliche Interesse habe die Beschwerdeführerin durch ihr Fehlverhalten gefährdet. Darüber hinaus habe die Beschwerdeführerin das öffentliche Interesse an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdwesens durch ihr Fehlverhalten in gravierender Weise beeinträchtigt. Es sei daher die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt.

Die Beschwerdeführerin befinde sich seit Ende 1995 mit mehreren Unterbrechungen im Bundesgebiet. Sie verfüge über keine familiären Bindungen im Inland. Das Aufenthaltsverbot sei dennoch mit einem relevanten Eingriff in das Privatleben verbunden. Diese Maßnahme sei jedoch zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, Verhinderung von Schwarzarbeit) dringend geboten und daher im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zulässig. Die zahlreichen Bestrafungen der Beschwerdeführerin verdeutlichten augenfällig, dass sie nicht gewillt sei, die fremdenrechtlichen Normen ihres Gastlandes einzuhalten. Von daher gesehen könne eine Verhaltensprognose nicht positiv ausfallen.

Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 2 FrG sei auf den langjährigen inländischen Aufenthalt der Beschwerdeführerin Bedacht zu nehmen. Dabei sei aber zu berücksichtigen, dass dieser Aufenthalt zumindest seit Anfang 1996 unrechtmäßig sei und von zahlreichen Unterbrechungen (Wiedereinreise der Beschwerdeführerin ins Bundesgebiet nach eigenen Angaben am 15. Juli 1996, am

11. oder 15. Oktober 1996 und Ende 1997 bzw. am 27. Dezember 1997) gekennzeichnet sei. Der daraus ableitbaren Integration komme kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch das strafbare Verhalten der Beschwerdeführerin erheblich gemindert werde. Den - solcherart geschmälerten - privaten Interessen stünden die genannten - hoch zu veranschlagenden - öffentlichen Interessen gegenüber. Die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin wögen keinesfalls schwerer als die gegenläufigen öffentlichen Interessen.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Auf Grundlage der unstrittigen Feststellungen im angefochtenen Bescheid sind die von der belangten Behörde im Spruch ihres Bescheides herangezogenen Tatbestände des § 36 Abs. 2 Z 2 und § 36 Abs. 2 Z 8 iVm Abs. 4 FrG erfüllt. Bei der Zitierung von § 36 Abs. 2 Z 1 FrG anstelle von § 36 Abs. 2 Z 2 leg. cit. in der Bescheidbegründung handelt es sich um eine offenbar auf einem Versehen beruhende Unrichtigkeit, durch die die Beschwerdeführerin nicht in Rechten verletzt wird.

2. Der inländische Aufenthalt der erstmals im Dezember 1995 nach Österreich eingereisten Beschwerdeführerin ist - was in der Beschwerde nicht bekämpft wird - seit Anfang 1996 nicht berechtigt. Die Beschwerdeführerin hat diesen Aufenthalt trotz rechtskräftiger Verhängung eines Aufenthaltsverbots und sechsmaliger Bestrafung aufrecht gehalten. Mangels freiwilliger Ausreise wurde sie zweimal abgeschoben; sie ist danach jedesmal wieder - illegal - in das Bundesgebiet zurückgekehrt. Dieses Verhalten stellt eine gravierende Beeinträchtigung des großen öffentlichen Interesses an der Einhaltung der die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften dar.

Die Beschwerdeführerin hat am 19. August 1997 eine Beschäftigung ohne die dafür erforderliche Berechtigung nach dem Ausländerbeschäftigungsgesetz ausgeübt. Damit hat sie das große öffentliche Interesse an der Verhinderung von Schwarzarbeit beeinträchtigt. Eine weitere Gefährdung öffentlicher Interessen geht von der Beschwerdeführerin deshalb aus, weil sie sich unstrittig gegenüber einem Polizeibeamten mit einem durch Austausch des Lichtbildes verfälschten Reisepass ausgewiesen hat.

Aus diesen Gründen begegnet die von der belangten Behörde - entgegen der Beschwerde - ausschließlich auf das der Beschwerdeführerin zurechenbare persönliche Fehlverhalten gestützte Ansicht, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken.

3. Aus den zutreffenden Gründen des angefochtenen Bescheides ist auch die - nicht bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass das Aufenthaltsverbot zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens und des Arbeitsmarktes, Verhinderung strafbarer Handlungen) dringend geboten sei (§ 37 Abs. 1 FrG) und die Auswirkungen dieser Maßnahme auf die Lebenssituation der Beschwerdeführerin nicht schwerer wögen als die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von ihrer Erlassung (§ 37 Abs. 2 leg. cit.), unbedenklich.

4. Entgegen der Beschwerdemeinung ist die Verhängung eines Aufenthaltsverbots während des anhängigen Asylverfahren nicht "evident widersprüchlich", ist doch das FrG nach § 21 Abs. 1 Asylgesetz 1997 - mit Ausnahme von hier nicht relevanten Bestimmungen - auch auf Asylwerber anzuwenden. Gemäß § 21 Abs. 2 Asylgesetz 1997 ist die Beschwerdeführerin jedoch während des Asylverfahren vor einer Abschiebung - in Vollziehung des vorliegenden Aufenthaltsverbotes - geschützt.

5. Da nach dem Gesagten bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

Wien, am 26. Juni 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003180123.X00

Im RIS seit

09.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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