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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
FrG 1997 §23 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des J, geboren 1946, vertreten durch Dr. Erich Proksch, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Auhofstraße 1, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 19. März 2003, Zl. SD 934/02, betreffend Ausweisung, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 19. März 2003 wurde der Beschwerdeführer, ein jugoslawischer Staatsangehöriger, gemäß § 33 Abs. 1 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ausgewiesen.
Der Beschwerdeführer sei am 11. Juni 2001 mit einem bis zum 6. Juli 2001 gültigen Touristenvisum nach Österreich eingereist und habe am 27. Juni 2001 einen Asylantrag gestellt, über den seit 11. Jänner 2002 rechtskräftig negativ entschieden sei. Da er seither nicht im Besitz eines Aufenthaltstitels für Österreich sei, sei sein Aufenthalt im Bundesgebiet unrechtmäßig, weshalb die Voraussetzungen zur Erlassung der Ausweisung - vorbehaltlich der Bestimmung des § 37 Abs. 1 FrG - im Grund des § 33 Abs. 1 leg. cit. gegeben gewesen seien.
Wenn der Beschwerdeführer vorbringe, Österreich wäre - ungeachtet des Umstandes, dass er das Bundesgebiet 1995 bis zu seiner Einreise im Juni 2001 verlassen gehabt hätte - seit 1972 sein Lebensmittelpunkt und es wäre deshalb ein von ihm gestellter Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels als Verlängerungsantrag anzusehen, so erweise sich dies als unzutreffend und nicht geeignet, die Unrechtmäßigkeit seines Aufenthaltes in Österreich zu relativieren. Dieser Antrag auf Erteilung eines Aufenthaltstitels sei nämlich zwischenzeitig gemäß § 14 Abs. 2, § 10 Abs. 1 Z. 2 FrG rechtskräftig abgewiesen worden, und einer dagegen eingebrachten höchstgerichtlichen Beschwerde sei ebenfalls keine Folge gegeben worden. Damit stehe unumstößlich fest, dass es sich bei dem vom Beschwerdeführer gestellten Antrag um einen Erstantrag gehandelt habe, der ihm eine Legalisierung seines Aufenthalts in Österreich nicht ermögliche. Das diesbezügliche Berufungsvorbringen gehe sohin ins Leere.
Der Beschwerdeführer sei ledig und habe keine Sorgepflichten. Familiäre Bindungen im Bundesgebiet bestünden nicht. Sofern daher überhaupt von einem mit der Ausweisung verbundenen Eingriff in sein Privatleben ausgegangen werden könne, sei dieser Eingriff jedenfalls zulässig, weil er zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele - hier: zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens - dringend geboten sei. Gerade den die Einreise und den Aufenthalt regelnden Vorschriften und deren Befolgung durch den Normadressaten komme aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung ein besonders hoher Stellenwert zu. Gegen dieses Interesse habe der Beschwerdeführer durch seinen mittlerweile etwa 20-monatigen, zum überwiegenden Teil unrechtmäßigen Aufenthalt gravierend verstoßen. Der Beschwerdeführer sei auch rechtens nicht in der Lage, seinen Aufenthalt in Österreich vom Inland aus zu legalisieren. Es könne daher kein Zweifel bestehen, dass die Erlassung der Ausweisung dringend geboten und sohin zulässig im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG sei.
Abgesehen davon, dass bei einer auf § 33 Abs. 1 FrG gestützten Ausweisung eine Interessenabwägung im Sinn des § 37 Abs. 2 leg. cit. nicht zu erfolgen habe, stelle der vom Beschwerdeführer geltend gemachte Voraufenthalt bis 1995 mit dem gegenständlichen Aufenthalt angesichts seiner langjährigen Abwesenheit keine Einheit dar, weshalb dieser Voraufenthalt auch aus diesem Grund bei den nach § 37 Abs. 1 leg. cit. anzustellenden Überlegungen nicht zu berücksichtigen gewesen sei.
Mangels sonstiger, besonders zu seinen Gunsten sprechender Umstände habe die belangte Behörde auch keine Veranlassung gesehen, von der Erlassung der Ausweisung im Rahmen des ihr zustehenden Ermessens Abstand zu nehmen.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen, dass über den vom Beschwerdeführer am 27. Juni 2001 gestellten Asylantrag negativ entschieden wurde (rechtskräftig seit 11. Jänner 2002) und er über keinen Aufenthaltstitel verfügt. Auf dem Boden dieser Feststellungen begegnet die - unbekämpfte - Auffassung der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer sich unrechtmäßig im Bundesgebiet aufhalte und daher die Tatbestandsvoraussetzung des § 33 Abs. 1 FrG erfüllt sei, keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde vertritt indes die Auffassung, dass die Ausweisung des Beschwerdeführers infolge seiner Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 35 FrG unzulässig sei, und bringt vor, dass er sich vom 10. Jänner 1972 bis Ende 1995 auf Grund von Aufenthaltsbewilligungen in Österreich aufgehalten habe, hier in dieser Zeit erlaubt beschäftigt und voll integriert gewesen sei und Ende 1995 urlaubsbedingt nach Jugoslawien gereist sei. Dort sei er sofort zum Militärdienst eingezogen und Anfang 1996 vom Kriegsdienst entlassen worden. Zwar habe er sich danach wegen der Kriegswirren, des erforderlichen Wiederaufbaus und des Hauses seiner Eltern noch ca. vier Jahre lang weiterhin in Jugoslawien aufgehalten, er habe in dieser Zeit jedoch nie seinen Niederlassungswillen und seine sozialen Bindungen in Österreich aufgegeben und sei regelmäßig hieher gekommen, insbesondere um seinen früheren Dienstgeber zu besuchen. Diese Aufenthaltsverfestigung infolge seines knapp 24-jährigen Aufenthalts im Bundesgebiet könne nicht durch einen viereinhalbjährigen Auslandsaufenthalt "aufgeweicht" werden.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Wie der Verwaltungsgerichtshof bereits wiederholt ausgeführt hat (vgl. etwa das denselben Beschwerdeführer betreffende Erkenntnis vom 31. Oktober 2002, Zl. 2002/18/0229, mwN), kann ein Fremder nicht durch bloße Aufrechterhaltung seines Niederlassungswillens eine Niederlassung im Bundesgebiet auf Dauer beibehalten. Maßgebend ist vielmehr, dass er seine tatsächliche Niederlassung, sei es auch mit kurzfristigen Unterbrechungen seiner körperlichen Anwesenheit, aufrecht erhält.
Im vorliegenden Fall kann von einer Aufrechterhaltung der Niederlassung auf Dauer im vorgenannten Sinn keine Rede sein, und zwar auch dann nicht, wenn der Beschwerdeführer, um seinen früheren Arbeitgeber oder Bekannte zu besuchen, regelmäßig nach Österreich gekommen sein sollte. Diese von der Beschwerde behaupteten Sozialkontakte des Beschwerdeführers in Österreich können für sich allein nicht die Annahme begründen, dass er nach seiner Ausreise Ende 1995 auf Dauer hier niedergelassen geblieben sei. Auch behauptet die Beschwerde nicht, dass er während seines Auslandsaufenthaltes etwa in Österreich eine Wohnung beibehalten habe. Ferner ist für den Standpunkt der Beschwerde durch ihren Hinweis auf das hg. Erkenntnis vom 8. September 2000, Zl. 2000/19/0017, schon deshalb nichts gewonnen, weil in dem diesem Erkenntnis zu Grunde liegenden Beschwerdefall sich die langjährig in Österreich niedergelassene Beschwerdeführerin nur ca. ein Dreivierteljahr in Jugoslawien aufgehalten hatte und sie ihre (gesundheitsbedingte) Abhängigkeit von ihrer in Österreich zurückgebliebenen Familie behauptet hatte, weshalb nicht ohne weitere Ermittlungen von einer Aufgabe ihrer Niederlassung in Österreich ausgegangen werden konnte. Dieser Beschwerdefall ist daher mit dem vorliegenden nicht vergleichbar. (Vgl. zum Ganzen nochmals das zitierte Erkenntnis Zl. 2002/18/0229.)
Ebenso ist der dem hg. Erkenntnis vom 9. September 1999, Zl. 96/21/0862, zu Grunde liegende Beschwerdefall, den die Beschwerde ins Treffen führt, mit dem vorliegenden nicht vergleichbar, weil - abgesehen davon, dass dort nach dem Fremdengesetz aus 1992 keine Aufenthaltsverfestigung im vorgenannten Sinn zum Tragen kam - sich der Beschwerdeführer in jenem Beschwerdefall nach einer rund zweijährigen Unterbrechung seines inländischen Aufenthaltes von 1970 bis 1972 bis zu seiner Ausweisung im Jahr 1996 durchgehend, somit nach seiner Wiedereinreise 24 Jahre lang, im Bundesgebiet aufgehalten hatte, weshalb die Erlassung der Ausweisung gemäß § 19 des Fremdengesetzes aus 1992 nicht dringend geboten und daher unzulässig war.
3. Im Rahmen ihrer Beurteilung gemäß § 37 Abs. 1 FrG hat die belangte Behörde die Auffassung vertreten, dass unter der Annahme eines mit der Ausweisung verbundenen relevanten Eingriffs in das Privatleben des Beschwerdeführers diese Maßnahme zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen, nämlich zur Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung auf dem Gebiet des Fremdenwesens, dringend geboten sei. Den aus dem inländischen Aufenthalt resultierenden persönlichen Interessen des Beschwerdeführers steht das öffentliche Interesse an der Beendigung seines Aufenthaltes gegenüber. Nach ständiger hg. Rechtsprechung (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. März 2003, Zl. 2003/18/0050) kommt den die Einreise und den Aufenthalt von Fremden regelnden Vorschriften aus der Sicht des Schutzes und der Aufrechterhaltung der öffentlichen Ordnung (Art. 8 Abs. 2 EMRK) ein hoher Stellenwert zu. Dieses öffentliche Interesse hat der Beschwerdeführer durch seinen seit 11. Jänner 2002 (Eintritt der Rechtskraft des abweislichen Asylbescheides) unrechtmäßigen Aufenthalt von mehr als 14 Monaten erheblich beeinträchtigt.
Im Hinblick darauf kann die Ansicht der belangten Behörde im Grund des § 37 Abs. 1 FrG - selbst wenn man bei dieser Beurteilung den inländischen Voraufenthalt des Beschwerdeführers bis Ende 1995 miteinbezöge - nicht als rechtswidrig erkannt werden. Wenn die Beschwerde vorbringt, dass der Beschwerdeführer nicht erst am 11. Juni 2001, sondern bereits am 18. August 2000 in das Bundesgebiet eingereist sei, so führt dieses Vorbringen zu keiner anderen Beurteilung, wäre doch bei Zutreffen dieser Behauptung auf dem Boden der insoweit unbestrittenen Feststellungen, dass der Beschwerdeführer (erst) am 27. Juni 2001 den Asylantrag gestellt und das ihm ausgestellte Touristenvisum bis 6. Juli 2001 Gültigkeit gehabt hat (zur gesetzlichen Gültigkeitsdauer vgl. § 6 Abs. 3 und 5 FrG), sein vor dem Beginn der Gültigkeitsdauer dieses Visums gelegener Aufenthalt im Bundesgebiet jedenfalls unrechtmäßig gewesen. Ebenso macht die Beschwerde mit der Behauptung, dass der Beschwerdeführer bei einer Rückkehr nach Jugoslawien auf unbestimmte Zeit zum Militärdienst verpflichtet und von den Behörden schikaniert werden würde, schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil das Vorliegen von Gründen im Sinn des § 57 Abs. 1 oder 2 FrG nicht im Verfahren zur Erlassung einer Ausweisung, sondern in einem gesonderten Verfahren nach § 75 FrG oder § 56 Abs. 2 leg. cit. zu prüfen ist.
4. Schließlich kann der Verwaltungsgerichtshof auch nicht finden, dass der belangten Behörde bei ihrer Entscheidung ein (materieller) Ermessensfehler unterlaufen sei, macht die Beschwerde doch nichts geltend, was gewichtig gegen die Ausweisung des Beschwerdeführers spräche, und treten auch aus dem angefochtenen Bescheid keine Aspekte hervor, die eine Ausübung des der belangten Behörde gemäß § 33 Abs. 1 FrG eingeräumten Ermessens zu Gunsten des Beschwerdeführers geboten hätten.
5. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 26. Juni 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180125.X00Im RIS seit
22.07.2003