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90 Straßenverkehrsrecht, KraftfahrrechtNorm
B-VG Art18 Abs2Leitsatz
Keine Gesetzwidrigkeit einer KurzparkzonenV; keine Verpflichtung der Anhörung der Berufsgruppe der Rechtsanwälte mangels spezifischer Interessenbetroffenheit aufgrund fehlender "Behördenkonzentration"Spruch
Der Antrag wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Der Gemeinderat der Stadt Villach (einstimmiger Beschluß des durch Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 5. Dezember 1986, mit der einzelne Angelegenheiten der örtlichen Straßenpolizei nach §94 litd StVO 1960 gemäß §30
Abs6 des Villacher Stadtrechtes, LGBl. Nr. 2/1966, dem Stadtsenat übertragen wurden, zuständigen Stadtsenates vom 1. April 1992) erließ am 18. Februar 1993 zu ZIC/Str-5/1993 gemäß den §§25, 43, 44 iVm. §94 litd Abs3 StVO 1960 eine Kurzparkzonenverordnung für den Innenstadtbereich der Stadt Villach.
Die Verordnung hat folgenden Wortlaut:
"V e r o r d n u n g
Gemäß den §§25, 43, 44 leg.cit. in Verbindung mit §94 litd Abs3 der Straßenverkehrsordnung 1960, BGBl. Nr. 159 idgF, wird folgende Verkehrsregelung verfügt:
§1
Die laut beiliegendem Plan, Maßstab 1 : 2.500, Plan Nr. 2275, grau ausgewiesenen Gebiete werden zu gebührenpflichtigen Kurzparkzonen mit einer Parkdauer von zwei Stunden, werktags Montag bis Freitag in der Zeit von 8.00 - 18.00 Uhr und an Samstagen in der Zeit von 8.00 - 13.00 Uhr erklärt.
Der zitierte Lageplan, Plan Nr. 2275, vom 25.11.1992 (3. Änderung) gilt als wesentlicher Bestandteil dieser Verordnung.
§2
Diese Verordnung ist durch die entsprechenden Straßenverkehrszeichen kundzumachen. Sie tritt mit der Anbringung dieser in Kraft und mit ihrer Entfernung außer Kraft.
§3
Mit dem Inkrafttreten dieser Verordnung treten die Verordnungen vom 27.5.1992, Zl. IC/Str-40/1992, und vom 23.11.1992, Zl. IC/Str-115/1992, außer Kraft.
Übertretungen dieser Verordnung werden von der Bundespolizeibehörde gemäß §99 Abs3 der Straßenverkehrsordnung 1960 geahndet.
Der Bürgermeister
..."
Die Verordnung wurde durch Aufstellung der Vorschriftszeichen gemäß §52 Z13d und 13e StVO 1960 kundgemacht.
2. Beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten ist ein Berufungsverfahren gegen ein Straferkenntnis des Bürgermeisters der Stadt Villach anhängig, mit dem der Berufungswerber - ein Rechtsanwalt - nach den §§5 und 6 Kärntner Parkgebühren- und Ausgleichsabgabengesetz 1996, LGBl. Nr. 55/1996, schuldig erkannt und über ihn in Anwendung des §17 Abs1 lita leg.cit. eine Geldstrafe in Höhe von S 300,- (im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von 9 Stunden) verhängt wurde. Tatort und Tatzeitraum liegen jeweils innerhalb des örtlichen und zeitlichen Geltungsbereiches der oben angeführten Kurzparkzonenverordnung.
Aus Anlaß dieses Verfahrens entstanden beim Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten Bedenken ob der Gesetzmäßigkeit dieser Kurzparkzonenverordnung.
Gestützt auf Art139 Abs1 B-VG iVm Art1239a Abs3 und Art89 Abs2 B-VG stellt der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten daher den Antrag, die Verordnung vom 18. Februar 1993, ZIC/Str-5/1993, als gesetzwidrig aufzuheben.
Der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten geht in seinem Antrag davon aus, daß die Kurzparkzone in der Peraustraße, in der sich das Bezirksgericht Villach befindet, zumindest im Abschnitt zwischen der Mitterlingstraße und der Hausergasse, im Hinblick auf die Lage des Gerichtsgebäudes jedenfalls berufliche Interessen der Angehörigen des Rechtsanwaltsstandes im Sinne des §94f Abs1 StVO 1960 berühre. Die Ausübung des Rechtsanwaltsberufes erfordere in nicht unwesentlichem Umfang den Besuch dieses das Bezirksgericht Villach beherbergenden Gebäudes und lasse insoweit besonderen Bedarf an Parkplätzen in der unmittelbaren Umgebung des Gerichtsgebäudes entstehen. Es ergebe sich daher das Bedenken, daß die verordnungsgebende Behörde, welche unwidersprochen die Kärntner Rechtsanwaltskammer als gesetzliche Interessenvertretung der Berufsgruppe der Rechtsanwälte nicht anhörte, die in Rede stehende generelle Norm in einem nicht den Bestimmungen des §94f StVO 1960 entsprechenden Verfahren erlassen habe.
3. Der Bürgermeister der Stadt Villach erstattete unter Vorlage der Verordnungsakten eine Äußerung, in der er beantragt, die Verordnung des Gemeinderates der Stadt Villach vom 18. Februar 1993 nicht als gesetzwidrig aufzuheben, in eventu die Verordnung lediglich insoweit aufzuheben, als diese sich auf die Peraustraße im Abschnitt zwischen der Hausergasse und der Mitterlingstraße beziehe.
Hinsichtlich des Verordnungserlassungsverfahrens wird eingeräumt, daß eine Anhörung der Interessenvertretung der Rechtsanwälte im Sinne des §94f Abs1 litb Z2 StVO 1960 aufgrund der Aktenlage nicht nachweislich erfolgt sei. Es werde aber dennoch die Ansicht vertreten, daß die gegenständliche Verordnung in gesetzmäßiger Weise kundgemacht worden sei. Der räumliche Geltungsbereich der Verordnung erstrecke sich weit über den gegenständlichen Abschnitt der Peraustraße hinaus. Die Kurzparkzonenverordnung berühre die Interessen der unterschiedlichsten Bevölkerungsgruppen und keineswegs speziell die Interessen der Berufsgruppe der Rechtsanwälte. Auch in dem unmittelbar um das Bezirksgericht gelegenen Bereich seien die Rechtsanwälte nur eine der zahlreichen Gruppen von Personen, die häufig Interesse am Parken haben würden. Eine Anhörung der Rechtsanwaltskammer vor Erlassung der Verordnung sei daher nicht erforderlich gewesen.
5. Die Kärntner Landesregierung erstattete keine Äußerung.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat erwogen:
1. Der Verfassungsgerichtshof erkennt gemäß Art139 Abs1 B-VG über die Gesetzwidrigkeit von Verordnungen auf Antrag eines Unabhängigen Verwaltungssenates, sofern der Unabhängige Verwaltungssenat gemäß Art129a Abs3 B-VG iVm. Art89 Abs2 B-VG aus dem Grund der Gesetzwidrigkeit Bedenken gegen die Anwendung der Verordnung hat. Da der Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten bei seiner Entscheidung über die bei ihm anhängige Berufung der mitbeteiligten Partei die oben wiedergegebene Verordnung, für deren \bertretung der Berufungswerber für schuldig befunden worden ist, anzuwenden hat, ist der vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten gestellte Antrag gemäß Art139 Abs1 B-VG zulässig.
2. Das vom Unabhängigen Verwaltungssenat für Kärnten geäußerte Bedenken ob des gesetzmäßigen Zustandekommens der Verordnung ist nicht berechtigt:
a. Gemäß §94f Abs1 StVO 1960 ist - außer bei Gefahr im Verzuge - vor Erlassung einer Verordnung die gesetzliche Interessenvertretung einer Berufsgruppe dann anzuhören, wenn Interessen von Mitgliedern dieser Berufsgruppe berührt werden.
b. Bereits in VfSlg. 5784/1968 hat der Verfassungsgerichtshof (zur seinerzeitigen, beinahe gleichlautenden Vorschrift des §43 Abs8 StVO 1960) angenommen, daß "das Interesse einer Berufsgruppe jedenfalls dann berührt wird, wenn durch eine Verkehrsbeschränkung die Ausübung des betreffenden Gewerbes ... erschwert oder gar unterbunden wird".
Zu §94f Abs1 StVO 1960 hat der Verfassungsgerichtshof in ähnlichen Verfahren ganz allgemein ausgesprochen (vgl. VfSlg. 14051/1995, 14439/1996), daß nur Umstände, welche die Interessen von Mitgliedern einer Berufsgruppe "in spezifischer Weise" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung berührt erscheinen lassen, die Anhörungspflicht gemäß §94f Abs1 StVO 1960 begründen. Insoweit Mitglieder einer Berufsgruppe hingegen "ebenso wie alle anderen Verkehrsteilnehmer" durch eine straßenpolizeiliche Verordnung betroffen sind, wird nicht bewirkt, daß die Interessen der Mitglieder dieser Berufsgruppe "im Sinne des §94 Abs1 StVO 1960 spezifisch 'berührt werden'".
Der Verfassungsgerichtshof begründete seine Auffassung in den Erkenntnissen VfSlg. 14051/1995 und 14439/1996 wie folgt:
"Wollte man das Gesetz anders auslegen, wäre schlechthin jedwede verkehrsbeschränkende Verordnung gemäß §43 StVO 1960 erst nach vorhergehender Anhörung aller gesetzlichen beruflichen Interessenvertretungen zu erlassen, weil jede Verkehrsbeschränkung auch beliebige Angehörige gesetzlicher beruflicher Vertretungen (wie etwa auch Ärzte und Rechtsanwälte) betreffen kann, wenn diese als Kraftfahrer die verordneten Verkehrsbeschränkungen zu beachten haben. Hätte der Gesetzgeber eine derart weitreichende Beteiligung gesetzlicher Interessenvertretungen am Verfahren zur Erlassung verkehrsbeschränkender Verordnungen gewünscht, so hätte er dies durch Verzicht auf die Einschränkung zum Ausdruck gebracht, daß Voraussetzung des Anhörungsrechtes gesetzlicher Interessenvertretungen ist, daß Interessen von Mitgliedern der betreffenden Berufsgruppe 'berührt werden'."
Eine solche "spezifische Interessenbetroffenheit" der
Berufsgruppe der Rechtsanwälte, welche die Anhörung der zuständigen
Rechtsanwaltskammer vor Verordnungserlassung erforderlich machte,
nahm der Verfassungsgerichtshof in VfSlg. 9818/1983 im Hinblick auf
eine Halteverbotsverordnung vor dem Wiener Justizpalast "mit
Rücksicht auf den Bestimmungszweck des Justizpalastes und angesichts
der dort gegebenen örtlichen Verhältnisse" an. Diese Rechtsmeinung
vertrat er auch im Erkenntnis VfSlg. 13783/1994. Dort sah er die
Interessen der Rechtsanwälte durch eine Kurzparkzone in Innsbruck
"vor einem ... zahlreiche Justizbehörden beherbergenden
(zentralgelegenen) Gebäude" in spezifischer Weise berührt, "weil
angesichts der ... gegebenen örtlichen Verhältnisse berufliche
Interessen der Rechtsanwälte im allgemeinen berührt werden".
c. Der Verfassungsgerichtshof bleibt bei seiner dargestellten Rechtsansicht (vgl. auch VfSlg. 14439/1996, VfGH 23.2.1999, V221/97 ua.; 16.10.1999, V35/99 ua.):
Im Sinne der Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (vgl. VfSlg. 5784/1968, 9818/1983, 11920/1988, 13783/1994, 14053/1995, VfGH 23.2.1999, V221/97 ua.; 16.10.1999, V35/99 ua.) ist davon auszugehen, daß die Festlegung einer flächendeckenden Kurzparkzone gemäß §25 StVO 1960 jedenfalls die Interessen der Mitglieder jener Berufsgruppen berührt, die innerhalb der Kurzparkzone ihre Arbeitsstätte oder ihren Berufssitz haben. Der Magistrat der Stadt Villach hat daher in einem Schreiben vom 21. Mai 1992 (Verordnungsakt ONr. 15) die Kammer für Arbeiter und Angestellte und die Kammer der gewerblichen Wirtschaft von der beabsichtigten Verordnung in Kenntnis gesetzt und Gelegenheit zu einer Stellungnahme eingeräumt. Die Handelskammer Kärnten, Bezirksstelle Villach, hat im Rahmen dieses Anhörungsverfahrens auch eine Äußerung abgegeben.
Der Verfassungsgerichtshof ist - anders als der antragstellende Unabhängige Verwaltungssenat für Kärnten - der Ansicht, daß durch die Verordnung der Kurzparkzone im Innenstadtbereich von Villach die Interessen der Mitglieder der Berufsgruppe der Rechtsanwälte ebenso wie jene aller anderen Verkehrsteilnehmer berührt werden und daß daher für die verordnungserlassende Behörde keine Verpflichtung bestand, die gesetzliche berufliche Interessenvertretung der Rechtsanwälte in das Anhörungsverfahren gemäß §94f Abs1 StVO 1960 miteinzubeziehen. Wenn sich in einer Stadt der Größe der Bezirksstadt Villach ein Bezirksgericht befindet, so kann keinesfalls von einer "Behördenkonzentration" (vgl. VfSlg. 9818/1983, 13783/1994, VfGH 23.2.1999, V221/97 ua.) gesprochen werden, ebensowenig liegt in dem von der Kurzparkzonenverordnung erfaßten Bereich eine Situation vor, wie sie der dem Erkenntnis VfSlg. 9818/1983 zugrundeliegenden vergleichbar wäre, in der der Verfassungsgerichtshof eine spezifische Interessenbetroffenheit der Berufsgruppe der Rechtsanwälte im Hinblick auf die Halteverbotsverordnung vor dem Wiener Justizpalast mit Rücksicht auf den Bestimmungszweck des Justizpalastes und angesichts der dort gegebenen örtlichen Verhältnisse angenommen hat.
Es lag daher keine Situation vor, die eine spezifische Interessenbetroffenheit der Berufsgruppe der Rechtsanwälte und sohin eine im Sinne des §94f Abs1 StVO 1960 gebotene Anhörungspflicht der Berufsgruppe der Rechtsanwälte vor Verordnungserlassung bewirkt hätte.
Das Verordnungserlassungsverfahren widersprach, indem die verordnungserlassende Behörde vor Erlassung der Verordnung die gesetzliche Interessenvertretung der Rechtsanwälte nicht anhörte, daher nicht dem Gebot des §94f Abs1 StVO 1960.
3. Der Verfassungsgerichtshof ist in einem auf Antrag eingeleiteten Verfahren auf Prüfung der Gesetzmäßigkeit einer Verordnung gemäß Art139 B-VG auf die Erörterung der geltend gemachten Bedenken beschränkt (vgl. VfSlg. 9089/1981, 10640/1985, 10811/1986, 11580/1987, 14044/1995, uva.). Er hatte sohin ausschließlich zu beurteilen, ob die angefochtene Verordnung aus den in der Begründung des Antrages dargelegten Gründen gesetzwidrig ist.
4. Der Antrag war sohin abzuweisen.
5. Dies konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 vom Verfassungsgerichtshof ohne Durchführung einer mündlichen Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.
Schlagworte
Straßenpolizei, Kurzparkzone, Verordnungserlassung, AnhörungsrechtEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:V73.1999Dokumentnummer
JFT_09999685_99V00073_00