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41/02 Passrecht Fremdenrecht;Norm
AsylG 1997 §7;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des S in W, geboren 1973, vertreten durch Dr. Andreas Waldhof, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Reichsratsstraße 13, gegen den am 5. Oktober 2000 verkündeten und am 25. Oktober 2000 schriftlich ausgefertigten Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates, Zl. 213.111/6-II/04/00, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.089,68,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, reiste am 19. März 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 26. März 1999 Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 23. September 1999 gemäß § 7 AsylG ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig.
Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde mit dem angefochtenen Bescheid "gemäß §§ 7, 8 AsylG abgewiesen".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:
Der Beschwerdeführer hat zu seinem Asylantrag in erster Instanz im Wesentlichen vorgebracht, Grund für seine Ausreise sei ein Vorfall im August 1998, an dem er selbst nicht beteiligt gewesen sei. Ein Mann sei von Freunden des Beschwerdeführers "geschlagen" worden und einige dieser Freunde, die verhaftet worden seien, hätten den Namen des Beschwerdeführers genannt. Da die Polizei ihn daraufhin gesucht habe, sei der Beschwerdeführer zunächst zu seiner Schwester in einen etwa 30 Kilometer entfernten Ort und in weiterer Folge zu seinem Bruder nach Neu-Delhi geflüchtet. Nach einer Rückkehr in seinen Heimatort habe die Polizei wieder nach ihm zu suchen begonnen. Ein Onkel des Beschwerdeführers habe Bestechungsgeld an die Polizei gezahlt, damit nicht mehr nach dem Beschwerdeführer gesucht werde. Dieser habe dennoch Angst gehabt und deshalb Indien verlassen. Er fürchte, von der Polizei festgenommen und geschlagen zu werden und rechne auch nicht damit, dass er vor Gericht freigesprochen würde.
In der Berufungsverhandlung - welche von der belangten Behörde am 5. Oktober 2000 für eine Mehrzahl indischer Asylwerber gemeinsam abgehalten wurde - gab der Beschwerdeführer ("BW I") an, der Vorfall habe 1994 stattgefunden. Damals sei "ein Hindu getötet" worden, und die Polizei habe Freunde des Beschwerdeführers festgenommen, "weil diese Sympathisanten der Unabhängigkeit Khalistans waren; diese Freunde haben der Polizei auch meinen Namen genannt". Der Aufenthalt des Beschwerdeführers in Delhi habe drei Jahre lang gedauert. Nach seiner Rückkehr in seinen Heimatort habe die Polizei im Jahr 1998 neuerlich wegen des Vorfalls von 1994 nach ihm zu suchen begonnen, weshalb er Indien verlassen habe.
Der von der belangten Behörde beigezogene Sachverständige führte zum Fall des Beschwerdeführers ("BW I") nur aus, auf diesen treffe "der 2. Absatz meiner allgemeinen Ausführungen zu". Dabei handelte es sich um Ausführungen über den "Themenkreis der Sikh-Terroristen". "Die Informationen" wiesen "darauf hin, dass für Sympathisanten, Angehörige, Freunde und einfache Mitglieder von Gruppen, die für ein unabhängiges Khalistan eintreten, heute in der Regel keine Gefahr von Verfolgungshandlungen durch staatliche Organe besteht", was näher ausgeführt wurde.
Bei dieser Sachlage begnügt sich die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid mit Ausführungen "für den Fall" des "sachverhaltsmäßigen Zutreffens" des "Vorbringens" des Beschwerdeführers, wenngleich sie am Wahrheitsgehalt dieses Vorbringens wegen der in der Berufungsverhandlung erörterten Widersprüche zwischen den Darstellungen des Beschwerdeführers "zweifelt". Welche der beiden Darstellungen - hypothetisch - zu Grunde gelegt würden, lässt der angefochtene Bescheid nicht klar erkennen. Den Ausführungen ist aber jedenfalls nicht entnehmbar, dass nur das "sachverhaltsmäßige Zutreffen" des erstinstanzlichen Vorbringens in Betracht gezogen werde. Negative Feststellungen in Bezug auf das Vorbringen des Beschwerdeführers oder Teile desselben werden nicht getroffen.
Zur Abweisung des Asylantrages gelangt die belangte Behörde mit dem Hinweis, nach den Ausführungen des Sachverständigen fehle dem Vorbringen des Beschwerdeführers die "Aktualität", weil der Beschwerdeführer "nicht das vom Sachverständigen (gemeint: nach dessen Ansicht) für eine künftige zielgerichtete Verfolgung erforderliche 'high profile' aufweist". Dem folgen im Wesentlichen nur noch Gegenargumente in Bezug auf mögliche Bedenken angesichts vorliegender Informationen über Polizeiwillkür in Indien im Allgemeinen.
Dieser Begründungduktus ist schon deshalb unschlüssig, weil den im angefochtenen Bescheid wiedergegebenen Ausführungen des Sachverständigen nicht entnehmbar ist, welche Sachverhaltsänderungen zwischen 1998, als der Beschwerdeführer - nach seinem hypothetisch zu Grunde gelegten Vorbringen - noch "zielgerichtet" gesucht worden sein soll, und der mündlichen Berufungsverhandlung mit der Folge mangelnder Wahrscheinlichkeit einer weiteren Suche eingetreten sein sollen (vgl. insoweit schon das Erkenntnis vom heutigen Tag, Zl. 2000/20/0419). Den Ausführungen des Sachverständigen kann aber vor allem nicht schlüssig entnommen werden, dass die indische Polizei an Personen ohne "high profile" auch dann kein Interesse habe, wenn sie - in dem vom Beschwerdeführer behaupteten Zusammenhang mit Sympathien für ein unabhängiges Khalistan - im Verdacht stehen, einen Hindu ermordet zu haben. Dass der Sachverständige selbst in der Verhandlung meinte, auf "BW I" treffe "der 2. Absatz meiner allgemeinen Ausführungen zu", vermag daran nichts zu ändern (vgl. zu ähnlichen Problemen mit Indien betreffenden Bescheiden der belangten Behörde etwa schon die Erkenntnisse vom 14. Dezember 2000, Zl. 2000/20/0328, vom 26. Juli 2001, Zl. 2001/20/0064, vom 12. September 2002, Zl. 2002/20/0017, oder vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/20/0354; vgl. außerdem zur Schlüssigkeit der Ausführungen des Sachverständigen das zuletzt genannte Erkenntnis sowie darauf verweisend das hg. Erkenntnis vom 22. Mai 2003, Zl. 2000/20/0373).
Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 3. Juli 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000200484.X00Im RIS seit
29.07.2003