TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/3 2000/20/0175

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Veröffentlicht am 03.07.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §6 Z2;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Sulzbacher als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Trefil, über die Beschwerde des P in W, geboren 1962, vertreten durch Dr. Christa A. Heller, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Ungargasse 58, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 14. Jänner 2000, Zl. 214.063/0-X/31/99, betreffend §§ 6 Z 2 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Der Beschwerdeführer, ein Staatsangehöriger Indiens, reiste seinen Behauptungen zufolge am 18. Jänner 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragte am 20. Jänner 1999 Asyl. Das Bundesasylamt wies diesen Antrag mit Bescheid vom 16. November 1999 gemäß § 6 Z 2 AsylG als offensichtlich unbegründet ab und erklärte die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien gemäß § 8 AsylG für zulässig.

Die vom Beschwerdeführer dagegen erhobene Berufung wurde von der belangten Behörde in Spruchpunkt I. des angefochtenen Bescheides "als unbegründet abgewiesen (§ 6 Z 2 AsylG)". In Spruchpunkt II. stellte die belangte Behörde gemäß "§ 8 + § 32 Abs 2 letzter Satz des AsylG iVm § 57 des Fremdengesetzes" fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung des Beschwerdeführers nach Indien sei zulässig.

Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die belangte Behörde gibt das Vorbringen des Beschwerdeführers im Verwaltungsverfahren u.a. dahin gehend wieder, dass der Vater des Beschwerdeführers von Mitgliedern der Babbar-Khalsa-Bewegung erschossen worden sei. Im Falle seiner Rückkehr nach Indien befürchte der Beschwerdeführer, von den Mördern seines Vaters gleichfalls umgebracht zu werden. Dies deshalb, weil er für die Hindu-Partei Shiv-Sena gearbeitet habe, welche Hindus unterstütze, damit diese nicht von Mitgliedern der Babbar-Khalsa-Partei umgebracht würden. Der Beschwerdeführer habe einen mit dem Absender des obersten Führers der Babbar-Khalsa-Partei versehenen Brief erhalten, in dem ihm angedroht worden sei, er würde umgebracht, wenn er die Shiv-Sena-Partei nicht verlasse.

Die Subsumtion dieses Vorbringens unter § 6 Z 2 AsylG begründet die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid wie folgt:

"Die Behörde 1. Instanz qualifizierte den Kern des Vorbringens des AW, nämlich die unter Bedrohung von einer vom Staat zu kontrollieren gesuchten Splittergruppe ausgesprochene Einladung, eine politische Partei zu verlassen, nicht als die Behauptung einer - hier allein in Betracht zu ziehenden Normstelle des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention - Verfolgung wegen politischer Gesinnung zu qualifizieren. Daran vermag auch die in der Berufung enthaltene und angesichts des Zusammenhanges im gesamten Verfahren als von geringem Gewicht einzustufende Erweiterung, dass eine solche Einladung zum Verlassen der Shiv-Sena-Partei auch durch ein Polizeiorgan ausgesprochen worden sei, nichts zu ändern. Die - wenn überhaupt - von einem Polizeiorgan angesichts einer behaupteten Drangsalierung durch eine andere Gruppe (sei sie nun mehr oder weniger politisch) ausgesprochene Empfehlung des Austrittes aus einer Partei, kann denkunmöglicherweise schon als Verfolgung durch den Staat oder durch diesem zuzurechnende Dritte beurteilt werden. Bei dieser Dünnschichtigkeit des Vorbringen ging die Behörde 1. Instanz zu Recht davon aus, dass eine Verfolgung im Sinne der GFK nicht behauptet wurde. Es kann nämlich nicht darauf ankommen, ob der AW allenfalls intensiv hofft, mit seinem Vorbringen schon unter einen Tatbestand der GFK subsumiert zu werden, sondern allein darauf, ob sich das Vorbringen objektiver- und vernünftigerweise unter die GFK subsumieren lässt. Dies wurde aber zurecht von der Behörde

1. Instanz verneint."

Diesen Ausführungen lässt sich nicht entnehmen, warum es "objektiver- und vernünftigerweise" nicht als Verfolgung aus Gründen der politischen Gesinnung zu verstehen sein soll, wenn eine Person für den Fall der Weigerung, aus einer bestimmten politischen Partei auszutreten, mit der Ermordung bedroht wird. Das Bundesasylamt, auf dessen Begründung die belangte Behörde den Beschwerdeführer in diesem Punkt vielleicht verweisen will, hat die Annahme, die behauptete Verfolgungsgefahr im Herkunftsstaat sei im Sinne des § 6 Z 2 AsylG "nach dem Vorbringen ... offensichtlich nicht auf die in Art. 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention genannten Gründe zurückzuführen", nur dahin gehend erläutert, dass der Beschwerdeführer nicht dargetan habe, die staatlichen Behörden seines Heimatlandes seien nicht in der Lage "und" (gemeint: oder) nicht gewillt, ihn vor der behauptete Privatverfolgung zu schützen. Hierauf lässt sich die Subsumtion eines Vorbringens unter die genannte Bestimmung nach dem klaren Gesetzeswortlaut und der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aber nicht stützen (vgl. in diesem Sinn schon das hg. Erkenntnis vom 20. Oktober 1999, Zl. 99/01/0197).

Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001. Das Mehrbegehren findet in diesen Vorschriften keine Deckung. Wien, am 3. Juli 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000200175.X00

Im RIS seit

29.07.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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