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83 Natur- und UmweltschutzNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Quasi-Anlaßfallwirkung der Aufhebung der Wortfolge "von 50 000" in §39 Abs1 lita AbfallwirtschaftsG 1990, BGBl 325/1990 idF BGBl 434/1996, mit E v 16.03.00, G312/97 ua.Spruch
Der Beschwerdeführer ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Das Land Niederösterreich ist schuldig, dem Beschwerdeführer zuhanden seiner Rechtsvertreter die mit S 20.500,- bestimmten Verfahrenskosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 11. November 1997, Z Senat-WB-97-013, wurde der Berufung des Beschwerdeführers gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Wiener Neustadt, mit dem über ihn eine Verwaltungsstrafe in der Höhe von S 200.000,- (Ersatzfreiheitsstrafe 2 Wochen) wegen Betreibens einer Abfallbehandlungsanlage ohne die erforderliche Genehmigung gemäß §39 Abs1 lita AWG 1990 verhängt wurde, teilweise Folge gegeben. Der Spruch wurde dahingehend abgeändert, daß als Übertretungsnormen §29 Abs1 Z2 AWG 1990 iVm. §39 Abs1 lita Z4 AWG 1990 iVm. §15 Abs5 AWG 1990 iVm. §1 der Verordnung über die Festsetzung gefährlicher Abfälle, BGBl. 1991/49, iVm. der ÖNORM S 2101 "überwachungsbedürftige Sonderabfälle" vom 1. Dezember 1983 festgestellt wurden. Die Strafe wurde mit S 70.000,-
(Ersatzfreiheitsstrafe 5 Tage) bestimmt.
2. In der auf Art144 B-VG gestützten Beschwerde erachtet sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinen verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und durch die Anwendung einer verfassungswidrigen generellen Norm, nämlich der Verordnung BGBl. 1991/49, sowie der §§28 und 29 AWG 1990 in seinen Rechten als verletzt.
3. Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor.
4. Der Bundesminister für Umwelt, Jugend und Familie erstattete eine Äußerung.
5. Mit Erkenntnis vom 16. März 2000, G312/97 ua., hob der Verfassungsgerichtshof die Wortfolge "von 50 000" in §39 Abs1 lita AWG 1990, BGBl. 1990/325 idF BGBl. 1996/434, als verfassungswidrig auf.
II. 1. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10616/1985, 11711/1988).
Die öffentliche mündliche Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 9. März 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 23. Dezember 1997 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der Abhaltung der öffentlichen mündlichen Verhandlung bereits anhängig. Der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung des Beschwerdeführers nachteilig war. Der Beschwerdeführer wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in seinen Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
2. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
3. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist Umsatzsteuer in der Höhe von S 3.000,-
enthalten.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B3101.1997Dokumentnummer
JFT_09999684_97B03101_00