TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/15 2003/05/0043

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Veröffentlicht am 15.07.2003
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Index

L37153 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag Interessentenbeitrag
Niederösterreich;
L82000 Bauordnung;
L82003 Bauordnung Niederösterreich;
001 Verwaltungsrecht allgemein;

Norm

BauO NÖ 1996 §35 Abs2 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z3;
BauO NÖ 1996 §4 Z6;
BauRallg;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Kail als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Gerlinde Winkler in Wien, vertreten durch Dr. Maximilian Schludermann, Rechtsanwalt in Wien 3, Reisnerstraße 32/12, gegen den Bescheid der Niederösterreichischen Landesregierung vom 7. Februar 2002, Zl. RU1-V-02199/00, betreffend einen baupolizeilichen Abbruchauftrag (mitbeteiligte Partei: Stadtgemeinde Klosterneuburg, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Die Beschwerdeführerin hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Anlässlich einer Überprüfung der Strandbadsiedlung, Parzelle 59, Grundstück Nr. 3128/1 in EZ 5929, KG Klosterneuburg, am 8. März 2001, wurde festgestellt, dass zwei Bauwerke auf diesem Grundstück, deren Eigentümerin die Beschwerdeführerin ist, nämlich ein Kleingartenhaus und ein Schuppen, ohne baubehördliche Bewilligung errichtet worden sind. Das Grundstück liegt laut Flächenwidmungsplan im Grünland-Kleingartengebiet. Mit Bescheid des Bürgermeisters der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 30. Oktober 2001 wurde der Beschwerdeführerin gemäß § 35 Abs. 2 Z. 3 NÖ Bauordnung 1996 aufgetragen, innerhalb einer Frist von sechs Monaten ab Rechtskraft des Bescheides das Kleingartenhaus mit dem Ausmaß von ca. 80,75 m2 und einer Höhe von ca. 4,50 m sowie den Schuppen im Ausmaß von 3,6 m2 und einer Höhe von ca. 2 m an der Grundstücksgrenze zur Sonnenterrasse, zu entfernen.

In der gegen diesen Bescheid erhobenen Berufung brachte die Beschwerdeführerin vor, das Niederösterreichische Kleingartengesetz werde nicht verletzt, weil eine Bebauungsdichte von 15 % der Fläche des einzelnen Kleingartens nicht überschritten werde. Das verfahrensgegenständliche Bauwerk habe sich bereits 1987 in der nunmehrigen Form auf der Kleingartenparzelle befunden. Entgegen der Annahme der Behörde befinde sich auf der Liegenschaft lediglich ein Bauwerk, der von der Behörde erster Instanz angeführte Schuppen im Ausmaß von 3,6 m2 stelle kein eigenständiges Bauwerk im Sinne der Niederösterreichischen Bauordnung dar, da es sich dabei lediglich um einen jederzeit entfernbaren Unterstand handle. Dieser sei zum Schutz für die Erhaltung und Pflege der für die Kleingartenparzelle vorgesehenen Arbeitsgeräte erforderlich.

Mit Berufungsbescheid des Stadtrates der mitbeteiligten Stadtgemeinde vom 18. September 2002 wurde der Berufung der Beschwerdeführerin gegen den erstinstanzlichen Bescheid teilweise stattgegeben. Der Auftrag, das Kleingartenhaus mit dem Ausmaß von 80,75 m2 zu entfernen, wurde behoben und die Angelegenheit diesbezüglich zur neuerlichen Verhandlung und Erlassung eines neuen Bescheides an das Stadtamt zurückverwiesen. Hinsichtlich des Schuppens wurde die Berufung als unbegründet abgewiesen. Zur Begründung bezüglich des Schuppens wurde im Wesentlichen ausgeführt, die Niederösterreichische Bauordnung 1883, ebenso wie alle weiteren folgenden Bauordnungen legten fest, dass eine Baubewilligung nur schriftlich rechtswirksam erlassen werden könne. Eine Baubewilligung könne auch nicht ersessen werden. Die Beschwerdeführerin bestätige überdies selbst, dass hinsichtlich des Schuppens keine schriftliche Baugenehmigung vorliege. Der Schuppen sei ein Gebäude im Sinne des § 4 der NÖ Bauordnung 1996.

In der gegen den abweisenden Teil des Berufungsbescheides erhobenen Vorstellung führte die Beschwerdeführerin nochmals aus, dass es sich bei dem Geräteschuppen um kein Gebäude im Sinne der NÖ Bauordnung handle. Das Wesensmerkmal eines Bauwerkes nach § 4 NÖ BO 1996 sei ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordere und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden sei. Die erforderliche kraftschlüssige Verbindung - eine feste Verbindung in Form eines Fundamentes oder ähnlichem - sei jedoch bei dem Schuppen nicht gegeben, weil er transportabel sei.

Mit Bescheid vom 7. Februar 2002 hat die belangte Behörde die Vorstellung der Beschwerdeführerin gegen den Bescheid des Stadtrates vom 18. September 2002 als unbegründet abgewiesen. Nach Darstellung des Verwaltungsgeschehens wurde im Wesentlichen ausgeführt, eine transportable Konstruktion, die wie ein Gebäude zB als Gartenhütte oder als Kiosk verwendet werden könne, gelte als Gebäude, wenn das dazugehörige Fahrgestell nur für einen einmaligen Transport konstruiert sei, wenn aber - wie bei einem Wohnwagen oder Fahrbahnverkaufsstand - das Fahrgestell einen wiederholten, gefahrlosen Standortwechsel ermögliche, dann gelte dieses Objekt nicht als Gebäude, sondern als Fahrzeug oder Anhänger, auch wenn es - zur Erhöhung seiner Stabilität am jeweiligen Standort - mit verstellbaren Stützen ausgestattet sei. Dass der gegenständliche Schuppen den Kriterien eines Kraftfahrzeuges entspreche habe nicht einmal die Beschwerdeführerin behauptet. Dies ergebe sich auch nicht aus den Aktenunterlagen. Daher sei der Schuppen als Gebäude zu qualifizieren und bedürfe einer Baubewilligung.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften.

Zur Herstellung des Schuppens sei kein wesentliches Maß an bautechnischen Kenntnissen notwendig. Die Konstruktion könne mit den mitgelieferten Anleitungen von jedermann aufgestellt werden, ohne das dafür irgendwelche statischen Kenntnisse erforderlich seien. Ebenso einfach könne das Objekt auch wieder abgebaut werden. Ausdrücklich unrichtig sei auch die Rechtsansicht der belangten Behörde, wonach der gegenständliche Geräteschuppen eine kraftschlüssige Verbindung mit dem Untergrund aufweise. Der Geräteschuppen weise weder ein Fundament aus Mauerwerk oder Beton auf noch verfüge er über ein, den leichten Abtransport hinderndes, großes Gewicht. Er weise auch keine Holz- und Metallbauteile, die ihn mit dem Boden fest verbinden auf, da die Verankerung des Schuppens - ähnlich einem Zelt - jederzeit und ohne wesentliche technische Hilfsmitteln entfernt werden könne. Die Heranziehung von einer mit einem Fahrgestell versehenen Konstruktion für den gegenständlichen Fall sei gänzlich irrelevant, da dies von der Beschwerdeführerin niemals behauptet worden sei. Bei dem Geräteschuppen handle es sich lediglich um ein anzeigepflichtiges Vorhaben im Sinne der NÖ Bauordnung.

Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten mit einer Gegenschrift vorgelegt und die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Die Beschwerdeführerin räumt ein, dass für den Geräteschuppen keine Baubewilligung erteilt wurde, sie bestreitet aber dass der Schuppen ein Gebäude sei.

Gemäß § 4 Z. 3 der NÖ Bauordnung 1996 (BO) ist ein Bauwerk ein Objekt, dessen fachgerechte Herstellung ein wesentlichen Maß an bautechnischen Kenntnissen erfordert und das mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist. Nach Z. 6 dieser Bestimmung ist ein Gebäude ein oberirdisches Bauwerk mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden, welches von Menschen betreten werden kann und dazu bestimmt ist, Menschen, Tiere oder Sachen zu schützen.

Die Beschwerdeführerin bestreitet nicht, dass es sich bei dem gegenständlichen Schuppen um eine bauliche Anlage mit einem Dach und wenigstens zwei Wänden (nach der Aktenlage weist es vier Wände auf) handelt. Laut dem Beschwerdevorbringen ist diese Anlage dazu bestimmt, Arbeitsgeräte zu schützen und kann auch betreten werden, um die Arbeitsgeräte unterzubringen bzw. zu entfernen. Aus der Beschwerde geht auch hervor, dass der Schuppen nicht mit einem Fahrgestell versehen ist, sondern dass er auf Grund seiner Konstruktion jederzeit leicht abgebaut und wieder errichtet werden kann.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt, so auch im hg. Erkenntnis vom 17. Oktober 1978, Zl. 610/76 (Slg. Nr. 9657/A), ausgesprochen hat, ist eine "Verbindung mit dem Boden" auch dann anzunehmen, wenn eine Anlage zwar so, wie sie ausgeführt wurde bzw. ausgeführt werden soll, keine Verbindung mit dem Boden hat, eine solche aber bei ordnungsgemäßer Ausführung nach den Regeln der technischen Wissenschaften haben müsste. Das Kriterium der Notwendigkeit bautechnischer Kenntnisse muss auch dann angenommen werden, wenn eine Anlage zwar laienhaft gestaltet ist, nach den Regeln der technischen Wissenschaften aber einer Ausführung unter Verwertung bautechnischer Kenntnisse bedürfte, wozu auch Erkenntnisse auf dem Gebiete der Statik gehören, weil sonst in dieser Beziehung der widersinnige Zustand einträte, dass eine nicht ordnungsgemäß ausgeführte Anlage bewilligungsfrei bliebe, während eine ordnungsgemäß ausgeführte Anlage einer Bewilligung unterworfen wäre.

Der Beschwerdefall gibt keine Veranlassung, von dieser Rechtsansicht abzurücken. Der 3,6 m2 große, ca. 2 m hohe Schuppen, der nach einem im Akt einliegenden Foto mit einem Dach, einer Türe und einem Fenster ausgestattet ist, bedürfte zu seiner fachgerechten, ordnungsgemäßen Herstellung eines solchen wesentlichen Maßes an bautechnischen Kenntnissen, dass ein Ab- oder Einstürzen des Daches sowie eine sturm- und kippsichere Verankerung gewährleistet ist, da nur so das öffentliche Interesse an der Vermeidung von Verletzungen oder Gefahren für Personen berücksichtig wird. Dasselbe gilt für die kraftschlüssige Verbundenheit mit dem Boden: Dem einliegenden Foto zufolge sitzt der Schuppen mit den Außenmauern direkt am Boden auf, sodass durch das Gewicht des Daches und des Eigengewichtes der Außenmauern schon eine gewisse kraftschlüssige Verbindung mit dem Boden gegeben ist. Dass die zusätzlich erforderliche Verankerung im Beschwerdefall ebenso leicht wie bei einem Zelt entfernt werden kann, vermag nichts daran zu ändern, dass der Schuppen schon durch diese Verankerung sowie durch die bis zum Boden reichenden Umfassungswände mit dem Boden kraftschlüssig verbunden ist. Bei diesem Sachverhalt braucht nicht mehr darauf eingegangen zu werden, ob eine ordnungsgemäße Anlage nicht einer stabileren Verankerung mit dem Boden bedürfte.

Entgegen den Beschwerdeausführungen handelt es sich bei dem Schuppen auch nicht um ein anzeigepflichtiges Vorhaben im Sinne des § 15 BO, weil gemäß § 15 Abs. 1 Z. 1 BO nur die Aufstellung von Gerätehütten und Gewächshäusern mit einer Grundrissfläche bis zu 6 m2 und einer Gebäudehöhe bis zu 2 m auf Grundstücken im Bauland anzeigepflichtig ist, hier aber die Widmung Grünland-Kleingarten vorliegt.

Gemäß § 4 Abs. 1 BO bedürfen Neu- und Zubauten von Gebäuden einer Baubewilligung.

Da für das Gebäude keine Baubewilligung erteilt wurde und die Beschwerdeführerin auch nicht behauptet hat, dass der Schuppen bereits vor 1883 errichtet wurde (was dem Bild zufolge auch auszuschließen ist) haben schon die Gemeindebehörden zu Recht einen Abbruchauftrag für den Schuppen erteilt.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.

Wien, am 15. Juli 2003

Schlagworte

Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2 Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003050043.X00

Im RIS seit

11.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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