Index
L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
BauO Wr §129 Abs10 idF 1996/042;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl, Dr. Kail, Dr. Pallitsch und Dr. Waldstätten als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der Reder & Handschuh GmbH in Wien, vertreten durch Mag. Werner Suppan, Rechtsanwalt in 1160 Wien, Huttengasse 71-75, gegen den Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 25. April 2002, Zl. MD-VfR - B VII - 3/2000, betreffend Erteilung eines Bauauftrages, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/8, vom 10. Juli 1995 wurde der Rechtsvorgängerin der beschwerdeführenden Partei folgender Auftrag erteilt (Wiedergabe nur soweit für das Beschwerdeverfahren wesentlich):
"Der Magistrat erteilt gemäß § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien in Anwendung des § 56 des Allgemeinen Verwaltungsverfahrensgesetzes 1991 - AVG den Eigentümern des Hauses der Liegenschaft 8. Bezirk Hernalser Gürtel 2 den Auftrag innerhalb von 3 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides
...
3) die im straßenseitigen Raum des Lokales im Souterrain links des Hauseinganges im Bereich der dritten Fensterachse von der linken Grundgrenze in Stahlbeton hergestellte Stiegenanlage in das nunmehr vereinte Bestandsobjekt Nr. 3 und Nr. 4 und die in diesem Raum errichteten Scheidewände für die Abortanlage samt Vorraum gemeinsam mit der Anschlussleitung des Abortes in die Hausanlage, entfernen
4) die verbreiterte Mittelmaueröffnung im gegenständlichen Bestandobjekt im Souterrain links des Hauseinganges verkleinern und diese Öffnung entsprechend der im bewilligten Bauplan vom 25.1.1972 Zl. MA 36/8 - Hernalser Gürtel 2/5/71 (Konsens) ausgewiesenen Breite wieder herstellen,
... zu lassen."
Der Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 23. Oktober 1995, mit welchem die dagegen erhobene Berufung der Rechtsvorgängerin der Beschwerdeführerin (bezüglich der zitierten Aufträge) als unbegründet abgewiesen worden ist, wurde insoweit mit hg. Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 95/05/0341, wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Der Verwaltungsgerichtshof hat in rechtlicher Hinsicht hiezu
ausgeführt:
"...
Die belangte Behörde sah sämtliche Maßnahmen im noch aufrechten bzw. hier unbekämpften Umfang des Bauauftrages als bewilligungspflichtige Maßnahmen im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO (Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden oder baulichen Anlagen) an. Gemäß § 60 Abs. 1 BO ist bei solchen Bauführungen, soweit nicht § 62 zur Anwendung kommt, vor Beginn die Bewilligung der Behörde zu erwirken. Gemäß § 62 Abs. 1 leg. cit. ist bei Bauführungen innerhalb von Wohnungen oder Betriebseinheiten, die nicht von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage sind, weder eine Änderung der äußeren Gestaltung des Gebäudes oder der baulichen Anlage bewirken noch gemeinsame Teile des Hauses, der baulichen Anlage oder der Liegenschaft in Anspruch nehmen noch die Umwidmung von Wohnungen auf Arbeitsräume, Büroräume, Verkaufsräume, Versammlungsräume, Gaststätten und Räume mit ähnlicher Funktion sowie Lagerräume betreffen, vor Beginn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige zu erwirken.
Die Anwendung des § 129 Abs. 10 BO setzt den bewilligungspflichtigen Bau voraus; eine bauliche Änderung ist nur dann als konsenswidrig zu qualifizieren, wenn für sie nach der jeweiligen geltenden Bauordnung eine baubehördliche Bewilligung erforderlich war. Für Bauführungen, die der Baubehörde gemäß § 62 BO lediglich anzuzeigen sind, kann ein Beseitigungsauftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO trotz der im § 62 Abs. 4 leg. cit. enthaltenen Anordnung, daß erst nach Erlassung des Bescheides, mit dem eine Bauanzeige zur Kenntnis genommen wird, mit den Baumaßnahmen begonnen werden darf, nicht erlassen werden, da ein 'vorschriftswidriger' Bau im Sinne des § 129 Abs. 10 BO nur ein solcher ist, für den eine Baubewilligung erforderlich ist (arg. 'für den eine nachträgliche Bewilligung nicht erteilt worden ist' im § 129 Abs. 10 BO; hg. Erkenntnis vom 30. Mai 1995, Zl. 94/05/0250). Erst die hier noch nicht anwendbare Novelle LGBl. Nr. 42/1996 ermöglicht auch einen Bauauftrag, wenn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist.
... Die Punkte 3) und 4) des Bauauftrages betreffen offenbar - anderes ist im Akt nicht zu entnehmen, zumal keine Pläne vorliegen - Bauführungen innerhalb der Betriebseinheit; ob sie von Einfluss auf die statischen Verhältnisse des Hauses oder der baulichen Anlage sind, ist nach dem Akteninhalt nicht erkennbar. Jedenfalls hat die belangte Behörde dadurch die Rechtslage verkannt, dass sie die Bewilligungspflicht alleine anhand des § 60 Abs. 1 lit. c BO prüfte, ohne, worauf § 60 Abs. 1 BO verweist, auf die Frage einzugehen, ob das Vorhaben bloß anzeigepflichtig war (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 1999, Zl. 95/05/0052)."
Auf Grund der von ihm durchgeführten Erhebungen an Ort und Stelle teilte der zuständige Sachbearbeiter der belangten Behörde mit Schreiben vom 20. Februar 2001 mit, dass die Errichtung der Stiegenanlage in Stahlbeton die statistischen Verhältnisse des Gebäudes berühren und die Abänderung der Fenstergrößen Änderungen der äußeren Gestaltung der Baulichkeit herbeigeführt hätten.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde die Berufung gegen den Bescheid des Magistrates der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37/8, vom 10. Juli 1995 als unbegründet abgewiesen und es wurden "die angefochtenen Bescheidteile mit der Ergänzung bestätigt, dass diese an die Eigentümer des Hauses der Liegenschaft in Wien 8, Hernalser Gürtel 2, und die Wohnungseigentümer der angeführten Bestandsobjekte Nr. 3 und Nr. 4, die den im Grundbuch ausgewiesenen Wohnungseigentumsobjekten W4 und W5 entsprechen, gerichtet sind". Die belangte Behörde legte sachverhaltsmäßig ihrer Entscheidung die Erhebungen der Magistratsabteilung 37 zugrunde, welche in den beiden Lokalen im Souterrain links vom Hauseingang des Hauses in Wien 8, Hernalser Gürtel 2, folgende Abweichungen vom konsensgemäßen Bestand festgestellt hat:
"Nach Entfernen von zwei Trennwänden wurden die beiden Lokale Nr. 3 und Nr. 4 in einem Bestandsobjekt vereinigt und die dritte von der linken Grundgrenze an gezählte Öffnung in der straßenseitigen Außenmauer um ca. 40 cm auf nunmehr 1,25 m verbreitert. Weiters wurde zur Überwindung des Niveauunterschiedes zwischen dem Hernalser Gürtel und dem im Souterrain bestehenden Bestandsobjekt eine Stiegenanlage in diesem Lokal aus Stahlbeton errichtet und wurde rechts des Lokaleinganges nach Aufstellen von Scheidewänden ein Abort samt Vorraum sowie der mit dem Abort verbundene Anschluss an die Hauskanalanlage ohne baubehördliche Bewilligung hergestellt. Ebenso wurde im gegenständlichen Lokal eine bestehende Mittelmaueröffnung durch Abtragen von Mauerwerksteilen um ca. 60 cm auf nunmehr 1,5 m verbreitert, eine hofseitige Fensteröffnung zwischen diesem Lokal und dem Lichthof im Bereich der linken Grundgrenze verschlossen, in dem gangseitig gelegenen Raum des Lokales eine ca. 50 cm x 50 cm große Öffnung in das daneben liegende Stiegenhaus ausgebrochen - diese mit Glasbausteinen verschlossen - und wurde schlussendlich im Gangbereich des Souterrains links vom Hauseingang durch Errichten einer Gipskartonwand mit sperrbarer Tür ein allgemeiner Gangteil samt zwei Gangaborten und zwei Lagerräumen ohne baubehördliche Bewilligung in die gegenständliche Betriebsanlage integriert; somit ist auch der gemäß § 89 Abs. 7 der BO für Wien notwendige allgemeine Zugang zu diesem bestehenden Lichthof in der linken Grundgrenze nicht mehr gewährleistet."
Die belangte Behörde führte in der Begründung des angefochtenen Bescheides weiter aus: Auf Grund des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes sei die belangte Behörde zwar gehalten, ihrer neuerlichen Entscheidung die Rechtsansicht dieses Erkenntnisses zu Grunde zu legen; in diesem Erkenntnis habe jedoch der Verwaltungsgerichtshof selbst ausgeführt, dass nunmehr die Bauordnung für Wien (BO) infolge der damals von der Berufungsbehörde im Beschwerdefall noch nicht anzuwendenden Novelle LGBl. für Wien Nr. 42/1996 auch einen Bauauftrag ermögliche, wenn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden sei. Nach der Berufungsentscheidung der belangten Behörde vom 23. Oktober 1995 sei eine Änderung der Rechtslage gegenüber jener zum Zeitpunkt der damaligen Berufungsentscheidung vom 23. Oktober 1995 - die im Beschwerdefall vor dem Verwaltungsgerichtshof nicht berücksichtigt habe werden können - insofern eingetreten, als die Bestimmung des § 129 Abs. 10 BO, auf die sich die gegenständlichen Bauaufträge vom 23. Oktober 1995 gestützt hätten, novelliert worden sei. Die Behörde sei verpflichtet, die im Zeitpunkt der neuen Entscheidung geltende Rechtslage der Entscheidung im Ersatzbescheid zu Grunde zu legen. Die nunmehr geltende Regelung des § 129 Abs. 10 BO ermögliche die Erlassung von Bauaufträgen auch in jenen Fällen, in denen die Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden sei. Dass die von den hier zu beurteilenden Aufträgen erfassten Baumaßen jedenfalls einer Baubewilligung bzw. der Kenntnisnahme einer Bauanzeige bedürften und demnach nicht bewilligungsfrei seien, könne auch den Ausführungen des Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1999 zweifelsfrei entnommen werden.
Anlässlich einer Erhebung an Ort und Stelle sei vom bautechnischen Amtssachverständigen im Berufungsverfahren festgestellt worden, dass hinsichtlich dieser Vorschriftswidrigkeiten keine Änderungen erfolgt seien. Weder eine nachträgliche Baubewilligung noch eine nachträgliche Kenntnisnahme einer Bauanzeige sei erwirkt worden. Die von den angefochtenen Aufträgen erfassten Bestandsobjekte Nr. 3 und 4 entsprächen den im Grundbuch ausgewiesenen Wohnungseigentumsobjekten W4 und W5. Anhand der Aktenlage und den aufliegenden Plänen ergebe sich, dass die von den angefochtenen Aufträgen Punkt 3) und 4) des erstinstanzlichen Bescheides erfassten baulichen Abänderungen im angeführten Bestandsobjekt Nr. 4, das dem im Grundbuch ausgewiesenen Wohnungseigentumsobjekt W5 entspräche, durchgeführt worden seien bzw. sich auf die Mittelmauer als Trennmauer zwischen den angeführten Bestandsobjekten Nr. 3 und 4 (Wohnungseigentumsobjekte W4 und W5) bezögen. Beseitigungsaufträge für vorschriftswidrige Bauten seien an den Eigentümer (Miteigentümer) der Baulichkeit bzw. an den Wohnungseigentümer der betreffenden Nutzungseinheit zu errichten und zwar unabhängig davon, ob er oder seine Rechtsvorgänger oder ein Dritter den konsenswidrigen Zustand herbeigeführt hätten. Die nunmehrige neue Miteigentümerin des Hauses und Wohnungseigentümerin des Wohnungseigentumsobjektes W5 (Beschwerdeführerin) sei als Rechtsnachfolgerin in die Rechtsstellung der Berufungswerberin eingetreten.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften trägt die Beschwerdeführerin vor, sie sei von den von der belangten Behörde durchgeführten Ermittlungen nicht in Kenntnis gesetzt worden und habe keine Möglichkeit zur Stellungnahme hiezu gehabt. Sie sei demnach in ihrem Recht auf Parteiengehör verletzt worden. Nicht festgestellt sei, wann die Erhebungen durchgeführt worden seien; theoretisch könnten auch die Erhebungen bereits fast drei Jahre zurückliegen. Der angefochtene Bescheid sei auch nicht ausreichend begründet; es könne nicht nachvollzogen werden, von welchen Vorschriftswidrigkeiten die belangte Behörde ausgehe.
Hinsichtlich des Punktes 4) des erteilten Auftrages gehe die belangte Behörde von einer unzutreffenden Sachverhaltsfeststellung aus. Es sei nicht die Maueröffnung verbreitert sondern vielmehr nur der Türstock entfernt worden, dies führe naturgemäß zu einer ca. 10 bis 20 cm umfassenden Verbreiterung der Tür. Eine bauliche Vergrößerung sei nicht erfolgt.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes führt die Beschwerdeführerin aus, Bauaufträge gemäß § 129 Abs. 10 BO dürften nur dann erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen bestehe. Diese Tatbestandsvoraussetzung werde von der belangten Behörde nicht festgestellt. Könnte die Behörde auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen einen Bauauftrag erteilen, wäre ihr ein unbestimmtes Ermessen eingeräumt. Diesfalls würde § 129 Abs. 10 BO ein verfassungswidriger Inhalt unterstellt.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Bei der Prüfung eines gemäß § 63 Abs. 1 VwGG erlassenen Ersatzbescheides ist der Verwaltungsgerichtshof an die im vorangegangenen Erkenntnis geäußerte, die Aufhebung tragende Rechtsanschauung gebunden (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 15. Mai 2002, Zl. 98/08/0186 und vom 23. Jänner 2003, Zl. 2000/16/0330, mit weiteren Nachweisen). Nach Aufhebung eines Bescheides durch Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes hat jedoch die Behörde anlässlich der Fortführung des neuerlichen Abschlusses des Verfahrens eine inzwischen eingetretene Änderung der Sachlage und Rechtslage zu berücksichtigen; insoweit tritt daher keine Bindung im Sinne des § 63 Abs. 1 VwGG ein (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 29. September 1997, Zl. 93/17/0101, mit weiteren Nachweisen).
Nach Erlassung des im zur hg. Zl. 95/05/0341 angefochtenen und teilweise aufgehobenen Bescheides hat sich nunmehr die hier maßgebliche Rechtslage geändert und es war daher die belangte Behörde verpflichtet, diese Änderung der Rechtslage, ungeachtet des vorher ergangenen Erkenntnisses des Verwaltungsgerichtshofes vom 28. September 1999, unter Zugrundelegung der nunmehr für ihre Entscheidung maßgeblichen Normen zu entscheiden.
§ 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien (BO) wurde - wie der Verwaltungsgerichtshof bereits in seinem aufhebenden Erkenntnis vom 28. September 1999, Zl. 95/05/0341, ausgeführt hat - durch die damals noch nicht anwendbare Novelle LGBl. Nr. 42/1996 geändert. Art. III Abs. 2 dieser Novelle ordnete an, dass diese Norm mit dem der Kundmachung des Gesetzes folgenden Tag in Kraft tritt; dies war der 19. September 1996. Art. IV Abs. 1 LGBl. 42/1996 sah weiters folgende Übergangsbestimmung vor:
"(1) Jene Bestimmungen dieses Gesetzes, die mit dem seiner Kundmachung folgenden Tage in Kraft treten, sind auf Baubewilligungs- und Grundteilungsverfahren nicht anzuwenden, in denen der erstinstanzliche Bescheid im Zeitpunkt des Inkrafttretens dieser Bestimmung bereits erlassen ist. Diese Verfahren sind nach den bisher geltenden Bestimmungen zu Ende zu führen."
Daraus folgt, dass für Bauauftragsverfahren - auch wenn, wie im Beschwerdefall bereits der erstinstanzliche Bescheid im Zeitpunkt des Inkrafttretens der vorzitierten Novelle erlassen war - § 129 Abs. 10 BO in der novellierten Fassung von der belangten Behörde anzuwenden war.
Diese Bestimmung hat nunmehr folgenden Wortlaut:
"(10) Jede Abweichung von Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften ist zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Behörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohnungseigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu errichten. ..."
In den Erläuternden Bemerkungen zur Novelle LGBl. 42/1996 wird hiezu ausgeführt, dass im Abs. 10 erster Satz des § 129 BO die Tatbestände "Abweichungen von den Bauvorschriften" und "Vorschriftswidriger Bau" nunmehr getrennt geregelt sind, um im Hinblick auf die Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes klarzustellen, dass Abweichungen von Bauvorschriften auch dann zu beheben sind, wenn es sich nicht um bewilligungspflichtige Baumaßnahmen handelt. Gleichzeitig wird die Möglichkeit der Behörde zur Erteilung von einschlägigen Aufträgen ausdrücklich im Gesetz verankert (vgl. hiezu das Zitat bei Geuder/Hauer, Wiener Bauvorschriften, 4. Auflage, Seite 715). Nach der Novelle LGBl. Nr. 42/1996 kann daher die Baubehörde auch einen Bauauftrag nach § 129 Abs. 10 BO erlassen, wenn die Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist.
Die der Beschwerdeführerin im angefochtenen Bescheid erteilten Aufträge betreffen einerseits bauliche Maßnahmen, die im Sinne des § 60 Abs. 1 lit. c BO bewilligungspflichtig sind (Änderungen oder Instandsetzungen von Gebäuden und baulichen Anlagen, wenn sie von Einfluss auf die Festigkeit, die gesundheitlichen Verhältnisse, die Feuersicherheit oder auf die subjektiven öffentlichen Rechte der Nachbarn sind oder durch die das äußere Ansehen oder die Raumeinteilung geändert wird, Änderung der bewilligten Raumwidmungen oder des bewilligten Fassungsraumes eines Gebäudes oder einer baulichen Anlage) bzw. ist für sie eine Bauanzeige im Sinne des § 62 BO erforderlich (vgl. insbes. § 62 Abs. 1 Z 2 und 4 BO).
Insofern die beschwerdeführende Partei den im Punkt 4) erteilten Auftrag für rechtswidrig ansieht, weil ihrer Ansicht nach nicht eine Maueröffnung verbreitert worden sondern nur ein Türstock entfernt worden sei und dies zu einer ca. 10 bis 20 cm großen Verbreiterung des Durchganges geführt habe, jedoch damit keine bauliche Veränderung erfolgt sei, ist darauf hinzuweisen, dass es sich bei dieser baulichen Maßnahme jedenfalls um eine Bauführung in einer Wohnung oder Betriebseinheit im Sinne des § 62 Abs. 1 Z 4 BO handelt und daher jedenfalls anzeigepflichtig ist.
Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit des Inhaltes rügt die Beschwerdeführerin, der Bauauftrag hätte deshalb nicht erlassen werden dürfen, weil durch die baulichen Maßnahmen keine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen verbunden gewesen wäre. Das der Behörde eingeräumte Ermessen bei Erteilung der Bauaufträge könne nur dahingehend verstanden werden, dass Aufträge nur dann zulässig seien, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch die ohne Baubewilligung bzw. Kenntnisnahme einer Bauanzeige ausgeführten Bauvorhaben entstünde.
Mit diesem Vorbringen verkennt die Beschwerdeführerin, dass der Verpflichtete gemäß § 129 Abs. 10 BO jede Abweichung von den Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben hat und einen vorschriftswidrigen Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, zu beseitigen hat.
Die an die Baubehörde gerichtete Anordnung, dass "gegebenenfalls Aufträge erteilt werden können" bedeutet, dass die Behörde von Amts wegen bei jeder Abweichung bzw. Vorschriftswidrigkeit im Sinne des § 129 Abs. 10 erster Satz BO einen Auftrag erteilen muss, sofern nicht der Verpflichtete selbst im Sinne der gesetzlichen Anordnung die Abweichung von den Bauvorschriften behebt oder den vorschriftswidrigen Bau beseitigt. Der Behörde ist nur insofern ein Gestaltungsspielraum bei der Durchführung des Bauauftragsverfahrens nach § 129 Abs. 10 BO eingeräumt, als ihr die Möglichkeit an die Hand gegeben ist, mit der Erlassung des Bauauftrages zuzuwarten und dieses - vorläufige -
Unterbleiben eines Auftrages sachlich gerechtfertigt ist (siehe die bei Moritz, Bauordnung für Wien, Kurzkommentar samt Durchführungsverordnungen und Nebenbestimmungen, Seite 301 genannten Beispiele für das Zuwarten mit der Erteilung des Bauauftrages). Im Falle einer offenkundigen Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch den vorschriftswidrigen Bau oder die Abweichung von den Bauvorschriften hat jedoch die Behörde sofort einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO zu erlassen.
Die Beschwerdeführerin ist jedenfalls in keinem subjektivöffentlichen Recht verletzt, wenn die belangte Behörde im Beschwerdefall auch ohne Vorliegen einer Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen durch die vorschriftswidrigen Bauten einen Auftrag gemäß § 129 Abs. 10 BO erlassen hat, weil die Beschwerdeführerin der ihr durch das Gesetz auferlegten Verpflichtung, eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige zu erwirken, nicht nachgekommen ist.
Der behauptete Begründungsmangel liegt ebenfalls nicht vor. Die belangte Behörde hat vor Erlassung des Ersatzbescheides ein Ermittlungsverfahren zur Frage durchgeführt, ob die Beschwerdeführerin die vorschriftswidrigen Bauten im Sinne des Auftrages der Behörde erster Instanz beseitigt hat, und festgestellt, dass der Auftrag der Behörde erster Instanz noch immer nicht erfüllt wurde. Auch in der Beschwerde wird dies nicht bestritten.
Insoweit die Beschwerdeführerin der belangten Behörde eine Verletzung des Rechts auf Parteiengehör zur Last legt, wird dieser (behauptete) Verfahrensmangel in der Beschwerde nicht gesetzmäßig ausgeführt, weil nicht näher dargelegt wird, zu welch anderem Ergebnis die belangte Behörde bei Anhörung der Beschwerdeführerin aus welchen Gründen kommen hätte können.
Der angefochtene Bescheid erweist sich sohin als frei von Rechtsirrtum. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 15. Juli 2003
Schlagworte
Ermessen besondere RechtsgebieteErmessen VwRallg8Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002050969.X00Im RIS seit
29.08.2003Zuletzt aktualisiert am
29.03.2010