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L37159 Anliegerbeitrag Aufschließungsbeitrag InteressentenbeitragNorm
ABGB §2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident DDr. Jakusch und die Hofräte Dr. Giendl und Dr. Pallitsch als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Thalhammer, über die Beschwerde der GT in Wien, vertreten durch Dr. PG, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Wien vom 6. September 2001, Zl. UVS-04/A/18/8075/2000/5, betreffend Übertretung der Bauordnung für Wien, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die Beschwerdeführerin hat der Bundeshauptstadt Wien Aufwendungen in der Höhe von EUR 332,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien vom 13. Dezember 1999 wurde der Beschwerdeführerin ein auf § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien gestützter Bauauftrag folgenden Inhaltes erteilt:
"Die auf dem Kleingarten EZ 3814, Gst. Nr. 637/7 des Grundbuches der Kat.Gem. ..., errichteten drei Stützmauern im südlich, talseits gelegenen Teil an der Ostfront auf eine Länge von ca. 15 m im Ausmaß von ca. 1,2 m bis ca. 3,8 m Höhe, an der Südfront auf eine Länge von ca. 20 m im Ausmaß von ca. 1,8 m bis ca. 3,8 m Höhe, an der Westfront auf eine Länge von ca. 19 m im Ausmaß von ca. 1,8 m bis ca. 0,4 m Höhe, aus gebrauchten Holzbalken, und die in selber Höhe durchgeführte Aufschüttung und die daraus resultierende Terrassierung sind binnen einer Frist von 3 Monaten nach Rechtskraft dieses Bescheides abtragen bzw. entfernen zu lassen."
(Der Magistrat der Stadt Wien, Magistratsabteilung 37, hatte bereits mit Berichtigungsbescheid vom 20. Juli 1999 die Grundstücksnummer des vom Auftrag betroffenen Grundstückes der Beschwerdeführerin gemäß § 62 Abs. 4 AVG mit "636/7" richtig gestellt.)
Der Verwaltungsgerichtshof hat mit Erkenntnis vom 4. Juli 2000, Zl. 2000/05/0111, die gegen diesen Bescheid der Bauoberbehörde für Wien erhobene Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Mit Straferkenntnis des Magistrates der Stadt Wien vom 17. August 2000 wurde der Beschwerdeführerin als Eigentümerin des Hauses in der Kleingartenanlage in Wien ...A-Straße, EZ 3814 der Katastralgemeinde ... zur Last gelegt, in der Zeit vom 30. Juni 1999 bis 24. Dezember 1999 Abweichungen von den Bauvorschriften insofern nicht behoben zu haben, als die im vorgenannten Bauauftrag näher beschriebenen, von der Beschwerdeführerin durchgeführten baulichen Maßnahmen, für die eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, nicht beseitigt worden sind.
Der Beschwerdeführerin wurde zur Last gelegt, dadurch gegen § 135 Abs. 1 in Verbindung mit § 129 Abs. 10 der Bauordnung für Wien verstoßen zu haben. Über sie wurde eine Geldstrafe von S 48.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit eine Ersatzfreiheitsstrafe von drei Wochen und drei Tagen) gemäß § 135 Abs. 1 leg cit. verhängt.
Mit dem nunmehr angefochtenen Bescheid wurde der Berufung der Beschwerdeführerin keine Folge gegeben, die verhängte Strafe jedoch auf S 40.000,-- (EUR 2.906,91), im Nichteinbringungsfalle auf eine Woche Ersatzfreiheitsstrafe, herabgesetzt.
In der Begründung wird hiezu ausgeführt, durch § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien werde nicht die Nichtbefolgung des Bauauftrages unter Strafe gestellt, sondern die Verletzung des Gesetzes (§ 129 Abs. 10 leg. cit.) selbst. Die Beschwerdeführerin habe fahrlässig nicht erkannt, dass der Bau von vornherein nicht bewilligungsfähig gewesen sei, und habe ab Zustellung des Abtragungsauftrages das Gesetz zumindest bewusst fahrlässig dadurch verletzt, dass sie es unterlassen habe, den gesetzmäßigen Zustand herzustellen. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens stehe die zur Last gelegte Tat als erwiesen fest.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vom Verfassungsgerichtshof nach Ablehnung ihrer Behandlung mit Beschluss vom 26. November 2001, B 1512/01-3, an den Verwaltungsgerichtshof mit Beschluss vom 20. Februar 2002, B 1512/01-5, gemäß Art. 144 Abs. 3 B-VG abgetretene, vorliegende Beschwerde. Die Beschwerdeführerin macht Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend. Unter dem Gesichtspunkt einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften führte sie aus, sie habe bereits in ihrer Äußerung vom 21. Juni 2000 ausdrücklich vorgebracht, dass sie mit der Durchführung der streitgegenständlichen Arbeiten eine "Fachfirma" betraut habe und diese sie nicht darauf aufmerksam gemacht habe, dass für die von ihr beabsichtigten Arbeiten die Einholung einer Baubewilligung notwendig sei. Zum Beweis dafür habe sie ihre Einvernahme und die Einvernahme des Zeugen Dr. G. sowie die Einsichtnahme in den relevanten Verwaltungsakt beantragt. Die belangte Behörde habe diese Beweisanträge übergangen und dadurch den bekämpften Bescheid mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften belastet. Durch die Unterlassung der beantragten Beweisaufnahme sei die Frage der subjektiven Tatseite von der belangten Behörde falsch gelöst worden. Wenn ein Auftraggeber einen befugten Professionisten mit der Durchführung von Arbeiten betraue, muss er darauf vertrauen können, dass dieser Professionist ihn für den Fall, dass eine Baubewilligung notwendig sein sollte, über diese Notwendigkeit aufkläre. Hätte die belangte Behörde die Beweisanträge beachtet, wäre hervorgekommen, dass das Vorbringen der Beschwerdeführerin zutreffe und sie an der Durchführung der Arbeiten ohne Einholung einer Baubewilligung kein Verschulden treffe. Es habe keine gesicherte höchstgerichtliche Rechtsprechung zur Frage gegeben, ob bei Niveauerhöhungen im Kleingartengebiet eine Baubewilligung notwendig sei. Es sei daher die von der Beschwerdeführerin vertretene Rechtsauffassung, dass die inkriminierten Arbeiten keiner Baubewilligung bedürften, durchaus vertretbar gewesen. Bei Vorliegen einer vertretbaren Rechtsauffassung mangle es aber an der subjektiven Tatseite. Erst mit der Zustellung der Verwaltungsgerichtshofsentscheidung im Bauauftragsverfahren habe die Beschwerdeführerin erkennen können, dass eine Baubewilligung notwendig gewesen wäre. Daraufhin habe die Beschwerdeführerin innerhalb der ihr gesetzten dreimonatigen Frist den gesetzmäßigen und vom Verwaltungsgerichtshof geforderten Zustand hergestellt. Die Berichtigung der Grundstücksnummer im Berufungsbescheid sei unzulässig gewesen.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 135 Abs. 1 der Bauordnung für Wien (in der Folge: BO) werden Übertretungen der Vorschriften dieses Gesetzes und der auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen mit Geld bis zu EUR 21.000,-- oder mit Freiheitsstrafe bis zu sechs Wochen bestraft.
§ 135 Abs. 1 BO ist eine Blankett-Strafvorschrift, welche selbst keinen Tatbestand enthält, sondern auf andere Vorschriften, die damit Teil des Verwaltungsstraftatbestandes werden, verweist. Die Blankett-Strafnorm des § 135 Abs. 1 BO enthält die Verweisung auf die Bauordnung und die auf Grund dieses Gesetzes erlassenen Verordnungen als Rechtsquelle für das Tatbild von Übertretungen im Sinne dieses Gesetzes. Ob eine Bestimmung der BO überhaupt eine Norm enthält, der zuwidergehandelt werden kann, muss daher in jedem einzelnen Fall geprüft werden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 28. Oktober 1997, Zl. 97/05/0105).
Die Strafbehörden gingen davon aus, dass die Beschwerdeführerin § 129 Abs. 10 BO zuwider gehandelt hat.
Nach dieser Gesetzesstelle ist jede Abweichung von Bauvorschriften einschließlich der Bebauungsvorschriften zu beheben. Ein vorschriftswidriger Bau, für den eine nachträgliche Bewilligung oder Kenntnisnahme einer Bauanzeige nicht erwirkt worden ist, ist zu beseitigen. Gegebenenfalls kann die Baubehörde Aufträge erteilen; solche Aufträge müssen erteilt werden, wenn augenscheinlich eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit der Menschen besteht. Aufträge sind an den Eigentümer (jeden Miteigentümer) des Gebäudes oder der baulichen Anlage zu richten; im Falle des Wohneigentums sind sie gegebenenfalls an den Wohnungseigentümer der betroffenen Nutzungseinheit zu richten.
In ständiger Rechtsprechung hat der Verwaltungsgerichtshof ausgeführt, dass es sich bei einer Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO um ein Ungehorsamsdelikt im Sinne des § 5 Abs. 1 VStG handelt; der Täter kann nach dieser Bestimmung nur dann straflos bleiben, wenn er glaubhaft macht, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen ist bzw. wenn er aufzuzeigen vermag, dass er während des ihm angelasteten Tatzeitraumes alles in seinen Kräften stehende (Ausschöpfung der tatsächlichen und rechtlichen Möglichkeiten) unternommen hat, um das Baugebrechen innerhalb kürzester Zeit zu beseitigen (vgl. hiezu die hg. Erkenntnisse vom 25. Jänner 2000, Zl. 96/05/0007, und vom 29. August 2000, Zl. 2000/05/0110).
Voraussetzung für die Strafbarkeit nach § 129 Abs. 10 BO ist nicht die Erteilung eines baupolizeilichen Auftrages; diese Norm enthält vielmehr ein Gebot, dem zuwidergehandelt werden kann. Ob ein Bauauftrag ergangen ist, welche Erfüllungsfristen er vorsah, welche Rechtsmittel gegen ihn ergriffen wurden, oder gar, ob der Verwaltungsgerichtshof einer Beschwerde im Bauauftragsverfahren aufschiebende Wirkung zuerkannt hat, spielt für die Strafbarkeit - so lange nicht Verjährung eingetreten ist - keine Rolle (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2001, Zl. 98/05/0236, u.v.a.).
Da es sich bei der Verwaltungsübertretung nach § 129 Abs. 10 BO um ein Ungehorsamsdelikt handelt, hat die Strafbehörde, wenn der objektive Tatbestand festgestellt ist, mit einer Verwaltungsstrafe vorzugehen, es sei denn, der Täter beweist, dass ihm die Einhaltung der Verwaltungsvorschrift ohne sein Verschulden unmöglich gewesen sei; straffrei bleibt der Eigentümer, wenn er beweist, alles in seinen Kräften unternommen zu haben, um den vorschriftswidrigen Bau zu beseitigen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 11. Dezember 2001, Zl. 99/05/0132).
Die Beschwerdeführerin erachtet den angefochtenen Bescheid deshalb für rechtswidrig, weil die belangte Behörde ein Verschulden der Beschwerdeführerin angenommen hat, obwohl ihre Rechtsauffassung, die beschwerdegegenständlichen Baumaßnahmen bedürften keiner Baubewilligung, vertretbar gewesen sei.
Ist die Auflösung eines Normwerkes durch einen juristischen Laien mit Schwierigkeiten verbunden, ist es seine Sache, sich bei der zuständigen Behörde über den Inhalt dieser Normwerke zu informieren (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 16. November 1993, Zl. 93/07/0022, 0023). Auch die irrige Gesetzesauslegung ist ein Rechtsirrtum, der den Beschuldigten nicht zu entschuldigen vermag, wenn nach seinem ganzen Verhalten nicht angenommen werden kann, dass die irrige Gesetzesauslegung unverschuldet war, und er daher das Unerlaubte seines Verhaltens nicht einsehen konnte. Die bloße Argumentation im Verwaltungsstrafverfahren mit einer - allenfalls sogar plausiblen - Rechtsauffassung allein vermag ein Verschulden am objektiv unterlaufenen Rechtsirrtum nicht auszuschließen. Selbst wenn man mit der Beschwerdeführerin die Meinung verträte, die Rechtslage sei kompliziert, so wäre es, um allenfalls mangelndes Verschulden annehmen zu können, gerade dieser Umstand, der die Beschwerdeführerin hätte veranlassen müssen, Erkundigungen einzuholen, ob die von ihr zum vorliegenden Fragenkreis vertretene Rechtsansicht zutrifft (vgl. hiezu die bei Walter-Thienel, Die österreichischen Verwaltungsverfahrensgesetze, 2. Band,
2. Auflage, Seiten 90 ff zu § 5 VStG wiedergegebene hg. Rechtsprechung). Dass die Beschwerdeführerin dies in dem im Spruch des Straferkenntnisses genannten Zeitraum getan hätte, wird von ihr gar nicht behauptet.
Auch mit dem Hinweis, sie hätte sich bei Errichtung der in der Folge vom Bauauftrag erfassten baulichen Anlagen eines Professionisten bedient, verfängt nicht, weil dieser Umstand sie selbst nicht entbindet, sich mit den einschlägigen Vorschriften vertraut zu machen und im Falle des Zweifels bei der Behörde anzufragen. Deshalb hat die belangte Behörde den angefochtenen Bescheid auch nicht mit einer Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften deshalb belastet, weil die beantragten Beweismittel zum Beweis dafür, dass die Beschwerdeführerin mit den gegenständlichen Arbeiten ein Bauunternehmen beauftragt habe, in rechtlicher Hinsicht nicht von entscheidender Bedeutung sind.
Auch die Berichtigung der irrigen Bezeichnung des von der Strafbehörde erster Instanz bezeichneten Grundstücks durch die belangte Behörde belastet den angefochtenen Bescheid nicht mit einer Rechtswidrigkeit, weil die neue Bezeichnung das tatsächlich gemeinte Grundstück trifft (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 22. September 1992, Zl. 89/05/0146).
Aus diesen Gründen erweist sich der angefochtene Bescheid als frei von Rechtsirrtum.
Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Kostenentscheidung stützt sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 15. Juli 2003
Schlagworte
BerufungsverfahrenMangel der Berechtigung zur Erhebung der Beschwerde mangelnde subjektive Rechtsverletzung Parteienrechte und Beschwerdelegitimation Verwaltungsverfahren Mangelnde Rechtsverletzung Beschwerdelegitimation verneint keineBESCHWERDELEGITIMATIONBaupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Allgemein BauRallg9/1Baupolizei Baupolizeiliche Aufträge Baustrafrecht Kosten Konsenslosigkeit und Konsenswidrigkeit unbefugtes Bauen BauRallg9/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002050107.X00Im RIS seit
15.08.2003Zuletzt aktualisiert am
03.04.2009