Index
20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §140;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des Dr. E in Wien, vertreten durch Böhmdorfer-Gheneff Rechtsanwälte KEG in 1040 Wien, Favoritenstraße 16, gegen den Bescheid der Wiener Landesregierung vom 21. Dezember 2001, Zl. MA 61/IV-E 483/2000 F, betreffend Zurückweisung von Anträgen in einer Staatsbürgerschaftsangelegenheit, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
Aus der - nach Ablehnung ihrer Behandlung und Abtretung durch den Verfassungsgerichtshof mit Beschluss vom 11. Juni 2002, B 184/02-
3 - für das verwaltungsgerichtliche Verfahren ergänzten Beschwerde
und der mit ihr vorgelegten Bescheidkopie ergibt sich folgender Sachverhalt:
Der in Bulgarien geborene, in Österreich als Facharzt berufstätige Beschwerdeführer ist Vater zweier am 17. Mai 1982 und am 29. Oktober 1985 geborener Kinder aus einer im Jänner 1990 in Bulgarien geschiedenen (ersten) Ehe und seit Oktober 1990 österreichischer Staatsbürger. Den beiden Kindern wurde mit Wirkung vom 16. Mai 2000 bzw. 4. August 2000 die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen. Die Verleihungen erfolgten, nach der Darstellung im angefochtenen Bescheid, auf Grund von Anträgen der Kinder mit Zustimmung ihrer Mutter und ausgehend davon, dass eine Einwilligung des Beschwerdeführers nicht erforderlich sei.
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde in Erledigung eines am 10. November 2000 eingelangten und durch weitere Eingaben sowie im Zuge persönlicher Vorsprachen ergänzten Schriftsatzes des Beschwerdeführers dessen "Anträge auf Akteneinsicht, Zustellung und Aufhebung der beiden Bescheide hinsichtlich der Verleihung der Staatsbürgerschaft an seine Kinder" zurück. Sie stellte fest, der Beschwerdeführer habe "keine Parteistellung hinsichtlich der Staatsbürgerschaftsverfahren seiner beiden Kinder".
Dagegen richtet sich die vorliegende Beschwerde, in der sich der Beschwerdeführer durch den angefochtenen Bescheid in seinem "Recht auf Zustimmung bzw. Einwilligung zur Staatsbürgerschaftsverleihung an seine Kinder" sowie im "Recht auf Nichtverleihung der Österreichischen Staatsbürgerschaft an seine Kinder" verletzt erachtet. Zur Begründung wird u.a. ausgeführt,
diese Rechte ergäben sich "aus dem StbG ... und den Bestimmungen
über die gesetzlichen Unterhaltspflichten der Eltern gegenüber ihren Kindern". Die Verleihung der Staatsbürgerschaft greife insofern in die Rechte des Beschwerdeführers ein, als "das österreichische Unterhaltsrecht - welches nunmehr auf Grund der österreichischen Staatsbürgerschaft der beiden Kinder zur Anwendung käme - den Kindern ein Vielfaches der bisherigen Unterhaltsansprüche gewährt". Mit der in § 19 Abs. 2 StbG vorgesehenen Einwilligung des gesetzlichen Vertreters zur Verleihung der Staatsbürgerschaft, die in den Fällen der Kinder des Beschwerdeführers - soweit es diesen betreffe - nicht eingeholt worden sei, nehme der gesetzliche Vertreter "ein eigenes subjektives Recht wahr". Die Verleihungsbescheide hätten "in das subjektive Recht des gesetzlichen Vertreters auf Erteilung der Zustimmung" eingegriffen, weshalb dem Beschwerdeführer Parteistellung in den Verleihungsverfahren zukomme.
Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:
Die im vorliegenden Fall strittige Frage der Parteistellung des Beschwerdeführers in den Verfahren, in denen seinen Kindern die österreichische Staatsbürgerschaft verliehen wurde, hängt - bei Zutreffen der Behauptung des Beschwerdeführers, dass nach bulgarischem Recht die gesetzliche Vertretung im Zusammenhang mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft nicht von der Mutter allein wahrgenommen werden konnte - davon ab, ob mit der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters in die Verleihung der Staatsbürgerschaft im Sinne des dazu vertretenen Beschwerdestandpunktes ein subjektives Recht des gesetzlichen Vertreters ausgeübt wird.
Nach der bisherigen Rechtsprechung sowohl des Verfassungsals auch des Verwaltungsgerichtshofes, die sich insoweit allerdings auf die Stammfassung des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1965, BGBl. Nr. 250, bezieht, wäre dies nicht der Fall.
§ 19 StbG 1965 lautete in der erwähnten Fassung, soweit hier wesentlich, wie folgt:
"§ 19. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) darf nur auf schriftlichen Antrag verfügt werden.
(2) Der Antrag ist vom eigenberechtigten Fremden persönlich zu unterfertigen. Ist der Fremde nicht eigenberechtigt, so ist der Antrag für ihn entweder von seinem gesetzlichen Vertreter persönlich oder mit dessen schriftlicher Zustimmung von ihm selbst oder einer dritten Person zu unterfertigen.
(3) Verweigert der gesetzliche Vertreter seine Zustimmung, so kann sie durch das Gericht ersetzt werden, wenn die Verleihung der Staatsbürgerschaft (Erstreckung der Verleihung) aus erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Gründen dem Wohl des Fremden dient. Gleiches gilt, wenn der Fremde keinen gesetzlichen Vertreter hat ..."
In der Regierungsvorlage dazu (497 BlgNR X. GP 26 f) wurde u. a. ausgeführt, die Möglichkeit einer Unterfertigung des Antrages durch eine "dritte Person" sei
"vor allem in den häufigen Fällen von praktischer Bedeutung, wo die Eltern des minderjährigen Fremden geschieden sind, der Minderjährige bei seiner Mutter in Österreich lebt und diese für ihn um die Verleihung der Staatsbürgerschaft ansucht. Denn oft ist nach den Erfahrungen der Praxis der Kindesvater aus den verschiedensten Gründen wohl bereit, einem Verleihungsantrag als gesetzlicher Vertreter zuzustimmen, nicht aber, einen solchen selbst zu stellen.
Diese geplante Regelung bedeutet allerdings nicht, dass dem Antragsteller selbst Parteistellung zuerkannt werden soll. Vielmehr wird er lediglich im Namen des nicht eigenberechtigten Fremden und für ihn tätig. Diesem allein kommt daher im Verleihungsverfahren Parteistellung zu."
Die zuletzt wiedergegebene Aussage bezieht sich zwar unmittelbar auf den Ausschluss einer Parteistellung des antragstellenden Dritten (insb. der nicht zur gesetzlichen Vertretung berechtigten Mutter), scheint aber auch nicht darauf hinzudeuten, dass an eine Parteistellung des gesetzlichen Vertreters zur Wahrnehmung eigener Interessen gedacht war.
Im Erkenntnis vom 13. Dezember 1971, VfSlg 6607, führte der Verfassungsgerichtshof aus, im Verfahren zur Verleihung der Staatsbürgerschaft gehe es "nur um die Rechtsstellung des antragstellenden Fremden, nicht aber um die seines gesetzlichen Vertreters. Dieser hat daher auch in diesem Verfahren keine Parteistellung."
Der Verwaltungsgerichtshof merkte im Beschluss vom 17. Oktober 1978, Zl. 1620/78, ZfVB 1979/1378 - wenngleich nur obiter - an, im Verleihungsverfahren komme "lediglich jener Person Parteistellung zu, der die Staatsbürgerschaft verliehen werden soll. Das ist aber im vorliegenden Fall der mj. Beschwerdeführer".
Das Erkenntnis vom 17. November 1982, Zlen. 01/1096/79, 81/01/0101, betraf einen Beschwerdeführer, der die Wiederaufnahme des Verfahrens begehrte, in dem seinem verstorbenen Vater die Staatsbürgerschaft verliehen worden war, und seine Parteistellung daraus ableitete, dass sein Pflichtteilsanspruch nach österreichischem Recht geringer sei als nach argentinischem Erbrecht. Der Verwaltungsgerichtshof führte aus, dass "im Verfahren über einen Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft vom Einbürgerungswerber verschiedenen Personen
Parteistellung ... nur unter der Voraussetzung zukommt, dass sich
die Verleihung ... auch auf sie erstrecken soll". Aus dem Umstand,
dass im konkreten Fall keine Erstreckung der Verleihung verfahrensgegenständlich gewesen sei, ergebe sich, dass "ungeachtet der möglichen vermögens- oder erbrechtlichen Folgewirkungen des Verleihungsbescheides im Verfahren über eine allfällige Wiederaufnahme des Einbürgerungsverfahrens von einer vom Einbürgerungswerber verschiedenen Person Parteistellung jedenfalls nicht mit der Begründung in Anspruch genommen werden kann, dass durch den Verleihungsbescheid die eigene Interessenlage nachteilig berührt und in eigene Rechte eingegriffen worden sei". Nur als Zusatzargument wurde noch ins Treffen geführt, die Auswirkung auf die Bemessung des Pflichtteils berühre bloß wirtschaftliche Interessen.
Mit der Staatsbürgerschaftsgesetz-Novelle 1985, BGBl. Nr. 202, wurde § 19 Abs. 2 und 3 StbG 1965 - im Wesentlichen durch Hinzufügung eines Zustimmungsrechtes des Minderjährigen, sofern er das 14. Lebensjahr vollendet hat - neu gefasst und zugleich eine Neuregelung des Erwerbs der Staatsbürgerschaft durch Legitimation vorgenommen. Letzterer wurde für den Fall, dass der Legitimierte das 14. Lebensjahr bereits vollendet hat, an seine und an die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gebunden, wobei diese Zustimmungen durch das Gericht ersetzt werden konnten, "wenn der Erwerb der Staatsbürgerschaft aus erzieherischen, beruflichen oder anderen wichtigen Gründen dem Wohl des Legitimierten dient" (§ 7a Abs. 2 und 5 StbG 1965 i.d.F. der genannten Novelle). Die in diesem Punkt im Wesentlichen gleich lautende Neufassung des § 19 Abs. 3 StbG 1965 stellte (weiterhin) auf das "Wohl des Fremden" ab. In den Erläuterungen der Regierungsvorlage zur Novelle (568 BlgNR XVI. GP 7 f) wurde ausgeführt, der Erwerb der Staatsbürgerschaft durch Legitimation solle beim mündigen Minderjährigen
"auch an die Zustimmung des gesetzlichen Vertreters gebunden sein, weil sich an die Staatsbürgerschaft im Gegensatz zum Namen eine Reihe von Rechtsfolgen knüpft, die in ihren vollen Auswirkungen vom Minderjährigen allein oft nicht überblickt werden können."
Die Ersetzbarkeit der Zustimmungen zum Erwerb durch Legitimation durch das Gericht wurde unter Anknüpfung an die bisherige Fassung des § 19 Abs. 3 StbG 1965 als Regelung zum "umfassenden Schutz des Minderjährigen" erläutert. Zur Neufassung des § 19 Abs. 2 und 3 StbG 1965 wurde auf die Ausführungen zum Erwerb durch Legitimation verwiesen (a.a.O., 8).
Die im vorliegenden Fall maßgebliche Fassung des § 19 Staatsbürgerschaftsgesetz 1985 (StbG) i.d.F. der Novelle BGBl. I Nr. 124/1998 lautet wie folgt:
"§ 19. (1) Die Verleihung der Staatsbürgerschaft sowie die Erstreckung der Verleihung bedarf eines schriftlichen Antrages.
(2) Minderjährige Fremde, die das 14. Lebensjahr vollendet haben, können einen Antrag gemäß Abs. 1 nur selbst stellen; er bedarf der Einwilligung des gesetzlichen Vertreters.
(3) Anträge anderer nicht eigenberechtigter Fremder bedürfen deren schriftlicher Zustimmung.
(4) Erteilt der gesetzliche Vertreter in den Fällen des Abs. 2 die Einwilligung nicht, so ist diese auf Antrag des Minderjährigen oder von Amts wegen vom Pflegschaftsgericht zu ersetzen, wenn die Verleihung oder Erstreckung der Verleihung dem Wohl des Minderjährigen entspricht. Dies gilt auch, wenn der Antragsteller keinen gesetzlichen Vertreter hat oder sein gesetzlicher Vertreter nicht erreichbar ist und die Bestellung eines gesetzlichen Vertreters auf unüberwindliche Hindernisse stößt.
(5) Erteilt der nicht eigenberechtigte Fremde in den Fällen des Abs. 3 die Zustimmung nicht oder ist er hiezu nicht in der Lage, so ist diese auf Antrag des gesetzlichen Vertreters oder von Amts wegen vom Pflegschaftsgericht zu ersetzen, wenn die Verleihung oder Erstreckung der Verleihung dem Wohl des Fremden entspricht. "
In den Erläuterungen zu dieser Fassung der Bestimmung (RV 1283 BlgNR XX. GP 9) wird ausgeführt, sie solle
"es mündigen Minderjährigen ermöglichen, den Antrag auf Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft selbst einzubringen. Dies selbst dann, wenn ihr gesetzlicher Vertreter die Zustimmung hiezu nicht erteilt. Diese Zustimmung wird durch das Pflegschaftsgericht ersetzt, wenn es dem Wohl des Minderjährigen entspricht."
Die Ansicht des Beschwerdeführers, das Gesetz verlange seine Einwilligung in die Verleihung der Staatsbürgerschaft, damit er gegenüber den Interessen seiner antragstellenden Kinder sein Interesse an einer Abwehr höherer Unterhaltsansprüche dieser Kinder ihm gegenüber durchsetzen könne, lässt sich vor diesem Hintergrund - insbesondere angesichts der Ausführungen über die Parteistellung in den Erläuterungen zum StbG 1965 und angesichts des stets gleichen Kriteriums für die gerichtliche Ersetzung der Zustimmung bzw. Einwilligung - nicht teilen. Damit gibt der vorliegende Fall aber auch nicht Anlass, von der dargestellten Vorjudikatur zur Parteistellung im Verleihungsverfahren abzurücken.
Schon der Inhalt der Beschwerde lässt aus den dargestellten Gründen erkennen, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt. Die Beschwerde war daher gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 16. Juli 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010341.X00Im RIS seit
11.08.2003Zuletzt aktualisiert am
20.08.2013