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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1 Z7 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde der K in G, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakomininplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 25. März 2002, Zl. 2-11.K/818-01/9, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag der Beschwerdeführerin, einer bosnischen Staatsangehörigen, auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf ihren Sohn "gemäß §§ 10 Abs. 1, 10a, 11, 17 Abs. 1 Z 1 und 18 in Verbindung mit § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) i.d.g.F.," ab.
Begründend stellte sie fest, dass die Beschwerdeführerin erstmals am 22. März 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt sei, weshalb die Voraussetzung der zehnjährigen Hauptwohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfüllt sei.
Nach Darstellung der Rechtslage führte die belangte Behörde weiter aus, dass die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin bei ihrer ersten Vorsprache am 24. August 2001 als mangelhaft beurteilt worden seien. Am 21. Dezember 2001 sei mit ihr ein weiteres Gespräch geführt worden, um die Deutschkenntnisse unter Bedachtnahme auf ihre Lebensumstände zu beleuchten. Aufgrund dieses Gespräches sei festgestellt worden, dass sie trotz zwölfjährigem Aufenthalt in Österreich "nur geringe Wortbrocken der deutschen Sprache" beherrsche und daher ihre Deutschkenntnisse für die Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht ausreichend seien.
Die Beschwerdeführerin habe folgende Verwaltungsübertretungen
begangen:
"1999
§ 24/1 e StVO
EUR 50,87 (ATS 700,--)/Geldstrafe
§ 42/1 KFG
EUR 72,67 (ATS 1.000,-- /Geldstrafe"
In rechtlicher Hinsicht bejahte die belangte Behörde das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen nach § 10 Abs. 1 Z 1 bis 8 StbG und übte Ermessen gemäß § 11 StbG zu Lasten der Beschwerdeführerin. Ihre Integration sei nicht erfolgreich, weil die belangte Behörde wegen der mangelnden Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin davon ausgehen müsse, dass im Familienbereich nicht Deutsch gesprochen werde, womit die Beschwerdeführerin beweise, dass sie "vorerst an der Integration kein Interesse hat". Nach weiteren allgemeinen Überlegungen zur mangelnden Integration wegen schlechter Deutschkenntnisse fasste die belangte Behörde zusammen, dass "Aufgrund des oben angeführten Sachverhaltes, insbesondere aufgrund der unzureichenden Deutschkenntnisse ... zu erkennen (ist), dass eine persönliche Integration im Familienverband noch nicht im ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen ist und somit die Ermessensentscheidung nicht zugunsten der (Beschwerdeführerin) getroffen werden kann". Die Antragstellerin halte sich bereits seit zwölf Jahren ununterbrochen im Bundesgebiet auf, "jedoch das öffentliche Interesse, insbesondere das äußerst geringe Ausmaß der Deutschkenntnisse gemäß § 10a StbG i.d.g.F. der (Beschwerdeführerin) zeigen, dass eine persönliche erfolgreiche Integration in Österreich noch nicht gegeben ist."
Der Erstreckungsantrag sei gemäß § 18 StbG abzuweisen gewesen, weil die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürfe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde nimmt in der Begründung des angefochtenen Bescheides auf ein von ihr gemäß § 11 StbG zu übendes Ermessen Bezug, das allein wegen der angeblich mangelhaften Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin "gemäß § 10a StbG" zu ihrem Nachteil ausschlug. Die genannten Bestimmungen haben folgenden Wortlaut:
"§ 10a. Voraussetzungen jeglicher Verleihung sind unter Bedachtnahme auf die Lebensumstände des Fremden jedenfalls entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache.
§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen. "
Bei §10a StbG handelt es sich um eine - im vorliegenden Fall zu erfüllende -Verleihungsvoraussetzung. Ob sie gegeben ist, ist von der Staatsbürgerschaftsbehörde in "gebundener" Entscheidung zu beurteilen, ein Ermessen kommt ihr insoweit nicht zu. Liegt diese Verleihungsvoraussetzung nicht vor, so kommt eine Verleihung der österreichischen Staatsbürgerschaft nicht in Betracht. Gegebenenfalls erübrigen sich daher Erwägungen zur Ermessensübung nach § 11 StbG. Umgekehrt steht die Frage dieser Ermessensübung nur dann im Raum, wenn alle sachverhaltsbezogen notwendigen Verleihungsvoraussetzung vorliegen (vgl. das Erkenntnis vom 14. Jänner 2003, Zl. 2001/01/0121).
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde erkennbar eine Ermessensentscheidung nach § 11 StbG, zu Ungunsten der Beschwerdeführerin, treffen wollen. Das setzt nach dem Gesagten voraus, dass sie die Verleihungsvoraussetzungen als erfüllt erachtete, insbesondere auch jene nach § 10a StbG. Die spruchgemäße Erwähnung dieses Tatbestandes und die Bescheidbegründung deuten dessen ungeachtet darauf hin, dass die belangte Behörde schon ihr Vorliegen in Abrede stellte, weshalb sich der bekämpfte Bescheid von da her als widersprüchlich erweist. Dem käme allerdings keine Entscheidungsrelevanz zu, wenn tatsächlich die genannte Verleihungsvoraussetzung nicht vorläge oder wenn - im umgekehrten Fall - die belangte Behörde von dem von ihr dann auch auszuübenden Ermessen, unter vollständiger Berücksichtigung der maßgeblichen Grundlagen, innerhalb der vom Gesetzgeber gezogenen Grenzen Gebrauch gemacht hätte.
Was die Bestimmung des § 10a StbG betrifft, kann diese nur so verstanden werden, dass die geforderten Sprachkenntnisse - entsprechend den Verhältnissen des Fremden und angepasst an den jeweiligen Verleihungstatbestand - innerhalb seines sozialen Umfeldes eine Verständigung in Deutsch erlauben. Beim Erfordernis entsprechender Kenntnisse der deutschen Sprache kann es nur um das Mindestmaß an Sprachbeherrschung gehen, das - je nach den konkreten Lebensumständen des Betroffenen - erforderlich ist, um ein dauerhaftes "Miteinander" im Alltagsleben zu ermöglichen. Eine nachvollziehbare Beurteilung der Sprachkenntnisse eines Staatsbürgerschaftswerbers setzt eine exakte Darstellung bzw. wörtliche Wiedergabe des geführten Dialogs (wobei sich ein Frage-Antwort-Schema empfiehlt) voraus (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018).
Vor dem Hintergrund dieser Rechtsprechung erweist sich der angefochtene Bescheid schon deshalb als rechtswidrig, weil er keinerlei Tatsachensubstrat enthält, das den Schluss der belangten Behörde, die Deutschkenntnisse der Beschwerdeführerin seien mangelhaft, zuließe. Für eine solche Beurteilung reicht die Feststellung, sie beherrsche "nur geringe Wortbrocken der deutschen Sprache" nicht aus.
Damit ist abschließend auf die Ermessensübung nach § 11 StbG einzugehen. In deren Rahmen hätte sich die belangte Behörde - den Intentionen des Gesetzgebers entsprechend - mit der persönlichen und beruflichen Integration der Beschwerdeführerin zu beschäftigen gehabt. Solche Erwägungen - mit Ausnahme der Sprachkenntnisse - hat sie jedoch völlig außer Acht gelassen, weshalb die Ermessensentscheidung der belangten Behörde - die im Hinblick auf das oben Gesagte zudem noch vom Vorliegen eines Einbürgerungshindernisses ausgeht - insoweit auf unvollständigen Grundlagen beruht.
Gemäß diesen Ausführungen ist der bekämpfte Bescheid mit Rechtswidrigkeit seines Inhaltes belastet und war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben.
Von der Durchführung einer Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abzusehen.
Der Spruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. Juli 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010170.X00Im RIS seit
18.08.2003