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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des C in G, vertreten durch Dr. Reinhard Tögl Rechtsanwaltsgesellschaft mbH in 8010 Graz, Schmiedgasse 31, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 19. März 2002, Zl. 2-11.C/349- 00/15, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau sowie auf die beiden gemeinsamen Kinder gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17, 18 iVm § 39 des Staatsbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) "i.d.g.F.," ab.
Begründend führte sie aus, der Beschwerdeführer, ein türkischer Staatsangehöriger, sei erstmals am 4. Dezember 1990 im Bundesgebiet zur Anmeldung gelangt, weshalb er die Voraussetzung der 10-jährigen Hauptwohnsitzdauer gemäß § 10 Abs. 1 Z 1 StbG erfülle.
Nach teilweiser Wiedergabe der Bestimmungen der §§ 10, 10a und 11 StbG führte die belangte Behörde weiter aus, es sei bei den Vorsprachen der Ehefrau des Beschwerdeführers (Erstreckungswerberin) "allerdings festgestellt" worden, dass sie nicht über ausreichende Deutschkenntnisse verfüge; auch der Beschwerdeführer beherrsche die deutsche Sprache nur "mittelmäßig". Der Ehefrau des Beschwerdeführers seien bei den mehrmaligen Vorsprachen Fragen gestellt worden, die ihr Leben betroffen hätten; die meisten Fragen seien von ihr nicht verstanden worden. Es sei überhaupt festgestellt worden, dass ihr Wortschatz äußerst gering sei, sie könne auch Fragewörter nicht zuordnen. So habe sie etwa auf die Frage: "Warum sie heute hier her (FA7C vormals RA 2) kommen musste, bzw. nach Umformulierung und der Frage nach dem Grund der Vorsprache, völlig sinnwidrig geantwortet". Die Frage, wie sie vor sieben Jahren von der Türkei nach Österreich gekommen seien, habe sie mit "ja" beantwortet. Die belangte Behörde sei somit auf Grund der Vorsprache der Ehefrau des Beschwerdeführers zu dem Schluss gekommen, dass sie nicht in der Lage sei, Fragewörter zu verstehen bzw. diese zuzuordnen.
Zur Einbürgerung des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde eine dagegen sprechende Stellungnahme des Arbeitsmarktservice Steiermark wieder, wonach aus arbeitsmarktpolitischer Sicht kein Grund für eine Einbürgerung des Beschwerdeführers vorliege, zumal die Qualifikation des Beschwerdeführers als Hilfsarbeiter am heimischen Arbeitsmarkt nicht gesucht werde. Darüber hinaus stünden dem österreichischen Arbeitsmarkt nicht nur inländische, sondern auch ausländische "Fachkräfte" für "diese Tätigkeit" arbeitslos zur Verfügung und erhielten Leistungen aus öffentlichen Mitteln.
Aus einer Bestätigung über die Versicherungszeiten des Beschwerdeführers gab die belangte Behörde unter Anderem Folgendes wieder:
"02.11.1990 - 28.11.1990 Arbeiter
B, Fleischerei
25.03.1991 - 07.04.1992 Arbeiter
R GesmbH
13.04.1992 - 26.04.1992 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
...
10.01.2000 - 28.03.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
29.03.2000 - 26.05.2000 Arbeiter
J
27.05.2000 - 01.06.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
02.06.2000 - 24.07.2000 Arbeiter
W. GmbH
25.07.2000 - 20.08.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
01.08.2000 - 31.08.2000 Geringfügig beschäftigter Arbeiter
L
01.08.2000 - 31.08.2000 Mehrfach geringfügig besch. Arbeiter
R, G
21.08.2000 - 21.08.2000 Arbeiter
T GesmbH
22.08.2000 - 31.08.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
01.09.2000 - 20.09.2000 Arbeiter
L
20.09.2000 - 05.10.2000 Arbeiter
B GesmbH
06.10.2000 - 08.10.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
09.10.2000 - 16.10.2000 Arbeiter
L
18.10.2000 - 19.10.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
20.10.2000 - 27.10.2000 Krankengeldbezug
L
28.10.2000 - 01.11.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
02.11.2000 - 14.11.2000 Arbeiter
15.11.2000 - 26.11.2000 Krankengeldbezug
Konkurs S, G
27.11.2000 - 13.12.2000 Arbeitslosengeldbezug (Notstandshilfe)
AMS G
14.12.2000 - 02.07.2001 Arbeiter
A GesmbH, Wien
09.04.2001 - 03.08.2001 Geringfügig beschäftigter Angestellter B Aktiengesellschaft
03.07.2001 - 01.08.2001 Urlaubsabfindung, Urlaubsentschädigung A GesmbH, Wien
09.07.2001 - laufend Arbeiter
S, G"
Der Beschwerdeführer - so die belangte Behörde weiter - sei im Zeitraum vom 2. November 1990 bis 5. Februar 2002 bei 20 verschiedenen Arbeitgebern beschäftigt gewesen und sei insgesamt zwei Jahre und neun Monate keiner geregelten Beschäftigung nachgegangen und habe Arbeitslosengeld bezogen.
Gegen die berufliche Integration des Beschwerdeführers spräche, dass er
"sogar noch in den letzten beiden Jahren 8 (!) verschiedene Arbeitgeber hatte und darüber hinaus noch insgesamt 6 1/2 Monate keiner geregelten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist. Weiters war die Dauer der einzelnen Dienstverhältnisse auch noch ab Jänner 2000 überdurchschnittlich kurz".
Nachdem festgestellt worden sei, dass der Beschwerdeführer seit dem Jahr 2000 insgesamt acht verschiedene Arbeitgeber gehabt habe und insgesamt 6 1/2 Monate keiner geregelten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen sei, die einzelnen Dienstverhältnisse nur von überdurchschnittlich kurzer Dauer gewesen seien und der Beschwerdeführer auch keine stichhaltigen Gründe aufgezeigt habe, die eine solche beschäftigungslose Zeit rechtfertigen würden, sei zu erkennen, dass die berufliche Integration des Beschwerdeführers noch nicht in ausreichendem Maße gegeben sei. Eine berufliche Integration wäre dann gegeben, wenn der Beschwerdeführer zum Zeitpunkt der Entscheidung längere Zeit durchgehend einer Beschäftigung nachgegangen wäre und damit gezeigt hätte, dass er gewillt sei, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen und daraus zu ersehen sei, dass er auch in Hinkunft in der Lage sein werde, für seinen Lebensunterhalt ein entsprechendes Einkommen zu erwirtschaften.
Gegen die persönliche Integration spreche, dass der Beschwerdeführer die deutsche Sprache nur mäßig beherrsche und seine Ehefrau der deutschen Sprache unzureichend mächtig sei. Auf Grund dieses Sachverhaltes, insbesondere auf Grund der häufigen Arbeitsplatzwechsel und der "langen Arbeitslosenzeiten" und noch dazu auf Grund der unzureichenden Deutschkenntnisse der Ehefrau des Beschwerdeführers sei zu erkennen, dass seine persönliche und berufliche Integration noch nicht in ausreichendem Maße gegeben bzw. abgeschlossen sei, weshalb die Ermessensentscheidung nicht zu seinen Gunsten getroffen werden könne. Die persönliche Integration des Beschwerdeführers würde als gegeben angesehen werden, wenn er dafür Sorge getragen hätte, dass seine Familie über entsprechende Kenntnisse der deutschen Sprache im jeweiligen - den Lebensumständen angepassten - Ausmaß verfügte.
Die Erstreckungsanträge seien gemäß § 18 StbG ebenfalls abzuweisen gewesen, da die Erstreckung der Verleihung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit demselben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürfe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde hat beim Beschwerdeführer das Vorliegen der Verleihungsvoraussetzungen des § 10 Abs. 1 Z 1 bis Z 8 StbG angenommen, die Ermessensentscheidung gemäß § 11 StbG jedoch zu Lasten des Beschwerdeführers getroffen. Die zuletzt genannte Bestimmung lautet:
"§ 11. Die Behörde hat sich unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen."
Nach ständiger Rechtsprechung (vgl. jüngst das Erkenntnis vom 3. Dezember 2002, Zl. 2002/01/214), kommt ein häufiger Arbeitsplatzwechsel als solcher - auch in Verbindung mit (gänzlichem) Fehlen einer geregelten Beschäftigung während eines bestimmten Teilzeitraumes im Rahmen eines zu beurteilenden Gesamtzeitraumes - als Grundlage für eine Ermessensübung gemäß § 11 StbG zum Nachteil des Einbürgerungswerbers wegen dessen unzureichender beruflicher Integration nicht in Frage. Für eine solche Annahme seien Feststellungen erforderlich, wonach unter Bezugnahme auf die jeweils branchenüblichen Verhältnisse dargelegt würde, dass aus dem häufigen Arbeitsplatzwechsel auf eine mangelnde Bewährung des Einbürgerungswerbers auf dem Arbeitsmarkt zu schließen sei. Maßgeblich ist - unter dem Gesichtspunkt beruflicher Integration - nur, ob weitgehend regelmäßig einer Erwerbstätigkeit nachgegangen wird. Dabei kommt es vor allem auf die Zeit unmittelbar vor der Entscheidung der Staatsbürgerschaftsbehörde an.
Unter Berücksichtigung dieser Grundsätze kann der Verwaltungsgerichtshof nicht finden, dass der Beschwerdeführer in beruflicher Hinsicht maßgebliche Integrationsdefizite aufwiese. Ihm kann nämlich - mangels entsprechender Feststellungen - nicht angelastet werden, dass er in den letzten zwei Jahren vor der Bescheiderlassung - auch unter Berücksichtigung seiner Beschäftigung als Hilfsarbeiter - bei acht verschiedenen Arbeitgebern tätig gewesen ist, wovon er 6 1/2 Monate keiner geregelten sozialversicherungspflichtigen Beschäftigung nachgegangen ist. Er war demnach in diesem Zeitraum rund eineinhalb Jahre beschäftigt, weshalb die Zeiten ohne Beschäftigung kein außergewöhnliches Ausmaß erreicht haben. Zudem kann sich die belangte Behörde nicht auf die "überdurchschnittlich kurze Dauer" der einzelnen Beschäftigungsverhältnisse zum Nachteil des Beschwerdeführers berufen, zumal in diesem Zeitraum etwa eine Tätigkeit des Beschwerdeführers als Arbeiter bei einem Unternehmen vom 14. Dezember 2000 bis zum 2. Juli 2001 fällt. Dazu kommt eine geringfügige Beschäftigung vom 9. April 2001 bis zum 3. August 2001, weshalb die belangte Behörde auch nicht bezweifeln hätte dürfen, dass der Beschwerdeführer nicht gewillt sei, für seinen Lebensunterhalt selbst aufzukommen, sondern sie hätte im Gegenteil von einer besonderen Anstrengung des Beschwerdeführers in diese Richtung ausgehen müssen. Noch dazu befand sich der Beschwerdeführer seit 9. Juli 2001 zumindest bis zur Erlassung des angefochtenen Bescheides (19. März 2002) in einem aufrechten Beschäftigungsverhältnis, sodass entgegen der Ansicht der belangten Behörde die berufliche Integration des Beschwerdeführers als gegeben anzusehen ist.
Der Aspekt der Integration eines Einbürgerungswerbers ist aber nicht auf Fragen der beruflichen Verankerung im Inland beschränkt. Wesentlich ist vielmehr auch die persönlich-soziale Situation. Es bedarf einer Gesamtschau, wobei integrationsfördernde Umstände in einem Bereich hemmende Faktoren auf anderem Gebiet auszugleichen vermögen.
Sieht die belangte Behörde die persönliche Integration des Beschwerdeführers als nicht gegeben an, weil er die deutsche Sprache "nur mäßig beherrscht" und seine Ehefrau "der deutschen Sprache unzureichend mächtig ist", lassen sich dem Sachverhalt keine ausreichenden Feststellungen für diese Einschätzung entnehmen. Eine nachvollziehbare Beurteilung der Sprachkenntnisse eines Staatsbürgerschaftswerbers setzt nämlich eine exakte Darstellung bzw. wörtliche Wiedergabe des geführten Dialogs (wobei sich ein Frage-Antwort-Schema empfiehlt) voraus (vgl. das Erkenntnis vom 12. März 2002, Zl. 2001/01/0018). Die - wie sich aus dem Akteninhalt ergibt - nur rudimentär wiedergegebene Befragung der Ehefrau des Beschwerdeführers lässt eine Bewertung ihrer Sprachkenntnisse nicht zu; zum Beschwerdeführer selbst fehlt überhaupt eine im Sinne des Gesagten nachvollziehbare Darstellung seiner Sprachkenntnisse. Entgegen der Auffassung der belangten Behörde kann im Übrigen nicht ohne Weiteres daraus, dass es einem Familienmitglied des Einbürgerungswerbers an einer entsprechenden Kenntnis der deutschen Sprache fehlt, ohne Berücksichtigung der sonstigen Umstände des Falles darauf geschlossen werden, dass bei ihm selbst keine ausreichende Integration gegeben wäre (vgl. zuletzt das Erkenntnis vom 24. Juni 2003, Zl. 2001/01/0502). Ebenso wenig kann dem Beschwerdeführer vorgehalten werden, er habe sich um die entsprechenden Sprachkenntnisse der übrigen Familienangehörigen nicht gesorgt.
Die belangte Behörde hätte in ihre Ermessensentscheidung - ungeachtet der fehlenden Grundlage für eine solche Beurteilung - nicht nur die Sprachkenntnisse, sondern vielmehr alle maßgeblichen Umstände miteinfließen lassen müssen, etwa dass neben dem Beschwerdeführer auch seine Familie in Österreich lebt und dass eines der beiden Kinder in Österreich geboren wurde. Diese Gesichtspunkte stellen nämlich Anknüpfungspunkte zu Österreich dar, weshalb ihnen eine integrationsverstärkende Wirkung zukommt (vgl. das Erkenntnis vom 11. Oktober 2000, Zl. 2000/01/0015).
Indem die belangte Behörde diese Kriterien nicht in ihre Überlegungen einbezog, stand ihr keine vollständige Grundlage für die Ermessensübung zur Verfügung. Demnach hat sie von dem ihr eingeräumten Ermessen nicht im Sinne des Gesetzes Gebrauch gemacht, weshalb der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Der Ausspruch über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.
Wien, am 16. Juli 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010143.X00Im RIS seit
11.08.2003