TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/16 2000/01/0513

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Veröffentlicht am 16.07.2003
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Index

41/02 Passrecht Fremdenrecht;
49/01 Flüchtlinge;

Norm

AsylG 1997 §7;
AsylG 1997 §8;
FlKonv Art1 AbschnA Z2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde 1. des B in M, geboren 1968, und

2. der B in S, geboren 1969, beide vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid des unabhängigen Bundesasylsenates vom 25. Oktober 2000, Zlen. 213.142/0-X/31/99 und 212.092/0-X/31/99, betreffend §§ 7 und 8 AsylG (weitere Partei: Bundesminister für Inneres), zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von insgesamt EUR 908,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die beschwerdeführenden Parteien, aus dem Kosovo stammende und der albanischen Volksgruppe zugehörige Staatsangehörige der (ehemaligen) Bundesrepublik Jugoslawien, reisten am 27. Mai 1999 in das Bundesgebiet ein und beantragten am selben Tag Asyl. Sie gaben an, vor den Kriegshandlungen im Kosovo geflohen zu sein. Mit Schreiben des Bundesasylamtes vom 13. Juli 1999 wurden sie aufgefordert, zur aktuellen Lage nach der Beendigung der Kriegshandlungen im Juni 1999 Stellung zu nehmen. Sie äußerten sich dazu schriftlich in dem Sinn, dass es ihnen wegen der erlebten Gräuel, des Verlustes ihres Vermögens und insbesondere der Zerstörung ihres Hauses nicht möglich sei, in den Kosovo zurückzukehren.

Das Bundesasylamt wies die Asylanträge der beschwerdeführenden Parteien mit Bescheiden vom 11. August 1999 und 24. September 1999 gemäß § 7 AsylG ab und stellte gemäß § 8 AsylG fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Kosovo sei zulässig.

In ihren im Wesentlichen gleich lautenden Berufungen gegen diese Bescheide erstatteten die beschwerdeführenden Parteien ein allgemein gehaltenes Vorbringen über die ihres Erachtens weiterhin gefährliche Lage im Kosovo.

Die belangte Behörde verband die Verfahren und hielt den beschwerdeführenden Parteien mit Schreiben vom 30. Mai 2000 Auszüge aus dem hg. Erkenntnis vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0359, vor.

Die beschwerdeführenden Parteien reagierten hierauf mit einer gemeinsamen handschriftlichen Eingabe, in der - der aktenkundigen Übersetzung zufolge - u.a. Folgendes vorgebracht wurde:

     "... auf der anderen Seite haben uns die so genannten Kräfte

der UCK große Probleme bereitet. Immer wenn UCK-Leute uns

begegneten, fragten sie uns, warum wir nicht kämpfen gegangen

seien. Wir waren aber gegen den Krieg, wir wollten keine Menschen

töten ... Die UCK bereitete große Schwierigkeiten und brachte das

Leben vieler Menschen in Gefahr. Wir folgten jedoch den Anweisungen der UCK und ihren Gesetzen nicht. Wir wurden mehrmals und auf verschiedene Weisen bedroht. Uns wurde gesagt, wir hätten kein albanisches Blut, denn sonst hätten wir sicher gekämpft. Wir haben den Krieg aber nie gemocht, deshalb habe ich mit meiner Gattin die Flucht ergriffen, um unser Leben zu retten. ..."

Zu Beginn der Berufungsverhandlung am 19. Oktober 2000 verwiesen die beschwerdeführenden Parteien auf diese Eingabe. Sie betonten, der Erstbeschwerdeführer sei aufgefordert worden, mit der UCK zu kämpfen, habe dies aber nicht getan und sei daher "weiterhin in Furcht vor diesen Leuten".

Die belangte Behörde reagierte auf diese Erklärung wie folgt:

"Der VL teilt mit, dass er die Eingabe vom 6.7.2000 mit Aufmerksamkeit studiert hat und dass er großen Respekt vor den BW hat, wenn diese sagen, sie seien gegen den Krieg gewesen und wollten keinen Menschen töten, dass er aber nicht nach Wertschätzung und Sympathie, sondern nach der österreichischen Rechtslage zu urteilen hat. Er erläutert, dass nach dem Wissensstand des UBAS es für albanischstämmige Kosovaren keine Verfolgung mehr gibt und dass diesen bei einer Rückkehr in den Kosovo weder eine unmenschliche Behandlung noch die Todesstrafe droht."

Hieran schloss sich noch folgende Einvernahme der Zweitbeschwerdeführerin:

"Auf die Frage nach konkreten Gefährdungen im Sinne einer noch bestehenden Verfolgung oder des Bedrohtseins an Leben und Leib teilt Frau B. mit, es habe sich im Kosovo zuviel zugetragen, sie könne sich ein Leben im Kosovo nicht mehr vorstellen.

Der VL gibt zu bedenken, dass sich die in der Eingabe vom 6.7.2000 dargestellte Situation nicht von der sehr vieler anderer Albaner aus dem Kosovo unterscheidet, die gleichfalls gegen den Krieg waren und nun wieder in den Kosovo zurückkehren.

Ende der Vernehmung."

Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde die Berufungen gemäß § 7 AsylG ab. Gemäß § 8 AsylG stellte sie fest, die Zurückweisung, Zurückschiebung oder Abschiebung der beschwerdeführenden Parteien in den Kosovo sei zulässig.

Diese Entscheidung begründete die belangte Behörde im Wesentlichen wie folgt:

"Angesichts des seit Erlassung des nun bekämpften Bescheides wiederholt sich geändert habenden Sachverhaltes und einer seit dem vollständigen Abzug der serbischen Verbände aus dem Kosovo, wo die Angehörigen der albanischen Volksgruppe zuletzt schon als Gruppe verfolgt wurden, und seit dem Nachrücken der militärischen Einheiten 'KFOR' mit Beendigung jeder Verfolgungsmöglichkeit von Albanern durch 'Serbien' ist eine Situation eingetreten, die es erübrigt, auf die Begründung des bekämpften Bescheides und die Ausführungen in der Berufung einzugehen, da beide mit der zur Zeit der Fällung der Berufungsentscheidung gegebenen Wirklichkeit nicht mehr korrespondieren.

Die Berufungsbehörde hat ihrer Entscheidung die Sach- und Rechtslage zum Zeitpunkt der Erlassung des Bescheides zu Grund zu legen.

In der mündlichen Verhandlung vom 19.10.2000 wurde die Situation im Kosovo auf der Basis der Entscheidung des Verwaltungsgerichtshofes vom 3. Mai 2000, Zl. 99/01/0359 erörtert, wonach seit dem 20. Juni 1999 eine weitere asylrelevante Verfolgung von Angehörigen der albanischen Volksgruppe im Kosovo als nachhaltig unwahrscheinlich erscheint und damit die für die Ansehung als Flüchtling im Sinne des Art 1 Abschnitt A Z 2 der Genfer Flüchtlingskonvention in der Vergangenheit vorgelegenen Umstände nicht mehr bestehen.

Im Rahmen des Parteiengehörs vor Durchführung der mündlichen Verhandlung haben die AW keine konkreten Einwendungen gegen die Feststellungen im obzitierten Erkenntnis vorgebracht, sondern sich zum Thema der Zulässigkeit einer Maßnahme nach § 8 AsylG geäußert, welches sodann Gegenstand der Erörterung in der mündlichen Verhandlung war.

Die AW hatten somit insgesamt gegen diese Feststellung, dass eine Verfolgung albanischer Kosovaren im Kosovo nicht mehr stattfindet und im Falle der Rückkehr weder Verfolgung noch unmenschliche Behandlung droht, nichts Konkretes bezüglich ihrer Personen vorzubringen.

Da somit in Übereinstimmung auch mit dem Ergebnis der mündlichen Verhandlung auch den AW eine Verfolgung oder eine Verletzung der durch § 57 Fremdengesetz geschützten Güter nicht mehr droht, war den Berufungen der Erfolg zu versagen."

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat erwogen hat:

Die Beschwerde macht geltend, die belangte Behörde habe zur behaupteten Bedrohung wegen der Weigerung des Erstbeschwerdeführers, für die UCK zu kämpfen, keine Feststellungen getroffen und ihren Bescheid u.a. deshalb mangelhaft begründet.

Dem ist beizupflichten, wobei hinzuzufügen ist, dass die belangte Behörde mit ihrer globalen Lagebewertung auch sonst keine Feststellungen zum Sachverhalt getroffen hat, auf die sich eine rechtliche Beurteilung der Anträge der beschwerdeführenden Parteien gründen ließe. Die Ansicht, eine Bedrohung durch die UCK aus den in der handschriftlichen Stellungnahme der beschwerdeführenden Parteien und in der Berufungsverhandlung behaupteten Gründen betreffe nur das "Thema der Zulässigkeit einer Maßnahme nach § 8 AsylG", ist - unter dem Gesichtspunkt einer möglichen Verfolgung aus Gründen einer tatsächlichen oder unterstellten politischen Gesinnung - aber gleichfalls nicht zu teilen.

Der angefochtene Bescheid war aus dem zuletzt genannten Grund gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Von der beantragten Verhandlung war gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG abzusehen.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff, insbesondere - in Bezug auf die Abweisung des Mehrbegehrens - § 53 Abs. 1 VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 16. Juli 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000010513.X00

Im RIS seit

11.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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