TE Vwgh Erkenntnis 2003/7/16 2002/01/0369

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Veröffentlicht am 16.07.2003
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Index

41/01 Sicherheitsrecht;

Norm

SPG 1991 §65 Abs1 idF 2000/I/085;
SPG 1991 §65 Abs5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Kremla und die Hofräte Dr. Nowakowski und Dr. Pelant als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des R in Z, vertreten durch Mag. Erich Münzker und Mag. Peter Riehs, Rechtsanwälte in 1070 Wien, Neubaugasse 8, gegen den Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Gänserndorf vom 2. Juli 2002, Zl. 11S-2002, betreffend Anordnung einer erkennungsdienstlichen Behandlung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1088,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem angefochtenen Bescheid ordnete die belangte Behörde - gestützt auf "§§ 65 SPG 1991" - eine erkennungsdienstliche Behandlung des Beschwerdeführers an. Er sei vom Gendarmerieposten Zistersdorf wegen des Verdachtes der gerichtlich strafbaren Handlung nach § 83 StGB zur Anzeige gebracht worden und habe der Aufforderung der Beamten, sich einer erkennungsdienstlichen Behandlung zu unterziehen, nicht Folge geleistet. Die erkennungsdienstliche Behandlung sei vorzuschreiben, da nicht ausgeschlossen werden könne, dass der Beschwerdeführer auf Grund seines Verhaltens weitere Straftaten begangen habe oder begehen werde; außerdem erscheine sie zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe erforderlich.

Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof - in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z 2 VwGG gebildeten Senat - erwogen:

Nach § 65 Abs. 1 SPG in der hier noch anzuwendenden Fassung des Bundesgesetzes BGBl. I Nr. 85/2000 sind die Sicherheitsbehörden ermächtigt, einen Menschen, der in Verdacht steht, eine mit Strafe bedrohte Handlung begangen zu haben, erkennungsdienstlich zu behandeln, wenn der Betroffene im Rahmen krimineller Verbindungen tätig wurde "oder dies sonst zur Vorbeugung gefährlicher Angriffe des Betroffenen erforderlich scheint". Was sich der Gesetzgeber unter dieser "Vorbeugung" vorstellt, ergibt sich aus der in § 65 Abs. 5 zweiter Satz SPG getroffenen Anordnung, wonach der Betroffene im Zusammenhang mit der erkennungsdienstlichen Behandlung "darauf hinzuweisen" ist, "dass die erkennungsdienstliche Behandlung deshalb erfolgte, um der Begehung gefährlicher Angriffe durch sein Wissen um die Möglichkeit seiner Wiedererkennung entgegenzuwirken" (vgl. das hg. Erkenntnis vom 17. September 2002, Zl. 2002/01/0320, mwN).

Im vorliegenden Fall hat sich die belangte Behörde mit den Einzelheiten des von ihr im Sinne der ersten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG angenommenen Tatverdachtes, mit den daraus unter Bedachtnahme auf die Persönlichkeit des bei Bescheiderlassung 60- jährigen Beschwerdeführers zu ziehenden Schlüssen hinsichtlich der Wahrscheinlichkeit, dass er gefährliche Angriffe begehen werde, und mit der Frage des daraus abzuleitenden Erfordernisses einer "Vorbeugung" durch eine erkennungsdienstliche Behandlung nicht näher auseinander gesetzt. Sie hat damit - offenkundig in Verkennung der Rechtslage - keine den gesetzlichen Anforderungen genügende Prognose im Sinne der zweiten Voraussetzung des § 65 Abs. 1 SPG erstellt (siehe dazu und zur im gegebenen Zusammenhang bestehenden Prüfungsverpflichtung der Sicherheitsbehörden in einem vergleichbaren Fall abermals das zuvor genannte Erkenntnis vom 17. September 2002), weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben war.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2001.

Wien, am 16. Juli 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002010369.X00

Im RIS seit

11.08.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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