Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §49;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Beck als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des J W in R, vertreten durch Dr. Gerhard Rößler, Rechtsanwalt KEG in Zwettl/NÖ., Hamerlingstraße 1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates im Land Niederösterreich vom 30. November 1999, Zl. Senat-ZT-99-411, betreffend Übertretung der StVO, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Die beschwerdeführende Partei hat dem Land Niederösterreich Aufwendungen in der Höhe von EUR 332.-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Unter Spruchpunkt 1 des Straferkenntnisses der Bezirkshauptmannschaft Zwettl vom 24. Februar 1999 wurde dem Beschwerdeführer eine - für den Beschwerdefall nicht weiter relevante - Übertretung nach dem KFG zur Last gelegt.
Unter Spruchpunkt 2 dieses Straferkenntnisses wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 21. Juli 1998 um 20.00 Uhr im Krankenhaus Krems auf einer näher genannten Station die Untersuchung seiner Atemluft auf Alkoholgehalt gegenüber einem besonders geschulten und von der Behörde hiezu ermächtigten Organ der Straßenaufsicht verweigert, obwohl er ein dem Kennzeichen nach näher bestimmtes Fahrzeug gelenkt habe und vermutet werden habe können, dass er sich in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand befunden habe. Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung gemäß "§ 99 Abs. 1 lit. b, § 5 Abs. 2, § 5 Abs. 4 StVO" begangen, weshalb über ihn eine Geldstrafe von S 13.000.-- (Ersatzfreiheitsstrafe: 384 Stunden) verhängt wurde.
Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung.
Mit Bescheid vom 30. November 1999 gab die belangte Behörde nach Durchführung einer mündlichen Verhandlung dieser Berufung der Beschwerdeführers, soweit sie sich gegen Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses richtete, keine Folge und bestätigte insoweit das Straferkenntnis.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, über die der Verwaltungsgerichtshof erwogen hat:
Der Beschwerdeführer wendet sich insbesondere gegen die Feststellung der belangten Behörde, er habe die Untersuchung der Atemluft mit dem Hinweis, dass ihm alles weh tue, verweigert, und sei ansprechbar und völlig orientiert gewesen. Der Beschwerdeführer rügt u.a., die Zeugeneinvernahme des ihn (nach einem Verkehrunfall mit zahlreichen Verletzungen) im Krankenhaus Krems behandelnden Assistenzarztes Dr. B. am 9. November 1998 sei vor dem Magistrat der Stadt Krems zu Unrecht erfolgt, denn dieser Arzt habe die Verpflichtung zur Aussageverweigerung gehabt, über die er "anscheinend" nicht belehrt worden sei. Auf dem Formular der Niederschrift finde sich zwar ein diesbezüglicher Vordruck, doch im Protokoll selbst finde sich kein Anhaltspunkt bzw. keine Aussage des vernommenen Arztes, ob er vom Beschwerdeführer von der Verschwiegenheitsverpflichtung entbunden worden sei oder er überhaupt aussagen wolle oder dürfe. Da die Aussage des Zeugen Dr. B. im angefochtenen Bescheid mehrfach angeführt sei, sei dieser Bescheid allein schon aus diesem Grund rechtswidrig.
Dem ist entgegenzuhalten, dass die Entscheidung, ob ein Zeuge die Aussage verweigern oder aussagen will, ausschließlich beim Zeugen liegt; ausschließlich seinem Schutz dient diese Bestimmung. Der Beschuldigte hingegen hat weder einen Anspruch darauf, dass ein Zeuge von seinem Recht, die Zeugenaussage zu verweigern, Gebrauch macht, noch darauf, dass ein Zeuge, der sich auf gesetzliche Weigerungsgründe beruft, auch tatsächlich nicht als Zeuge einvernommen wird. Das Recht, die Zeugenaussage zu verweigern, ist ausschließlich ein Recht des Zeugen. Es ist auch kein Recht, das zu Gunsten des Beschuldigten besteht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 12. September 2001, Zl. 98/03/0057). Der Beschwerdeführer zeigt daher mit diesem Vorbringen nicht die Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels auf.
Der Beschwerdeführer rügt ferner, dass sowohl der Arzt Dr. B. als auch die beiden Gendarmeriebeamten Sch. und P. in ihren Zeugenaussagen nur "subjektive Eindrücke" beschrieben hätten und diese überhaupt nicht durch auch tatsächlich gemachte Wahrnehmungen untermauert werden könnten. Ob der Beschwerdeführer die Aufforderung zum Alkomattest tatsächlich verstehen habe können, könnten alle drei nicht beurteilen, weil sie keine Sachverständigen seien und nicht in den Beschwerdeführer "hineinblicken" könnten. Einzig und allein die Bemerkung des Beschwerdeführers, dass ihm alles weh tue, stelle für sich noch keine konkrete Verweigerung des Alkotests dar.
Mit diesen Ausführungen zeigt der Beschwerdeführer keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, zumal sich die belangte Behörde im Rahmen einer nicht als unschlüssig zu erkennenden Beweiswürdigung einerseits auf die Aussagen des bereits im erstinstanzlichen Verfahren als Zeugen einvernommenen Assistenzarztes Dr. B. stützen konnte, der aussagte, dass der Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt "zeitlich und örtlich klar und zur eigenen Person völlig orientiert und kontaktfähig" gewesen sei. Auch die als Zeugen nochmals von der belangten Behörde einvernommenen Gendarmeriebeamten bestätigten, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt der Aufforderung ansprechbar gewesen sei und auf die Fragen der Beamten auch entsprechend reagiert habe.
Einem behandelnden Spitalsarzt ist - entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers - nach der allgemeinen Lebenserfahrung zuzutrauen, dass er zutreffend beurteilen kann, ob eine Person in der Lage ist, eine Aufforderung zur Ablegung eines Alkomattests zu verstehen und darauf hin auch entsprechend zu reagieren. Daran vermag auch der Hinweis des Zeugen Rev. Insp. P., dass er den Beschwerdeführer nicht nach seinem Namen gefragt habe, sondern - wie in der Beschwerde ausgeführt wird - "sich auf eine Bezeichnung von 'den Ärzten und Krankenschwestern' verlassen" habe, nichts zu ändern, zumal die belangte Behörde - gestützt auf die Aussagen der beiden an der Amtshandlung beteiligten Gendarmeriebeamten und des den Beschwerdeführer behandelnden Spitalsarztes - aus dem gesamten Verhalten des Beschwerdeführers den Schluss ziehen konnten, dass dieser im Zeitpunkt der Amtshandlung nicht handlungs- und zurechungsunfähig gewesen sei.
Es bedurfte aufgrund der vorstehenden Ausführungen entgegen der Meinung des Beschwerdeführers auch nicht der Einholung eines weiteren Gutachtens eines medizinischen Sachverständigen. Überdies holte die belangte Behörde bereits vor Durchführung der mündlichen Verhandlung eine ergänzende Stellungnahme eines medizinischen Amtssachverständigen ein, der im Wesentlichen die bisherigen Ermittlungsergebnisse betreffend die Zurechnungsfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Aufforderung bestätigte. Diese ergänzende ärztliche Stellungnahme, die sich inhaltlich mit den Aussagen und Beobachtungen der vorgenannten Zeugen deckt, wurde dem Beschwerdeführer auch im Zuge des Parteiengehörs vorgehalten und in der mündlichen Verhandlung erörtert.
Insoweit der Beschwerdeführer in der Beschwerde die Mangelhaftigkeit dieser ergänzenden medizinischen Stellungnahme rügt, zeigt er jedoch mangels Erfordernis eines solchen Gutachtens keine Wesentlichkeit eines Verfahrensmangels des angefochtenen Bescheides auf, zumal sich die belangte Behörde auf die Zeugenaussagen jener Personen stützen konnten, die den Beschwerdeführer im Tatzeitpunkt - im Gegensatz zum medizinischen Amtssachverständigen - unmittelbar beobachten konnten. Dass der Beschwerdeführer die Alkomatuntersuchung trotz mehrfacher Aufforderung und Belehrung über die Folgen einer Weigerung verweigerte, wurde gleichfalls von den als Zeugen einvernommenen Gendarmeriebeamten übereinstimmend mit ihren diesbezüglichen Zeugenaussagen vor der Behörde erster Instanz sowie mit den Ausführungen in der Anzeige vom 24. Juli 1998 bestätigt.
Der Beschwerdeführer vermag auch unter Hinweis auf die Zeugenaussage seiner Mutter, welche nach ihren Ausführungen am Tattag gegen 20 Uhr im Krankenhaus angerufen habe und von einer Krankenschwester den Hinweis erhalten habe, dass der Beschwerdeführer "nicht ansprechbar" sei, nicht die zum Tatzeitpunkt konkret von den vorgenannten Zeugen wahrgenommene situationsangepasste Reaktionsfähigkeit des Beschwerdeführers zu widerlegen. Mit dem Hinweis auf die unterlassene Einvernahme des vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen H. H., der bestätigen hätte können, dass der Beschwerdeführer im Zeitpunkt seiner Bergung nach dem Verkehrsunfall (gegen 17.45 Uhr des Tattages) und somit mehr als zwei Stunden vor der Weigerung der Ablegung des Alkomattests bewusstlos gewesen sei, zeigt der Beschwerdeführer schon deshalb keinen wesentlichen Verfahrensmangel auf, weil aus dieser Beobachtung keine unmittelbaren Rückschlüsse auf das situationsangepasste Verhalten des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Verweigerung gezogen werden können und daher zu Recht die Aufnahme dieses Beweise unterbleiben konnte.
Unzutreffend ist der Schluss des Beschwerdeführers, dass von der belangten Behörde schon deshalb eine Weigerung angenommen worden sei, weil der Beschwerdeführer gesagt habe, es tue ihm alles weh. Vielmehr führte der Zeuge P. vor der belangten Behörde aus, dass der Beschwerdeführer "mit der Begründung, dass ihm alles weh täte, abgelehnt" habe.
Da es für die belangte Behörde keine hinreichenden Anhaltspunkte für das Vorliegen des Schuldausschließungsgrundes der Zurechnungs- und Handlungsunfähigkeit des Beschwerdeführers im Zeitpunkt der Verweigerung des Alkomattersts gab, hatte sie - entgegen den Beschwerdebehauptungen - auf diese Frage auch nicht weiter in der Begründung des angefochtenen Bescheides einzugehen.
Es trifft entgegen den Beschwerdebehauptungen auch nicht zu, dass kein Verdacht bestanden habe, dass der Beschwerdeführer sein Fahrzeug in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt habe, zumal der als Zeuge einvernommene Gendarmeriebeamte D., welcher zur Unfallstelle gerufen wurde, vor der belangten Behörde aussagte, dass der behandelnde Arzt seine Frage, ob (beim Beschwerdeführer) Alkoholisierungsmerkmale vorhanden gewesen seien, bejaht habe. Damit lag bereits ein Verdacht im Sinne des § 5 Abs. 2 StVO vor, ohne dass es noch - wie offenbar der Beschwerdeführer vermeint - einer unmittelbaren Wahrnehmung einer Alkoholisierung durch den Gendarmeriebeamten bedurft hätte. Es kam auch nicht auf eine Wahrnehmung von Alkoholisierungsmerkmalen durch den vom Beschwerdeführer namhaft gemachten Zeugen H. H. an, weshalb die unterbliebene Einvernahme dieses Zeugen in diesem Zusammenhang nicht wesentlich war.
Insoweit sich der Beschwerdeführer auf die Heranziehung eines seiner Ansicht nach unzulässigen Beweismittels betreffend das konkrete Ausmaß seiner Alkoholisierung (nach seinen Ausführungen 2,0 Promille Blutalkoholgehalt) bezieht, ist ihm entgegenzuhalten, dass der konkrete Alkoholisierungsgrad nicht Gegenstand des Verfahrens war und auch nicht in der Begründung des angefochtenen Bescheides herangezogen wurde.
Entgegen der Ansicht des Beschwerdeführers war zur Konkretisierung der Tat im Sinne des § 44a Z. 1 VStG das eine Weigerung im Sinne des § 99 Abs. 1 lit. b in Verbindung mit § 5 Abs. 2 StVO darstellende Verhalten nicht in den Spruch aufzunehmen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. November 1993, Zl. 93/02/0164).
Auch mit dem Hinweis auf die durch die belangte Behörde unberichtigt gebliebene zusätzliche Zitierung des § 5 Abs. 4 StVO (neben den von der Behörde angeführten §§ 99 Abs. 1 lit. b und 5 Abs. 2 StVO) als Übertretungsnorm betreffend Spruchpunkt 2 des Straferkenntnisses vom 24. Februar 1999 zeigt der Beschwerdeführer keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf, weil zufolge der Umschreibung des Tatbildes (Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt) die Zuordnung der erwiesenen Tat zum Straftatbestand des § 5 Abs. 2 StVO klar ist.
Überdies ist Abs. 4 i.d.F. der 19. StVO-Novelle als eine Ausformung des § 5 Abs. 2 StVO anzusehen und stellt die Weigerung, sich zum Zwecke der Feststellung des Atemalkoholgehalts zur nächstgelegenen Dienststelle (bei der sich ein Atemalkoholmessgerät befindet) bringen zu lassen, im Ergebnis eine Verweigerung der Untersuchung der Atemluft auf Alkoholgehalt dar (vgl. das hg. Erkenntnis vom 5. November 1997, Zl. 97/03/0238), sodass die zusätzliche Zitierung nicht schadet.
Soweit sich der Beschwerdeführer gegen die Höhe der verhängten Geldstrafe wendet, vermag er gleichfalls keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, zumal sich die Höhe der verhängten Geldstrafe im unteren Bereich des Strafrahmens bewegte und für den Verwaltungsgerichtshof nicht zu ersehen ist, dass die belangte Behörde - trotz ungünstiger Vermögensverhältnisse des Beschwerdeführers - ihren Ermessensspielraum überschritten hätte, zumal sie von einem nicht geringen Verschulden (und nicht von einem "eingeschränkten Bewusstseinszustand") des Beschwerdeführers und vom fehlenden Milderungsgrund der verwaltungsstrafrechtlichen Unbescholtenheit des Beschwerdeführers ausgehen konnte. Die Entziehung der Lenkberechtigung ist kein Milderungsgrund. Der allgemeine Hinweis auf die nachträglich durch den Gesetzgeber erfolgte - im Beschwerdefall jedoch noch nicht anwendbare - Erhöhung der Mindeststrafe auf S 16.000.--, mit welchen im angefochtenen Bescheid die Notwendigkeit der verhängten Geldstrafe aus generalpräventiver Sicht unterstrichen werden sollte, macht den angefochtenen Bescheid gleichfalls nicht rechtswidrig. Dass im Zeitpunkt der Begehung der gegenständlichen Verwaltungsübertretung - entgegen den Beschwerdebehauptungen - nach § 99 Abs. 1 lit. b StVO bereits eine Mindeststrafe vorgesehen war, wurde von der belangten Behörde zutreffend in der erstatteten Gegenschrift aufgezeigt.
Die Beschwerde erweist sich somit als unbegründet und war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff. VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 501/2001.
Wien, am 25. Juli 2003
Schlagworte
Alkotest Voraussetzung BeweiseEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000020060.X00Im RIS seit
18.08.2003