TE Vwgh Beschluss 2003/7/25 AW 2003/05/0036

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Veröffentlicht am 25.07.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
58/02 Energierecht;

Norm

AVG §38;
ElWOG 1998 §20 Abs2;
ElWOG 1998 §21 Abs3;
ElWOG 1998 §21;
ElWOG 1998;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der T AG, vertreten durch Dr. H, Dr. E und Dr. K, Rechtsanwälte, der gegen den Bescheid der Energie-Control-Kommission vom 6. Mai 2003, Zl. K NZV 01/02-38 PA 1455/03, betreffend Netzzugang (mitbeteiligte Partei: E GmbH, vertreten durch Rechtsanwälte N G H S & Partner), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Über Antrag der Mitbeteiligten stellte die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid fest, dass durch die seitens der Beschwerdeführerin erfolgte Verweigerung des Netzzuganges betreffend die "Brennerleitung" nach Italien für die Jahre 2003 und 2004 die antragstellende Gesellschaft in ihrem gesetzlich gewährleisteten Recht auf Netzzugang verletzt worden ist.

Mit einer dagegen erhobenen Beschwerde begehrte die Beschwerdeführerin die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung. Ohne aufschiebende Wirkung würde die bekämpfte Feststellung als verbindlich gelten. Zwingende öffentliche Interessen seien nicht erkennbar. Es sei zwar für die Beschwerdeführerin ohne Bedeutung, wer die Kapazität (den Netzzugang) letztlich erhalte, sie gerate jedoch in einen unlösbaren Konflikt, weil die Zugangsberechtigte auf ihre Kapazitätszuweisung bestehen könne, andererseits die Mitbeteiligte unter Hinweis auf den angefochtenen Bescheid den Rechtsstandpunkt einnehmen könne, dass sie einen Anspruch auf Abschluss eines Reservierungsvertrages habe. Potenziell drohten damit der Beschwerdeführerin von mehreren Seiten zivilrechtliche Auseinandersetzungen. Der unverhältnismäßige Nachteil bestehe in einer durch den Bescheid hervorgerufenen qualifizierten Rechtsunsicherheit und darin, dass die Beschwerdeführerin zivilrechtliche Konfliktsituationen bewältigen müsse, weil man eine Sache nicht zweimal verkaufen könne.

Die belangte Behörde macht in ihrer Stellungnahme geltend, dass der angefochtene Bescheid nicht vollzugstauglich sei. Durch die getroffene Feststellung, dass die Mitbeteiligte durch die Verweigerung des Netzzuganges seitens der Beschwerdeführerin in ihrem Recht auf Netzzugang verletzt worden sei, sei kein Rechtsverlust der Beschwerdeführerin eingetreten. Die normative Wirkung der getroffenen Feststellung dürfte sich auf eine gesetzliche Zugangsvoraussetzung zu den ordentlichen Gerichten für eine allfällige Schadenersatzklage beschränken. Eine Bindungswirkung des ordentlichen Gerichtes sei aber nicht anzunehmen.

Die belangte Behörde machte auch zwingende öffentliche Interessen geltend, die der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden. Nach dem diesbezüglichen Vorbringen der belangten Behörde stünde offenbar jene Reservierungsvereinbarung, die die Beschwerdeführerin mit einem anderen Mitbewerber (exklusiv) geschlossen habe und die die Mitbeteiligte ausschließt, in Widerspruch zu den von der Energie-Controll-GmbH (ECG) in Anwendung des § 9 Abs. 1 Z. 1 Energie-RegulierungsbehördenG erstellten (bzw. im Entwurf vorliegenden) "Sonstigen Marktregeln". Das öffentliche Interesse an einem transparenten und nicht diskriminierenden System für die Reservierung von Leistungskapazitäten stehe nach Auffassung der belangten Behörde der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung entgegen.

Schließlich bestritt die belangte Behörde, dass ein allfälliger Nachteil der Beschwerdeführerin unverhältnismäßig sein könne, zumal die Beschwerdeführerin auch bei einem im Spruch anders lautenden Bescheid nicht vor allfälligen Klagen der Mitbewerber geschützt gewesen wäre.

Auch die Mitbeteiligte sprach sich in einer umfangreichen Stellungnahme gegen die Bewilligung der aufschiebenden Wirkung aus. Die "Rechtsunsicherheit", auf die sich die Beschwerdeführerin berufe, sei von der Beschwerdeführerin selbst herbeigeführt und stelle keinen individuellen Nachteil dar. Sie hätte die Rechtsunsicherheit dadurch abwenden können, dass sie den bekämpften Bescheid in Rechtskraft hätte erwachsen lassen. Eine Unverhältnismäßigkeit des Nachteiles werde gar nicht behauptet. Ein bloßer Vermögensnachteil könne jedenfalls keinen unverhältnismäßigen Nachteil bilden.

Zwingende öffentliche Interessen der italienischen Bevölkerung an einer ordnungsgemäßen Versorgung mit elektrischer Energie stünden gleichartigen zwingenden öffentlichen Interessen der österreichischen Bevölkerung auf Grund des Diskriminierungsverbotes gleich. Die Mitbeteiligte hätte auf Grund von Optionsvereinbarungen über den Kauf elektrischer Energie für die Jahre 2003 und 2004 sichergestellt, dass sie sofort dringend benötigten Strom nach Italien liefern und zur ordnungsgemäßen Versorgung der italienischen Bevölkerung beitragen könne. Aber auch der von der Beschwerdeführerin vorgenommenen Wettbewerbsbeschränkung stünden zwingende öffentliche Interessen entgegen.

Schließlich machte die Mitbeteiligte geltend, dass in Wahrheit auf ihrer Seite ein unverhältnismäßiger Nachteil entstünde, wenn der Beschwerde aufschiebende Wirkung zuerkannt würde. Die Beschwerdeführerin habe selbst versichert, dass es ihr gleichgültig sei, ob die Mitbeteiligte oder ein anderer Anbieter die beantragte Kapazität erhalte. Die Interessen der Beschwerdeführerin würden somit nicht berührt werden, während durch das von der Beschwerdeführerin vereinbarte Liefermonopol mit dem anderen Anbieter der Mitbeteiligten die Möglichkeit nehme, Strom nach Italien zu liefern und das dafür erzielbare Entgelt zu erwirtschaften.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende öffentliche Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührter Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre.

Zunächst ist die Frage zu prüfen, ob der angefochtene Feststellungsbescheid überhaupt einem Vollzug zugänglich ist.

Der angefochtene Bescheid gründet sich auf § 20 Abs. 2 ElWOG in der zuletzt durch BGBl. I Nr. 149/2002 geänderten Fassung.

Diese Bestimmung lautet:

"(2) (Verfassungsbestimmung) Die Energie-Control Kommission hat über Antrag desjenigen, der behauptet, durch die Verweigerung des Netzzugangs in seinem gesetzlich eingeräumten Recht auf Gewährung des Netzzugangs verletzt worden zu sein, innerhalb eines Monats festzustellen, ob die Voraussetzungen für die Verweigerung eines Netzzugangs gemäß Abs. 1 vorliegen. Der Netzbetreiber hat das Vorliegen der Verweigerungstatbestände (Abs. 1) nachzuweisen. Die Energie-Control Kommission hat in jeder Lage des Verfahrens auf eine gütliche Einigung zwischen Netzzugangsberechtigtem und Netzbetreiber hinzuwirken."

Die Wirkung dieser Bestimmung findet im Streitbeilegungsverfahren nach § 21 ElWOG ihren Niederschlag (vgl. die Darlegung bei Thurnher, ElWOG 1999, Rz 12 zu § 20: Die Entscheidung des (damals zuständigen) BMwA erstreckt sich aber nur auf die Feststellung der Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges. Über weitergehende Ansprüche haben die Gerichte, ebenso wie über alle übrigen aus dem Verhältnis zwischen Netzbetreibern und Netzzugangsberechtigten zu entscheiden). Der Abs. 3 des § 21 ElWOG lautet:

"(3) Unbeschadet der Bestimmung des Abs. 2 kann eine Klage wegen Ansprüchen, die sich auf eine Verweigerung des Netzzuganges gründen, erst nach Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde über die Rechtmäßigkeit der Verweigerung des Netzzuganges eingebracht werden; bildet eine solche Entscheidung eine Vorfrage für das gerichtliche Verfahren, so ist dieses bis zur Rechtskraft der Entscheidung der Regulierungsbehörde zu unterbrechen."

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einer Reihe von Entscheidungen hinsichtlich der Vollzugsfähigkeit von Feststellungsbescheiden darauf abgestellt, ob der Bescheid eine bindende Wirkung für nachfolgende Verfahren entfaltet. Beispielsweise wurde im Beschluss vom 18. November 1999, Zl. AW 99/03/0074, bezüglich der Feststellung der Marktbeherrschung nach dem Telekommunikationsgesetz darauf verwiesen, dass der Bescheid bindende Wirkung für nachfolgende Verfahren deswegen entfaltet, als in diesen Verfahren in Anbetracht des bekämpften Feststellungsbescheides die Frage der Marktbeherrschung durch die belangte Behörde nicht mehr selbständig beurteilt werden muss.

Unabhängig davon, ob eine Bindungswirkung des Gerichtes an die Vorfragenentscheidung durch die belangte Behörde anzunehmen ist oder nicht, besteht die Wirkung einer Entscheidung nach § 20 Abs. 2 ElWOG jedenfalls darin, dass eine Klage während des Verfahrens vor der Behörde nicht eingebracht werden darf bzw. das Gericht die Entscheidung der Behörde abzuwarten hat.

Allein dies reicht aber aus, die Frage, ob der angefochtene Bescheid einem Vollzug zugänglich ist, zu bejahen. Der Verwaltungsgerichtshof hat zwar in seiner früheren Judikatur (Beschluss vom 12. Juni 1975, Zl. 640/75 ausgeführt, dass dann, wenn die "Vollstreckung" in die Kompetenz der Gerichte fällt, eine Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung nicht möglich ist. Diese Auffassung wurde aber in der Folge nicht mehr aufrecht erhalten; im Beschluss vom 8. Jänner 1998, Zl. AW 97/19/1194, wurde darauf abgestellt, ob durch den Bescheid in einer auch andere Verwaltungsbehörden oder Gerichte bindende Weise ein Ausspruch getätigt wird. Dem ist zu folgen, zumal für eine differenzierte Betrachtung der Begriff "Vollzug" im § 30 Abs. 2 VwGG keinen Anhaltspunkt bietet.

Der Verwaltungsgerichtshof vermag allerdings nicht zu erkennen, inwiefern durch den Vollzug des Bescheides - also die Eröffnung der Klagemöglichkeit nach § 21 Abs. 2 ElWOG - für die Beschwerdeführerin ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden sein soll. Diese Klagemöglichkeit ist insbesondere kein Merkmal des vorliegenden, eine Rechtsverletzung feststellenden Bescheides, weil sie genauso eröffnet worden wäre, hätte die belangte Behörde dem Antrag der Mitbeteiligten keine Folge gegeben. Mit ihrer Darlegung, es sei für die Beschwerdeführerin ohne Bedeutung, wer die Kapazität letztlich erhält, lässt sie es als zweifelhaft erscheinen, ob mit dem Vollzug des angefochtenen Bescheides überhaupt ein "Nachteil" im Sinne des § 30 Abs. 2 VwGG verbunden ist; die behauptete Rechtsunsicherheit kann keinesfalls einen "unverhältnismäßigen" Nachteil bilden. Demgegenüber ist ein Nachteil auf Seiten der mitbeteiligten Partei durch eine Sistierung der Wirkungen des angefochtenen Bescheides unzweifelhaft erkennbar, sodass die nach § 30 Abs. 2 VwGG erforderliche Abwägung aller berührten Interessen zur Ablehnung der begehrten aufschiebenden Wirkung führen muss.

Eines Eingehens darauf, ob auch zwingende öffentliche Interessen der aufschiebenden Wirkung entgegenstünden, bedarf es daher nicht.

Dem Antrag musste somit ein Erfolg versagt bleiben.

Wien, am 25. Juli 2003

Schlagworte

Interessenabwägung Unverhältnismäßiger Nachteil Vollzug

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:AW2003050036.A00

Im RIS seit

15.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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