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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §45 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Vizepräsident Dr. W. Pesendorfer und die Hofräte Dr. Gruber, Dr. Stöberl, Dr. Blaschek und Dr. Rigler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Weiss, über die Beschwerde 1.) der E,
2.) des H, 3.) des Dr. F, 4.) des R, 5.) der H, 6.) der C, 7.) der A, 8.) des F, 9.) der Dr. R, 10.) des O, 11.) der M, 12.) der G,
13.) der M, 14.) des K, 15.) der L, 16.) der Dkfm. I und 17.) des M, alle in W und vertreten durch Musil & Musil Rechtsanwälte OEG in 1190 Wien, Döblinger Hauptstraße 68, gegen den Bescheid des Bundesministers für wirtschaftliche Angelegenheiten (nunmehr Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) vom 17. Jänner 2000, Zl. 300.938/1-III/A/9/2000, betreffend gewerbliche Betriebsanlage (mitbeteiligte Partei: A AG in W, vertreten durch Braunegg, Hoffmann & Partner, Rechtsanwälte in 1013 Wien, Gonzagagasse 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund hat den beschwerdeführenden Parteien Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 27. Dezember 1995, in der Fassung des Berichtigungsbescheides des Landeshauptmannes von Wien vom 15. Jänner 1996, wurden näher beschriebene Änderungen der genehmigten Betriebsanlage der mitbeteiligten Partei unter Vorschreibung einer Reihe von Auflagen gemäß § 81 GewO 1994 genehmigt.
Gegen diesen Bescheid erhoben (u.a.) die beschwerdeführenden Parteien Berufung.
Mit dem vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde die Berufung abgewiesen.
In der Begründung dieses Bescheides wird die Stellungnahme des gewerbetechnischen Amtssachverständigen vom 12. August 1998 wiedergegeben, wonach "entsprechend der Gliederung des Berufungsvorbringens ... sich dazu technisch Folgendes bemerken" lasse (es folgen Ausführungen zur Projektkonformität, Tanküberfüllung, Querschnitt der Tankbelüftung, Betankungsfrequenz und Lärm, Luftschadstoffe).
Diese Stellungnahme schließt damit, dass aus technischer Sicht die Berufungsvorbringen nicht geeignet seien, "das Ermittlungsverfahren der Vorinstanz zu entkräften oder ein ergänzendes, in erster Linie ärztliches Gutachten zu begründen".
Weiters wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides die ergänzende Stellungnahme des technischen Amtssachverständigen vom 10. September 1999 wiedergegeben.
Nach Wiedergabe von Rechtsgrundlagen heißt es sodann im Erwägungsteil des angefochtenen Bescheides:
"Wie sich aus den umfassenden, klaren und schlüssigen Darlegungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen ergibt, liegen im gegenständlichen Fall die zu erwartenden Beeinträchtigungen in einem aus technischer Sicht völlig vernachlässigbaren Ausmaß. Das Berufungsvorbringen war daher in keinem Punkt geeignet, das Ermittlungsverfahren der Vorinstanz zu entkräften bzw. ein ergänzendes Gutachten vor allem ein ärztliches Gutachten, zu begründen."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete - ebenso wie die mitbeteiligte Partei - eine Gegenschrift mit dem Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Die beschwerdeführenden Parteien machen zunächst geltend, die Begründung des angefochtenen Bescheides bestehe nur aus der wörtlichen Wiedergabe von zwei Stellungnahmen des gewerblichen Amtssachverständigen und einer Wiedergabe von gesetzlichen Bestimmungen. Eine Auseinandersetzung mit der Berufung der beschwerdeführenden Parteien und ihrer Stellungnahmen im Berufungsverfahren durch die Behörde fehle völlig. Dazu komme, dass zu ihrer letzten Stellungnahme vom 18. Oktober 1999, in welcher sie auf die Stellungnahme des Amtssachverständigen vom 10. September 1999 erwidert hätten, nicht einmal eine Äußerung des Sachverständigen selbst vorliege. Es erweise sich also, dass der angefochtene Bescheid für den Verwaltungsgerichtshof unüberprüfbar sei und die beschwerdeführenden Parteien in der Verfolgung ihrer Rechte hindere, weil er nicht erkennen lasse, von welchem Sachverhalt die Behörde ausgegangen sei und aus welchen Gründen den in der Berufung und den Stellungnahmen im Berufungsverfahren vorgetragenen Argumenten nicht gefolgt und die Berufung abgewiesen habe.
Schon mit diesem Vorbringen sind die beschwerdeführenden Parteien im Recht.
Gemäß § 60 AVG sind in der Begründung eines Bescheides die Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens, die bei der Beweiswürdigung maßgebenden Erwägungen und die darauf gestützte Beurteilung der Rechtsfrage klar und übersichtlich zusammenzufassen.
Wie der Verwaltungsgerichtshof in ständiger Rechtsprechung dargelegt hat, genügt die Berufungsbehörde ihrer Begründungspflicht zwar im Allgemeinen mit der kurzen Verweisung auf die Gründe im Bescheid der Vorinstanz, falls sie in der Frage des Tatbestandes und der rechtlichen Beurteilung mit der ersten Instanz einer Meinung ist. Eine solche Verweisung genügt allerdings dann nicht, wenn die Berufung, über die die Behörde entscheidet, gegen die Gründe der Erstinstanz Argument enthält, von denen nicht von vornherein erkennbar ist, dass sie unzutreffend sind oder an der Sache vorbeigehen (vgl. zum Ganzen u. a. das hg. Erkenntnis vom 10. Februar 1998, Zl. 97/04/0213, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im vorliegenden Fall enthält die Berufung der beschwerdeführenden Parteien gegen den erstbehördlichen Bescheid ein umfangreiches Vorbringen. Auf dieses Berufungsvorbringen wird in der Begründung des angefochtenen Bescheides nur mit den beiden, oben wiedergegebenen Sätzen eingegangen, die sich im Wesentlichen auf einen Verweis auf die Stellungnahme des technischen Amtssachverständigen erschöpft. Wenn sich die belangte Behörde in den einzig als Erwägungen zur Beweiswürdigung verstehbaren Ausführungen ihres Bescheides mit der Aussage begnügte, die Darlegungen des gewerbetechnischen Amtssachverständigen seien umfassend, klar und schlüssig gewesen, so vermag diese Aussage nicht jegliche sachliche Auseinandersetzung mit dem Vorbringen der beschwerdeführenden Parteien zu ersetzen, wobei insbesondere ins Gewicht fällt, dass auf deren Stellungnahme vom 18. Oktober 1999 überhaupt nicht (auch nicht vom technischen Amtssachverständigen) eingegangen wurde, wobei festzuhalten ist, dass diesbezüglich der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 38 Abs. 2 VwGG auf Grund der Behauptung der beschwerdeführenden Parteien zu erkennen hatte, weil von der belangten Behörde lediglich der erstinstanzliche Verwaltungsakt, nicht aber der Berufungsakt der belangten Behörde vorgelegt wurde.
In diesem Zusammenhang ist auch anzumerken, dass, worauf die beschwerdeführenden Parteien zutreffend hinweisen, die Behörde sich nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes auch mit Einwendungen gegen ein Sachverständigengutachten, dessen Schlüssigkeit im Bereich der allgemeinen Lebenserfahrung bekämpft wird, auseinander zu setzen hat, wiewohl sich diese nicht auf gleicher wissenschaftlicher Ebene bewegen und auch nicht durch ein von der Partei selbst beigebrachtes Gegengutachten belegt werden (vgl. z.B. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Dezember 1992, Zl. 92/10/0190, und die dort zitierte Vorjudikatur).
Im Übrigen ist nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes die Feststellung, ob die (sachverhaltsbezogenen) Voraussetzungen für die Genehmigung vorliegen, zwar Gegenstand des Beweises durch Sachverständige; auf Grund der Sachverständigengutachten hat sich jedoch sodann die Behörde im Rechtsbereich ihr Urteil zu bilden (vgl. u.v. das Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 19. Oktober 1993, Zl. 91/04/0163). Dahin gehende Erwägungen fehlen im angefochtenen Bescheid jedoch zu Gänze. Ein Verweis auf die - (zutreffend) nur aus technischer Sicht gemachten - Ausführungen des technischen Amtssachverständigen vermag dies nicht zu ersetzen.
Derart wurden die Parteien des Verwaltungsverfahrens über die von der belangten Behörde angestellten Erwägungen nicht unterrichtet und an der Verfolgung ihres Rechtsanspruches behindert und ist es dem Verwaltungsgerichtshof unmöglich gemacht, den angefochtenen Bescheid auf seine Rechtsrichtigkeit zu überprüfen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 22.9.1980, VwSlg 10232 A). Der angefochtene Bescheid war daher schon deshalb gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 8. August 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000040027.X00Im RIS seit
15.09.2003