TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2002/08/0128

JUSLINE Entscheidung

Veröffentlicht am 13.08.2003
beobachten
merken

Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §7 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller und Dr. Sulyok als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in U, vertreten durch Dr. Johannes Hintermayr u.a., Rechtsanwälte in 4020 Linz, Marienstraße 4, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Oberösterreich vom 5. März 2002, Zl. LGSOÖ/Abt.4/1282/0040/2002-11, betreffend Arbeitslosengeld, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid hat die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers vom 17. Dezember 2001 auf Gewährung von Arbeitslosengeld mangels Arbeitslosigkeit gemäß dem §§ 7 und 12 AlVG abgewiesen. In der Begründung ist dazu ausgeführt, der Beschwerdeführer erhalte als Gemeinderat einer Oberösterreichischen Gemeinde monatlich S 5.359,30 brutto, nach Abzug der Sozialversicherungsbeiträge netto S 5.147,62, an Aufwandsentschädigung. Weiters überweise die Ortsgruppe einer näher genannten politischen Partei monatlich EUR 145,35 (S 2.000,--) als Aufwandsentschädigung an den Beschwerdeführer.

Nach den Bestimmungen des EStG 1988 könnten bei der Bemessung der Einkommensteuer monatlich 12 % des Einkommens aus der politischen Tätigkeit des Beschwerdeführers ohne Nachweis als Werbungskosten anerkannt werden. Dieser Prozentsatz werde auch für die Feststellung der Arbeitslosigkeit herangezogen. Die Berücksichtigung eines höheren Betrages sei nur bei Vorlage entsprechender Nachweise möglich.

Der Beschwerdeführer habe zum Nachweis für die angefallenen Fahrtkosten im Rahmen seiner Funktion im Gemeinderat ein Fahrtenbuch mit Aufzeichnungen aus dem Jahr 2000 vorgelegt. Wegen der mangelnden Aktualität dieses Beweises könne nicht nachvollzogen werden, wie der behauptete Betrag von EUR 27,60 ermittelt worden sei. Weitere Beweise für nach dem Einkommensteuergesetz abzugsfähige Aufwendungen habe der Beschwerdeführer nicht vorgelegt. Selbst wenn die behaupteten Fahrtkosten von EUR 27,60 ohne weitere Überprüfung berücksichtigt würden, verbleibe nach Abzug dieser Werbungskosten von der Aufwandsentschädigung noch immer ein Betrag von EUR 347,39 (S 4.780,19), welcher die im Jahr 2001 gültige Geringfügigkeitsgrenze von EUR 301,54 (S 4.076,--) überschreite.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat in einem gemäß § 12 Abs. 1 Z. 2 VwGG gebildeten Senat erwogen:

Gemäß § 7 Abs. 1 AlVG hat Anspruch auf Arbeitslosengeld, wer

1.

der Arbeitsvermittlung zur Verfügung steht,

2.

die Anwartschaft erfüllt und

3.

die Bezugsdauer noch nicht erschöpft hat.

Gemäß § 12 Abs. 1 AlVG ist arbeitslos, wer nach Beendigung seines Beschäftigungsverhältnisses keine neue Beschäftigung gefunden hat.

Nach Abs. 3 leg. cit. gilt als arbeitslos im Sinne der Abs. 1 und 2 insbesondere nicht:

a)

wer in einem Dienstverhältnis steht;

b)

wer selbstständig erwerbstätig ist;

c)

...

d)

wer, ohne in einem Dienstverhältnis zu stehen, im Betrieb des Ehegatten, der Eltern oder der Kinder tätig ist ...

Nach Abs. 6 lit. a leg. cit. gilt jedoch als Arbeitslos, wer aus einer oder mehreren Beschäftigungen ein Entgelt erzielt, das die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge nicht übersteigt.

Die Tätigkeit eines Gemeinderates einer oberösterreichischen Gemeinde ist - wovon auch die Parteien des verwaltungsgerichtlichen Verfahrens ausgehen - die Ausübung eines politischen Mandates. Ob die Ausübung einer solchen Tätigkeit Arbeitslosigkeit ausschließt, hängt davon ab, ob diese Tätigkeit in ihrer Wertigkeit einer Erwerbszwecken, d.h. der fortlaufenden Schaffung von Einkünften in Geld oder Güterform, dienenden Tätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG entspricht, wie dies z.B. im Falle einer Abgeordneten zum Nationalrat im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, Slg. Nr. 14.130/A, der Fall gewesen ist. Der Begriff des Erwerbseinkommens, wie er auch für § 12 AlVG in der im Beschwerdefall anzuwendenden Fassung maßgeblich ist, umfasst nach nunmehr ständiger Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes nicht ohne Weiteres alle Einkünfte, die mit der Ausübung eines öffentlichen Mandates verbunden sind. Erwerbseinkommen im Sinne des § 12 AlVG sind im gegenständlichen Zusammenhang vielmehr nur dann gegeben, wenn die Bezüge eines öffentlichen Mandatars ein Ausmaß erreichen, welches zeigt, dass sie nicht nur den Zweck haben, mit der Ausübung des Mandates in der Regel verbundene Aufwendungen abzugelten, sondern auch z.B. einen angemessenen Beitrag zum Lebensunterhalt der betreffenden Person zu bilden (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, 2002/08/0239, m.w.N.).

In der bisherigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes zu Einkünften öffentlicher Mandatare im hier maßgeblichen Zusammenhang, an der weiterhin festzuhalten ist, wurden monatliche Einkünfte aus öffentlichen Mandaten in der Höhe von S 8.003,-- (Erkenntnis vom 13. November 1990, 89/08/0229, Slg. Nr. 13.308/A), S 4.933,-- (Erkenntnis vom 15. November 2000, 2000/08/0133), S 12.502,-- (Erkenntnis vom 22. Oktober 2001, 2001/19/0048), S 4.076,-- (Erkenntnis vom 5. Juni 2002, 2002/08/0044), S 6.077,--

(Erkenntnis vom 5. Juni 2002, 2002/08/0015), S 4.530,--

(Erkenntnis vom 5. Juni 2002, 2002/08/0012), S 5.823,--

(Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0020), S 4.557,--

(Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0063), S 11.444,--

(Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0013), S 7.900,-- (Erkenntnis vom 9. August 2002, 2002/08/0048), EUR 434,-- (Erkenntnis vom 17. Dezember 2002, 2002/08/0239), S 7.853,-- (Erkenntnis vom 16. Juni 2003, 2000/02/0211) und S 8.188,-- (Erkenntnis vom 16. Juni 2003, 2000/02/0206), nicht als die Arbeitslosigkeit ausschließend angesehen. Anders war dies im hg. Erkenntnis vom 30. September 1994, 93/08/0125, hinsichtlich der damaligen Bezüge einer Abgeordneten zum Nationalrat.

Die Bezüge des Beschwerdeführers für die Ausübung seiner Funktion als Gemeinderat einer oberösterreichischen Gemeinde in Höhe von monatlich S 5.147,62 netto stehen somit der Annahme von Arbeitslosigkeit keinesfalls entgegen.

Wie der Verwaltungsgerichtshof wiederholt ausgesprochen hat, orientiert sich der Begriff der die Arbeitslosigkeit ausschließenden "Beschäftigung" im Verständnis des § 12 Abs. 1 AlVG aber auch an der Ausgestaltung der Tätigkeit, aus der das Einkommen erzielt wird (vgl. z.B. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2002/08/0063). Dazu ist festzuhalten, dass dem politischen Mandatar jedenfalls so viel Zeit bleiben muss, dass er verfügbar im Sinne des § 7 Abs. 2 AlVG ist (vgl. dazu die hg. Erkenntnisse vom 22. Dezember 1998, 97/08/0106, vom 29. März 2000, 98/08/0063, und vom 27. Juli 2001, 2000/08/0216). Diesbezügliche Ermittlungen hat die belangte Behörde, da sie die Rechtslage verkannt hat, unterlassen.

Aus den dargelegten Gründen war der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002080128.X00

Im RIS seit

05.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
Zurück Haftungsausschluss Vernetzungsmöglichkeiten

Sofortabfrage ohne Anmeldung!

Jetzt Abfrage starten