TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2001/11/0382

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Veröffentlicht am 13.08.2003
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Index

67 Versorgungsrecht;
68/01 Behinderteneinstellung;

Norm

BEinstG §14 Abs3 idF 2001/I/060;
BEinstG §2 Abs1 idF 2001/I/060;
KOVG 1957 §4;
KOVG RichtsatzV 1965 §3;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Mag. Helmut Scheuch, Rechtsanwalt in 1020 Wien, Franzensbrückenstraße 20, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 10. Juli 2001, Zl. MA 15-II-BEG 160/2000, betreffend Feststellung der Behinderteneigenschaft, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Am 26. Mai 1999 stellte der Beschwerdeführer einen (formularmäßigen) Antrag auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 und § 14 des Behinderteneinstellungsgesetzes (BEinstG), weil bei ihm folgende Gesundheitsschädigungen vorlägen: "Psychosomatische Krankheiten".

Das Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland holte daraufhin ärztliche Sachverständigengutachten ein.

Der Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. S kam in seinem nervenfachärztlichen Sachverständigengutachten vom 22. November 1999 zu folgender Beurteilung:

"Neurotische Depression ....... V/c/583 ....... 0 %"

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ba gelangte in seinem zusammenfassenden ärztlichen Sachverständigengutachten vom 22. November 1999 zu folgender "Beurteilung und Begründung":

"Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:

Lfd.
Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den
Richtsätzen

Grad der
Behinderung

1)

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen URS dieser Pos.Nr., da lediglich endlagige funktionelle Behinderungen evident sind.

I/f/190

20 %

2)

Beginnende degenerative Hüftgelenksveränderungen

URS, da die Funktionen nur endlagig behindert sind.

I/d/99

20 %

NS: Organische Veränderungen im Bereich des Magen-Darmtraktes sind nicht belegt. Deshalb erreichen sie keinen Grad der Behinderung. Alle relevanten Befunde wurden bei der Einschätzung berücksichtigt.

Die Funktionsbeeinträchtigung im Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen beträgt dreißig vom Hundert (30 v.H.).

Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 wird um 1 Stufe erhöht, da eine ungünstige wechselseitige Leidensbeeinflussung besteht

..."

Darüber hinaus finden sich folgende Ausführungen:

"Folgende Gesundheitsschädigungen werden gemäß § 3 BEinstG bei der Einschätzung des Grades der Behinderung NICHT berücksichtigt:

...

2. Gesundheitsschädigungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 20 v.H., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursachen:

"Lfd.
Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den
Richtsätzen

Grad der
Behinderung

 

Neurotische Depression

V/c/583

0 %"

Im Rahmen des Parteiengehörs legte der Beschwerdeführer einen Befund Dris. R, Facharzt für Psychiatrie, Neurologie und Psychotherapie, vom 8. Februar 2000 vor, wonach bei ihm eine chronische depressive Reaktion, Angststörung und psychosomatische Beschwerden im Rahmen eines posttraumatischen Syndroms (Misshandlung als Kind; später Verhaftung und Folterung als politisch Aktiver im Iran) bestünden.

Der Facharzt für Nervenkrankheiten Dr. S änderte daraufhin auf Grund dieses vorgelegten Befundes sein Gutachten vom 22. November 1999 dahin ab, dass er in seinem Gutachten vom 6. März 2000 zu folgender Einschätzung kam:

"Posttraumatisches Syndrom (PTSD)

V/e/585 ........... 30 %

Drei Stufen über dem unteren Rahmensatz, da jahrelange

psychiatrische Therapie notwendig."

Der Arzt für Allgemeinmedizin Dr. Ba gelangte in seinem zusammenfassenden ärztlichen Sachverständigengutachten vom 29. Mai 2000 nunmehr zu folgender "Beurteilung und Begründung":

"Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:

Lfd.
Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den
Richtsätzen

Grad der
Behinderung

1)

Posttraumatisches Syndrom
3 Stufen über dem URS, da jahrelanges Leiden und entsprechende psychiatrische Therapie nötig.

V/e/585

30 %

2)

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen URS dieser Pos.Nr., da lediglich endlagige funktionelle Behinderungen evident sind.

I/f/190

20 %

3)

Beginnende degenerative Hüftgelenksveränderungen
URS, da die Funktionen nur endlagig behindert sind.

I/d/99

20 %

Alle relevanten Befunde wurden bei der Einschätzung

berücksichtigt.

Die Funktionsbeeinträchtigung im Zusammenwirken der oben angeführten Gesundheitsschädigungen beträgt dreißig vom Hundert (30 v.H.).

Der führende Grad der Behinderung unter laufender Nr. 1 wird

...

nicht erhöht, da keine ungünstige Leidensbeeinflussung besteht."

Mit Schreiben vom 23. Juni 2003 übermittelte das Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland dem Beschwerdeführer das Ergebnis des ärztlichen Beweisverfahrens und gab ihm Gelegenheit, dazu Stellung zu nehmen. Der Beschwerdeführer gab keine Stellungnahme ab.

Mit Bescheid vom 2. August 2000 wies das Bundessozialamt Wien Niederösterreich Burgenland den Antrag des Beschwerdeführers auf Feststellung der Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 Abs. 1, § 3 und § 14 Abs. 2 BEinstG ab. In der Begründung wurde auf die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Ermittlungsverfahrens verwiesen, wonach der Grad der Behinderung 30 v.H. betrage.

In seiner dagegen erhobenen Berufung wandte sich der Beschwerdeführer gegen die Einschätzung des Grades der Behinderung mit 30 v.H. Der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie seines Vertrauens, Dr. R, vertrete die Meinung, dass eine 50 %ige Beeinträchtigung seiner gesundheitlichen Funktionen vorliege. Die anders lautende Einschätzung des Bundessozialamtes Wein Niederösterreich Burgenland erweise sich auch vor dem Hintergrund der unzureichenden fachlichen Ausführungen als zumindest mangelhaft, wenn nicht gar unrichtig.

Der Landeshauptmann von Wien ersuchte daraufhin das Gesundheitsamt der Stadt Wien um Untersuchung des Beschwerdeführers und Feststellung des Grades der Behinderung unter Bedachtnahme der Sätze des Richtsatzkataloges im Sinne des § 7 KOVG.

Im orthopädischen Gutachten vom 27. Februar 2001 gelangte der Facharzt für Orthopädie und orthopädische Chirurgie Dr. Wi zu folgender "Beurteilung und Begründung":

"Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:

"Lfd.
Nr.

Art der Gesundheitsschädigung

Position in den
Richtsätzen

Grad der
Behinderung

1.

Degenerative Wirbelsäulenveränderungen

I/f/190

20 %

Unterer Rahmensatz entsprechend der Funktionsbehinderung unter Berücksichtigung der radiologischen Hilfsbefunde.

Die Beschwerden von Seiten der Hüft- und Kniegelenke bedingen aus orthopädischer Sicht keinen Grad der Behinderung.

Eine neurologische Zusatzbegutachtung wird empfohlen!

Bis zum 27.2.2001 wurden keine weiteren Hilfsbefunde vorgelegt. Eine Berücksichtigung ist somit nicht möglich."

Im psychiatrischen Gutachten vom 13. Oktober 2000 war bereits der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. B zu folgender "Zusammenfassung und Beurteilung" gekommen:

"Der Untersuchte zeigt Hinweise auf eine beträchtliche Persönlichkeitsproblematik. Das vorgetragene Beschwerdebild mit diversen somatisch-vegetativen Symptomen sowie körperlicher Schwäche und Erschöpfbarkeit entspricht einem neurasthenischen Syndrom; für eine posttraumatische Belastungsstörung bieten sich meines Erachtens angesichts der Symptomatik und des Verlaufes keine ausreichenden Hinweise.

Nach den Richtsätzen des § 7 KOVG entspricht die Symptomatik - in Übereinstimmung mit dem Vorbefund des Bundessozialamtes vom 22.11.1999 - der Position V/c/583 (Neurosen und Psychopathien), GdB: 0 %."

In ihrem zusammenfassenden Gutachten vom 8. März 2001 gelangte die Amtssachverständige Dr. W zu folgender "Einschätzung gemäß Richtsatzkatalog im Sinne des § 7 KOVG":

"1. Gesundheitsschädigungen, die für die Gesamteinschätzung des Grades der Behinderung berücksichtigt werden:

1.1.

Wirbelsäulenabnützung

(Unterer Rahmensatz entsprechend der Funktionsbehinderung unter Berücksichtigung der radiologischen Hilfsbefunde)

I/f/190

20 v.H.

2. Gesundheitsschädigungen mit einem Grad der Behinderung von weniger als 20 v.H., die auch im Zusammenwirken mit anderen Gesundheitsschädigungen keine wesentliche

Funktionsbeeinträchtigung verursachen:

2.1.

Neurasthenisches Syndrom,

narzisstische Persönlichkeitsstörung mit passiv-aggressiven Zügen"

V/c/583

0 v.H."

In der Begründung führte die Amtssachverständige aus:

"Aus hieramtlich nervenfachärztlicher Sicht bestehen keine ausreichenden Hinweise auf das Bestehen eines posttraumatischen Syndroms. Das psychische Beschwerdebild entspricht einem neurasthenischen Syndrom und war daher mit 0 v.H. einzustufen.

Orhopädischerseits liegt kein einschätzungswürdiges Hüft- oder Kniegelenksleiden vor.

Klinisch ergaben sich keine Hinweise auf ein einstufungswürdiges Lungenleiden.

Zusammenfassend liegt ein Gesamtgrad der Behinderung von 20 v.H., welcher durch das Leiden der Position 1.1 mit 20 v.H. (Wirbelsäulenabnützungen) bedingt wird. Der Grad der Behinderung ist ab 26.5.1999 anzunehmen."

In einer im Rahmen des Parteiengehörs dazu abgegebenen Stellungnahme vom 9. April 2001 brachte der Beschwerdeführer im Wesentlichen vor, seine Beschwerden seien die Folgen eines posttraumatischen Belastungssyndroms. Weiters wandte er sich gegen die Richtigkeit der orthopädischen Begutachtung. Der Beschwerdeführer übermittelte dem Landeshauptmann von Wien schließlich einen lungenfachärztlichen Befund Dris. F, Facharzt für Lungenkrankheiten, vom 8. September 2000.

In seiner fachärztlichen Stellungnahme vom 16. Mai 2001 führte der Facharzt für Psychiatrie und Neurologie Dr. B aus, für eine Abänderung des Gutachtens vom 13. Oktober 2000 gebe das Schreiben des Beschwerdeführers keinen Anlass. Diagnosen und Einstufung blieben aufrecht.

In ihrer ergänzenden Stellungnahme vom 23. Mai 2001 führte die Amtsärztin Dr. W aus, ein einschätzungswürdiges Lungenleiden sei aus dem übermittelten Befund nicht ableitbar. Der Facharztbefund beschreibe lediglich eine Asthmareaktion im Provokationstest mit Reversibilität durch entsprechende Medikamentengabe. Die Lungenfunktion habe durch mangelnde Mitarbeit nicht beurteilt werden können. Aus der Stellungnahme des Beschwerdeführers ergäben sich ebenso keine neuen Erkenntnisse. In diesem Zusammenhang sei auf die nervenfachärztliche Stellungnahme Dris. B vom 16. Mai 2001 zu verweisen. Das Gutachten vom 8. März 2001 bleibe unverändert aufrecht.

Mit Schreiben vom 28. Mai 2001 übermittelte der Landeshauptmann von Wien dem Beschwerdeführer die Stellungnahme der Amtsärztin vom 23. Mai 2001 und gab ihm Gelegenheit, dazu schriftlich Stellung zu nehmen. Eine Stellungnahme unterblieb.

Mit Bescheid vom 10. Juli 2001 wies der Landeshauptmann von Wien die Berufung des Beschwerdeführers gemäß § 66 Abs. 4 AVG als unbegründet ab. Der Beschwerdeführer sei auf Grund seines Grades der Behinderung von 20 v.H. den in § 2 Abs. 1 BEinstG genannten begünstigten Behinderten nicht zuzuzählen. In der Begründung wurde auf die wesentlichen Ergebnisse des ärztlichen Begutachtungsverfahrens verwiesen. Im vorliegenden Fall sei der Grad der Behinderung im Gutachten des Gesundheitsamtes der Stadt Wien vom 8. März 2001, das als schlüssig erkannt und in freier Beweiswürdigung dem Bescheid zu Grunde gelegt werde, mit 20 v.H. ab 26. Mai 1999 eingeschätzt worden.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen des BEinstG (in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 60/2001) lauten (auszugsweise):

"§ 2. (1) Begünstigte Behinderte im Sinne dieses Bundesgesetzes sind österreichische Staatsbürger mit einem Grad der Behinderung von mindestens 50 vH. ...

...

§ 14. ...

(2) Liegt ein Nachweis im Sinne des Abs. 1 nicht vor, hat auf Antrag des Behinderten das örtlich zuständige Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen unter Mitwirkung von ärztlichen Sachverständigen den Grad der Behinderung einzuschätzen und bei Zutreffen der im § 2 Abs. 1 angeführten sonstigen Voraussetzungen die Zugehörigkeit zum Kreis der nach diesem Bundesgesetz begünstigten Behinderten (§ 2) sowie den Grad der Behinderung (Abs. 3) festzustellen. Hinsichtlich der ärztlichen Sachverständigen ist § 90 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, anzuwenden. Die Begünstigungen nach diesem Bundesgesetz werden mit dem Zutreffen der Voraussetzungen, frühestens mit dem Tag des Einlangens des Antrages beim örtlich zuständigen Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen wirksam. Sie werden jedoch mit dem Ersten des Monates wirksam, in dem der Antrag eingelangt ist, wenn dieser unverzüglich nach dem Eintritt der Behinderung (Abs. 3) gestellt wird. Die Begünstigungen erlöschen mit Ablauf des Monates, der auf die Zustellung des Bescheides folgt, mit dem der Wegfall der Voraussetzungen für die Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten rechtskräftig ausgesprochen wird.

(3) Der Bundesminister für Arbeit, Gesundheit und Soziales ist ermächtigt, nach Anhörung des Bundesbehindertenbeirates gemäß § 8 BBG durch Verordnung nähere Bestimmungen über die Feststellung des Grades der Behinderung festzulegen. Diese Bestimmungen haben die Auswirkungen der Funktionsbeeinträchtigungen auf das allgemeine Erwerbsleben zu berücksichtigen und auf den Stand der medizinischen Wissenschaft Bedacht zu nehmen.

...

§ 27. (1) Bis zum Inkrafttreten der Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 sind für die Einschätzung des Grades der Behinderung die Vorschriften der §§ 7 und 9 Abs. 1 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957, BGBl. Nr. 152, mit der Maßgabe sinngemäß anzuwenden, dass Gesundheitsschädigungen mit einem Ausmaß von weniger als 20 vH außer Betracht zu lassen sind, sofern eine solche Gesundheitsschädigung im Zusammenwirken mit einer anderen Gesundheitsschädigung keine wesentliche Funktionsbeeinträchtigung verursacht.

..."

Da eine Verordnung gemäß § 14 Abs. 3 BEinstG noch nicht erlassen wurde, hat die belangte Behörde zu Recht die auf Grund des § 7 Abs. 2 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 ergangene Verordnung des Bundesministeriums für soziale Verwaltung vom 9. Juni 1965, BGBl. Nr. 150, über die Richtsätze für die Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit nach den Vorschriften des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 und die in der Anlage zu dieser Verordnung genannten Richtsätze herangezogen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0191).

2.1. Soweit sich der Beschwerdeführer durch die Einschätzung seines Grades der Behinderung mit 20 v.H. - an Stelle der erstinstanzlichen Einschätzung mit 30 v.H. - in seinem Recht verletzt erachtet, gemäß § 10a Abs. 2 BEinstG Mittel bzw. Hilfen vom Ausgleichstaxfonds in Anspruch zu nehmen bzw. zu begehren, ist ihm zu entgegnen, dass Sache des gegenständlichen Verwaltungsverfahrens nur die vom Beschwerdeführer beantragte Feststellung der Zugehörigkeit zum Personenkreis der begünstigten Behinderten gemäß § 2 und § 14 BEinstG war. Über einen Antrag auf Gewährung einer Zuwendung aus Mitteln des Ausgleichstaxfonds wurde mit dem angefochtenen Bescheid nicht abgesprochen, sodass der Beschwerdeführer in dem von ihm behaupteten Recht auch nicht verletzt wurde.

2.2. Soweit der Beschwerdeführer eine Verletzung der Manuduktionspflicht nach § 13a AVG rügt, weil ihm die belangte Behörde nicht die Möglichkeit aufgezeigt habe, die Behauptung des Vorliegens eines Grades der Behinderung von zumindest 50 v.H. durch ein ärztliches Sachverständigengutachten zu belegen, ist ihm zu erwidern, dass nach der ständigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes aus § 13a AVG nicht abgeleitet werden kann, dass die belangte Behörde auf die Möglichkeit der Einholung eines "Gegengutachtens" gesondert hinzuweisen hat, weil die in § 13a AVG normierte Manuduktionspflicht nicht soweit geht, dass die Partei angeleitet werden müsste, Beweisanträge bestimmten Inhaltes zu stellen oder bestimmte Beweismittel beizubringen (vgl. zB. das hg. Erkenntnis vom 4. September 1995, Zl. 93/10/0229).

2.3. Der Beschwerdeführer bringt in der Beschwerde im Wesentlichen vor, im Falle eines Widerspruches zwischen Sachverständigengutachten sei es Aufgabe der Behörde, auf eine Aufklärung des Widerspruchs hinzuwirken. Die belangte Behörde habe sich mit den fachärztlichen Feststellungen der Erstbehörde, die sowohl beginnende degenerative Hüftgelenksveränderungen als auch ein posttraumatisches Syndrom objektivierten, nicht auseinander gesetzt, sondern beziehe sich im angefochtenen Bescheid ganz allgemein und in nicht nachvollziehbarer Weise auf die Ausführungen des Amtssachverständigen des Gesundheitsamtes der Stadt Wien. Die belangte Behörde hätte in ihre Beweiswürdigung auch die von der Erstbehörde erhobenen Tatsachen einzubeziehen gehabt.

Der ärztliche Sachverständige der Erstbehörde stellte in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 unter anderem fest, dass der Beschwerdeführer an einem posttraumatischen Syndrom (V/e/585) leide, wobei diese Beeinträchtigung mit einem Grad der Behinderung von 30 v.H. einzuschätzen sei. Er stützte sich dabei auf das nervenfachärztliche Gutachten Dris. S vom 6. März 2000, welchem seinerseits der vom Beschwerdeführer vorgelegte Befund Dris. R vom 8. Februar 2000 zu Grunde lag. Die Amtsärztin der belangten Behörde ging in ihrem Gutachten vom 8. März 2001 hingegen davon aus, dass der Beschwerdeführer lediglich an einem neurasthenischen Syndrom (V/c/583) leide, wobei der Grad der Behinderung für diese Beeinträchtigung mit 0 v.H. einzustufen sei. Sie stützte diese Einschätzung auf das psychiatrische Gutachten Dris. B vom 13. Oktober 2000. Dr. B führte in diesem Gutachten ua., wie bereits oben wiedergegeben, aus, dass für das Vorliegen einer posttraumatischen Belastungsstörung seines Erachtens angesichts der Symptomatik und des Verlaufes keine ausreichenden Hinweise bestünden. Eine nähere Auseinandersetzung mit den Ergebnissen des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens findet in diesem Gutachten nicht statt. Dr. B bezog sich vielmehr auf den "Vorbefund des Bundessozialamtes vom 22.11.1999" und übersah dabei offensichtlich, dass die beiden im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Gutachten vom 22. November 1999 in der Folge dahin abgeändert wurden, dass der Beschwerdeführer an einem posttraumatischen Syndrom leide. Auf diese neue, dem Bescheid der Erstbehörde zu Grunde liegende Einschätzung, ging Dr. B nicht ein. Die Amtsärztin der belangten Behörde setzte sich mit dem Widerspruch zwischen dem Ergebnis des erstinstanzlichen Ermittlungsverfahrens und dem Gutachten Dris. B ihrerseits nicht auseinander und legte ihrer Entscheidung ohne nähere Begründung das Gutachten Dris. B zu Grunde. Schließlich legte auch die belangte Behörde im angefochtenen Bescheid nicht dar, aus welchen Erwägungen sie dem Gutachten ihrer Amtsärztin folgt und warum sie das Gutachten der Erstbehörde für nicht zutreffend erachtet.

Was das vom Beschwerdeführer behauptete Hüftgelenksleiden anlangt, so kam der ärztliche Sachverständige der Erstbehörde in seinem Gutachten vom 29. Mai 2000 zu dem Ergebnis, dass beim Beschwerdeführer eine beginnende degenerative Hüftgelenksveränderung (F/d/99) vorliege. Er stützte sich dabei auf einen vom Beschwerdeführer vorgelegten Befund des Pulmologischen Zentrums der Stadt Wien vom 25. August 1998. Der Grad der Behinderung für diese Beeinträchtigung wurde mit 20 v.H. eingeschätzt. Die Amtsärztin der belangten Behörde gelangte in ihrem Gutachten vom 8. März 2001 hingegen zu dem Ergebnis, dass die Beschwerden von Seiten der Hüft- und Kniegelenke aus orthopädischer Sicht keinen Grad der Behinderung bedingten, wobei sie sich dabei auf das orthopädische Gutachten Dris. Wi vom 27. Februar 2001 stützte. Dr. Wi setzte sich allerdings in diesem Gutachten mit dem erstinstanzlichen Gutachten nicht auseinander. Die Amtsärztin der belangten Behörde folgte ihrerseits ohne nähere Begründung dem Gutachten Dris. Wi und geht auf den Widerspruch zwischen dem Gutachten der Erstbehörde und dem Gutachten Dris. Wi nicht ein. Schließlich legte die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid auch in dieser Frage ohne nähere Begründung das Gutachten ihrer Amtsärztin zu Grunde.

Daraus ist aber für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen.

Die Gesamtbeurteilung mehrerer Leidenszustände hat nicht im Wege einer Addition der aus den Richtsatzpositionen sich ergebenden Hundertsätze der Minderung der Erwerbsfähigkeit zu erfolgen, sondern nach § 3 der oben genannten Richtsatzverordnung. Nach dieser Bestimmung ist dann, wenn mehrere Leiden zusammentreffen, bei der Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit zunächst von der Gesundheitsschädigung auszugehen, die die höchste Minderung der Erwerbsfähigkeit verursacht. Sodann ist zu prüfen, ob und inwieweit der durch die Gesamteinschätzung zu erfassende Gesamtleidenszustand infolge des Zusammenwirkens aller gemäß § 4 des Kriegsopferversorgungsgesetzes 1957 zu berücksichtigenden Gesundheitsschädigungen eine höhere Einschätzung der Minderung der Erwerbsfähigkeit rechtfertigen (vgl. das bereits erwähnte hg. Erkenntnis vom 23. Jänner 2001, Zl. 2000/11/0191, mwN.).

Auf den Beschwerdefall bezogen bedeutet das, dass die vom Beschwerdeführer angestrebte Feststellung seiner Zugehörigkeit zum Kreis der begünstigten Behinderten nur dann in Frage kommt, wenn er auf Grund seines führenden Leidens (im Zusammenhang mit einer Verstärkung desselben durch weitere Beeinträchtigungen seiner Gesundheit) einen Gesundheitszustand aufwiese, der eine Minderung der Erwerbsfähigkeit von wenigstens 50 v.H. nach sich zieht.

Der Beschwerdeführer hat im gesamten Verwaltungsverfahren die Feststellung der Erstbehörde, dass es sich beim posttraumatischen Syndrom um das führende Leiden handle, nicht bestritten. Er ist vielmehr selbst davon ausgegangen. Die Einschätzung dieses Leidens durch den ärztlichen Sachverständigen der Erstbehörde mit 30 v.H. wurde vom Beschwerdeführer, obwohl er dazu im Rahmen des Parteiengehörs ausreichend Gelegenheit hatte, im Verwaltungsverfahren nicht mit substanziellem Vorbringen bestritten. Ein Sachverständigengutachten, das belegte, dass dieses Leiden einen Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. zur Folge habe, hat der Beschwerdeführer, obwohl er bereits in seiner Berufung die Unrichtigkeit des im erstinstanzlichen Verfahren erstatteten Sachverständigengutachtens rügte, nicht vorgelegt. Der Beschwerdeführer hat daher schon im Verwaltungsverfahren nicht in geeigneter Weise aufgezeigt, dass das behauptetermaßen vorliegende posttraumatische Syndrom - entgegen der Einschätzung der Erstbehörde - für sich allein zu einem Grad der Behinderung von mindestens 50 v.H. führe.

Die Gesamteinschätzung des ärztlichen Sachverständigen der Erstbehörde, dass der führende Grad der Behinderung durch die orthopädischen Leiden (degenerative Wirbelsäulenveränderungen, beginnende degenerative Hüftgelenksveränderungen) nicht erhöht werde, da keine ungünstige Leidensbeeinflussung bestehe, wurde vom Beschwerdeführer ebenfalls nicht bestritten. Auch diesbezüglich hat er ein Sachverständigengutachten, aus dem sich ergäbe, dass durch das Zusammenwirken der behaupteten Leiden ein Gesamtgrad der Behinderung von zumindest 50 v.H. erreicht werde, nicht vorgelegt.

Damit fehlt es aber sowohl hinsichtlich des vom Beschwerdeführer selbst als führend angesehenen psychischen Leidens als auch hinsichtlich der behaupteten Beeinträchtigungen im Hüftbereich an sachverhaltsbezogenen Hinweisen dafür, dass die belangte Behörde, hätte sie sich mit den von der Erstbehörde verwerteten und ihren eigenen entgegenstehenden Beweisergebnissen näher auseinandergesetzt, zur Einschätzung eines Grades der Minderung der Erwerbsfähigkeit des Beschwerdeführers von mindestens 50 v.H. und damit zu einem anderen Bescheid hätte gelangen können.

2.4. Aus diesen Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

3. Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 13. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001110382.X00

Im RIS seit

09.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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