TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2001/08/0078

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Veröffentlicht am 13.08.2003
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Index

62 Arbeitsmarktverwaltung;
66/01 Allgemeines Sozialversicherungsgesetz;
66/02 Andere Sozialversicherungsgesetze;

Norm

AlVG 1977 §12 Abs1;
AlVG 1977 §12 Abs3 litg idF 1993/817;
AlVG 1977 §12 Abs3;
AlVG 1977 §33 Abs2;
AlVG 1977 §33 Abs3;
AlVG 1977 §36;
ASVG §4 Abs2;
NotstandshilfeV §1;
NotstandshilfeV §2;
NotstandshilfeV §5 Abs1;
NotstandshilfeV §5;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde der M in W, vertreten durch Dr. Thaddäus Kleisinger, Rechtsanwalt in 1010 Wien, Fleischmarkt 28, gegen den auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 19. Februar 2001, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2001-5606, betreffend Widerruf und Rückforderung der Notstandshilfe, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat der Beschwerdeführerin Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Die seit 1996 im Bezug von Geldleistungen aus der Arbeitslosenversicherung stehende Beschwerdeführerin stellte am 2. Februar 1998 unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Antragsformulares den Antrag auf Gewährung von Notstandshilfe. Im Antrag wurde die Frage nach einer Beschäftigung bzw. Erwerbstätigkeit und einem Einkommen verneint. Am 2. Februar 1999 beantragte sie neuerlich unter Verwendung des bundeseinheitlich aufgelegten Formblattes die Gewährung von Notstandshilfe. Auch in diesem Antrag wurden die Fragen nach einer Beschäftigung, einer Erwerbstätigkeit und einem Einkommen verneint.

Mit Schreiben vom 25. Februar 1999 forderte die regionale Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice die Beschwerdeführerin auf, den Dienstvertrag über ein näher bezeichnetes freies Dienstverhältnis und Belege über ihr Einkommen seit 1. März 1998 vorzulegen.

Am 4. März 1999 wurde vor der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice mit der Beschwerdeführerin eine Niederschrift aufgenommen, worin die Beschwerdeführerin ausführte, sie sei seit März 1998 beim Roten Kreuz tätig. Die Entlohnung erfolge unter der Geringfügigkeitsgrenze. Das Dienstverhältnis sei auf unbestimmte Zeit geschlossen worden. Sie sei nur im Notfall einsetzbar, und daher habe sie nicht in jedem Monat Einkünfte aus dieser Tätigkeit. Dieser Niederschrift ist eine Fotokopie der Anmeldung für freie Dienstverträge und dienstnehmerähnliche Werkverträge der Beschwerdeführerin durch das Österreichische Rote Kreuz, Landesverband Wien, angeschlossen, wonach die Beschwerdeführerin seit 1. März 1998 im Rahmen eines freien Dienstvertrages eine Arbeitertätigkeit (Betreuungsdienst) verrichtet; die Höhe des vereinbarten Entgeltes ist mit monatlich "min. S 3.831,--" bzw. mit "andere Vereinbarung: nach tat. Leistung" angegeben.

Die Beschwerdeführerin unterfertigte am 4. März 1999 Formblätter betreffend Erklärungen über das Bruttoeinkommen sowie den Umsatz betreffend den Zeitraum März 1998 bis einschließlich Jänner 1999. Demnach habe sie im Zeitraum März 1998 bis einschließlich Dezember 1998 ein Bruttoeinkommen von S 12.090,-- und im Jänner 1999 ein solches von S 1.560,-- erzielt.

Eine solche Erklärung wurde auch am 20. April 1999 für den Zeitraum Februar bis April 1999 unterfertigt, wonach das Bruttoeinkommen S 1.560,--, S 2.300,-- bzw. S 3.440,-- betragen habe. Schließlich wurde auch noch per 14. Mai 1999 eine solche Erklärung hinsichtlich des Zeitraumes Mai 1999 unterfertigt, wonach die Beschwerdeführerin in diesem Monat ein Bruttoeinkommen von S 3.160,-- erzielt habe.

Am 28. November 2000 langte bei der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien die Mitteilung des Dienstgebers gemäß § 109a Einkommensteuergesetz 1988 für die Kalenderjahre 1998 und 1999 betreffend die Beschwerdeführerin ein. Für das Jahr 1998 wurden Einnahmen (ohne Umsatzsteuer, einschließlich erhaltener Kostenersätze und Sachbezüge) von S 58.120,-- und ein einbehaltener Auftragnehmeranteil zur Sozialversicherung von S 7.360,21 ausgewiesen. Für das Kalenderjahr 1999 betrugen die umschriebenen Einnahmen S 85.045,-- und der einbehaltene Auftragnehmeranteil zur Sozialversicherung S 11.481,08.

Mit Bescheid der regionalen Geschäftsstelle des Arbeitsmarktservice vom 18. Dezember 2000 wurde gemäß § 38 i.V.m.

§ 24 Abs. 2 AlVG der Bezug der Notstandshilfe im Zeitraum 1. März 1998 bis 16. Mai 1999 widerrufen bzw. die Bemessung rückwirkend berichtigt und gemäß §§ 38 und 25 Abs. 1 AlVG die Beschwerdeführerin zur Rückzahlung der unberechtigt empfangenen Notstandshilfe im Betrag von S 158.280,-- verpflichtet. In der Begründung ist nach Gesetzeszitaten ausgeführt, die Beschwerdeführerin habe die Leistungen zu Unrecht bezogen, weil sie seit 1. März 1998 eine Tätigkeit auf Grund eines freien Dienstvertrages ausübe und daraus eine Entlohnung über der Geringfügigkeitsgrenze erziele.

Die Beschwerdeführerin erhob Berufung. Darin führte sie aus, sie habe im angeführten Zeitraum Honorare auf Grund eines freien Dienstvertrages bezogen. Die Honorare hätten nach den ihr derzeit zur Verfügung stehenden Unterlagen und nach ihrer Erinnerung jedoch nur sehr selten die Geringfügigkeitsgrenze überschritten. Das Arbeitslosengeld, das sie in dieser Zeit bezogen habe, habe ihre ständigen Ausgaben bzw. übermäßigen finanziellen Belastungen, bedingt durch den erhöhten Einsatz während des Projektes und durch unvorhergesehene Ereignisse (Tod ihrer Mutter, die Therme in der Wohnung habe erneuert werden müssen, Kreditkosten), nicht gedeckt. Sie habe daher die Chance wahrgenommen, zusätzlich etwas ins Verdienen zu bringen.

Mit dem nunmehr vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben. In der Begründung stellte die belangte Behörde nach Gesetzeszitaten und einer Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens folgenden Sachverhalt fest:

Die Beschwerdeführerin habe u.a. im Zeitraum vom 7. Februar 1998 bis 16. Mai 1999 Notstandshilfe von S 358,10 täglich bezogen. Nachträglich habe das Arbeitsmarktservice zur Kenntnis nehmen müssen, dass die Beschwerdeführerin auf Grund eines freien Dienstvertrages ab 1. März 1998 im Betreuungsdienst mit einer monatlichen Entlohnung nach der tatsächlich erbrachten Leistung, mindestens aber mehr als geringfügig, für den Landesverband Wien des Österreichischen Roten Kreuzes tätig sei. Das Rote Kreuz habe bei der Sozialversicherung eine Meldung erstattet und entsprechende Beitragsgrundlagen gemeldet. Demnach scheine ab 1. März 1998 bis dato eine mehr als geringfügige Beschäftigung im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses auf. Nach der gemäß § 109a EStG 1988 ausgestellten Bestätigung habe die Beschwerdeführerin von März bis Dezember 1998 Einnahmen von S 58.120,-- abzüglich Sozialversicherung von S 7.360,21, sohin S 50.759,79 erzielt; dies entspreche einem monatlichen Einkommen von S 5.075,79. Nach der für 1999 ausgestellten Bescheinigung habe die Beschwerdeführerin Einnahmen von S 85.045,-- abzüglich Sozialversicherung von S 11.481,08, sohin S 73.563,92 erzielt. Daraus ergebe sich ein monatliches Einkommen von S 6.130,32. Beide Monatsbeträge würden die Geringfügigkeitsgrenze, die 1998 bei S 3.830,-- und 1999 bei S 3.899,-- gelegen sei, überschreiten. Da eine Beschäftigung im Rahmen eines nicht geringfügigen freien Dienstverhältnisses dem gleichzeitigen Bezug einer Leistung aus der Arbeitslosenversicherung entgegenstehe, sei es zur Erlassung des durch die Berufung bekämpften Bescheides gekommen.

Den Anträgen auf Gewährung der Notstandshilfe vom 2. Februar 1998 und 2. Februar 1999 sei ein Hinweis auf diese Beschäftigung nicht zu entnehmen. Die ab 4. März 1999 gemachten Honorarangaben hätten sich nicht mit der nachträglich festgestellten Verdienstsituation gedeckt.

Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, zentrale Voraussetzung für den Anspruch auf Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe sei das Vorliegen von Arbeitslosigkeit. Dass der, der in Beschäftigung stehe - nicht geringfügige Beschäftigungen im Rahmen eines Dienstverhältnisses und im Rahmen eines freien Dienstverhältnisses könnten insofern gleich betrachtet werden - nicht gleichzeitig auch arbeitslos sein und eine Leistung wegen Arbeitslosigkeit aus dem Versicherungssystem beziehen könne, bedürfe keiner weiteren Erklärung. Auf Grund der "freien Beschäftigung" ab 1. März 1998 bis 16. Mai 1999 sei die Beschwerdeführerin nicht als arbeitslos anzusehen, sodass es insofern an der Anspruchsvoraussetzung fehle. Arbeitslosengeld sowie Notstandshilfe sollten im bestimmten Ausmaß und Umfang den Einkommensausfall durch Verlust des Arbeitsplatzes ersetzen, nicht notwendigerweise aber alle Aufwendungen, die die konkret-individuelle Lebensführung mit sich bringe. Höhere Aufwendungen führten daher nicht zu einer höheren Notstandshilfe. Eine Bedachtnahme auf die Motive zur Ausübung einer Beschäftigung neben dem Leistungsbezug seien in den gesetzlichen Vorgaben nicht vorgesehen.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die der Sache nach Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn kostenpflichtig aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Soweit die Beschwerdeführerin unter Hinweis auf ihre konkreten finanziellen Bedürfnisse ausführt, sie befinde sich in einer Notlage im gesetzlichen Sinne, verkennt sie die Rechtslage. Voraussetzung für die Gewährung der Notstandshilfe ist, soweit im Beschwerdefall von Bedeutung, dass der Arbeitslose sich in Notlage befindet (§ 33 AlVG). Notlage liegt vor, wenn dem Arbeitslosen die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist (§ 33 Abs. 3 leg. cit.). Die näheren Voraussetzungen, unter denen dies der Fall ist, sind - nach im Gesetz vorgegebenen Gesichtspunkten - durch Verordnung zu regeln (§ 36 AlVG); die Anknüpfung an § 33 Abs. 4 AlVG in § 36 Abs. 2 AlVG ist seit der Novelle BGBl. Nr. 416/1992 auf § 33 Abs. 3 AlVG zu beziehen. Auf dieser gesetzlichen Grundlage bestimmt § 2 Abs. 1 der Notstandshilfeverordnung, BGBl. Nr. 352/1973, in der maßgeblichen Fassung der Novelle BGBl. Nr. 338/1989, dass Notlage vorliegt, wenn "das Einkommen des (der) Arbeitslosen und das seines Ehepartners (Lebensgefährten bzw. seiner Lebensgefährtin) zur Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse des (der) Arbeitslosen nicht ausreicht". Wie sich aus diesen Bestimmungen ergibt, hat die Notstandshilfe - anders als das Arbeitslosengeld - den Charakter einer subsidiären Leistung, die nur dann gebührt, wenn dem Arbeitslosen (nach Maßgabe der auf Grund des § 36 AlVG erlassenen Notstandshilfeverordnung) die Befriedigung der notwendigen Lebensbedürfnisse unmöglich ist. Das Ausmaß der Notstandshilfe wird gemäß § 1 der Notstandshilfeverordnung mit einem Prozentsatz des in Betracht kommenden Grundbetrages des Arbeitslosengeldes bestimmt. Das Ausmaß der maximal zustehenden Notstandshilfe wird - entsprechend ihrer primär versicherungsrechtlichen Natur - nicht davon (zumindest mit-)bestimmt, ob der konkrete Arbeitslose mit ihrer Hilfe tatsächlich in die Lage versetzt wird, seine persönlichen notwendigen Lebensbedürfnisse zu befriedigen. Die abstrakt berechnete Notstandshilfe nimmt auf solche Umstände nicht Bedacht (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Juli 2002, 2000/08/0196).

Die Beschwerdeführerin macht geltend, bei ihrer Tätigkeit für das Rote Kreuz habe es sich um eine unselbständige Beschäftigung gehandelt. Das Entgelt sei unter der Geringfügigkeitsgrenze gelegen. Die belangte Behörde gehe jedoch von einer selbständigen Tätigkeit aus und nehme die Berechnung des Einkommens nach § 36a AlVG, nicht aber nach § 21a leg. cit. vor. Dies führe dazu, dass die belangte Behörde den Bezug der Notstandshilfe für Monate, in denen ihr Verdienst jedenfalls unter der "Bagatellgrenze" des § 5 Abs. 2 ASVG gelegen sei, zu Unrecht zurückverlange.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist für die Annahme von Arbeitslosigkeit Voraussetzung, dass das im Sinne des § 4 Abs. 2 ASVG zu verstehende Beschäftigungsverhältnis, an welches die Arbeitslosenversicherungspflicht anknüpft, gelöst ist und eine neue Beschäftigung nicht gefunden wurde. Als Beschäftigung im zuletzt gemeinten Sinne ist jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene Tätigkeit zu verstehen. Der Aufzählung der Tatbestände des § 12 Abs. 3 AlVG, bei deren Vorhandensein eine Person nicht als arbeitslos zu gelten hat, kommt demnach nur veranschaulichende Bedeutung für die Definition der Arbeitslosigkeit durch § 12 Abs. 1 leg. cit. zu. Unter den Begriff "Beschäftigung" fallen nicht nur die im § 12 Abs. 3 lit. a, b und d leg. cit. angeführten Tätigkeiten. Unter einer Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 1 AlVG ist vielmehr jede mit einem Erwerbseinkommen verbundene (im Falle des § 12 Abs. 3 lit. d AlVG letztlich Erwerbszwecken dienende) Tätigkeit zu verstehen. Als arbeitslos gilt gemäß § 12 Abs. 3 lit. a AlVG nicht, wer in einem Dienstverhältnis steht. Ein Dienstverhältnis im Sinne dieser Bestimmung ist ein Beschäftigungsverhältnis nach § 4 Abs. 2 ASVG. Ebenso gilt gemäß § 12 Abs. 3 lit. b AlVG nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist. Die übrigen Fälle dieses Absatzes sind Sonderfälle, die weder eindeutig in die eine, noch in die andere Kategorie fallen oder überhaupt ganz anders gelagert sind (vgl. etwa das Erkenntnis vom 31. Mai 2000, 98/08/0378).

Im vorliegenden Fall ist nicht strittig, dass die Beschwerdeführerin in einem dem § 4 Abs. 4 ASVG unterliegenden freien Dienstverhältnis stand und daraus ab März 1998 die festgestellten Honorare bezogen hat. Die Beschwerdeführerin stand sohin nicht in einem Dienstverhältnis im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. a AlVG. Die Beschäftigung der Beschwerdeführerin auf Grund eines freien Dienstvertrages stellt somit eine selbständige Erwerbstätigkeit im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. b und Abs. 6 lit. c ("auf andere Art selbständig erwerbstätig") dar. Diese Beurteilung der Tätigkeit der Beschwerdeführerin ist aber entgegen ihrer Auffassung für die Anwendung des § 21a AlVG ohne Bedeutung. Diese Bestimmung regelt nur die Berechnungsmodalitäten im Falle einer tageweisen oder vorübergehenden Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. g AlVG.

Die belangte Behörde konnte zutreffend davon ausgehen, dass es sich bei der Beschäftigung der Beschwerdeführerin nicht um eine tageweise oder vorübergehende Tätigkeit handelte. Der in Rede stehende freie Dienstvertrag wurde nach den Ausführungen der Beschwerdeführerin in ihrer Niederschrift vom 4. März 1999 auf unbestimmte Zeit geschlossen. Bei einer derartigen Vertragsgestaltung kann jedoch nicht mehr von einer tageweisen oder vorübergehenden Beschäftigung im Sinne des § 12 Abs. 3 lit. g AlVG gesprochen werden (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 31. März 1998, 97/08/0498, m.w.N.). Die belangte Behörde hat daher § 21a AlVG zu Recht nicht angewendet.

Nach § 12 Abs. 3 AlVG gilt u.a. nicht als arbeitslos, wer selbständig erwerbstätig ist (lit. b). Als arbeitslos gilt jedoch u. a. gemäß § 12 Abs. 6 lit. c leg. cit. (in der anzuwendenden Fassung BGBl. I Nr. 139/1997), "wer auf andere Art selbständig erwerbstätig ist bzw. selbständig arbeitet und daraus ein Einkommen gemäß § 36a erzielt, oder im Zeitpunkt der selbständigen Erwerbstätigkeit bzw. der selbständigen Arbeit einen Umsatz gemäß § 36b erzielt, wenn weder das Einkommen zuzüglich Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten geltend gemacht wurden, noch 11,1 v.H. des Umsatzes die im § 5 Abs. 2 ASVG angeführten Beträge übersteigt".

Der verwiesene § 36a (i.d.F. BGBl. Nr. 297/1995) bestimmte in seinem Abs. 5 Z. 1, dass das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr nachzuweisen ist. Diese Regelung wurde durch die Novelle BGBl. Nr. 411/1996 um eine Vorschrift für den Fall ergänzt, dass "noch kein rechtskräftiger Einkommensteuerbescheid" vorliege. In diesem Fall sollte das Einkommen "auf Grund einer Erklärung der selbständigen Erwerbstätigkeit und geeigneter Nachweise festzustellen" sein.

Nach dem verwiesenen § 36b AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 297/1995 war der Umsatz im Sinne dieses Bundesgesetzes auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr vor dem Jahr, in dem eine Leistung nach diesem Bundesgesetz beantragt wird, festzustellen.

Mit Erkenntnis vom 5. März 1998, G 284/97, hat der Verfassungsgerichtshof die Worte "über das zuletzt veranlagte Kalenderjahr" im ersten Halbsatz der Z. 1 des § 36a Abs. 5 AlVG i. d.F. BGBl. Nr. 411/1996, sowie § 36b Abs. 1 und den letzten Satz des § 36b Abs. 2 AlVG i.d.F. BGBl. Nr. 297/1995, als verfassungswidrig aufgehoben und ausgesprochen, dass § 12 Abs. 9 sowie der zweite Satz des § 12 Abs. 10 AlVG i.d.F.

BGBl. Nr. 817/1993 wieder in Wirksamkeit treten. Dies wurde im BGBl. I Nr. 56/1998 vom 7. April 1998 kundgemacht. An diesem Tag sind daher gemäß Art. 140 Abs. 5 B-VG die aufgehobenen Bestimmungen außer Kraft getreten, d.h. sie waren bis einschließlich 6. April 1998 zeitraumbezogen anzuwenden.

Gemäß § 12 Abs. 9 AlVG (i.d.F. BGBl. Nr. 817/1993) war der Umsatz auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem das Arbeitslosengeld bezogen wurde, festzustellen. Der Leistungsbezieher war nach § 12 Abs. 10 AlVG verpflichtet, den Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheid für das Kalenderjahr, in dem das Arbeitslosengeld bezogen wurde, innerhalb bestimmter Frist nach dessen Erlassung der zuständigen Behörde vorzulegen. Bis zur Vorlage eines solchen Bescheides war die Frage der Arbeitslosigkeit bzw. der Einkommenshöhe insbesondere auf Grund einer eidesstattlichen Erklärung des Arbeitslosen über die Höhe seines Umsatzes bzw. seiner Einkünfte, einer allenfalls bereits erfolgten Einkommensteuererklärung bzw. eines Umsatz- bzw. Einkommensteuerbescheides aus einem früheren Jahr vorzunehmen.

Mit der am 1. Oktober 1998 in Kraft getretenen Novelle BGBl. I Nr. 148/1998 wurden § 36a Abs. 5 Z. 1 und § 36b AlVG neu gefasst. Nach der erstgenannten Bestimmung ist das Einkommen bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im Nachhinein abzugebenden Erklärung des selbstständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise nachzuweisen. § 36b Abs. 1 AlVG in dieser Fassung bestimmt, dass der Umsatz auf Grund des Umsatzsteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, festgestellt wird.

Die belangte Behörde hat sich nicht auf die nach den genannten Bestimmungen in Frage kommenden Unterlagen gestützt, sondern ausschließlich die Mitteilung des "Dienstgebers" der Beschwerdeführerin für die Beurteilung der Arbeitslosigkeit herangezogen. Damit hat sie die Rechtslage verkannt, weil sie die in den §§ 36a ff AlVG angeordnete Bindung der Behörden der Arbeitsmarktverwaltung an das Steuerrecht nicht beachtet hat (vgl. das hg. Erkenntnis vom 3. Oktober 2002, 97/08/0602,0603). Demnach ist Einkommen gemäß § 36a Abs. 2 AlVG das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (das ist der Gesamtbetrag der im § 2 genannten Einkunftsarten nach Ausgleich mit den Verlusten aus den einzelnen Einkunftsarten, nach Abzug der Sonderausgaben und nach Abzug der außergewöhnlichen Belastungen) zusätzlich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3. Dem so zu ermittelnden Einkommen sind nach § 12 Abs. 6 lit. c AlVG die Sozialversicherungsbeiträge, die als Werbungskosten abgezogen wurden, hinzuzurechnen. Die von der belangten Behörde gewählte Vorgangsweise lässt insbesondere die Aufwendungen (Werbungskosten) der Beschwerdeführerin völlig außer Betracht.

Der angefochtene Bescheid war daher schon deswegen gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben.

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i.V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich der Umsatzsteuer war abzuweisen, weil neben dem pauschalierten Schriftsatzaufwand ein Kostenersatz unter dem Titel von Umsatzsteuer nicht zusteht (vgl. Dolp, Die Verwaltungsgerichtsbarkeit, 3. Auflage, 686).

Wien, am 13. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001080078.X00

Im RIS seit

05.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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