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32/02 Steuern vom Einkommen und Ertrag;Norm
AlVG 1977 §36a Abs5 Z1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des M in W, vertreten durch Dr. Armin Bammer, Rechtsanwalt in 1030 Wien, Esteplatz 4, auf Grund eines Beschlusses des Ausschusses für Leistungsangelegenheiten ausgefertigten Bescheid der Landesgeschäftsstelle des Arbeitsmarktservice Wien vom 5. Oktober 2000, Zl. LGSW/Abt. 10-AlV/1218/56/2000-3349, betreffend Einstellung des Arbeitslosengeldes im Zeitraum 1. September bis 1. Dezember 1999, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Wirtschaft und Arbeit) hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem in Beschwerde gezogenen Bescheid hat die belangte Behörde in Bestätigung des erstinstanzlichen Bescheides ausgesprochen, dass dem Beschwerdeführer für die Monate September, Oktober, November und Dezember 1999 Arbeitslosengeld nicht gebührt. Die belangte Behörde ging davon aus, dass das Einkommen des Beschwerdeführers aus selbständiger Erwerbstätigkeit die monatliche Geringfügigkeitsgrenze des Jahres 1999 von S 3.899,-- überschritten habe. Die belangte Behörde ging dabei von Einkünften des Beschwerdeführers als Dienstnehmer beim Österreichischen Bundestheaterverband bzw. als selbständig erwerbstätiger Vortragender an einer Volkshochschule aus und traf zu diesen Einkünften folgende Feststellungen:
"Bundestheater
Volkshochschule
insgesamt
Februar 99
S 9.953.--
S 2.689,60
S 12.642,60
März 99
S 25.175.--
S 4.300,63
S 29.475,63
April 99
S 9.548.--
S 4.161,90
S 13.709,90
Mai 99
S 14.933.--
S 3.723,25
S 18.656,25
Juni 99
S 5.633.--
S 425.--
S 6.058.--
September 99
S 3.396.--
S 0
S 3.396.--
Oktober 99
S 1.132.--
S 609.--
S 1.741.--
November 99
S 0
S 609.--
S 609.--
Dezember 99
S 7.500.--
S 0
S 7.500.-- "
Danach begründete die belangte Behörde ihre Annahme, dass die Einkünfte des Beschwerdeführers in den streitgegenständlichen Monaten die Geringfügigkeitsgrenze überschritten hätten, wie folgt:
"Für den Monat September 99 hat die Berechnung eines Leistungsanspruches wie folgt zu geschehen:
Das Einkommen von den Monaten Febr. 99 bis Sept. 99, d.s.
S 83.938,38 : 8 Monate = S 10.492,30.
Für den Monat Oktober 99 hat die Berechnung eines
Leistungsanspruches wie folgt zu geschehen:
Das Einkommen von den Monaten Febr. 99 bis Okt. 99,
d. s. S 85.679,38 : 9 Monate = S 9.519,93.
Für den Monat November 99 hat die Berechnung eines
Leistungsanspruches wie folgt zu geschehen:
Das Einkommen von den Monaten Febr. 99 bis Nov. 99,
d. s. S 86.288,38 : 10 Monate = S 8.629,84.
Für den Monat Dezember 99 hat die Berechnung eines
Leistungsanspruches wie folgt zu geschehen:
Das Einkommen von den Monaten Febr. 99 bis Dez. 99, d.s.
S 93.788,38 : 11 Monate = S 8.526,22."
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende,
Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt und eine Gegenschrift erstattet, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde beantragt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Es ist unbestritten, dass der Beschwerdeführer im Jahre 1999 als Sänger mit Schauspielverpflichtung im Bereich der Bundestheater unselbständig erwerbstätig gewesen ist. Das aus dieser Tätigkeit erzielte Einkommen hat im Streitzeitraum September bis November 1999 die Geringfügigkeitsgrenze nicht überschritten. Eine solche Überschreitung könnte sich daher nur aus einer selbständigen Erwerbstätigkeit des Beschwerdeführers bei der Volkshochschule ergeben.
In diesem Zusammenhang hat die belangte Behörde das Einkommen dieser Monate jeweils in der Weise errechnet, dass sie die während der Monate Februar 1999 bis zum jeweils in Rede stehenden Kalendermonat dem Beschwerdeführer zugeflossenen Honorare (also die Umsätze) addiert und durch die jeweilige Anzahl von 8, 9, 10 bzw. 11 Monaten geteilt hat.
§ 36a AlVG in der im Jahre 1999 geltenden Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 148/1998, lautete:
"§ 36a. (1) Bei der Feststellung des Einkommens für die Beurteilung des Vorliegens von Arbeitslosigkeit (§ 12 Abs. 6 lit. a bis e), des Anspruchs auf Familienzuschlag (§ 20 Abs. 2 und 5), und für die Anrechnung auf die Notstandshilfe ist nach den folgenden Absätzen vorzugehen.
(2) Einkommen im Sinne dieses Bundesgesetzes ist das Einkommen gemäß § 2 Abs. 2 des Einkommensteuergesetzes 1988 (EStG 1988), BGBl. Nr. 400, in der jeweils geltenden Fassung, zuzüglich den Hinzurechnungen gemäß Abs. 3 und dem Pauschalierungsausgleich gemäß Abs. 4. Einkommensteile, die mit dem festen Satz des § 67 des Einkommenssteuergesetzes 1988 zu versteuern sind, bleiben außer Betracht. Die Winterfeiertagsvergütung gemäß § 13j Bauarbeiter-Urlaubs- und Abfertigungsgesetz, BGBl. Nr. 414/1972, in der jeweils geltenden Fassung, bleibt außer Betracht.
(3) Dem Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG 1988 sind die folgenden Beträge hinzuzurechnen:
1. Steuerfreie Bezüge gemäß § 3 Abs. 1 Z 3 lit. b bis e, Z 4 lit. a, lit. c zur Hälfte und lit. e, Z 5 lit. a bis d, Z 8 bis 12, Z 15 lit. a, Z 15 lit. b, Z 22 bis 24 und § 112 Z 1 EstG 1988;
2. die Beträge nach den §§ 10, 10a, 12, 18 Abs. 1 Z 4 sowie Abs. 6 und 7, 24 Abs. 4, 27 Abs. 3, 31 Abs. 3, 36, 41 Abs. 3 sowie 112 Z 5, Z 7 und Z 8 EStG 1988, soweit sie bei der Ermittlung des Einkommens abgezogen wurden;
3. Sonderunterstützungen nach dem Sonderunterstützungsgesetz, BGBl. Nr. 642/1973, und die besondere Schulbeihilfe nach dem Schülerbeihilfengesetz 1983, BGBl. Nr. 455.
(4) Bei der Ermittlung des Einkommens aus einem land(forst)wirtschaftlichen Betrieb gelten 4 vH des Einheitswertes als monatliches Einkommen. Werden bei Einkünften aus einer anderen selbständigen Erwerbstätigkeit Gewinne nicht nach Führung ordnungsgemäßer Bücher oder Aufzeichnungen, sondern nach Durchschnittssätzen (§ 17 EStG 1988) ermittelt, sind diese Einkünfte um 10 vH zu erhöhen.
(5) Das Einkommen ist wie folgt nachzuweisen:
1. bei Personen, die zur Einkommensteuer veranlagt werden, durch die Vorlage des Einkommensteuerbescheides für das Kalenderjahr, in dem die Leistung nach diesem Bundesgesetz bezogen wird, und bis zum Vorliegen dieses Bescheides auf Grund einer jeweils monatlich im nachhinein abzugebenden Erklärung des selbständig Erwerbstätigen und geeigneter Nachweise;
2. bei Einkünften aus nicht selbständiger Arbeit durch die Vorlage einer aktuellen Lohnbestätigung;
3. bei Einkünften aus Land- und Forstwirtschaft durch Vorlage des zuletzt ergangenen Einheitswertbescheides;
4. bei steuerfreien Bezügen durch eine Bestätigung der bezugsliquidierenden Stelle.
(6) Über Sonderausgaben, allfällige steuerfreie Bezüge und Beträge gemäß Abs. 3 Z 2 ist eine Erklärung abzugeben.
(7) Als monatliches Einkommen gilt bei durchgehender selbständiger Erwerbstätigkeit ein Zwölftel des sich ergebenden Jahreseinkommens, bei nur vorübergehender selbständiger Erwerbstätigkeit das anteilsmäßige Einkommen in den Monaten, in denen selbständige Erwerbstätigkeit vorlag. Bis zum Vorliegen des Einkommensteuerbescheides für das betreffende Kalenderjahr ist das Einkommen in einem bestimmten Kalendermonat jeweils durch Zusammenrechnung des für diesen Kalendermonat nachgewiesenen Einkommens mit den für frühere Kalendermonate desselben Kalenderjahres nachgewiesenen Einkommen geteilt durch die Anzahl der Monate im Kalenderjahr, für die eine Einkommenserklärung vorliegt, zu ermitteln."
Mit der am 24. Juni 1999 ausgegebene Novelle zum Arbeitslosenversicherungsgesetz, BGBl. I Nr. 87/1999 wurde in § 36a Abs. 3 Z 1 nach dem Ausdruck "24" der Ausdruck "sowie § 29 Z 1 zweiter Satz" eingefügt.
Im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides war ein Einkommensteuerbescheid des Jahres 1999 für den Beschwerdeführer noch nicht erlassen.
Aus den Bestimmungen des § 36a Abs. 5 Z. 1 und Abs. 7 AlVG ergibt sich somit, dass der Beschwerdeführer monatlich im Nachhinein eine "Erklärung" abzugeben sowie "geeignete Nachweise" vorzulegen und die belangte Behörde ihrer Entscheidung über das Arbeitslosengeld in den Monaten September bis Dezember 1999 diese Erklärungen und Unterlagen (vorläufig) zu Grunde zu legen gehabt hätte. Was sich aus diesen Erklärungen ergeben muss, kann aus § 36a Abs. 7 letzter Satz geschlossen werden, nämlich, das im Kalendermonat "nachgewiesene Einkommen". Da § 36a AlVG, insbesondere auch in Abs. 5, den Begriff des "Einkommens" immer in gleicher Weise verwendet, ist davon auszugehen, dass jenes Einkommen, hinsichtlich dessen eine (vorläufige) monatliche Erklärung im Sinne des § 36a Abs. 5 in Verbindung mit Abs. 7 AlVG abzugeben ist, das Einkommen nach § 2 Abs. 2 EStG ist, nämlich der Gesamtbetrag der Einkünfte nach Ausgleich mit Verlusten, wobei unter Einkünften aus selbständiger Erwerbstätigkeit der Gewinn zu verstehen ist (§ 2 Abs. 4 Z. 1 EStG 1988)
Der Beschwerdeführer macht mit Recht geltend, dass die belangte Behörde ihren Berechnungen die dem Beschwerdeführer zugeflossenen Honorare, also den Umsatz zu Grunde gelegt, jedoch zur Höhe des Gewinns (dh. zur Höhe der zu berücksichtigenden Betriebsausgaben) keinerlei Ermittlungsverfahren durchgeführt hat. Es finden sich im vorgelegten Verwaltungsakt zwar Erklärungen des Beschwerdeführers über seine Einkünfte, jedoch sind die dort angegebenen Beträge niedriger als jene, welche die belangte Behörde dem angefochtenen Bescheid zu Grunde gelegt hat, ohne dass sich die belangte Behörde in der Begründung des angefochtenen Bescheides mit diesen Erklärungen auseinandergesetzt und näher dargelegt hätte, aus welchen Gründen sie diese Erklärungen im Zusammenhang mit der in § 36a Abs. 7 AlVG angeordneten Vorgangsweise allenfalls für ungeeignet oder die darin angegebenen Beträge für unrichtig hält. Auch ist dem angefochtenen Bescheid nicht zu entnehmen, ob in den von der belangten Behörde herangezogenen Honoraren, die der Beschwerdeführer von der Volkshochschule empfangen hat, Umsatzsteuer enthalten gewesen ist und ob der Beschwerdeführer für den fraglichen Zeitraum Umsatzsteuer abzuführen hatte. In diesem Fall wäre nämlich die Umsatzsteuer nicht Teil der im Sinne des § 2 Abs. 2 EStG heranzuziehenden Einkünfte.
Das Verfahren ist somit in einem wesentlichen Punkt ergänzungsbedürftig geblieben, weshalb der angefochtene Bescheid gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. b VwGG aufzuheben ist.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Die Umrechnung der Stempelgebühren beruht auf § 3 Abs. 2 Z. 2 Eurogesetz, BGBl. I Nr. 72/2000.
Wien, am 13. August 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080195.X00Im RIS seit
08.09.2003Zuletzt aktualisiert am
06.10.2011