TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/13 2002/11/0228

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Veröffentlicht am 13.08.2003
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Index

90/02 Führerscheingesetz;

Norm

FSG 1997 §24 Abs1 Z2;
FSG 1997 §8 Abs2;
FSG 1997 §8 Abs3 Z2;
FSG-GV 1997 §17;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in W, vertreten durch Dr. Elisabeth Schaller, Rechtsanwältin in 1060 Wien, Loquaiplatz 1/7, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. Juni 2002, Zl. MA 65- 8/246/2002, betreffend Befristung der Lenkberechtigung, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.177,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit Bescheid vom 11. April 2001 forderte die Bundespolizeidirektion Wien den Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 4 in Verbindung mit § 26 Abs. 5 des Führerscheingesetzes (FSG) auf, binnen vier Monaten nach Zustellung des Bescheides ein amtsärztliches Gutachten beizubringen. Begründet wurde dies mit dem Verdacht, der Beschwerdeführer habe einen Dritten mit einem Baseballschläger geschlagen und am Körper verletzt, weshalb von Seiten der Behörde Bedenken hinsichtlich der körperlichen und geistigen Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen bestünden. Dieser Bescheid erwuchs in Rechtskraft.

Anlässlich der Untersuchung des Beschwerdeführers durch den Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien am 8. August 2001 hielt dieser die Einholung einer verkehrspsychologischen Untersuchung zur Überprüfung der kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers und dessen Bereitschaft zur Verkehrsanpassung für erforderlich.

Die mit 18. Oktober 2001 datierte verkehrspsychologische Stellungnahme Dris. D., die als Testdatum den 17. Oktober 2001 nennt, enthält folgende "ZUSAMMENFASSUNG DER BEFUNDE/GUTACHTEN":

"Der Fokus der Untersuchung liegt in der Frage eines möglicherweise wieder auftretenden aggressiven Verhaltens. Auf Grund der objektiven Befundlage finden sich keine Hinweise auf erhöhte Aggressivität. Der Fragebogen zur Erfassung von Aggressivitätsmerkmalen ist ebenso unauffällig wie der Risikofragebogen oder das Verfahren zur Feststellung verkehrsauffälliger Lenker. Auch aus der Exploration ist kein Hinweis auf ein zukünftig erwartbares aggressives Handeln abzuleiten.

Im Leistungsbereich finden sich neben den alterstypisch reduzierten Werten in der Reaktionsfähigkeit und der sensomotorischen Koordination deutlich unter der Norm liegende Werte im Bereich der reaktiven Belastbarkeit, die unter dem gegebenen Zeitdruck nicht gegeben ist, sowie die reduzierte Konzentrationsleistung hinsichtlich der Geschwindigkeit. Andere Werte wie die optische Wahrnehmungsleistung, Gedächtnis und logisches Denken werden mittelmäßig erbracht. Unter Berücksichtigung der bisherigen unauffälligen und jahrelangen Verkehrsteilnahme sollten derzeit die auch alterstypisch vorhandenen Schwächen wie auch bei anderen älteren Menschen ausreichend kompensiert werden können.

Zusammenfassend kann daher aus verkehrspsychologischer Sicht die soziale Integration des Klienten als gegeben und damit Herr W.

für die weitere Teilnahme am Straßenverkehr als

geeignet, eingeschränkt auf Führerscheingruppe 'B'

     bezeichnet werden.

     Hinsichtlich der Entwicklung der funktionalen Fähigkeiten

empfiehlt sich eine Kontrolle in angemessenem Abstand."

     Im Verwaltungsakt liegt weiters eine fachärztliche

Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin, Dr. S., vom 24. Dezember 2001 mit folgender "Beurteilung":

"Der Pat. suchte mich zur Evaluierung einer bekannten Hypertonie auf. Eine Beurteilung mittels eines amb. Blutdruckmonitoring wurde vom Pat. abgelehnt, die Qualität der Hypertoniebehandlung kann deshalb nur grob abgeschätzt werden. Aus der Anamnese, den von mir gemessenen Ruhe-Blutdruckwerten u. den RR-Messungen beim Hausarzt ergibt sich der Eindruck einer akzeptablen Hypertonieeinstellung. Das EKG legt den Verdacht auf eine linksventrikuläre Hypertrophie nahe. Dzt. besteht Sinusrythmus, kein Hinweis auf eine Herzinsuffizienz.

Eine Lenkerberechtigung kann zurzeit internistischerseits befürwortet werden."

Der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien befand den Beschwerdeführer "für A und Gruppe 2 nicht geeignet", "für Gruppe 1/B" hingegen für befristet geeignet, und zwar für einen Zeitraum von einem Jahr, wobei Nachuntersuchungen durch den Amtsarzt in einem Jahr für erforderlich befunden wurden. Die Begründung des auf dem Amtsformular erstatteten Gutachtens nach § 8 FSG lautet:

"FA Internist + VPU beiliegend.

Wegen Reduktion der sensomotor. Koordination für Gruppe 2 und Gruppe 1/A nicht geeignet.

VerlaufsKo für Gruppe 1/B erforderlich."

Mit Bescheid vom 9. Jänner 2002 befristete die Bundespolizeidirektion Wien gemäß § 24 Abs. 1 Z 2 FSG dem Beschwerdeführer seine am 16. März 1982 für die Klasse(n) B und F erteilte Lenkberechtigung für die Zeit von einem Jahr, und zwar bis zum 28. Dezember 2002 (dem Zeitpunkt der Erstattung des amtsärztlichen Gutachtens). Einer eventuellen Berufung wurde gemäß § 64 Abs. 2 AVG die aufschiebende Wirkung aberkannt. Begründend wurde ausgeführt, laut amtsärztlichem Gutachten vom 28. Dezember 2001 sei der Beschwerdeführer wegen Reduktion der sensomotorischen Koordination zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B und F nur bedingt geeignet, weshalb eine Nachuntersuchung in einem Jahr erforderlich sei.

Mit Bescheid vom selben Tag entzog die Bundespolizeidirektion Wien dem Beschwerdeführer auch die für die Klasse(n) A, C, E und G erteilte Lenkberechtigung.

Der Beschwerdeführer erhob jeweils Berufung.

Mit Bescheid vom 20. Juni 2002 wies der Landeshauptmann von Wien die Berufung des Beschwerdeführers gegen die Befristung seiner Lenkberechtigung gemäß § 66 Abs. 4 AVG ab. In der Begründung gab der Landeshauptmann von Wien zunächst die einschlägigen Rechtsvorschriften und sodann wörtlich die Zusammenfassung der verkehrspsychologischen Untersuchung des Beschwerdeführers wieder. Auf Grund dieser Stellungnahme und des Ergebnisses der amtsärztlichen Untersuchung sowie der Stellungnahme eines Facharztes für Innere Medizin habe der amtsärztliche Sachverständige am 28. Dezember 2001 gutächtlich festgestellt, dass der Beschwerdeführer "wegen Reduktion der sensomotorischen Koordination" zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 2 und 1/AB nicht geeignet sei. Der Beschwerdeführer habe in seiner Berufung die gutächtlichen Feststellungen bekämpft und vorgebracht, dass ihm das amtsärztliche Gutachten vom 28. Dezember 2001 nicht bekannt sei. Daraufhin sei dem Beschwerdeführer das Gutachten zur Kenntnis gebracht und die Möglichkeit zur Stellungnahme gegeben worden, diese sei jedoch nicht genutzt worden. Dem Vorbringen des Beschwerdeführers habe kein Erfolg beschieden sein können, der Beschwerdeführer habe die Feststellungen im Gutachten nicht zu entkräften vermocht. Dieses Endgutachten sei unter Einbeziehung der verkehrspsychologischen Stellungnahme vom 18. Oktober 2001 erstellt worden. Das Kalkül der bedingten gesundheitlichen Eignung sei auch hauptsächlich auf einen Mangel der kraftfahrspezifischen psychophysischen Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers gestützt, welches mit dem Ergebnis der verkehrspsychologischen Untersuchung im Einklang stehe. Befund und Gutachten seien "schlüssig, nachvollziehbar und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellt". Somit habe die Berufungsbehörde keine Veranlassung gehabt, sie nicht heranzuziehen. Der Beschwerdeführer sei dem Gutachten auch nicht mit einem auf gleicher wissenschaftlicher Ebene stehenden Gegengutachten entgegen getreten. Aus dem amtsärztlichen Gutachten ergebe sich somit, dass beim Beschwerdeführer die notwendige gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klassen B und F auf Grund mangelnder kraftfahrspezifischer Leistungsfähigkeit nur in eingeschränktem Maße gegeben sei und es einer Nachkontrolle in kürzeren Zeitabständen bedürfe. Aus oben angeführten Gründen habe die Erstbehörde zu Recht diesen Mangel der gesundheitlichen Eignung des Beschwerdeführers im Sinne des § 3 Abs. 1 FSG-GV zur Grundlage der Befristung der Lenkberechtigung auf die Dauer von einem Jahr für die Klassen B und F genommen. Unter Bedachtnahme auf die Erstellung des amtsärztlichen Gutachtens am 28. Dezember 2001 sei die Befristung bis 28. Dezember 2002 auszusprechen gewesen.

Mit Bescheid vom selben Tag wies der Landeshauptmann von Wien auch die Berufung des Beschwerdeführers gegen den Entziehungsbescheid vom 9. Jänner 2002 ab.

Gegen den die Befristung der Lenkberechtigung aussprechenden Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt. Die belangte Behörde führte unter anderem aus, eine Verschlechterung der erforderlichen bereits reduzierten funktionalen Fähigkeiten könne "nicht von vornherein ausgeschlossen werden". Um aber die Gefahr einer solchen Verschlechterung und damit den Wegfall der erforderlichen gesundheitlichen Voraussetzungen zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Klasse B zu kontrollieren, sei die Befristung der Lenkberechtigung erforderlich. Der Beschwerdeführer selbst könne eine solche Verschlechterung der funktionalen Fähigkeiten bei sich nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen. Die gesundheitliche Eignung des Beschwerdeführers sei zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden, doch bestünde eine gesundheitliche Beeinträchtigung, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden müsse.

Der Verwaltungsgerichtshof hat über die Beschwerde erwogen:

1.1. Im Hinblick auf den Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides (seine Zustellung erfolgte am 9. Juli 2002) ist für die Überprüfung seiner Rechtmäßigkeit durch den Verwaltungsgerichtshof das FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 32/2002 maßgeblich.

Die im Beschwerdefall einschlägigen Bestimmungen des FSG lauten in dieser Fassung (auszugsweise):

"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung

§ 3.

(1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:

...

3. gesundheitlich geeignet sind, ein Kraftfahrzeug zu lenken (§§ 8 und 9),

...

Gesundheitliche Eignung

§ 8. (1) Vor der Erteilung einer Lenkberechtigung hat der Antragsteller der Behörde ein ärztliches Gutachten vorzulegen, dass er zum Lenken von Kraftfahrzeugen gesundheitlich geeignet ist. ... .

(2) Sind zur Erstattung des ärztlichen Gutachtens besondere Befunde oder im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten eine Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle erforderlich, so ist das ärztliche Gutachten von einem Amtsarzt zu erstellen; der Antragsteller hat diese Befunde oder Stellungnahmen zu erbringen. Wenn im Rahmen der amtsärztlichen Untersuchung eine sichere Entscheidung im Hinblick auf die gesundheitliche Eignung nicht getroffen werden kann, so ist erforderlichenfalls eine Beobachtungsfahrt anzuordnen.

(3) Das ärztliche Gutachten hat abschließend auszusprechen:

'geeignet', 'bedingt geeignet', 'beschränkt geeignet' oder 'nicht geeignet'. Ist der Begutachtete nach dem ärztlichen Befund

...

2. zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer oder mehrerer Klassen nur unter der Bedingung geeignet, dass er Körperersatzstücke oder Behelfe oder dass er nur Fahrzeuge mit bestimmten Merkmalen verwendet oder dass er sich ärztlichen Kontrolluntersuchungen unterzieht, so hat das Gutachten 'bedingt geeignet' für die entsprechenden Klassen zu lauten und Befristungen, Bedingungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen der Gültigkeit anzuführen, unter denen eine Lenkberechtigung ohne Gefährdung der Verkehrssicherheit erteilt werden kann; dies gilt auch für Personen, deren Eignung nur für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und bei denen amtsärztliche Nachuntersuchungen erforderlich sind;

...

Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung

Allgemeines

§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit

...

2. die Gültigkeit der Lenkberechtigung durch Bedingungen, Befristungen oder zeitliche, örtliche oder sachliche Beschränkungen einzuschränken. Diese Einschränkungen sind gemäß § 13 Abs. 2 in den Führerschein einzutragen.

(2) Die Entziehung oder Einschränkung der Lenkberechtigung kann auch nur hinsichtlich bestimmter Klassen ausgesprochen werden, wenn der Grund für die Entziehung oder Einschränkung nur mit der Eigenart des Lenkens dieser bestimmten Klasse zusammenhängt ... .

..."

1.2. Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der FSG-GV lauten in der Fassung der Verordnung BGBl. II Nr. 16/2002 (auszugsweise):

"Allgemeine Bestimmungen über die gesundheitliche Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen

§ 3. (1) Als zum Lenken von Kraftfahrzeugen einer bestimmten Fahrzeugklasse im Sinn des § 8 FSG gesundheitlich geeignet gilt, wer für das sichere Beherrschen dieser Kraftfahrzeuge und das Einhalten der für das Lenken dieser Kraftfahrzeuge geltenden Vorschriften

1. die nötige körperliche und psychische Gesundheit besitzt,

...

4. aus ärztlicher Sicht über die nötige kraftfahrspezifische psychophysische Leistungsfähigkeit verfügt.

...

(4) Besitzer einer Lenkberechtigung, bei denen Erkrankungen oder Behinderungen festgestellt wurden, die nach den nachfolgenden Bestimmungen die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließen würden, gelten dann als geeignet zum Lenken von Kraftfahrzeugen der Gruppe 1, wenn sie

1. während der, der Feststellung der Erkrankungen oder Behinderungen unmittelbar vorangehenden zwei Jahre Kraftfahrzeuge tatsächlich gelenkt haben und

2. die Annahme gerechtfertigt ist, dass ein Ausgleich des bestehenden Mangels durch erlangte Geübtheit eingetreten ist.

Der Eintritt dieses Ausgleichs und die Dauer des Vorliegens dieser Eignung ist durch das ärztliche Gutachten nötigenfalls im Zusammenhang mit einer Beobachtungsfahrt festzustellen und darf nur auf höchstens fünf Jahre ausgesprochen werden. Bestehen trotz der durchgeführten Beobachtungsfahrt noch Bedenken über die Eignung des zu Untersuchenden, ist zusätzlich eine verkehrspsychologische Stellungnahme zu seiner kraftfahrspezifischen Leistungsfähigkeit einzuholen.

...

Verkehrspsychologische Stellungnahme

§ 17. (1) Die Stellungnahme einer verkehrspsychologischen Untersuchungsstelle gemäß § 8 Abs. 2 FSG ist im Hinblick auf ein verkehrspsychologisch auffälliges Verhalten insbesondere dann zu verlangen, wenn der Bewerber um eine Lenkberechtigung oder der Besitzer einer Lenkberechtigung Verkehrsunfälle verursacht oder Verkehrsverstöße begangen hat, die den Verdacht

1.

auf verminderte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit oder

2.

auf mangelnde Bereitschaft zur Verkehrsanpassung erwecken.

(2) Die Vorlage einer verkehrspsychologischen Stellungnahme ist im Hinblick auf das Lebensalter jedenfalls zu verlangen, wenn auf Grund der ärztlichen Untersuchung geistige Reifungsmängel oder ein Leistungsabbau im Vergleich zur Altersnorm zu vermuten sind; hiebei ist auch die Gruppe der Lenkberechtigung zu berücksichtigen.

..."

2. Wie die Begründung des angefochtenen Bescheides zeigt, stützt die belangte Behörde die Befristung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers für die Klassen B und F auf die nach ihrer Auffassung vorliegende eingeschränkte kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit des Beschwerdeführers.

Aus dem Gutachten des Amtsarztes der Erstbehörde vom 28. Dezember 2001 geht hervor, dass dieser Amtssachverständige hinsichtlich der in Rede stehenden Lenkberechtigung (für die Klassen B und F) eine Verlaufskontrolle für erforderlich gehalten hat.

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes ist die Notwendigkeit von Nachuntersuchungen im Sinne des § 8 Abs. 3 Z. 2 FSG dann gegeben, wenn eine "Krankheit" festgestellt wurde, bei der ihrer Natur nach mit einer zum Verlust oder zur Einschränkung der Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen führenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Um eine bloße bedingte Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen in diesem Sinne anzunehmen, bedarf es auf einem ärztlichen Sachverständigengutachten beruhender konkreter Sachverhaltsfeststellungen darüber, dass die gesundheitliche Eignung zwar noch in ausreichendem Maß für eine bestimmte Zeit vorhanden ist, dass aber eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss (vgl. die hg. Erkenntnisse vom 18. Jänner 2002, Zl. 99/11/0266, und vom 24. April 2001, Zl. 2000/11/0337, mwN zur gleichartigen Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zur Rechtslage nach dem KFG 1967).

Ausführungen im dargelegten Sinn fehlen in dem von der belangten Behörde herangezogenen amtsärztlichen Gutachten vom 28. Dezember 2001, auf das sich der angefochtene Bescheid stützt. Wie die oben wieder gegebene, äußerst kursorische Begründung des Gutachtens zeigt, hat der Amtsarzt der Bundespolizeidirektion Wien eine Verlaufskontrolle "für Gruppe 1/B erforderlich" gehalten, ohne diese Angabe auch nur ansatzweise näher zu erläutern. Die vom Amtsarzt herangezogene verkehrspsychologische Stellungnahme vom 18. Oktober 2001 stellt gleichfalls keine taugliche Grundlage für die von der belangten Behörde verfügte Befristung dar, weil auch sie keine konkrete Begründung dafür enthält, warum beim Beschwerdeführer die notwendige kraftfahrspezifische Leistungsfähigkeit (die Bereitschaft zur Verkehrsanpassung spielt im Beschwerdefall keine Rolle) für die in Rede stehenden Klassen B und F nur (noch) für eine bestimmte Zeit angenommen werden kann und mit einer Verschlechterung im beschriebenen Sinn gerechnet werden muss (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 2000, Zl. 99/11/0266). Gleiches gilt für die vom Beschwerdeführer beigebrachte, oben wiedergegebene, fachärztliche Stellungnahme.

Wie die Gegenschrift der belangten Behörde zeigt, hat diese die nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes erforderlichen begründeten Feststellungen in Verkennung der Rechtslage unterlassen. Die belangte Behörde vermeinte nämlich offensichtlich, die Befristung der Lenkberechtigung des Beschwerdeführers auf den Umstand stützen zu können, dass eine Verschlechterung der erforderlichen bereits reduzierten funktionalen Fähigkeiten des Beschwerdeführers "nicht von vornherein ausgeschlossen werden" könne. Auch der Beschwerdeführer könne bei sich eine solche Verschlechterung nicht mit absoluter Gewissheit ausschließen. Wie die oben erwähnte Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes zeigt, kommt jedoch die nachträgliche Befristung einer bereits unbefristet erteilten Lenkberechtigung nur dann in Frage, wenn eine gesundheitliche Beeinträchtigung besteht, nach deren Art in Zukunft mit einer die Eignung zum Lenken von Kraftfahrzeugen ausschließenden oder einschränkenden Verschlechterung gerechnet werden muss. Dass eine Verschlechterung nicht ausgeschlossen werden kann, reicht nach dieser Judikatur für die Einschränkung der Gültigkeit einer Lenkberechtigung gerade nicht aus.

Der angefochtene Bescheid war bereits aus diesem Grund wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Darüber hinaus ist die belangte Behörde darauf hinzuweisen, dass sie dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren nicht im erforderlichen Maß Parteiengehör eingeräumt hat. Soweit sie in ihrer Gegenschrift ausführt, die verkehrspsychologische Stellungnahme sei dem Beschwerdeführer "zwar nicht explizit vorgehalten" worden, doch sei er auf Grund der Kenntnis vom amtsärztlichen Gutachten in die Lage versetzt worden, ein entsprechendes Gegengutachten zu erbringen, ist ihr zu entgegnen, dass sie dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren die verkehrspsychologische Stellungnahme nicht nur nicht explizit, sondern überhaupt nicht vorgehalten hat. Da aber das dem Beschwerdeführer vorgehaltene amtsärztliche Gutachten, das, wie aufgezeigt, keine selbstständige Begründung enthält, im entscheidenden Punkt ausschließlich auf die verkehrspsychologische Untersuchung verweist, sind dem Beschwerdeführer im Verwaltungsverfahren wesentliche Beweisergebnisse vorenthalten worden.

Worauf die belangte Behörde die im angefochtenen Bescheid enthaltene Behauptung stützt, Befund und Gutachten seien schlüssig, nachvollziehbar und nach den derzeitigen medizinischen und verkehrspsychologischen Erkenntnissen erstellt, ist mangels näherer Begründung nicht nachvollziehbar. Die diesbezüglichen Ausführungen in der Begründung des angefochtenen Bescheides haben demnach den Charakter einer bloßen Leerformel.

3. Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333.

Wien, am 13. August 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002110228.X00

Im RIS seit

12.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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