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20/01 Allgemeines bürgerliches Gesetzbuch (ABGB);Norm
ABGB §1158 Abs2;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Bernard und die Hofräte Dr. Müller, Dr. Sulyok, Dr. Köller und Dr. Moritz als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Müller, über die Beschwerde des K in P, vertreten durch Mag. Michaela Speer, Rechtsanwältin in 5230 Mattighofen, Stadtplatz 6, gegen den Bescheid des Bundesministers für soziale Sicherheit und Generationen vom 8. August 2000, Zl. 122.626/1-7/2000, betreffend Versicherungspflicht nach dem ASVG und AlVG (mitbeteiligte Parteien: 1. Ivo G, z.Hd. Herrn Niko J in F,
2. Oberösterreichische Gebietskrankenkasse in 4010 Linz, Gruberstraße 77, 3. Pensionsversicherungsanstalt in 1021 Wien, Friedrich-Hillegeist-Straße 1, 4. Allgemeine Unfallversicherungsanstalt in 1200 Wien, Adalbert-Stifter-Straße 65, 5. Arbeitsmarktservice Oberösterreich, Landesgeschäftsstelle, in 4021 Linz, Europaplatz 9), zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund (Bundesminister für soziale Sicherheit, Generationen und Konsumentenschutz) Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde festgestellt, dass der Erstmitbeteiligte auf Grund seiner Tätigkeit als Arbeiter beim Beschwerdeführer in der Zeit vom 24. bis 26. September 1998 der Voll- und Arbeitslosenversicherungspflicht gemäß § 4 Abs. 1 Z. 1 aus Abs. 2 ASVG sowie § 1 Abs. 1 lit. a AlVG unterlegen sei. In der Begründung stellte die belangte Behörde nach einer Darstellung des Verwaltungsgeschehens und Gesetzeszitaten folgenden Sachverhalt fest:
Der Erstmitbeteiligte, ein gelernter Maurer, sei über Deutschland nach Österreich zu seinem beim Beschwerdeführer beschäftigten Schwager gereist. Der Erstmitbeteiligte ist von seinem Schwager auf das Betriebsgelände des Beschwerdeführers mitgenommen worden. Der Beschwerdeführer habe den Erstmitbeteiligten sowohl am 24. als auch am 25. September 1998 vorerst mit Aufräumarbeiten auf dem Betriebsgelände betraut. Am 26. September 1998 habe der Beschwerdeführer den Erstmitbeteiligten angewiesen, mit drei anderen Arbeitern zu Fertigstellungs- bzw. Aushubarbeiten zu einer Baustelle nach G zu fahren, um sich mit der Art der Tätigkeit vertraut zu machen. Auf der Fahrt dorthin sei der Firmen-LKW angehalten und einer Kontrolle unterzogen worden. Hiebei habe sich herausgestellt, dass sich der Erstmitbeteiligte nicht habe ausweisen können.
Der Erstmitbeteiligte habe vom Beschwerdeführer keine Entlohnung erhalten, eine Anmeldung zur Pflichtversicherung sei nicht erfolgt.
Dieser Sachverhalt gründet sich - so die belangte Behörde weiter - auf den Inhalt der Versicherungs- und Verwaltungsakten sowie insbesondere auf die Einvernahmen des Erstmitbeteiligten und des Beschwerdeführers durch den Gendarmerieposten H.
Im Rahmen der rechtlichen Beurteilung führte die belangte Behörde aus, der Einspruchsbehörde sei zuzustimmen, dass zwischen dem Beschwerdeführer und dem Erstmitbeteiligten ein Probearbeitsverhältnis begründet worden sei. Auf Grund der Aussage des Beschwerdeführers vom 28. September 1998 (ergänze: vor dem Gendarmerieposten H.) sei es als erwiesen anzusehen, dass er grundsätzlich am Zustandekommen eines Dienstverhältnisses interessiert gewesen sei. Seine Angabe, der Erstmitbeteiligte solle sich die Arbeit einmal ansehen, könne nur dahingehend verstanden werden, dass er bei entsprechender Eignung nichts gegen eine Beschäftigung einzuwenden gehabt habe. Gleiches gelte für seine Aussage, dass der Erstmitbeteiligte am 26. September 1998 mit den übrigen Arbeitern habe mitfahren sollen, um sich den Vorgang der Fertigstellungsarbeiten anzusehen. Auch in seiner Berufung gegen den Einspruchsbescheid halte der Beschwerdeführer fest, dass er habe feststellen wollen, ob der Erstmitbeteiligte den Anforderungen des Betriebes genüge.
Es entspreche aber auch der allgemeinen Lebenserfahrung, dass eine Feststellung, ob ein Arbeiter den speziellen Anforderungen genüge, nicht auf die Weise getroffen werden könne, dass man den betroffenen Arbeiter lediglich die Tätigkeiten beobachten lasse. Vielmehr sei es im Regelfall erforderlich, dass dieser zu - wenn auch einfachen - Tätigkeiten herangezogen werde, um an Hand derer dann seine Fähigkeiten beurteilen zu können. All diese Umstände ließen darauf schließen, dass im vorliegenden Fall ein Probearbeitsverhältnis habe begründet werden sollen.
Den Unterinstanzen sei darin Recht zu geben, dass den Aussagen des Beschwerdeführers bei seiner ersten Einvernahme durch die Gendarmerie erhöhte Beweiskraft zukomme. Dies müsse umso mehr gelten, als auch die Berufungsschrift nicht in der Lage sei, Widersprüche in seinen Angaben aufzuklären. In der Berufungsschrift habe der Beschwerdeführer ausgeführt, der Erstmitbeteiligte sei am genannten Tag mit seinem Schwager am Betriebsgelände gestanden und habe sich, da für ein Einstellungsgespräch keine Zeit gewesen sei und auch keine Rückfahrgelegenheit bestanden habe, freiwillig bereit erklärt, Aufräumarbeiten durchzuführen. Am nächsten Tag sei der Erstmitbeteiligte wieder am Betriebsgelände erschienen. Damit er nicht neuerlich nutzlos am Betriebsgelände herumstehe, sei er auf eine Baustelle geschickt worden. Nach den Sachverhaltsfeststellungen sei der Erstmitbeteiligte am 24. September 1998 mit Aufräumarbeiten auf dem Firmengelände beschäftigt gewesen. Die Fahrt auf die Baustelle in G sei nicht am nächsten Tag, sondern erst am 26. September 1998 vorgenommen worden. Die Berufungsschrift könne auch den Widerspruch nicht aufklären, dass der Erstmitbeteiligte zwar am 24. September 1998 mangels einer Rückfahrgelegenheit für Aufräumarbeiten am Firmengelände behalten worden sei, am 25. September 1998 dann jedoch trotz mangelnder Rückfahrgelegenheit nicht mehr beschäftigt worden sein soll.
Dass der Erstmitbeteiligte keine Tätigkeit für den Beschwerdeführer verrichtet habe, stehe im ausdrücklichen Widerspruch zu den Aussagen des Erstmitbeteiligten vom 26. September 1998 sowie des Beschwerdeführers vom 28. September 1998. Nach diesen Angaben sei der Erstmitbeteiligte an den ersten beiden Tagen mit Aufräumarbeiten am Firmengelände beschäftigt gewesen, am 26. September 1998 habe er mit Kollegen Aushubarbeiten in G durchführen sollen.
Dass eine Entlohnung des Erstmitbeteiligten nicht stattgefunden habe, ändere nichts, zumal § 49 Abs. 1 ASVG unter Entgelt jene Geld- und Sachbezüge verstehe, auf die der Dienstnehmer Anspruch habe. Bei Fehlen einer ausdrücklichen vertraglichen Vereinbarung sei daher auf den jeweiligen Kollektivvertrag abzustellen.
In der gegen diesen Bescheid erhobenen Beschwerde wird ausgeführt, die belangte Behörde gehe davon aus, dass ein Probearbeitsverhältnis habe begründet werden sollen. Demnach gehe die Behörde davon aus, dass weder ein Arbeitsverhältnis noch ein Probearbeitsverhältnis begründet worden sei. Es sei daher nicht nachvollziehbar, warum die belangte Behörde die Versicherungspflicht ausgesprochen habe. Selbst wenn die Ausführungen so zu verstehen seien, dass bereits ein Probearbeitsverhältnis begründet worden sei, übersehe die belangte Behörde, dass dies zweifellos die Willensübereinkunft zwischen Arbeitgeber und Arbeitnehmer voraussetze. Zwischen dem Beschwerdeführer und dem Erstmitbeteiligten sei es jedoch niemals zu einer Willensübereinkunft dahingehend gekommen, dass der Erstmitbeteiligte im Betrieb des Beschwerdeführers beschäftigt werde.
Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und beantragte unter Abstandnahme von der Erstattung einer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde als unbegründet. Die mitbeteiligte Gebietskrankenkasse erstattete eine Gegenschrift, in der die Abweisung der Beschwerde als unbegründet beantragt wird.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Soweit der Beschwerdeführer meint, die belangte Behörde gehe ("Seite 6 3. Absatz" des Bescheides) davon aus, es hätte in Zukunft ein Probearbeitsverhältnis begründet werden sollen, kann ihm nicht gefolgt werden. Mit den diesbezüglichen Ausführungen hat die belangte Behörde resümierend festgehalten, dass die Absicht des Beschwerdeführers, ein Probearbeitsverhältnis mit dem Erstmitbeteiligten zu begründen, aus den zuvor angegebenen Umständen klar ersichtlich sei. Die belangte Behörde ist somit nicht von einem Arbeitsverhältnis "zur Probe", bei dem die Erprobung des Arbeitnehmers bloßes Motiv und daher rechtlich bedeutungslos ist, ausgegangen, sondern von einem Probearbeitsverhältnis an sich. Ein solches unterscheidet sich von einem gewöhnlichen Arbeitsverhältnis insofern, als (einer oder) beide Vertragsteile zunächst prüfen, ob ihnen an der Fortsetzung des begonnenen Arbeitsverhältnisses gelegen ist oder nicht. Diese Absicht ist wesentlicher Inhalt der gleichsam bloß vorläufig eingegangenen Bindung. Ein derartiges Rechtsverhältnis kann innerhalb einer bestimmten Zeit jederzeit gelöst werden (§ 1158 Abs. 2 ABGB). Den Darlegungen der belangten Behörde ist aber, wie auch aus den nachstehenden Ausführungen hervorgeht, nicht zu entnehmen, dass noch gar kein Arbeitsverhältnis begründet worden wäre. Die Umstände, auf die sich die belangte Behörde bezog und auf die auch im Folgenden noch näher einzugehen ist, zeigen nämlich das Gegenteil.
Die weiteren Ausführungen in der Beschwerde, mangels Willensübereinkunft liege kein Arbeitsvertrag vor, lassen die unstrittigen Tatsachenfeststellungen der belangten Behörde außer Acht. Demnach ist davon auszugehen, dass der Beschwerdeführer, der zum Erstmitbeteiligten in keinem familienrechtlichen Verhältnis steht, den in Rede stehenden Betrieb auf eigene Rechnung und Gefahr führt. Er hat den Erstmitbeteiligten an zwei Tagen mit Aufräumarbeiten in seinem Betrieb betraut. Am dritten Tag hat er ihn angewiesen, mit weiteren Dienstnehmern des Beschwerdeführers zu Fertigstellungs- und Aushubarbeiten zu seiner Baustelle zu fahren. Diese Aufträge hat der Beschwerdeführer ohne irgendwelche ausdrückliche Vorbehalte in Bezug auf die Entlohnung des Erstmitbeteiligten erteilt. Der Erstmitbeteiligte hat die ihm aufgetragenen Aufräumarbeiten durchgeführt und auch den Auftrag, zu Fertigstellungs- bzw. Aushubarbeiten auf die Baustelle zu fahren, befolgt. Bei dieser Sachlage ist ohne jeden Zweifel ein Arbeitsverhältnis des Erstmitbeteiligten als Dienstnehmer zum Beschwerdeführer als Dienstgeber zu Stande gekommen. Die belangte Behörde war bei dieser Sach- und Rechtslage nicht verhalten, weitere Überlegungen zu der Frage anzustellen, ob Hilfsarbeiter in einem Beschäftigungsverhältnis gemäß § 4 Abs. 2 ASVG stehen, da dies unter den gegebenen Umständen ohne Weiteres vorausgesetzt werden konnte (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 23. April 2003, 98/08/0270). Sie konnte darüber hinaus im Ergebnis davon ausgehen, dass der geschuldete, von einer Vereinbarung unabhängige Anspruchslohn jedenfalls die Geringfügigkeitsgrenze des § 5 Abs. 2 ASVG überstiegen hat.
Die Beschwerde erweist sich daher als unbegründet und war gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.
Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG i. V.m. der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. August 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2000080159.X00Im RIS seit
12.09.2003