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40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §38;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Waldner und die Hofräte Dr. Graf, Dr. Gall, Dr. Pallitsch und Dr. Schick als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Runge, über die Beschwerde des W in E, vertreten durch Dr. Helmut Fetz & Dr. Birgit Fetz, Rechtsanwälte in 8700 Leoben, Hauptplatz 11, gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Oktober 2001, Zl. 11 - 39 - 1574/01 - 2, betreffend Entziehung der Lenkberechtigung und Anordnung einer begleitenden Maßnahme, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem mündlich erlassenen Bescheid der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 1. August 2001 wurde dem Beschwerdeführer gemäß § 24 Abs. 1, § 25 und § 26 Abs. 1 Führerscheingesetz - FSG die Lenkberechtigung für die Klasse B für die Dauer von drei Monaten, gerechnet ab der Rechtskraft des Bescheides, entzogen. Gemäß § 26 Abs. 8 FSG wurde ihm die Absolvierung eines Einstellungs- und Verhaltenstrainings aufgetragen. In der Begründung dieses Bescheides führte die Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 1. August 2001 rechtskräftig bestraft worden, weil er am 17. Juni 2001 einen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand (Alkoholgehalt der Atemluft 0,74 mg/l) gelenkt habe. Bei einem derartigen Alkoholdelikt sei gemäß § 26 Abs. 1 FSG die Lenkberechtigung für die Dauer von mindestens drei Monaten zu entziehen und gemäß § 26 Abs. 8 FSG eine begleitende Maßnahme anzuordnen gewesen.
Dagegen erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er bestritt, rechtskräftig bestraft worden zu sein. Gegen das Straferkenntnis habe er Berufung erhoben. Weiters bestritt er, den Pkw auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt zu haben, weshalb die StVO 1960 nicht anzuwenden gewesen sei.
Diese Berufung wurde mit dem Bescheid des Landeshauptmannes von Steiermark vom 30. Oktober 2001 abgewiesen. In der Begründung führte die Behörde aus, die Privatstraße, auf der der Beschwerdeführer den Pkw gelenkt habe, sei zwar einem allgemeinen Fahrverbot unterlegen, davon sei aber die Zufahrt zur V. GmbH ausgenommen gewesen, sodass es sich um eine Straße mit öffentlichem Verkehr gehandelt habe. Der Beschwerdeführer habe somit eine Übertretung nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen. Bei einem derartigen Alkoholdelikt sei die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 1 Z. 3 FSG für die Dauer von mindestens drei Monaten zu entziehen gewesen.
Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende (am 31. Dezember 2001 eingelangte) Beschwerde.
Die belangte Behörde hat die Akten des Verwaltungsverfahrens vorgelegt und beantragt in ihrer Gegenschrift die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.
Der aus Anlass des vorliegenden Beschwerdeverfahrens vom Verwaltungsgerichtshof an den Verfassungsgerichtshof gerichtete Antrag vom 8. August 2002, Zl. A 2002/0032-1, § 26 Abs. 1 Z. 3 und § 26 Abs. 8 des Führerscheingesetzes (FSG), BGBl. I Nr. 120/1997 (§ 26 Abs. 1 Z. 3 FSG in der Fassung der Novelle BGBl. I Nr. 2/1998, § 26 Abs. 8 in der Fassung der 2. Führerscheingesetznovelle BGBl. I Nr. 94/1998) als verfassungswidrig aufzuheben und die dazu gestellten Eventualanträge wurden mit Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 14. März 2003, G 203/02 u.a., abgewiesen.
Die vom Beschwerdeführer gegen das Straferkenntnis der Bezirkshauptmannschaft Leoben vom 1. August 2001 erhobene Berufung wurde mit Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für die Steiermark vom 23. Juli 2002 abgewiesen und die Bestrafung des Beschwerdeführers wegen der am 17. Juni 2001 begangenen Übertretung gemäß § 5 Abs. 1 iVm § 99 Abs. 1a StVO 1960 (Alkoholgehalt der Atemluft 0,74 mg/l) bestätigt. Dieser Bescheid blieb unbekämpft.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Für den Beschwerdefall sind folgende Bestimmungen des Führerscheingesetzes - FSG (in der von der belangten Behörde anzuwendenden Fassung der Kundmachung BGBl. I Nr. 112/2001) maßgeblich:
"Allgemeine Voraussetzungen für die Erteilung einer Lenkberechtigung
§ 3. (1) Eine Lenkberechtigung darf nur Personen erteilt werden, die:
...
2. verkehrszuverlässig sind (§ 7),
...
Verkehrszuverlässigkeit
§ 7. (1) Als verkehrszuverlässig gilt eine Person, wenn nicht auf Grund erwiesener bestimmter Tatsachen (Abs. 3) und ihrer Wertung (Abs. 5) angenommen werden muss, dass sie wegen ihrer Sinnesart beim Lenken von Kraftfahrzeugen die Verkehrssicherheit gefährden wird, insbesondere durch rücksichtsloses Verhalten im Straßenverkehr, Trunkenheit oder einen durch Suchtgift oder durch Medikamente beeinträchtigten Zustand.
...
(3) Als bestimmte Tatsache im Sinne des Abs. 1 hat insbesondere zu gelten, wenn jemand:
1. ein Kraftfahrzeug gelenkt oder in Betrieb genommen und hiebei eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1 bis 1b StVO 1960 begangen hat, auch wenn die Tat nach § 83 Sicherheitspolizeigesetz - SPG, BGBl. Nr. 566/1991, zu beurteilen ist;
...
(5) Für die Wertung der in Abs. 3 beispielsweise angeführten Tatsachen sind deren Verwerflichkeit, die Gefährlichkeit der Verhältnisse, unter denen sie begangen wurden, die seither verstrichene Zeit und das Verhalten während dieser Zeit maßgebend.
...
5. Abschnitt
Entziehung, Einschränkung und Erlöschen der Lenkberechtigung
Allgemeines
§ 24. (1) Besitzern einer Lenkberechtigung, bei denen die Voraussetzungen für die Erteilung der Lenkberechtigung (§ 3 Abs. 1 Z 2 bis 4) nicht mehr gegeben sind, ist von der Behörde entsprechend den Erfordernissen der Verkehrssicherheit
1. die Lenkberechtigung zu entziehen oder
...
Dauer der Entziehung
§ 25. (1) Bei der Entziehung ist auch auszusprechen, für welchen Zeitraum die Lenkberechtigung entzogen wird. Dieser ist auf Grund der Ergebnisse des Ermittlungsverfahrens festzusetzen.
...
(3) Bei einer Entziehung wegen mangelnder Verkehrszuverlässigkeit (§ 7) ist eine Entziehungsdauer von mindestens drei Monaten festzusetzen. Wurden begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 angeordnet, so endet die Entziehungsdauer nicht vor Befolgung der Anordnung.
Sonderfälle der Entziehung
§ 26. (1) Wird beim Lenken eines Kraftfahrzeuges erstmalig eine Übertretung gemäß § 99 Abs. 1b StVO 1960 begangen, so ist, wenn es sich nicht um einen Lenker eines Kraftfahrzeuges der Klasse C oder D handelt, die Lenkberechtigung für die Dauer von vier Wochen zu entziehen. Wenn jedoch
1. auch eine der in § 7 Abs. 3 Z 3 bis 7 genannten Übertretungen vorliegt, oder
2. der Lenker bei Begehung dieser Übertretung einen Verkehrsunfall verschuldet hat, oder
3. der Alkoholgehalt des Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille), oder der Alkoholgehalt der Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l, beträgt,
so hat die Entziehungsdauer mindestens drei Monate zu betragen.
...
(8) Bei einer Entziehung nach Abs. 1 Z. 3 oder Abs. 2 hat die Behörde begleitende Maßnahmen gemäß § 24 Abs. 3 anzuordnen, bei einer Entziehung gemäß Abs. 2 zusätzlich die Beibringung eines von einem Amtsarzt erstellten Gutachtens über die gesundheitliche Eignung gemäß § 8.
...
§ 99 StVO 1960 lautet in der Fassung der Novelle BGBl. I
Nr. 134/1999 (auszugsweise):
"§ 99. (1) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 16 000 S bis 80 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zwei bis sechs Wochen, zu bestrafen,
a) wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,6 g/l (1,6 Promille) oder mehr oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,8 mg/l oder mehr beträgt,
b) wer sich bei Vorliegen der in § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, seine Atemluft auf Alkoholgehalt untersuchen oder sich vorführen zu lassen, oder sich bei Vorliegen der bezeichneten Voraussetzungen nicht der ärztlichen Untersuchung unterzieht,
c) (Verfassungsbestimmung) wer sich bei Vorliegen der im § 5 bezeichneten Voraussetzungen weigert, sich Blut abnehmen zu lassen.
(1a) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 12 000 S bis 60 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von zehn Tagen bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt, obwohl der Alkoholgehalt seines Blutes 1,2 g/l (1,2 Promille) oder mehr, aber weniger als 1,6 g/l (1,6 Promille) oder der Alkoholgehalt seiner Atemluft 0,6 mg/l oder mehr, aber weniger als 0,8 mg/l beträgt.
(1b) Eine Verwaltungsübertretung begeht und ist mit einer Geldstrafe von 8 000 S bis 50 000 S, im Fall ihrer Uneinbringlichkeit mit Arrest von einer bis sechs Wochen, zu bestrafen, wer in einem durch Alkohol oder Suchtgift beeinträchtigten Zustand ein Fahrzeug lenkt oder in Betrieb nimmt.
..."
Mit dem Beschwerdevorbringen, zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides sei kein rechtskräftiges Straferkenntnis vorgelegen, ist für den Beschwerdeführer nichts zu gewinnen, weil es für das Vorliegen einer bestimmten Tatsache gemäß § 7 Abs. 3 Z 1 FSG und die Anwendung des § 26 Abs. 1 leg. cit. auf die Begehung der dort genannten Übertretungen, nicht aber auf die rechtskräftige Bestrafung ankommt. Liegt keine rechtskräftige Bestrafung vor, kann die Kraftfahrbehörde die Frage, ob der Betreffende eine solche Übertretung begangen hat, selbständig als Vorfrage beurteilen.
Im Mittelpunkt der Beschwerdeausführungen steht das Vorbringen des Beschwerdeführers, er habe den Pkw nicht auf einer Straße mit öffentlichem Verkehr gelenkt. Es habe sich dabei um das Betriebsgelände der V. GmbH gehandelt.
Gemäß § 1 Abs. 1 StVO 1960 gilt dieses Bundesgesetz für Straßen mit öffentlichem Verkehr. Als solche gelten Straßen, die von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden können.
Eine Straße kann dann im Sinne dieser Gesetzesstelle benützt werden, wenn sie nach dem äußeren Anschein zur allgemeinen Benützung freisteht. Für die Widmung als Straße mit öffentlichem Verkehr ist ein Widmungsakt nicht erforderlich und es kommt auch nicht auf die Eigentumsverhältnisse am Straßengrund an (siehe dazu das hg. Erkenntnis vom 27. Februar 2002, Zl. 2001/03/0308, mwN). Ein abgeschranktes Werksgelände wird im Allgemeinen nicht als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen sein. Im vorliegenden Fall ist aber zu beachten, dass das Betriebsgelände der V. GmbH zur fraglichen Zeit aus Anlass einer Motorsportveranstaltung genützt wurde und von zahlreichen Fahrzeugen befahren und von Fußgängern betreten werden durfte. Es handelte sich daher bei jener Stelle, wo der Beschwerdeführer den Unfall verschuldet hatte, um eine Straße mit öffentlichem Verkehr im Sinne des § 1 Abs. 1 StVO 1960. Daran kann auch der Umstand nichts ändern, dass nach der im Akt liegenden Skizze vorher von den Besuchern eine Eintrittskarte gelöst werden musste bzw. eine Kontrolle stattfand, weil trotz dieser Umstände zur Tatzeit dieser Teil der Straße von jedermann unter den gleichen Bedingungen benützt werden konnte. Nur jener während des Rennens abgeschrankte Teil des Geländes, der als Rennstrecke diente, war in dieser Zeit nicht als Straße mit öffentlichem Verkehr anzusehen. Darauf kann der Beschwerdeführer aber sein Vorbringen nicht mit Erfolg stützen, weil er lange nach Beendigung des Rennens seinen Pkw in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand gelenkt hat und sich die Unfallstelle nach der im Akt befindlichen Tatortskizze in der Nähe der Einfahrt zum Betriebsgelände, also weit abseits der Rennstrecke, befunden hat.
Die belangte Behörde hat demnach im Ergebnis zu Recht angenommen, dass der Beschwerdeführer am 17. Juni 2001 durch das Lenken eines Pkws in einem durch Alkohol beeinträchtigten Zustand eine Übertretung nach § 99 Abs. 1a StVO 1960 begangen hat. Es kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden, wenn die belangte Behörde dem Beschwerdeführer die Lenkberechtigung gemäß § 26 Abs. 1 Z 3 FSG für die Dauer von drei Monaten entzogen hat. Im Hinblick auf die Unbedenklichkeit der Entziehung der Lenkberechtigung hegt der Verwaltungsgerichtshof auch keine Bedenken gegen die auf § 26 Abs. 8 FSG gestützte Anordnung einer Nachschulung. Dagegen bringt der Beschwerdeführer auch nichts Konkretes vor.
Aus den dargelegten Erwägungen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
Wien, am 13. August 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003110136.X00Im RIS seit
11.09.2003