TE Vwgh Beschluss 2003/8/29 AW 2003/09/0025

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Veröffentlicht am 29.08.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
40/01 Verwaltungsverfahren;
77 Kunst Kultur;

Norm

AVG §66 Abs4;
DMSG 1923 §1 Abs1;
DMSG 1923 §29 Abs1;
DMSG 1923 §4;
DMSG 1923 §5;
VwGG §30 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat über den Antrag der H Familienstiftung, vertreten durch Dr. L & Partner, Rechtsanwälte, der gegen den Bescheid der Bundesministerin für Bildung, Wissenschaft und Kultur vom 11. Juni 2003, Zl. 29.307/1-IV/3/2003, betreffend Parteistellung in einem Verfahren nach dem DMSG (mitbeteiligte Partei: Gemeinde St. G), erhobenen Beschwerde die aufschiebende Wirkung zuzuerkennen, den Beschluss gefasst:

Spruch

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG wird dem Antrag nicht stattgegeben.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen, vor dem Verwaltungsgerichtshof angefochtenen Bescheid der belangten Behörde vom 11. Juni 2003 wurde die Berufung der beschwerdeführenden Partei gegen den Bescheid des Bundesdenkmalsamtes vom 10. Februar 2003 gemäß § 66 Abs. 4 AVG in Verbindung mit § 29 Abs. 1 DMSG mangels Parteistellung der beschwerdeführenden Partei in dem nach § 5 DMSG durchgeführten Verfahren über den Antrag der mitbeteiligten Gemeinde auf Bewilligung der Errichtung einer Kanalanlage im Bereich des mit Bescheid des Bundesdenkmalamtes vom 6. April 1939 unter Denkmalschutz gestellten Schlosses E als unzulässig zurückgewiesen.

Die beschwerdeführende Partei hat ihre (zur hg. Zl. 2003/09/0110 protokollierte) Beschwerde mit dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung verbunden. Sie bringt dazu vor, ohne aufschiebende Wirkung der Beschwerde werde die Errichtung der Kanalanlage auf Grund des von ihr bekämpften rechtskräftigen Bewilligungsbescheides begonnen werden, wobei die Grundsubstanz der Schlossfundamente durch die hierzu notwendigen Schrämm-, Grabungs- bzw. Sprengungsarbeiten in nicht wiederherstellbarer Weise schädigen könnten, so dass ein unwiederbringlicher Schaden an dem unter Denkmalschutz stehenden Schlosse entstehen könne.

Die mitbeteiligte Partei erstattete eine Gegenäußerung, in der sie ein zwingendes öffentliches Interesse an der Herstellung eines Kanalanschlusses für die Abwässer der im Schloss situierten 21 Wohnungen darlegte.

Gemäß § 30 Abs. 2 VwGG hat der Verwaltungsgerichtshof auf Antrag des Beschwerdeführers die aufschiebende Wirkung mit Beschluss zuzuerkennen, insoweit dem nicht zwingende Interessen entgegenstehen und nach Abwägung aller berührten Interessen mit dem Vollzug oder mit der Ausübung der mit dem Bescheid eingeräumten Berechtigung durch einen Dritten für den Beschwerdeführer ein unverhältnismäßiger Nachteil verbunden wäre. Stehen der Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung zwingende Interessen entgegen, ist eine Abwägung der Interessen nicht mehr vorzunehmen.

Ohne darauf einzugehen, inwieweit der vorliegende verfahrensrechtliche Bescheid (betreffend die Parteistellung der beschwerdeführenden Partei in dem Verfahren nach § 5 DMSG) überhaupt einem Vollzug zugänglich sein kann, kann dem Antrag schon auf Grund des Vorliegens zwingender öffentlicher Interessen nicht stattgegeben werden.

Die mitbeteiligte Gemeinde führte zur Frage des Vorliegens zwingender öffentlicher Interessen nämlich aus, dass die denkmalgeschützte Schlossanlage E derzeit hauptsächlich durch Wohnungsvermietung genutzt werde. 21 Wohnungen mit zusammen rd. 1.570 m2 Wohnnutzfläche befänden sich in Schloss, Forsthaus und ehemaliger Brauerei. Der Abwasseranfall sei daher - auch wenn nicht alle Wohnungen als Hauptwohnsitz bewohnt werden - nicht bloß unerheblich. Kläranlagen und auch Kleinkläranlagen unterlägen seit der Wasserrechtsgesetznovelle 1959 der Bewilligungs- bzw. Anzeigepflicht. Senkgruben seien baubewilligungspflichtig. Dennoch sei beim Gemeindeamt St. G als örtlich zuständige Baubehörde

1. Instanz ein Senkgrubenbau bei den gegenständlichen Gebäuden nicht aktenkundig. Dies lasse den Schluss zu, dass Senkgruben und Kleinkläranlagen - soweit überhaupt vorhanden - mindestens 40 Jahre alt seien und daher schon längst nicht mehr dem Stand der Technik entsprächen. Das Schloss E sei mit Fahrzeugen nur über die Ortschaft E erreichbar. Es sei in den vergangenen Jahren kein einziger Fall bekannt, in dem Grubendienstfahrzeuge das Schloss E aufgesucht hätten, obwohl dies bei einem ordnungsgemäßen Senkgruben- oder Kläranlagenbetrieb mehrmals jährlich nötig gewesen wäre. Es würden Abwässer aber auch über frei auf dem Grundstück auslaufende Rohre abgeleitet. Im Verfahren über die Ausnahme von der Kanalanschlusspflicht habe der Amtssachverständige im Gutachten festgestellt, "dass ein Teil der Hausabwässer vom Wohntrakt hofseitig in einen Regenwasserkanal (senkrecht verlaufendes Abfallrohr von der Dachrinne) eingeleitet" würden. Diese Aussage sei - anders als die übrigen Teile des Gutachtens - seitens des Eigentümervertreters in keiner Phase des Verfahrens bestritten oder kommentiert worden. Die Abwassersituation hinsichtlich der 21 Wohnungen in der Schlossanlage liege offensichtlich im Argen, eine ordnungsgemäße Entsorgung entsprechend den gültigen Vorschriften sei dringend nötig. Für das Schloss, das Forsthaus und die ehemalige Brauerei bei der Schlossanlage E bestehe nach den rechtskräftigen Bescheiden vom 10. September 1996 Anschlusspflicht an die öffentliche Kanalisation. Die Bescheide seien mit Vorstellungsentscheidung der Oö. Landesregierung vom 20. März 1997 rechtskräftig geworden. Das Ansuchen der Eigentümerin um Ausnahme von der Anschlusspflicht sei abgelehnt worden. Diese Entscheidung sei von der Oö. Landesregierung als Vorstellungsbehörde bestätigt und eine diesbezügliche Beschwerde der Eigentümerin vom Verwaltungsgerichtshof abgewiesen worden. Auch ein von der Eigentümerin eingebrachter Antrag auf Wiederaufnahme des Verfahrens sei von der Vorstellungsbehörde als unbegründet abgewiesen worden.

Dieses Vorbringen erweist sich - im Rahmen des im Verfahren über die aufschiebende Wirkung einer Beschwerde einzuhaltenden Prüfungsmaßstabes - als stichhältig, weil damit ein zwingendes öffentliches Interesse an der Herstellung des Kanalanschlusses dargetan wird.

Die Unterschutzstellung eines Denkmals erfolgt zwar ebenfalls aus dem öffentlichen Interesse an der Erhaltung des Denkmals (§ 1 Abs. 1 des Denkmalschutzgesetzes). Veränderungen bedürfen daher stets der Bewilligung des Bundesdenkmalamtes (§§ 4 und 5), was das öffentliche Interesse an der möglichst unversehrten Erhaltung eines Denkmals zeigt. Dass eine Maßnahme aber nur bei Vorliegen öffentlicher Interessen bzw. in Übereinstimmung mit diesen getroffen werden kann, berechtigt allerdings allein noch nicht zur Annahme, dass eben diese (denkmalschützerischen) Interessen "zwingende" sind. Vielmehr fußen die von der beschwerdeführenden Partei geäußerten Befürchtungen lediglich auf Vermutungen, die keine nähere Spezifizierung erfahren. Abgesehen davon ist darauf hinzuweisen, dass der von der beschwerdeführenden Partei bekämpfte erstinstanzliche Bescheid nach Durchführung eines Verfahrens nach § 5 DMSG ausdrücklich eine Gefährdung des unter Denkmalschutz stehenden Gebäudes - wie die von der beschwerdeführenden Partei befürchtete - als nicht gegeben erkannte. Der Verwaltungsgerichtshof hat im Verfahren über die Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung aber weder die Rechtmäßigkeit des angefochtenen noch des - wie im Beschwerdefall vorliegend - des erstinstanzlichen Bescheides zu prüfen (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 17. Juni 1999, Zl. AW 99/03/0027).

Dem Antrag auf Zuerkennung der aufschiebenden Wirkung konnte daher nicht stattgegeben werden.

Wien, am 29. August 2003

Schlagworte

Besondere Rechtsgebiete Diverses Inhalt der Berufungsentscheidung Voraussetzungen der meritorischen Erledigung Zurückweisung (siehe auch §63 Abs1, 3 und 5 AVG) Vollzug Zwingende öffentliche Interessen

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:AW2003090025.A00

Im RIS seit

15.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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