TE Vwgh Erkenntnis 2003/8/29 2002/02/0304

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Veröffentlicht am 29.08.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
90/01 Straßenverkehrsordnung;
90/02 Kraftfahrgesetz;

Norm

KFG 1967 §103 Abs2;
StVO 1960 §52 lita Z10a;
VwGG §42 Abs2 Z3 litc;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Stoll und die Hofräte Dr. Holeschofsky und Dr. Bachler als Richter, im Beisein der Schriftführerin Mag. Schlegel, über die Beschwerde des B J in Wien, vertreten durch Dr. Wolfgang Zatlasch, Rechtsanwalt in 1060 Wien, Mariahilfer Straße 49/28, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Kärnten vom 7. Mai 2002, Zl. KUVS- 385/4/2002, betreffend Übertretung der Straßenverkehrsordnung 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufgehoben.

Das Land Kärnten hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20,-- binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der belangten Behörde vom 7. Mai 2002 wurde der Beschwerdeführer schuldig erkannt, er habe am 17. April 2001 um 12.45 Uhr als Lenker eines dem Kennzeichen nach näher bestimmten Kraftfahrzeuges auf der A 2 an einem näher bezeichneten Ort die Fahrgeschwindigkeit nicht den durch Straßenverkehrszeichen angekündigten Umständen angepasst, indem er die erlaubte Höchstgeschwindigkeit von 60 km/h laut Radarmessung abzüglich der Messfehlergrenze um 54 km/h überschritten habe.

Er habe eine Übertretung gemäß § 52 lit. a Z. 10a StVO begangen, es wurde eine Geldstrafe in der Höhe von EUR 290,-- (im Nichteinbringungsfall Ersatzfreiheitsstrafe von fünf Tagen) verhängt.

In der Begründung des angefochtenen Bescheides führte die belangte Behörde aus, der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 20. Juni 2001 im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 als Zulassungsbesitzer aufgefordert worden, binnen zwei Wochen ab Zustellung des Schreibens schriftlich mitzuteilen (Name und Anschrift der betreffenden Person), wer das auf den Beschwerdeführer zugelassene Fahrzeug am 17. April 2001 um

12.45 auf der A 2 an einem näher bezeichneten Ort gelenkt habe. Er habe schriftlich mitgeteilt, dass PK, geboren am ...1963, nähere Anschrift, Moskau, das Fahrzeug gelenkt habe.

Daraufhin sei der Beschwerdeführer mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 24. September 2001 aufgefordert worden, sich zu rechtfertigen und es sei ihm gleichzeitig angelastet worden, selbst die oben nähere umschriebene Übertretung der StVO begangen zu haben. Er habe sich dahingehend gerechtfertigt, dass nicht er, sondern PK (weitere Daten wie in der genannten Auskunft gemäß § 103 Abs. 2 KFG), gelenkt habe.

Der Beschwerdeführer sei mit Schreiben der Behörde erster Instanz vom 7. November 2001 aufgefordert worden, innerhalb von zwei Wochen ab Erhalt der Aufforderung nähere überprüfbare Umstände über die Existenz und den angeblichen Aufenthalt der namhaft gemachten Person zur Tatzeit in Österreich bzw. Wien und den konkreten Zeitpunkt und Ort der Fahrzeugübergabe an den Genannten bekannt zu geben. Es sei ihm alternativ die Möglichkeit eingeräumt worden, innerhalb der genannten Frist, auch eine notariell oder gerichtlich beglaubigte Erklärung des Lenkers vorzulegen, dass dieser zur Tatzeit das gegenständliche KFZ gelenkt habe.

Der Beschwerdeführer habe in seiner Gegenäußerung vom 26. November 2001 ausgeführt, es sei ihm eine Aufforderung zur Rechtfertigung vom 7. November 2001 übermittelt worden, ohne dass vorher überhaupt abgeklärt worden wäre, wer das Fahrzeug im Zeitpunkt der Beanstandung tatsächlich gelenkt habe. Die Aufforderung zur Rechtfertigung sei daher zu Unrecht erfolgt.

Da der Beschwerdeführer von der gebotenen Gelegenheit zur Untermauerung seiner Behauptung, eine ihm Ausland wohnhafte Person habe sein KFZ zum Vorfallszeitpunkt gelenkt, keinen Gebrauch gemacht habe, habe er nicht ausreichend am Verfahren mitgewirkt. Es sei davon auszugehen, dass er selbst die Übertretung als Lenker begangen habe.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Im Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 4. Juni 1991, Slg. Nr. 13451/A, führte der Verwaltungsgerichtshof unter Hinweis auf seine Vorjudikatur (zusammengefasst) aus, die Bezeichnung einer Person, die sich ständig oder überwiegend im Ausland aufhält und deren verwaltungsstrafrechtliche Verfolgung, aber auch deren Heranziehung zur Mitwirkung am administrativen Ermittlungsverfahren zumindest erheblich erschwert ist, als Lenker im Sinne des § 103 Abs. 2 KFG 1967 verpflichtet den Zulassungsbesitzer zu einer verstärkten Mitwirkung am Verwaltungs(straf)verfahren. Die Behörde kann dann, wenn ihr Versuch, mit der als Lenker bezeichneten Person in Kontakt zu treten, scheitert, den Zulassungsbesitzer dazu verhalten, zumindest die Existenz dieser Person und deren Aufenthalt in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt glaubhaft zu machen. In diesem Zusammenhang kann davon ausgegangen werden, dass ein Zulassungsbesitzer sein Kraftfahrzeug nur Personen zum Lenken überlässt, die er näher kennt. Die Behörde hat umgekehrt die Verpflichtung, von Amts wegen jene Ermittlungen über die Richtigkeit der Angaben des Zulassungsbesitzers anzustellen, die ihr ohne Schwierigkeiten möglich sind, wie etwa die Einholung von Meldeauskünften. Verweigert es der Zulassungsbesitzer grundlos, die Glaubhaftmachung im oben genannten Sinn zu versuchen, wird die Behörde in der Regel berechtigt sein, die Angabe eines im Ausland befindlichen Lenkers als unrichtig zu qualifizieren.

Das nach der Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes geforderte - so im zitierten hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates weiter - "in Verbindung treten" mit der als Lenker namhaft gemachten, im Ausland lebenden Person wird - sofern nicht ein Rechtshilfeabkommen eine andere Vorgangsweise gebietet - regelmäßig dadurch zu geschehen haben, dass die Behörde an die namhaft gemachte, im Ausland lebende Person ein Schreiben mit dem Ersuchen um schriftliche Stellungnahme richtet. Langt innerhalb angemessener Frist - aus welchen Gründen immer - eine Erklärung der betreffenden Person bei der Behörde nicht ein, so muss dieser Versuch als gescheitert angesehen werden und die Behörde hat dem Beschuldigten im Rahmen des Parteiengehörs Gelegenheit zu geben, entsprechend seiner erhöhten Mitwirkungspflicht den Entlastungsbeweis in anderer Weise - etwa in der Form, dass er selbst eine schriftliche Erklärung des Entlastungszeugen vorlegt oder, wenn es um die Lenkereigenschaft des Beschuldigten im Tatzeitraum geht, durch Glaubhaftmachung zumindest des Aufenthaltes dieser Person in Österreich zum fraglichen Zeitpunkt -

zu erbringen. Darüber hinaus treffen die Behörde die weiteren in der vorher zitierten hg. Rechtsprechung dargestellten Ermittlungspflichten, wobei eine gesetzliche Grundlage, die schriftliche Erklärung in gerichtlich oder notariell beglaubigter Form zu fordern, nicht besteht.

Im vorliegenden Fall unterließ es die belangte Behörde, den Versuch zu unternehmen, mit der vom Beschwerdeführer als Lenker (somit als Entlastungszeugen) genannten, angeblich in Russland (Moskau), mit welchem Staat ein entsprechendes Rechtshilfeabkommen nicht besteht, wohnhaften Person in der geschilderten Art in Verbindung zu treten. Da nicht ausgeschlossen werden kann, dass sie bei Vermeidung dieses Verfahrensverstoßes zu einem anderen Bescheid gekommen wäre, belastete sie damit den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften. Der angefochtene Bescheid war daher gemäß § 42 Abs. 2 Z. 3 lit. c VwGG aufzuheben.

Für das fortgesetzte Verfahren wird der Beschwerdeführer darauf hingewiesen, dass die Behörde nicht verpflichtet war, nur nach § 103 Abs. 2 KFG vorzugehen (vgl. das hg. Erkenntnis vom 25. März 1992, Zl. 91/02/0159).

Der Ausspruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Das Mehrbegehren hinsichtlich des Schriftsatzaufwandes war abzuweisen, weil neben dem - seit der genannten Verordnung in Höhe von EUR 991,20 - pauschalierten Ersatz des Schriftsatzaufwandes ein Kostenersatz unter dem Titel der Umsatzsteuer nicht zusteht.

Wien, am 29. August 2003

Schlagworte

"zu einem anderen Bescheid" Besondere Rechtsgebiete

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2002020304.X00

Im RIS seit

29.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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