TE Vfgh Beschluss 2000/6/13 G32/00

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Veröffentlicht am 13.06.2000
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Index

70 Schulen
70/07 Schule und Kirche

Norm

B-VG Art140 Abs1 / Individualantrag
ReligionsunterrichtsG
VfGG §62 Abs1

Leitsatz

Zurückweisung eines Antrags einer Religionsgesellschaft betreffend Benotung im Religionsunterricht mangels Erkennbarkeit der zur Aufhebung begehrten Normen; keine Umdeutung des Antrags im Wege der Auslegung möglich

Spruch

Der Antrag wird zurückgewiesen.

Begründung

Begründung:

I. In ihrem auf Art140 B-VG gestützten Antrag führen die antragstellenden Parteien aus:

Die "beschwerdeführende" Religionsgesellschaft sei eine anerkannte Religionsgesellschaft und daher eine Körperschaft öffentlichen Rechtes; zu ihren Rechten zähle deshalb die Erteilung des Religionsunterrichtes im gesamten Bundesgebiet. Die "Zweitbeschwerdeführerin" sei eine Schülerin, die der gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft "Griechisch-orientalische Kirche in Österreich, russisch orthodox" angehöre und den Religionsunterricht der "Erstbeschwerdeführerin" als Freigegenstand besuche. Die auf Grund der Leistungen der "Zweitbeschwerdeführerin" im Freigegenstand "Buddhistische Religion" erworbene Beurteilung mit der Note "Sehr gut" sei auf Grund des Erlasses des Stadtschulrates für Wien vom "20.1.2000 ER I: 220, ER II: 291 und ER III b: 260" in die Schulmitteilung des ersten Semesters nicht aufgenommen worden.

Weiters sei auf Grund eines Erlasses der Bundesministerin für Unterricht ("offenbar RS 37/1994 i.d.F. des Erl. Zl. 25321/1-III/4/95, RS Nr. 3/95") "gemäß Rundschreiben 5/2000 vom 14. Jänner 2000", den Schulbehörden aufgetragen worden, in ihrem Geltungsbereich wiederum Erlässe hinauszugeben, die vorsehen würden, daß konfessionslose Schüler am Religionsunterricht einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft (mit der Möglichkeit der späteren Ablegung der Reifeprüfung in diesem Fach) teilnehmen könnten, die Teilnahme eines einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehörigen Schülers am Religionsunterricht einer anderen Religionsgesellschaft aber "nicht vorgesehen" sei.

Sodann heißt es:

"Durch diese, den zitierten Erlässen zugrundeliegenden einfachgesetzlichen Normen, maßgeblich dem Religionsunterrichtsgesetz, werden die beiden Beschwerdeführer in ihren verfassungsmäßig gewährleisteten Rechten wie folgt verletzt:

Ein Schüler, der einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehört, kann im Sinne des erstzitierten Erlassteiles den Religionsunterricht einer anderen gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft nicht als Freigegenstand besuchen und in diesem Freigegenstand auch nicht die Reifeprüfung ablegen.

Im Sinne des zweiten Erlassteiles ist überhaupt der Besuch eines Schülers, der einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehört, am Religionsunterricht einer anderen gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft 'nicht vorgesehen'. Dies hat unter anderem zur Folge, dass der Besuch des Buddhistischen Religionsunterrichtes durch die Zweitbeschwerdeführerin nicht den schulaufsichtsbehördlichen Normen, insbesondere nicht der Unfallversicherung usw. unterliegt. Der Besuch des Buddh. Religionsunterrichtes stellt daher - auch laut Auskunft des Stadtschulrates - eine 'Freizeitbeschäftigung' dar.

Gemäß Art14 StGG ist die volle Glaubens- und Gewissensfreiheit jedermann zu gewährleisten. Darunter ist wohl auch zu verstehen, dass ein Schüler, der einer gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehört, den Religionsunterricht einer anderen Kirche oder Religionsgemeinschaft besuchen kann. Die Teilnahme an einem solchen Religionsunterricht ist für Schüler ohne religiöses Bekenntnis als Freigegenstand möglich, und ist diesen Schülern sogar die Ablegung der Reifeprüfung in einem solchen Freigegenstand eingeräumt.

Die Diskriminierung von Schülern die einer bestimmten gesetzlich anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft angehören ist daher auch gleichheitswidrig.

Es ist in den verfassungsrechtlichen Normen nirgendwo eindeutig geregelt, dass ein Normadressat ausschließlich einer einzigen anerkannten Kirche oder Religionsgesellschaft angehören darf.

Insoweit einfachgesetzliche Normen auf die Zugehörigkeit zu lediglich einer Religionsgesellschaft abstellt, sind diese Normen verfassungswidrig. Es muß jedem Normadressaten des Verfassungsrechtes gewährt sein, mehr als einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft anzugehören."

Abschließend werden die folgenden - gleichfalls wörtlich wiedergegebenen - Anträge gestellt:

"... der Verfassungsgerichtshof wolle entscheiden, dass

1.

Wir, Beschwerdeführer, in unserem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf öffentliche Religionsausübung dadurch verletzt sind, dass die Zugehörigkeit zu mehr als einer gesetzlich anerkannten Religionsgesellschaft in einfachgesetzlichen Normen, insbesondere im Religionsunterrichtsgesetz (BGBl Nr. 190/1949 i. d.g.F.) verneint, bzw. nicht vorgesehen ist.

2.

Die Erstbeschwerdeführerin in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf öffentliche Religionsausübung, maßgeblich auf Erteilung des Religionsunterrichtes, dadurch verletzt ist, dass es Schülern anderer anerkannter Kirchen und Religionsgemeinschaften nicht gestattet ist, den buddhistischen Religionsunterricht als Freigegenstand zu besuchen und in diesem Freigegenstand auch benotet zu werden sowie die Reifeprüfung in einem solchen Freigegenstand abzulegen.

3.

Die Zweitbeschwerdeführerin in ihrem verfassungsmäßig gewährleisteten Recht auf öffentliche Religionsausübung dadurch verletzt ist, dass es seitens der Schulbehörden nicht vorgesehen ist, dass sie den Religionsunterricht einer anderen anerkannten Kirche oder Religionsgemeinschaft besucht und in diesem anderen Religionsunterricht als Freigegenstand benotet wird bzw. in diesem anderen Religionsunterricht nicht die Reifeprüfung ablegen kann.

Weiters wolle der Verfassungsgerichtshof den Beschwerdeführern die Kosten dieses Verfahrens zusprechen."

II. (Individual-)Anträge nach Art140 Abs1 letzter Satz B-VG, die nicht begehren, das - nach Auffassung des Antragstellers verfassungswidrige - Gesetz seinem "ganzen Inhalte" nach oder in "bestimmte(n)" Stellen aufzuheben (§62 Abs1 erster Satz VerfGG), oder keine Darlegung der gegen die Verfassungsmäßigkeit der aufzuhebenden Norm sprechenden Bedenken (im einzelnen) enthalten (§62 Abs1 zweiter Satz VerfGG), sind nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofs nicht verbesserungsfähig und als unzulässig zurückzuweisen (vgl. etwa VfSlg. 13.710/1994, 14.827/1997).

Prozeßvoraussetzung eines Gesetzesprüfungsverfahrens nach Art140 Abs1 B-VG ist daher, daß im Antrag sowohl die bekämpften Stellen des Gesetzes genau und eindeutig bezeichnet als auch die Gründe der behaupteten Verfassungswidrigkeit - in überprüfbarer Artpräzise ausgebreitet werden (siehe zu all dem etwa VfSlg. 12.263/1990 mit Hinweisen auf Vorjudikatur).

Die oben (unter I.) wörtlich wiedergegebenen Stellen des Antrags - aber auch die sonstigen Ausführungen - lassen nicht erkennen, welche Bestimmungen "in einfachgesetzlichen Normen, insbesondere im Religionsunterrichtsgesetz (BGBl Nr. 190/1949 i. d.g.F.)" zur Aufhebung begehrt werden. Der Verfassungsgerichtshof ist aber nicht befugt, Gesetzesbestimmungen auf Grund bloßer Vermutungen darüber, welche Normen(teile) der Antragsteller ins Auge gefaßt haben könnte, in Prüfung zu nehmen (VfSlg. 8552/1979, 11.152/1986, 11.802/1988, 14.828/1997).

Auch eine wider die ausdrückliche Bezeichnung "Individualantrag gemäß §(gemeint: Artikel) 140 B-VG" vorgenommene Umdeutung des Antrags in einen Individualantrag auf Verordnungsprüfung gemäß Art139 Abs1 B-VG hinsichtlich der bezuggenommenen Erlässe des Stadtschulrates für Wien bzw. der Bundesministerin für Unterricht, würde (vorbehaltlich einer solchen Qualifikation der Rechtsakte) den Mangel der ausdrücklichen Bezeichnung bzw. Darlegung der konkreten Normbedenken bzw. den Mangel des gänzlichen Fehlens eines präzisierten Aufhebungsantrages nicht heilen. Dem Antrag haftet sohin schon aus diesem Grunde ein nicht im Sinne des §18 VerfGG verbesserungsfähiger Mangel an.

Der Antrag ist daher als unzulässig zurückzuweisen.

Dies kann gemäß §19 Abs3 Z2 lita VerfGG 1953 ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung beschlossen werden.

Schlagworte

Auslegung eines Antrages, VfGH / Formerfordernisse, VfGH / Bedenken, VfGH / Individualantrag

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VFGH:2000:G32.2000

Dokumentnummer

JFT_09999387_00G00032_00
Quelle: Verfassungsgerichtshof VfGH, http://www.vfgh.gv.at
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