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41 Innere AngelegenheitenNorm
B-VG Art144 Abs1 / AnlaßfallLeitsatz
Anlaßfallwirkung der Aufhebung einer Wortfolge in §28 Abs2 FremdenG 1997 mit E v 08.03.00, G1/00.Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Inneres) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit 29.500 S bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu ersetzen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid des Bundesministers für Inneres vom 15. April 1998 wurde (nach Aufhebung des im ersten Rechtsgang erlassenen Berufungsbescheides) der am 12. Juni 1995 eingebrachte (damals auf das AufenthaltsG gestützte) Antrag der durch ihren (über einen gültigen Aufenthaltstitel verfügenden) Vater vertretenen mj. Beschwerdeführerin (eine am 13. Februar 1995 in Wien geborene jugoslawische Staatsangehörige) auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung abgewiesen. Dies wurde - sinngemäß zusammengefaßt - damit begründet, daß eine Inlandsantragstellung gem. §14 Abs2 FremdenG 1997 nicht zulässig sei, da die Mutter der Beschwerdeführerin niemals über einen Aufenthaltstitel verfügte; die Beschwerdeführerin könne somit keinen Rechtsanspruch im Sinne des §28 Abs2 FremdenG 1997 ableiten.
2. Dieser Berufungsbescheid ist Gegenstand der vorliegenden Verfassungsgerichtshofbeschwerde, in welcher die Verletzung in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Achtung des Privat- und Familienlebens (Art8 EMRK) und auf Gleichbehandlung von Fremden untereinander (BVG BGBl. 390/1973) geltend gemacht sowie die Prüfung der Verfassungsmäßigkeit des §28 Abs2 FremdenG 1997 angeregt wird.
3. Der Bundesminister für Inneres hat als belangte Behörde die Verwaltungsakten vorgelegt, von der Erstattung einer Gegenschrift jedoch Abstand genommen.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Aus Anlaß der Beschwerde B1017/98 leitete der Verfassungsgerichtshof nach Art140 Abs1 B-VG von Amts wegen ein Verfahren zur Prüfung der Verfassungsmäßigkeit der in §28 Abs2 FremdenG 1997, BGBl. I 75, enthaltenen Wortfolge ", sofern die Mutter über einen Aufenthaltstitel verfügt oder Sichtvermerks- und Niederlassungsfreiheit genießt; dies gilt jedoch nur, solange das Aufenthaltsrecht der Mutter weiterhin besteht" ein und hob sie mit Erkenntnis vom 8. März 2000, G1/00, als verfassungswidrig auf.
2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
3. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren (G1/00) fand am 8. März 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde langte beim Verfassungsgerichtshof am 13. Mai 1998 ein, war also zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
4. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles nicht von vornherein ausgeschlossen, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
III. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG; vom zugesprochenen Kostenbetrag entfallen 4.500 S auf die Umsatzsteuer und 2.500 S auf die entrichtete Pauschalgebühr.
IV. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
Schlagworte
VfGH / AnlaßfallEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B922.1998Dokumentnummer
JFT_09999387_98B00922_00