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10/01 Bundes-Verfassungsgesetz (B-VG);Norm
AVG §19 Abs3;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des PB in B, Bundesrepublik Deutschland, vertreten durch Dr. Thomas Praxmarer, Rechtsanwalt in 6010 Innsbruck, Bürgerstraße 19/1, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates für Tirol vom 22. Februar 2001, Zl. uvs-2000/4/064-2, betreffend Übertretung des Güterbeförderungsgesetzes 1995, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird hinsichtlich des Schuldspruches als unbegründet abgewiesen. Im Übrigen, also hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die diesbezüglichen Kosten des Berufungsverfahrens, wird der angefochtene Bescheid wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
1. Mit dem angefochtenen im Instanzenzug ergangenen Bescheid wurde dem Beschwerdeführer zur Last gelegt, er habe als Lenker eines nach den Kennzeichen bestimmten Sattelkraftfahrzeuges am 13. Jänner 2000 von Italien kommend eine ökopunktepflichtige Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich nach Deutschland durchgeführt und dabei weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt mitgeführt, wie anlässlich einer Kontrolle durch Bedienstete des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, Verkehrsabteilung, Außenstelle Schönberg, am 13. Jänner 2000 um 16.05 Uhr an der Hauptmautstelle Schönberg i.St. bei Autobahnkilometer 10,8 im Gemeindegebiet von Schönberg i.St. festgestellt worden sei. Durch das elektronische Abbuchungsgerät Ecotag sei keine Abbuchung von Ökopunkten erfolgt, weil der im Lkw angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt gewesen sei. Der Beschwerdeführer habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 iVm Art. 1 Abs. 1 lit. a und Art. 2 Abs. 1 "EG-VO Nr. 3298/94 i.d.F. der EG-VO Nr. 1524/96" begangen. Über ihn wurde gemäß § 23 Abs. 1 iVm § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 eine Geldstrafe in der Höhe von
S 20.000,-- (im Uneinbringlichkeitsfall eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt.
In der Begründung wurde im Wesentlichen Folgendes ausgeführt:
Bei der öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung sei der Beschwerdeführer trotz ausgewiesener Ladung nicht erschienen. Auf Grund des durchgeführten Beweisverfahrens stehe der aus dem Spruch ersichtliche Sachverhalt als erwiesen fest. In der Anzeige des Landesgendarmeriekommandos für Tirol werde unter anderem ausgeführt, dass der im Fahrzeug angebrachte Umweltdatenträger, der eine automatische Abbuchung von Ökopunkte ermögliche, für die Durchreise durch Österreich unberechtigt auf ökopunktbefreite Fahrt gestellt gewesen wäre, wodurch keine Ökopunkte abgebucht worden wären. Weiters sei der Anzeige u.a. zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer angehalten und hinsichtlich der korrekten Abbuchung der Ökopunkte kontrolliert worden wäre. Die Überprüfung des Umweltdatenträgers wäre "mit einer der Dienststelle zugewiesenen Enforcementstation erfolgt". Eine nachträgliche manuelle Abbuchung der Ökopunkte wäre vom kontrollierenden Beamten vorgenommen und eine Bestätigung an den Beschwerdeführer ausgefolgt worden. Die Angaben, dass Ökopunkte nicht korrekt abgebucht worden wären, seien durch den "Ausdruck der Enforcementstation objektiviert". Diesem Kontrollzertifikat, das am 13. Jänner 2000 um 16.05 Uhr erstellt worden sei, sei zu entnehmen, dass der Beschwerdeführer beim Einfahren über den Brennerpass am 13. Jänner 2000 um 15.23 Uhr eine ökopunktebefreite Fahrt deklariert gehabt habe. Da das Ecotag-Gerät bei der Einreise objektivierbar und jeden Zweifel ausschließend auf ökopunktebefreite Fahrt eingestellt gewesen sei, seien tatsächlich keine Ökopunkte abgebucht worden. Für irgendein technisches Gebrechen an diesem Gerät "zur Zeit der Vornahme dieser Fahrt" habe sich kein Hinweis ergeben.
1.2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende, Rechtswidrigkeit des Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend machende Beschwerde mit dem Begehren, ihn aufzuheben.
1.3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
2. Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
2.1. Entgegen der Beschwerde sind beim Verwaltungsgerichtshof aus den Erwägungen in seinem Erkenntnis vom 29. Jänner 2003, Zl. 2001/03/0194, keine Bedenken dahin entstanden, dass § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 als Blankettstrafnorm, die zudem eine dynamische Verweisung beinhalte, wegen mangelnder Bestimmtheit gegen das in Art. 18 Abs. 1 B-VG normierte Legalitätsprinzip sowie gegen Art. 7 Abs. 1 EMRK verstoße. Auf diese Entscheidung wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen. Damit erweist sich auch das Vorbringen des Beschwerdeführers, angesichts der Unbestimmtheit des § 23 Abs. 1 Z. 8 des Güterbeförderungsgesetzes 1995 hätte die belangte Behörde nach § 1 VStG der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Erstbescheid stattzugeben gehabt, als nicht zielführend.
2.2. Gemäß § 51e Abs. 1 VStG hat der unabhängige Verwaltungssenat eine öffentliche mündliche Verhandlung durchzuführen. Gemäß § 51f Abs. 2 VStG hindert dann, wenn eine Partei trotz ordnungsgemäßer Ladung nicht erschienen ist, dies weder die Durchführung der Verhandlung noch die Fällung des Erkenntnisses. Nach dem auch im Verwaltungsstrafverfahren (vgl. § 24 VStG) anzuwendenden § 19 Abs. 3 AVG hat, wer nicht durch Krankheit, Gebrechlichkeit oder sonstige begründete Hindernisse vom Erscheinen abgehalten ist, die Verpflichtung, der Ladung Folge zu leisten und kann zur Erfüllung dieser Pflicht durch Zwangsstrafen verhalten oder vorgeführt werden. Das Vorliegen eines der im § 19 Abs. 3 AVG genannten Gründe rechtfertigt das Nichterscheinen des Geladenen. Liegt ein solcher Rechtfertigungsgrund vor, kann in Bezug auf die behördliche Ladung nicht von einer "ordnungsgemäßen Ladung", die gemäß § 51f Abs. 2 VStG zur Durchführung der Verhandlung auch in Abwesenheit der Partei berechtigt, gesprochen werden. Das Vorliegen des geltend gemachten Rechtfertigungsgrundes ist von der Behörde von Amts wegen zu erforschen (vgl. etwa nochmals das Erkenntnis Zl. 2001/03/0194). Nach den vorgelegten Verwaltungsstrafakten hat die belangte Behörde dem Beschwerdeführer mit Ladungsbescheid vom 9. Jänner 2001 zur öffentlichen mündlichen Berufungsverhandlung am 22. Februar 2001 geladen. Dieser Bescheid wurde den Rechtsvertretern des Beschwerdeführers am 11. Jänner 2001 ordnungsgemäß zugestellt. Entgegen der Beschwerde findet sich in den vorgelegten Verwaltungsakten kein Anhaltspunkt dafür, dass sich der Beschwerdeführer durch seinen Rechtsvertreter noch vor dem Verhandlungstermin um eine Vertagung der Verhandlung bemühte, weil er zum Zeitpunkt der Verhandlung einen "fix gebuchten und mit dem Dienstgeber abgestimmten Urlaub" konsumieren würde. Bei der mündlichen Verhandlung wurde nach Ausweis der vorgelegten Verwaltungsakten von der anwesenden Rechtsvertreterin lediglich festgehalten, dass sich der Beschwerdeführer "auf Urlaub" befinde. Eine urlaubsbedingte Verhinderung vermag nur dann ein begründetes Hindernis im Sinne des § 19 Abs. 3 AVG darzustellen, wenn sie nicht etwa durch zumutbare Dispositionen hätte beseitigt werden können. Dass diese Voraussetzung hier zuträfe, wurde nach der Aktenlage im Verwaltungsstrafverfahren vom Beschwerdeführer nicht einmal behauptet. Wenn der Beschwerdeführer aber von der ihm durch die ordnungsgemäße Ladung zur Verhandlung gebotenen Gelegenheit zur Kenntnisnahme der Beweisergebnisse und Stellungnahme dazu durch sein Nichterscheinen keinen Gebrauch gemacht hat, fällt dies nicht der Behörde zur Last (vgl. wiederum das Erkenntnis Zl. 2001/03/0194). Von daher geht das Vorbringen des Beschwerdeführers fehl, angesichts der rechtswidrigen Durchführung einer Verhandlung vor der belangten Behörde in seiner Abwesenheit und der darauf folgenden Erlassung des angefochtenen Bescheides seien seine in § 51g Abs. 2 und 4 VStG normierten Parteirechte - insbesondere im Hinblick auf § 51i leg. cit. - in unzulässiger Weise beschnitten worden. Gleiches gilt für sein auf §§ 43 Abs. 4 und 45 Abs. 3 AVG (iVm § 24 VStG) bezogenes Vorbringen.
2.3. Schließlich ist auch die Verfahrensrüge, die belangte Behörde habe unzulässigerweise die Vernehmung der Dienstgeberin des Beschwerdeführers als Zeugin, "insbesondere um einen Entlastungsbeweis zur inneren Tatseite ... zu führen" unterlassen, nicht zielführend. Dies schon deshalb, weil aus dem weiteren Vorbringen, dass die Dienstgeberin über ausreichende Ökopunkte für das Jahr 2000 verfügte habe, sodass es überhaupt kein Motiv für ihn hätte geben können, die vorliegende Übertretung zu setzen, nicht zwingend der Schluss gezogen werden kann, dass er diese Übertretung nicht dennoch (aus welchem Motiv auch immer) begangen hat, und es dem behaupteten Verfahrensmangel daher an der Relevanz (vgl. § 42 Abs. 2 Z. 3 VwGG) mangelt.
2.4. In seinem Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/01, hat der Verfassungsgerichtshof ausgesprochen, dass die Wortfolge "und Z 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des Güterbeförderungsgesetzes 1995, BGBl. Nr. 593, idF BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Im genannten Erkenntnis, kundgemacht im Bundesgesetzblatt am 8. Februar 2002 unter BGBl. I Nr. 37, hat der Verfassungsgerichtshof ferner - gestützt auf Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG - Folgendes ausgesprochen:
"(2) Die verfassungswidrige Bestimmung ist insofern nicht mehr anzuwenden, als sie sich auf die Z 8 bezieht."
Da der zuletzt genannte Ausspruch des Verfassungsgerichtshofes die Anwendung der als verfassungswidrig festgestellten gesetzlichen Bestimmung auch im vorliegenden Beschwerdefall ausschließt (vgl. hiezu das hg. Erkenntnis eines verstärkten Senates vom 17. Dezember 1979, Slg. Nr. 9994/A), erweist sich der Ausspruch über die im Beschwerdefall gemäß § 23 Abs. 2 zweiter Satz des Güterbeförderungsgesetzes 1995 verhängte Mindeststrafe von S 20.000,-- als inhaltlich rechtswidrig.
2.5. Von daher war der angefochtene Bescheid in dem im Spruch genannten Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben, im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
2.6. Der Ausspruch über den Kostenersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030160.X00Im RIS seit
29.09.2003