TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/3 2001/03/0156

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Veröffentlicht am 03.09.2003
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Index

E000 EU- Recht allgemein;
E3R E07204030;
40/01 Verwaltungsverfahren;
50/03 Personenbeförderung Güterbeförderung;

Norm

31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 lita;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art1 Abs1 litb;
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art2 Abs2;
EURallg;
GütbefG 1995 §23 Abs1 Z8 idF 1998/I/017;
VStG §44a Z1;
VStG §44a;
VStG §5 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des RW in D, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates in Tirol vom 7. März 2001, Zl. uvs-2000/3/045- 2, betreffend Übertretung gemäß GütbefG, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe

"als Lenker des LKW-Zuges mit den Kennzeichen ... am 14.10.1998 in der Zeit von ca. 14.45 Uhr bis 15.10 Uhr eine Transitfahrt durch das Gebiet der Republik Österreich auf der Strecke vom Kontrollposten Autobahngrenzübergang Brenner über die Brennerautobahn A 13 bis zur Hauptmautstelle Schönberg bei Autobahnkilometer 10,8 im Gemeindegebiet von Schönberg, in der Absicht, die Fahrt nach Deutschland fortzusetzen, durchgeführt und dabei kein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine ordnungsgemäß ausgefüllte österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt (genannt Ökokarte) oder ein im Kraftfahrzeug ordnungsgemäß eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht (genannt Ecotag) mitgeführt und auf Verlangen der Kontrollorgane des Landesgendarmeriekommandos für Tirol, VAASt-Schönberg i.St. am 14.10.1998 um 15.10 Uhr an der Hauptmautstelle Schönberg bei Autobahnkilometer 10,8 im Gemeindegebiet von Schönberg zur Prüfung vorgelegt. Durch das elektronische Abbuchungsgerät ECO-TAG erfolgte keine Abbuchung von Öko-Punkten, weil der im LKW angebrachte Umweltdatenträger für die Durchreise durch Österreich unberechtigterweise auf ökopunktebefreite Fahrt gestellt war."

Er habe dadurch eine Verwaltungsübertretung nach § 23 Abs. 1 Z. 8 GütbefG i.V.m. Art. 1 Abs. 1 lit. a, b und Art. 2 Abs. 2 Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 begangen. Gemäß § 23 Abs. 1 Einleitungssatz i.V.m. § 23 Abs. 2 zweiter Satz GütbefG wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (im Falle der Uneinbringlichkeit der Geldstrafe eine Ersatzfreiheitsstrafe in der Dauer von fünf Tagen) verhängt.

Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer gemäß § 5 Abs. 2 zweiter Satz VStG glaubhaft machen müsse, dass ihn an der Verletzung der Verwaltungsvorschrift kein Verschulden treffe. Im vorliegenden Fall hätte sich der Beschwerdeführer, nachdem sich der Ecotag (von der Windschutzscheibe) gelöst habe, versichern müssen, dass der Ecotag richtig eingestellt sei. Mit Hilfe der Drucktaste an der Frontseite des Ecotag werde die Deklaration einer Fahrt durchgeführt, wobei die eingestellte Deklaration durch das kurze Betätigen der Drucktaste und eine daraufhin blinkende Signallampe (rot oder grün) überprüft werden könne, wobei die grüne Signallampe ökopunktebefreite Fahrt und die rote Signallampe ökopunktepflichtige Fahrt bedeute. Durch das Betätigen der Drucktaste für länger als drei Sekunden werde die aktuelle Deklaration des Ecotag geändert. Dass dies durch ein bloßes unabsichtliches Berühren erfolgt sein könne, widerspreche den Erfahrungen des täglichen Lebens. Der Beschwerdeführer wäre gerade auf Grund dieser erwähnten Umstände verpflichtet gewesen, die Einstellung des Ecotags bei der Einreise nach Österreich zu überprüfen. Dadurch, dass er dies unterlassen habe, liege Fahrlässigkeit vor.

In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht. Von der belangten Behörde wurden die Verwaltungsakten vorgelegt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.

Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).

Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs

"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:

a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder

b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder

c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder

d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...

Der Beschwerdeführer rügt, dass die belangte Behörde ohne weiteres angenommen habe, die subjektive Tatseite sei erfüllt. Der Beschwerdeführer sei im vorliegenden Fall davon ausgegangen, dass der Ecotag ordnungsgemäß funktioniere. Nach seinem Wissensstand sei der Ecotag auch auf ökopunktepflichtige Fahrt gestellt gewesen. Warum bei der Überprüfung durch die Meldungsleger als Deklaration ökopunktebefreite Fahrt aufgeschienen sei, sei dem Beschwerdeführer nicht erklärlich. Er gehe davon aus, dass er möglicherweise beim behelfsmäßigen Aufkleben des Ecotag versehentlich die Deklaration verändert habe. Es sei allerdings auch möglich, dass die falsche Deklaration auf die für ihn nicht erkennbare Fehlerhaftigkeit des Ecotag selbst zurückzuführen sei. Die Nichtabbuchung der Ökopunkte sei für den Beschwerdeführer nicht erkennbar gewesen. Dies umso mehr, da er erstmals mit dem gegenständlichen LKW gefahren sei. Dem Beschwerdeführer falle sohin kein Verschulden in der vorliegenden Verwaltungsübertretung zur Last.

Dem ist entgegenzuhalten, dass nicht davon gesprochen werden kann, die belangte Behörde habe "ohne weiteres" das Verschulden des Beschwerdeführers an der verfahrensgegenständlichen Verwaltungsübertretung angenommen. Die belangte Behörde hat vielmehr zur subjektiven Tatseite zutreffend die Ansicht vertreten, der Beschwerdeführer hätte sich, nachdem sich der Ecotag aus der Halterung gelöst habe, versichern müssen, dass er richtig eingestellt gewesen sei (es wurde in der Folge - wie bereits eingangs wiedergegeben - die Art der Kontrolle durch Betätigen der auf dem Ecotag befindlichen Drucktaste näher dargestellt). Dass eine Änderung der eingestellten Deklaration (bei der man länger als drei Sekunden die Drucktaste des Ecotags betätigen muss) durch ein bloßes unabsichtliches Berühren des Ecotags erfolgt sein könne, widerspreche nach Ansicht der belangten Behörde den Erfahrungen des täglichen Lebens. Dadurch, dass er eine neuerliche Kontrolle der Einstellung des Ecotags unterlassen habe, liege - so führte die belangte Behörde weiter aus - Fahrlässigkeit vor.

Indem der Beschwerdeführer nach Aufkleben des Gerätes, das sich aus der Halterung gelöst hatte, was sich nach seinem eigenen Vorbringen in der Beschwerde vor seiner Einreise ereignet hat, die Einstellung des Gerätes nicht überprüft hat, sondern sich allein darauf beruft, dass nach seinem Wissensstand der Ecotag auf ökopunktepflichtige Fahrt gestellt gewesen sei, hat er auch nach Auffassung des Verwaltungsgerichtshofes die objektiv gebotene und subjektiv mögliche Sorgfalt außer Acht gelassen (vgl. u.a. das hg. Erkenntnis vom 30. November 1978, VwSlg. Nr. 9710/1978). Nach dem eigenen Vorbringen des Beschwerdeführers in der Beschwerde hat die von ihm behauptete allfällige Berührung des Gerätes allenfalls im Zuge des Aufklebens des Gerätes stattgefunden. Der Beschwerdeführer behauptet daher nicht, dass eine nach der Einreise vorgekommene Berührung des Gerätes vorgelegen sein könnte. Nach dem Aufkleben des Gerätes hätte er in jedem Falle die Funktionsfähigkeit des Gerätes und auch die konkrete Einstellung dieses Gerätes nachprüfen müssen. Die belangte Behörde ist daher zutreffend von fahrlässigem Handeln des Beschwerdeführers ausgegangen.

Weiters meint der Beschwerdeführer, der angefochtene Bescheid widerspreche insofern dem Konkretisierungsgebot des § 44a VStG, weil die Angabe des Kontrollzeitpunktes als Angabe für die Tatzeit nicht ausreichend sei. In diesem Zusammenhang ist er auf die hg. Judikatur zu verweisen (vgl. das Erkenntnis vom 16. Oktober 2002, Zl. 2002/03/0026), nach der bei einer Verwaltungsübertretung wie der vorliegenden die Tatzeit der fraglichen Transitfahrt gemäß § 44a VStG mit der Angabe des Zeitpunktes der Kontrolle ausreichend konkretisiert wird.

Der Beschwerdeführer rügt auch die Begründung des Bescheides, da der angefochtene Bescheid keine Feststellung darüber enthalte, ob der Beschwerdeführer von Seiten seines Dienstgebers die Mitteilung erhalten hätte, dass der Ecotag ständig überprüft und für in Ordnung befunden worden sei, ob der Beschwerdeführer erstmals bei der vorliegenden Fahrt den LKW benützt habe und es für ihn völlig überraschend gewesen sei, dass sich der Ecotag kurze Zeit vor dem Grenzübertritt gelöst habe und ob und inwieweit dem Beschwerdeführer eine Veränderung der Deklaration durch ein versehentliches Berühren der Drucktaste erkennbar bzw. erkennbar sein hätte müssen.

Auch dieser Ansicht des Beschwerdeführers kann nicht gefolgt werden. Wie bereits dargelegt, ist die belangte Behörde zutreffend davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer den Ecotag nach dem Aufkleben an der Fensterscheibe vor der Einreise in das österreichische Bundesgebiet auf seine noch immer gegebene Funktionsfähigkeit und seine konkrete Einstellung hätte kontrollieren müssen. Eine derartige neuerliche Kontrolle hat der Beschwerdeführer unbestritten nicht vorgenommen. Die Feststellungen, die der Beschwerdeführer für erforderlich erachtet, waren im Hinblick darauf für die Frage der Beurteilung des Verschuldens des Beschwerdeführers im vorliegenden Fall nicht mehr maßgeblich. Die belangte Behörde hat im Übrigen begründet, warum durch ein flüchtiges Berühren der Drucktaste eine Änderung der Einstellung nicht hätte herbeigeführt werden können. Dieses flüchtige Berühren konnte weiters nach den eigenen Ausführungen des Beschwerdeführers im Rahmen des Aufklebens des Gerätes an der Fensterscheibe vor der Einreise passiert sein. Nach diesem Aufkleben des Gerätes hätte - wie gleichfalls bereits dargelegt - jedenfalls die Funktionsfähigkeit und die konkrete Einstellung des Ecotag überprüft werden müssen.

Weiters macht der Beschwerdeführer geltend, dass er zu den vor Fahrtantritt von ihm angestellten Erkundigungen einen konkreten Beweisantrag gestellt habe, dem die belangte Behörde nicht nachgekommen sei. Sie habe auch nicht begründet, warum sie die beantragte Einvernahme nicht für notwendig erachtet habe.

Dem genügt es entgegenzuhalten, dass es im vorliegenden Fall - wie bereits dargelegt - auf die vom Beschwerdeführer angestellten Erkundigungen vor Fahrtantritt im Hinblick darauf, dass sich vor der Einreise in das österreichische Bundesgebiet der Ecotag aus der Halterung gelöst hatte, nicht angekommen ist. Der angeführte Beweisantrag hat somit kein relevantes Beweisthema betroffen.

Die Beschwerde erweist sich somit im Hinblick auf die Tatbildmäßigkeit der vorliegenden Verwaltungsübertretung und das von der belangten Behörde angenommene Verschulden des Beschwerdeführers als rechtmäßig.

Im Übrigen liegt jedoch eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/2001 u. a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf Z. 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung somit nicht mehr anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/03/0089) und es ist eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen.

Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003

Schlagworte

"Die als erwiesen angenommene Tat" Begriff Tatzeit Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001030156.X00

Im RIS seit

30.09.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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