TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/3 2000/03/0232

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Veröffentlicht am 03.09.2003
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Index

001 Verwaltungsrecht allgemein;
90/01 Straßenverkehrsordnung;

Norm

StVO 1960 §45 Abs4 idF 1994/518;
StVONov 19te;
VwRallg;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall, Dr. Bernegger, Dr. Riedinger und Dr. Handstanger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des JF in G, vertreten durch Dr. Willibald Rath, Dr. Manfred Rath, Mag. Gerhard Stingl und Mag. Georg Dieter, Rechtsanwälte in 8020 Graz, Friedhofgasse 20, gegen den Bescheid der Berufungskommission der Landeshauptstadt Graz vom 5. Juni 2000, Zl. A 17 -717/2000 - 1, betreffend Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer ist schuldig, der Landeshauptstadt Graz Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Antrag des Beschwerdeführers vom 22. März 2000 auf Erteilung einer Ausnahmebewilligung gemäß § 45 Abs. 4 StVO 1960 abgewiesen. Dieser Bescheid wurde im Wesentlichen damit begründet, dass der Beschwerdeführer weder Zulassungsbesitzer noch Leasingnehmer des verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuges sei bzw. auch keinen Nachweis der Überlassung eines Kraftfahrzeuges im Sinne des § 45 Abs. 4 Z. 2 leg. cit. geführt habe. Er sei lediglich Mieter des Autos. Der Gesetzgeber habe aber angeordnet, dass (nur) Leasingnehmern eines Kraftfahrzeuges, nicht aber Mietern eines solchen eine Ausnahmebewilligung erteilt werden dürfe. Selbst der Beschwerdeführer gestehe zu, dass nicht von einer völligen Identität der Begriffe Miete und Leasing ausgegangen werden könne. Nachdem im Beschwerdefall eben kein Leasing-, sondern ein Mietvertrag vorliege, seien die gesetzlichen Voraussetzungen für die Erteilung der beantragten Ausnahmebewilligung nicht vollständig gegeben.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde, mit der Rechtswidrigkeit des Inhaltes geltend gemacht und die kostenpflichtige Aufhebung des Bescheides beantragt wird.

Die belangte Behörde legte die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie den Antrag auf kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde stellt.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß § 43 Abs. 2a Z. 1 Straßenverkehrsordnung 1960 in der Fassung der 19. StVO-Novelle, BGBl. Nr. 518/1994 (StVO 1960), kann die Behörde durch Verordnung Gebiete bestimmen, deren Bewohner die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung für ein zeitlich uneingeschränktes Parken in - in der Verordnung zu bezeichnenden - nahe gelegenen Kurzparkzonen mit Kraftwagen mit einem höchsten zulässigen Gesamtgewicht von nicht mehr als 3.500 kg gemäß § 45 Abs. 4 beantragen können, um Erschwernisse für die Wohnbevölkerung auszugleichen, die durch Verkehrsbeschränkungen hervorgerufen werden.

Gemäß § 45 Abs. 4 leg. cit. kann eine Bewilligung für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a Z 1 angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens zwei Jahren erteilt werden, wenn der Antragsteller in dem gemäß dieser Verordnung umschriebenen Gebiet wohnt und dort auch den Mittelpunkt seiner Lebensinteressen hat und ein persönliches Interesse nachweist, in der Nähe dieses Wohnsitzes zu parken und

1. Zulassungsbesitzer oder Leasingnehmer eines Kraftwagens ist, oder

2. nachweist, dass ihm ein arbeitgebereigener Kraftwagen auch zur Privatnutzung überlassen wird.

Der Beschwerdeführer bringt vor, es handle sich bei dem in § 45 Abs. 4 StVO 1960 enthaltenen Begriff "Leasing" um einen mehrdeutigen Begriff. Allgemein sei davon auszugehen, dass "Leasing" eine "schuldrechtlich begründete, zeitliche Gebrauchsüberlassung von Sachgütern gegen Entgelt" darstelle. Diese Definition decke sich mit dem Begriff der Miete. Bei einem Leasingvertrag handle es sich um einen Mietvertrag im Sinne des ABGB, wenn auch Leasing mehrere Vertragstypen umfasse, die je nach ihrer Konstruktion verstärkt Elemente der zeitlich begrenzten entgeltlichen Gebrauchsüberlassung oder verstärkt Elemente des Eigentumserwerbs enthielten. Beiden Varianten sei zu Eigen, dass Sachbesitz und Innehabung beim Leasingnehmer bzw. Mieter liegen würden und dass in keinem Fall sofortiger Eigentumserwerb durch den Leasingnehmer stattfinde. Der zweitgenannte Fall komme eher dem Ratenkauf nahe, während der erstgenannte Fall überhaupt nicht auf Eigentumserwerb ausgerichtet sei. In beiden Fällen würde es aber nach außen hin - insbesondere gegenüber der Behörde - nicht offensichtlich werden, um welche Variante es sich handle.

Es sei anzuerkennen, dass der Gesetzgeber bei der Konstruktion des § 45 Abs. 4 StVO 1960 eine Unterscheidung zwischen kurzzeitigem "Mieten" eines Kfz und längerfristigem Inbestandnehmen habe treffen wollen und eine Ausnahmegenehmigung im Sinne des § 45 StVO 1960 nicht für ein wenige Tage, sondern nur für ein dauerhaft in Bestand genommenes KFZ erteilt werden dürfe. Im vorliegenden Fall sei diese Voraussetzung jedoch gegeben; beim gegenständlichen Mietvertrag handle es sich nämlich um einen unbefristeten Mietvertrag, der bereits seit dem Jahr 1995 bestehe, weshalb von einer dauernden Inbestandnahme auszugehen sei, die auch der Mehrzahl der von der Behörde angenommenen Leasingverträge zu Grunde liege.

Die belangte Behörde habe nicht dargetan, warum der vorliegende Vertrag nicht "als Leasingvertrag subsumiert" werden könne. In der Begründung ihres Bescheides habe sich die Behörde auf das rein formale Argument zurückgezogen, der gegenständliche Mietvertrag sei kein Leasingvertrag, wobei sie sich offenbar bei ihrer Beurteilung allein auf die Überschrift des Vertrages, die auf "Mietvertrag " bzw. auf "Leasingvertrag" laute, gestützt habe. Ein Mietvertrag sei jedoch in jedem Fall unter die Gruppe der Leasingverträge zu subsumieren. Inhaltlich bestehe zwischen einer auf Dauer ausgerichteten Miete eines Kraftfahrzeuges und einem Leasinggeschäft überhaupt kein Unterschied, weil in beiden Fällen das Geschäft auf die dauernde Bestandnahme des Fahrzeugs ausgerichtet sei. Intention des Gesetzgebers sei es hingegen gewesen, einen Ausnahmetatbestand zu vermeiden, der die Erlangung einer Ausnahmegenehmigung auch für Kfz ermöglichen würde, die nur für wenige Tage oder Wochen gemietet worden seien. Aus dem Umstand, dass der vorliegende Mietvertrag auf unbestimmte Zeit abgeschlossen worden sei, gehe hervor, dass es im konkreten Fall gerade darauf angekommen sei, das Fahrzeug auf lange Zeit in die Verfügungsgewalt des Beschwerdeführers zu überführen. Die Entscheidung der belangten Behörde widerspreche somit der Intention des § 43 Abs. 2a Z. 1 iVm § 45 Abs. 4 StVO 1960. Dem Hinweis im erstinstanzlichen Bescheid auf die Erläuternden Bemerkungen zu § 45 Abs. 4 leg. cit. mit dem Argument, dass aus den Materialen keine Ausweitung der Ausnahmeregelung auf Mieter von KFZ ableitbar sei, sei entgegenzuhalten, dass den Materialien der gegenteilige Schluss ebenso wenig entnommen werden könne.

Dieses Vorbringen ist jedoch nicht zielführend:

§ 45 Abs. 4 StVO 1960 in der Fassung vor der 19. StVO-Novelle lautete:

"Eine Bewilligung kann für die in der Verordnung gemäß § 43 Abs. 2a angegebenen Kurzparkzonen auf die Dauer von höchstens einem Jahr erteilt werden. Der Antragsteller muss in dem gemäß dieser Verordnung umschriebenen Gebiet wohnhaft und Zulassungsbesitzer eines Personen- oder Kombinationskraftwagens sein und muss ein erhebliches persönliches Interesse nachweisen, in der Nähe seines Wohnortes zu parken."

Zu dieser Regelung sprach der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 27. April 1994, Zl. 94/03/0025, unter Hinweis auf das Erkenntnis des Verfassungsgerichtshofes vom 17. Dezember 1993, B 1491/92 = VfSlg. 13.658, aus, dass ihr Zweck darin bestünde, für die Wohnbevölkerung einen Ausgleich für die Parkraumnot zu schaffen. Um diesen Zweck nicht dadurch unterlaufen zu können, dass im betreffenden Gebiet wohnhafte Antragsteller Dauerparkberechtigungen für fremde Kraftfahrzeuge erwirken würden, die dann deren nicht im Gebiet wohnhaften Zulassungsbesitzern zugute kämen, stelle § 45 Abs. 4 StVO 1960 auf "Zulassungsbesitzer" ab. Aus dem klaren Wortlaut, dem Systemzusammenhang und dem Zweck dieser Bestimmung ergebe sich somit, dass nur einem Zulassungsbesitzer eine entsprechende Ausnahmebewilligung erteilt werden dürfe. Durch die Anknüpfung an die Zulassung werde erreicht, dass der Antragsteller in der Regel nicht nur kurzfristig Besitzer des Fahrzeuges sei, für welche er die Dauerparkberechtigung erhalte, sodass die Möglichkeit eines Missbrauches eingeschränkt sei.

Mit der 19. StVO-Novelle wurde der Tatbestand des § 45 Abs. 4 erweitert. Nunmehr ist auch Leasingnehmern von Kraftfahrzeugen und Personen, die nachweisen, dass ihnen ein arbeitgebereigener Kraftwagen auch zur Privatnutzung überlassen wurde, eine entsprechende Ausnahmebewilligung zu erteilen. Den Materialien (1580 BlgNR 18. GP) ist der Hintergrund dieser neuen Regelung zu entnehmen:

"In der Vergangenheit kam es auch wiederholt zu Härtefällen, da der Antragsteller nicht Zulassungsbesitzer, sondern Leasingnehmer eines Kraftwagens war, oder ihm ein arbeitgebereigener Kraftwagen zur Privatnutzung überlassen wurde. Durch die Änderung soll diese Ungleichbehandlung beseitigt werden. Die angebotenen Beweismittel unterliegen der freien Beweiswürdigung der Behörde."

Diesen Ausführungen kann jedoch entgegen der Auffassung des Beschwerdeführers nicht entnommen werden, dass unter die in Rede stehende Bestimmung auch (bloße) Mietverträge zu subsumieren seien.

Leasinggeschäfte sind Verträge, die auf Überlassung des Gebrauchs oder der Nutzung an Konsum- oder Investitionsgütern, z. B. Kraftfahrzeugen oder Maschinen, gerichtet sind. Dadurch soll der Kapitalaufwand für den Ankauf vermieden werden. Das Leasing bietet insofern eine Form der Investitionsfinanzierung, als an die Stelle des bisher üblichen Eigentumserwerbes an den Anlagegütern die Gebrauchsüberlassung tritt.

Grundsätzlich wird zwar unterschieden zwischen dem kurzfristigen Operating-Leasing, bei welchem dem Leasingnehmer vom Leasinggeber die vorübergehende Nutzung eines Wirtschaftsgutes zur Verfügung gestellt und als Entgelt hiefür ein Teil des Gesamtgebrauchswertes der Sache bezahlt wird und dem Finanzierungs- (Finance-)Leasing, bei welchem der dauernde Einsatz des Wirtschaftsgutes durch den Leasingnehmer geplant ist und dieses vom Leasinggeber mehr oder weniger in der Funktion eines Kreditgebers, in der Regel mittelbar über einen Händler, finanziert wird. Beim Operating-Leasing handelt es sich meist um Miete, beim Finanzierungsleasing werden im Allgemeinen die kaufvertraglichen und kreditvertraglichen Elemente überwiegen. (vgl. die Urteile des Obersten Gerichtshofes vom 2. Dezember 1986, 2 Ob 639/85, vom 19. März 1992, 7 Ob 526/92, und vom 26. Juli 1996, 1 Ob 2141/96).

Die teleologische Auslegung des § 45 Abs. 4 StVO 1960 ergibt im gegebenen Zusammenhang, dass hier nur das Finanzierungsleasing in Betracht kommt, weil nur solche Leasingnehmer mit einem Zulassungsbesitzer vergleichbar sind, dem eine langfristige Nutzung mit Kaufoption am Mietobjekt zusteht. Es entspricht der Judikatur des Obersten Gerichtshofes, dass beim Leasingvertrag insbesondere die Festsetzung einer bestimmten vertraglichen Nutzungsdauer und die Unkündbarkeit während dieser Zeit wesentlich sei. Je mehr die fest vereinbarte Nutzungsdauer bereits der Gesamtdauer der Gebrauchsfähigkeit des Wirtschaftsgutes entspreche, desto mehr nähere sich das Vertragsverhältnis dem Kaufvertrag an. Sei ein Leasingvertrag dagegen auf unbestimmte Dauer geschlossen und jederzeit kündbar, dann würden wichtige Kriterien im Sinne der Qualifikation als Bestandvertrag vorliegen (vgl. hiezu erneut die bereits zitierten Urteile vom 2. Dezember 1986, vom 19. März 1992 und vom 26. Juli 1996).

Anhand dieser Erwägungen wird deutlich, dass auch ein unbefristeter (auf unbestimmte Dauer) abgeschlossener Mietvertrag, der jederzeit kündbar ist, dem Mieter nicht die Stellung eines - mit dem Zulassungsbesitzer vergleichbaren - Leasingnehmers im Sinne des § 45 Abs. 4 StVO 1960 in der hier in Rede stehenden Fassung vermittelt. Der Beschwerdeführer bezieht sich darauf, dass der Mietvertrag für sein Fahrzeug nicht kurzfristig, sondern auf länger währende Gebrauchsüberlassung "auf unbestimmte Zeit" abgeschlossen wurde. Die tatsächliche, bereits länger andauernde Mietdauer lässt für seinen Standpunkt jedoch nichts gewinnen, da sie nichts an einer grundsätzlich bestehenden jederzeitigen Kündbarkeit des Mietvertrages ändert. Im Hinblick auf die aufgezeigten sachlichen Unterscheidungsmerkmale für die Anwendbarkeit der gegenständlichen Bestimmung (neben dem Zulassungsbesitzer) nur auf den Leasingnehmer, nicht jedoch auf den (bloßen) Mieter sieht sich der Verwaltungsgerichtshof auch nicht veranlasst, einen Antrag auf Prüfung dieser Norm an den Verfassungsgerichtshof zu stellen.

Da sich die Beschwerde somit als unbegründet erweist, war sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen.

Die Kostenentscheidung gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003

Schlagworte

Definition von Begriffen mit allgemeiner Bedeutung VwRallg7Auslegung Anwendung der Auslegungsmethoden Verhältnis der wörtlichen Auslegung zur teleologischen und historischen Auslegung Bedeutung der Gesetzesmaterialien VwRallg3/2/2

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000030232.X00

Im RIS seit

03.10.2003

Zuletzt aktualisiert am

07.04.2014
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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