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E000 EU- Recht allgemein;Norm
31994R3298 idF 31996R1524 ÖkopunktesystemV Lkw Transit Österreich Art14 idF 32000R0609;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Sauberer und die Hofräte Dr. Gall und Dr. Bernegger als Richter, im Beisein des Schriftführers Dr. Zeleny, über die Beschwerde des MN in F, Deutschland, vertreten durch Dr. Stefan Hornung, Rechtsanwalt in 5020 Salzburg, Hellbrunner Straße 11, gegen den Bescheid des Unabhängigen Verwaltungssenates Burgenland vom 6. April 2001, Zl. K 038/02/2001.060/005, betreffend Übertretung gemäß GütbefG, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird hinsichtlich des Ausspruches über die verhängte Strafe und die Kosten des Berufungsverfahrens wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben. Im Übrigen wird die Beschwerde als unbegründet abgewiesen.
Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,88 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem im Instanzenzug ergangenen angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer für schuldig erkannt, er habe
"als Fahrer des in Deutschland auf das Kennzeichen ... zugelassenen Sattelkraftfahrzeuges mit einem zulässigen Gesamtgewicht von mehr als 7,5 t samt Anhänger mit dem Kennzeichen ... eine ökopunktepflichtige Transitfahrt von Deutschland über Österreich mit der beabsichtigten Weiterfahrt zu einem in Ungarn gelegenen Zielort durchgeführt, wobei bei der Ausreise am Grenzübergang Rattersdorf in Richtung Ungarn am 12.7.2000 um
20.30 Uhr von einem Aufsichtsorgan der Zollwache festgestellt wurde, dass im Fahrzeug kein Umweltdatenträger benützt wurde und von ihnen weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten (Ökokarte) mitgeführt wurde."
Der Beschwerdeführer habe dadurch § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995 (GütbefG) und Art. 1 Abs. 1 lit. a Verordnung (EG) 3298/94 i.d.F. der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 und der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 verletzt. Gemäß § 23 Abs. 1 Einleitungssatz i.V.m. Abs. 2 zweiter Satz GütbefG 1995 wurde über den Beschwerdeführer eine Geldstrafe in der Höhe von S 20.000,-- (EUR 1.453,46) verhängt (Ersatzfreiheitsstrafe 4 Tage).
Nach Anführung des Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 i. d.F. der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 wurde im Wesentlichen ausgeführt, dass danach bei einem Absetzen oder Aufnehmen einer vollständigen Ladung in Österreich nur dann eine ökopunktefreie Fahrt anzunehmen sei, wenn geeignete Nachweisunterlagen (gemeint offenbar betreffend das Absetzen oder Aufnehmen einer vollständigen Ladung in Österreich) im Fahrzeug mitgeführt werden, was im Anlassfall gerade nicht zutreffe. Dies ergebe sich aus der unbedenklichen und unwidersprochen gebliebenen Zeugenaussage des W., wonach ihm der Beschwerdeführer anlässlich der Ausreisekontrolle nur diejenigen Fracht- und Zollpapiere vorgezeigt habe, die er in Kopie der von ihm erstatteten Anzeige beigeschlossen habe. Aus beiden Urkundenkopien gehe A. in Deutschland als "Versendungs-Ausfuhrland" bzw. Ort der Übernahme des Gutes und S. in Ungarn als Auslieferungsort bzw. Adresse des Empfängers der Ware hervor. Ein anderes Dokument, insbesondere ein solches, das die behauptete Be- und Entladung in Ulrichsberg belegen könnte, habe der Beschwerdeführer nicht mitgeführt, jedenfalls habe er bei der Kontrolle keine solchen vorgezeigt. Deshalb stehe fest, dass die in Art. 14 leg. cit. genannten Unterlagen zum Nachweis des Absetzens oder der Aufnahme einer vollständigen Ladung in Österreich vom Beschwerdeführer im Fahrzeug nicht mitgeführt worden seien. Dies werde vom Beschwerdeführer - auch hinsichtlich des in der Berufungsverhandlung in Kopie vorgelegten Frachtbriefes, der sich von dem bei der Ausreisekontrolle vorgezeigten Dokumentes nicht nur in der Bezeichnung des Auslieferungsortes unterscheide - nicht einmal behauptet. Im Hinblick auf dieses Ergebnis könne es dahingestellt bleiben, ob in Ulrichsberg eine "vollständige Be- bzw. Entladung" stattgefunden habe und sei auch die Aufnahme der diesbezüglich beantragten Beweise entbehrlich gewesen. Auf die Be- bzw. Entladung in Österreich komme es im vorliegenden Fall wegen der fehlenden mitgeführten Unterlagen nicht an. Ob im dargestellten bloßen Umladen der Ware von einem Sattelaufleger auf einen anderen ein Absetzen oder eine Aufnahme einer Ladung zu verstehen sei, die im Sinne des Art. 14 leg. cit. Bedeutung haben könnte, brauche deshalb auch nicht geprüft werden. Aus dem bei der Ausreisekontrolle vorgezeigten Unterlagen sei zweifelsfrei ersichtlich, dass von vornherein ein Transport mit der vom Beschwerdeführer gelenkten Transporteinheit von Deutschland über Österreich nach Ungarn und somit eine Transitfahrt beabsichtigt gewesen sei und vorliege, für die Ökopunkte hätten entrichtet werden müssen.
Zur Schuld sei bei diesem Ungehorsamsdelikt auf die Schuldvermutung des § 5 VStG zu verweisen. Das Sich-Verlassen auf Arbeitgeberinformationen entschuldige nach der Judikatur des Verwaltungsgerichtshofes nicht. Der Beschwerdeführer hätte sich vergewissern müssen, ob die angebliche Auskunft seines Dienstgebers, wonach keine ökopunktepflichtige Transitfahrt vorliege, dem Gesetz entspreche. Dies getan zu haben, behaupte der Beschwerdeführer nicht einmal, sodass von einer diesbezüglichen Unterlassung auszugehen sei, die sein nicht geringes Verschulden begründe.
In der dagegen erhobenen Beschwerde wird Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften geltend gemacht.
Die belangte Behörde hat die Akten mit dem Antrag, die Beschwerde unter Ersatz des Vorlageaufwandes abzuweisen, vorgelegt.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
Gemäß § 23 Abs. 1 Z. 8 Güterbeförderungsgesetz 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, begeht eine Verwaltungsübertretung, wer unmittelbar anwendbare Vorschriften der Europäischen Union über den Güterverkehr auf der Straße verletzt, sofern dies nicht nach anderen Vorschriften zu bestrafen ist.
Gemäß Art. 1 des dem EU-Beitrittsakt beigefügten Protokolles Nr. 9 über den Straßen- und Schienenverkehr sowie den kombinierten Verkehr in Österreich (BGBl. Nr. 45/1995) gilt als Transitverkehr durch Österreich jeder Verkehr durch österreichisches Hoheitsgebiet, bei dem der Ausgangs- und Zielpunkt außerhalb Österreichs liegen (lit. c), als Straßengütertransitverkehr durch Österreich jeder Transitverkehr, der mit Lastkraftwagen durchgeführt wird, unbeschadet ob diese Lastkraftwagen beladen oder unbeladen sind (lit. e).
Gemäß Art. 1 Abs. 1 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der Verordnung (EG) Nr. 1524/96 der Kommission und der (am 11. April 2000 in Kraft getretenen) Verordnung (EG) Nr. 609/2000 der Kommission hat der Fahrer eines Lastkraftwagens im Hoheitsgebiet Österreichs
"die nachstehend aufgeführten Unterlagen mitzuführen und diese auf Verlangen den Aufsichtsbehörden zur Prüfung vorzulegen, entweder:
a) ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular oder eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten für die betreffende Fahrt; ein Muster dieser als 'Ökokarte' bezeichneten Bestätigung ist in Anhang A enthalten; oder
b) ein im Kraftfahrzeug eingebautes elektronisches Gerät, das eine automatische Entwertung der Ökopunkte ermöglicht und als 'Umweltdatenträger' ('ecotag') bezeichnet wird; oder
c) die in Artikel 13 aufgeführten geeigneten Unterlagen zum Nachweis darüber, dass es sich um eine Fahrt gemäß Anhang C handelt, für die keine Ökopunkte benötigt werden; oder
d) geeignete Unterlagen, aus denen hervorgeht, dass es sich nicht um eine Transitfahrt handelt und, wenn das Fahrzeug mit einem Umweltdatenträger ausgestattet ist, dass dieser für diesen Zweck eingestellt ist. ...
(1a) Transitfahrten unter den in Anhang C genannten Bedingungen oder im Rahmen von im österreichischen Hoheitsgebiet gültigen CEMT-Genehmigungen sind von der Ökopunkteregelung ausgenommen."
Art. 14 der Verordnung (EG) Nr. 3298/94 der Kommission in der Fassung der angeführten Verordnungen lautet:
"Eine Fahrt, bei der das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt und im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt werden, ist ungeachtet der Strecke, über die die Einreise des Fahrzeuges nach Österreich oder die Ausreise erfolgt, von der Entrichtung der Ökopunkte befreit."
Der Beschwerdeführer macht geltend, dass es an Feststellungen betreffend die Frage, welche Unterlagen der Beschwerdeführer mit sich geführt habe, mangle, sodass diesbezüglich gar keine richtige rechtliche Beurteilung des Sachverhaltes möglich gewesen sei. Der Meldungsleger W. selbst habe einräumen müssen, dass er nach einem "CMR-Dokument" gar nicht gefragt habe, weil für ihn die zur zollrechtlichen Kontrolle notwendigen Papiere vorhanden gewesen seien.
Dazu ist dem Beschwerdeführer zu entgegnen, dass der Beschwerdeführer, selbst wenn man den Verfahrensmangel annehme, die Wesentlichkeit dieses Verfahrensmangels nicht dartut, weil er selbst gar nicht behauptet, er habe auf der fraglichen Fahrt eine geeignete Nachweisunterlage darüber mitgeführt, dass eine vollständige Beladung des Lastkraftwagens in Österreich stattgefunden habe. Wenn der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang auf das in der Berufungsverhandlung vorgelegte Dokument verweist, ist ihm entgegenzuhalten, dass dieses Dokument nicht die verfahrensgegenständlichen Kraftfahrzeuge betrifft.
Weiters meint der Beschwerdeführer, es würde dem Grundgedanken der Verordnung (EG) Nr. 609/2000 widersprechen, wenn man eine Transitfahrt und damit einen Straftatbestand selbst dann annehme, wenn feststünde, dass tatsächliche eine vollständige Ladung in Österreich abgesetzt oder aufgenommen worden sei. Der angeführte Art. 14 der angeführten EG-Verordnungen sei daher teleologisch zu reduzieren.
Auch dieser Ansicht kann nicht gefolgt werden. Art. 14 der angeführten EG-Verordnungen befreit immer nur dann von der Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten, wenn das Fahrzeug entweder eine vollständige Ladung in Österreich absetzt oder aufnimmt, wenn im Fahrzeug auch geeignete Nachweisunterlagen (darüber) mitgeführt werden (vgl. auch das hg. Erkenntnis vom 19. März 2003, Zl. 2001/03/0059).
Zur subjektiven Tatseite führt der Beschwerdeführer aus, er sei im vorliegenden Fall davon ausgegangen, es bestehe keine Verpflichtung zur Entrichtung von Ökopunkten, da er von einem vollständigen Umladung ausgegangen sei.
Diesem Vorbringen des Beschwerdeführers ist zu entgegnen, dass er bei entsprechender Sorgfalt vom Vorliegen eines Befreiungstatbestandes nach Art. 14 der angeführten EG-Verordnungen nur dann hätte ausgehen können, wenn er über die vollständige Beladung in Österreich im Fahrzeug geeignete Nachweisunterlagen mitgeführt hätte. Der Beschwerdeführer hätte sich in Bezug auf den Inhalt des Art. 14 der angeführten EG-Verordnungen nicht auf eine Information seines Arbeitgebers hätte verlassen dürfen. Es wäre vielmehr geboten gewesen, dass er sich über die Voraussetzungen für eine Ökopunktebefreiung gemäß Art. 14 der angeführten EG-Verordnungen entsprechend informiert hätte.
Der Verwaltungsgerichtshof hegt auch keine Bedenken gegen den Spruch des angefochtenen Bescheides im Hinblick auf seine ausreichende Konkretisierung gemäß § 44a VStG. Aus diesem Spruch geht insbesondere ausreichend klar hervor, dass der Beschwerdeführer weder ein ordnungsgemäß ausgefülltes Einheitsformular noch eine österreichische Bestätigung der Entrichtung von Ökopunkten mitgeführt habe und das Fahrzeug auch keinen Umweltdatenträger benutzt habe (das sei ein solcher, der die automatische Abbuchung der Ökopunkte ermöglicht hätte).
Im Übrigen liegt jedoch eine - vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende - inhaltliche Rechtwidrigkeit des angefochtenen Bescheides vor. Mit Erkenntnis vom 14. Dezember 2001, G 181/2001 u. a., kundgemacht am 8. Februar 2002 im BGBl. I Nr. 37, stellte der Verfassungsgerichtshof nämlich fest, dass die Wortfolge "und Z. 7 bis 9" im zweiten Satz des § 23 Abs. 2 des GütbefG 1995, BGBl. Nr. 593 in der Fassung BGBl. I Nr. 17/1998, verfassungswidrig war. Der Verfassungsgerichtshof sprach in diesem Erkenntnis gemäß Art. 140 Abs. 7 zweiter Satz B-VG weiters aus, dass diese Bestimmung "insofern nicht mehr anzuwenden" ist, "als sie sich auf Z. 8 bezieht". Auch der Verwaltungsgerichtshof hat diese Bestimmung somit nicht mehr anzuwenden (vgl. das hg. Erkenntnis vom 15. September 1999, Zl. 99/03/0089) und es ist eine maßgebliche gesetzliche Grundlage für die Bestrafung des Beschwerdeführers im vorliegenden Verwaltungsstrafverfahren weggefallen.
Der angefochtene Bescheid war daher in dem aus dem Spruch ersichtlichen Umfang gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufzuheben. Im Übrigen war die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003. Wien, am 3. September 2003
Schlagworte
Gemeinschaftsrecht Verordnung Strafverfahren EURallg5/2European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001030158.X00Im RIS seit
09.10.2003