TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/4 2001/09/0147

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Veröffentlicht am 04.09.2003
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Index

10/07 Verwaltungsgerichtshof;
20/05 Wohnrecht Mietrecht;
67 Versorgungsrecht;

Norm

KOVG 1957 §13;
MRG;
OFG §11 Abs13;
OFG §11 Abs5;
OFG §13;
VwGG §36 Abs7;
VwGG §55 Abs2;
VwGG §55 Abs3;
VwGG §63 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des F in W, vertreten durch Dr. Karl Klein, Rechtsanwalt in 1130 Wien, Fleschgasse 34, gegen den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wegen Verletzung der Entscheidungspflicht in einer Angelegenheit nach dem Opferfürsorgegesetz, zu Recht erkannt:

Spruch

Gemäß § 42 Abs. 4 und 62 Abs. 2 VwGG in Verbindung mit § 66 Abs. 4 AVG sowie §§ 11 und 13 OFG und § 13 KOVG 1957 wird der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien von 20. März 1996, mit dem die Unterhaltsrente des Beschwerdeführers für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1994 neu bemessen worden war, Folge gegeben und dieser erstinstanzliche Bescheid behoben. Gleichzeitig wird festgestellt, dass dem Beschwerdeführer für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1994 die Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz ungekürzt im gesetzlichen Ausmaß gebührt.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

Der im Jahr 1927 geborene Beschwerdeführer bezieht eine Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz (OFG). Zum bisherigen Verwaltungsgeschehen in dieser Angelegenheit wird auf die den Beschwerdeführer betreffenden hg. Erkenntnisse vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0132, vom 21. März 1995, Zl. 94/09/0272, vom 1. Dezember 1988, Zl. 88/09/0078, und vom 19. Februar 1986, Zl. 85/09/0001, verwiesen.

Mit Bescheid vom 20. März 1996 hat der Landeshauptmann von Wien über die Unterhaltsrente des Beschwerdeführers wie folgt abgesprochen:

"Der Bescheid des Amtes der Wiener Landesregierung vom 26.9.1991 Zl. MA 12-30/R/7 wird abgeändert und die Unterhaltsrente gemäß §§ 11 Abs. 5 und 13, 11a OFG in Zusammenhalt mit § 13 KOVG für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.1994 bemessen.

Unterhaltsrente

1.1.1991 bis 31.12.1991 gebührt keine Unterhaltsrente

1.1.1992 bis 31.12.1992 gebührt keine Unterhaltsrente

1.1.1993 bis 31.12.1993 mtl. S 7.691,--

1.1.1994 bis 31.12.1994 mtl. S. 8.169,--

Die geleisteten Vorschüsse werden angerechnet.

Es wird festgestellt, dass die in der Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.1992 erfolgten Rentenzahlungen über die obigen Neubemessungsbeträge hinaus nicht gebührt haben.

Dadurch ist ein Übergenuss in der Höhe von S 195.788,-- entstanden, über dessen Rückforderbarkeit nach Rechtskraft dieses Bescheides gesondert entschieden wird."

Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid vom 5. Dezember 1996 hat der Bundesminister für Arbeit und Soziales der Berufung des Beschwerdeführers gegen den Bescheid des Landeshauptmannes von Wien von 20. März 1996 teilweise Folge gegeben und den genannten erstinstanzlichen Bescheid dahingehend abgeändert, dass "die Unterhaltsrente für die Zeit von 1.1.1991 bis 31.12.1991 mit monatlich S 1.482,--, vom 1.1.1993 bis 31.12.1993 mit monatlich S 6.768,-- und vom 1.1.1994 bis 31.12.1994 mit monatlich S 8.191,-- festgesetzt wird. Für die Zeit vom 1.1.1992 bis 31.12.1992 besteht kein Anspruch auf Unterhaltsrente. Gleichzeitig wird festgestellt, dass für die Zeit vom 1.1.1991 bis 31.12.1994 ein Übergenuss in Höhe von S 183.594,--

entstanden ist, über dessen Rückforderbarkeit nach Rechtskraft dieses Bescheides gesondert entschieden werden wird und dass für das Jahr 1992 kein Diätzuschuss gebührt."

Mit Erkenntnis des Verwaltungsgerichtshofes vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0132, wurde der genannte Berufungsbescheid des Bundesministers für Arbeit und Soziales vom 5. Dezember 1996 wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes kostenpflichtig aufgehoben.

Zur Vermeidung unnötiger Wiederholung wird gemäß § 43 Abs. 2 zweiter Satz VwGG auf die (den Parteien des Verfahrens bekannte) Begründung und die für die Aufhebung dieses Berufungsbescheides tragenden Gründe des hg. Erkenntnisses vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0132, verwiesen.

Das Erkenntnis Zl. 97/09/0132 wurde dem genannten Bundesminister am 18. Juli 2000 zugestellt.

Mit Schriftsatz vom 3. August 2001 (eingelangt am 6. August 2001) erhob der Beschwerdeführer beim Verwaltungsgerichtshof Beschwerde gegen den Bundesminister für soziale Sicherheit und Generationen wegen Verletzung der Entscheidungspflicht mit dem Antrag, der Verwaltungsgerichtshof wolle seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid des Landeshauptmannes von Wien vom 20. März 1996 im Sinne des genannten Erkenntnisses Zl. 97/09/0132 Folge geben, ihm für den Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1994 die Unterhaltsrente im vollen gesetzlichen Ausmaß zuerkennen und der belangten Behörde Kostenersatz im gesetzlichen Ausmaß auferlegen.

Mit Verfügung vom 16. August 2001 leitete der Verwaltungsgerichtshof gemäß § 35 Abs. 3 VwGG das Vorverfahren ein und trug der belangten Behörde gemäß § 36 Abs. 2 VwGG auf, innerhalb einer Frist von drei Monaten den versäumten Bescheid zu erlassen.

Mit Schreiben vom 27. November 2001 erstattete die belangte Behörde unter Vorlage "sämtlicher auf die Angelegenheit bezughabenden Akten des Verwaltungsverfahrens" folgende Stellungnahme zur Säumnisbeschwerde:

"Wie aus den angeschlossenen Berufungsakten zu ersehen ist, hat das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen nach Erhalt des dg. Erkenntnisses vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0132-7, und Anweisung des Aufwandersatzes an den Beschwerdeführer (BF) im Rahmen des fortgesetzten Berufungsverfahrens am 18. Oktober 2000 zunächst entsprechende Einkommenserhebungen beim Finanzamt für den 3. und 11. Bezirk durchgeführt, die allerdings ergebnislos verliefen. In der Folge wurden am 19. Jänner bzw. 15. März 2001 diesbezügliche schriftliche Anfragen an die zuständige Hausverwaltung des BF hinsichtlich der Jahre 1991 bis 1994 gerichtet. In der Antwort der Hausverwaltung wurden die gestellten Fragen nicht beantwortet und bezogen sich die beigelegten Unterlagen nicht auf alle angefragten Jahre, sondern auf die Jahre 1993 bis 1996. Im Übrigen ergab sich aus diesen Unterlagen, dass jährlich mehrere hunderttausend Schilling an nicht näher spezifizierten Darlehenszinsen als Werbungskosten im Rahmen der Ausgaben geltend gemacht wurden, die die Einnahmen im entscheidungsrelevanten Zeitraum regelmäßig überstiegen (1993: 599.945,-- S, 1994: 475.504,50 S). Nach der Judikatur des VwGH können Darlehensrückzahlungen und daher Darlehenszinsen nicht abgesetzt werden, weil nur eine Vermögensumschichtung vorliegt, die zu keiner Schmälerung des Vermögens führt. Des Weiteren scheinen Abschreibungen für Abnutzungen auf (1993 und 1994: jeweils 105.840,-- S). Weitere Urgenzen bei der Hausverwaltung erfolgten durch die Berufungsbehörde am 28. März und am 30. Mai 2001 telefonisch sowie am 5. Juli und am 11. September 2001 schriftlich, zu dem ergingen inhaltlich gleiche Anfragen an den bevollmächtigten Vertreter des BF sowie an den BF selbst. Aus den hiezu übermittelten Antragschreiben der Hausverwaltung vom 25. September 2001 und des bevollmächtigten Vertreters des BF vom 3. Oktober 2001 gehen gleichfalls nicht die erbetenen Informationen hervor. Der BF selbst reagierte nicht.

Das Bundesministerium für soziale Sicherheit und Generationen vertritt aufgrund des vorstehenden Sachverhaltes die Ansicht, dass im gegenständlichen Fall § 55 Abs. 1 VwGG nicht zum Tragen kommt, da die einer fristgerechten Erlassung des Bescheides entgegenstehende Gründe dem BF vor Einbringung seiner Beschwerde bekannt gegeben wurden (vgl. hiezu den AV vom 11. Juli 2001) und die Verzögerung der Entscheidung in die Sphäre der Partei fällt (§ 55 Abs. 2 und 3 VwGG)."

Der Verwaltungsgerichtshof hat daraufhin dem Beschwerdeführer mit Verfügung vom 17. Dezember 2001 gemäß § 36 Abs. 7 VwGG aufgetragen,

1) zur Gegenschrift bzw. Stellungnahme der belangten Behörde vom 27. November 2001 eine schriftliche Gegenäußerung zu erstatten und

2) eine durch Belege dokumentierte aufgeschlüsselte Abrechnung über seine Mietzinseinnahmen betreffend das Haus 1030 Wien, Ggasse , für die Kalenderjahre 1991 bis 1994 vorzulegen und des weiteren darzustellen, wofür diese Einnahmen verwendet wurden; dem Beschwerdeführer wurde des weiteren aufgetragen, konkret darzulegen, welche verrechnungsfreien Einnahmen ihm in den Jahren 1991 bis 1994 aus seinem Liegenschaftsvermögen zugeflossen sind bzw. in welcher Weise er derartige Einnahmen verwendet hat.

Der Beschwerdeführer ist diesem Auftrag fristgerecht mit Stellungnahme/Urkundenvorlage vom 26. Februar 2002 nachgekommen.

Die belangte Behörde hat auf diesen (ihr ordnungsgemäß zugestellten) Schriftsatz des Beschwerdeführers vom 26. Februar 2002 nicht geantwortet.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Gemäß Art. 132 B-VG kann Beschwerde wegen Verletzung der Entscheidungspflicht erheben, wer im Verwaltungsverfahren als Partei zur Geltendmachung der Entscheidungspflicht berechtigt war.

Gemäß § 27 VwGG kann Säumnisbeschwerde erst erhoben werden, wenn die oberste Behörde, die im Verwaltungsverfahren, sei es im Instanzenzug, sei es im Wege eines Antrages auf Übergang der Entscheidungspflicht angerufen werden kann, von einer Partei angerufen worden ist und nicht binnen sechs Monaten in der Sache entschieden hat. Diese Frist läuft von dem Tag an, an dem der Antrag auf Sachentscheidung bei der Stelle eingelangt ist, bei der er einzubringen war.

Da die belangte Behörde den versäumten Bescheid auch innerhalb der ihr gemäß § 36 Abs. 2 VwGG eröffneten Frist nicht nachgeholt hat, ist die Zuständigkeit zur Entscheidung in der Sache auf den Verwaltungsgerichtshof übergegangen.

Mit dem im Berufungsverfahren bekämpften erstinstanzlichen Bescheid wurde die Unterhaltsrente des Beschwerdeführers nach dem Opferfürsorgegesetz für die Jahre 1991 bis 1994 mit der Begründung neu bemessen, dass der Beschwerdeführer ein nach § 13 KOVG 1957 (iVm § 11 Abs. 13 OFG) anzurechnendes Einkommen erzielt habe, welches seine Rente entsprechend mindere.

Wie der Verwaltungsgerichtshof in seinem Erkenntnis vom 21. Juni 2000, Zl. 97/09/0132, dargelegt hat, sind die zur Einkommensanrechnung von fiktiven Zinsen bzw. die zur gleichzeitigen Versagung der vom Beschwerdeführer getätigten Investition (Vergrößerung seines Miteigentumsanteiles) angestellten Erwägungen der Behörde - die eine Minderung bzw. Verkürzung der Rente des Beschwerdeführers bewirken würden - verfehlt bzw. rechtswidrig.

Im fortgesetzten Berufungsverfahren hatte die belangte Behörde - wie im genannten hg. Erkenntnis dargelegt - eine Einkommensanrechnung allenfalls nur insoweit zu berücksichtigen, als dem Beschwerdeführer (im Sinne des MRG) verrechnungsfreie Einnahmen, über die er zur Sicherung bzw. Bestreitung seines Lebensunterhaltes verfügen konnte, im verfahrensgegenständlichen Zeitraum tatsächlich zugeflossen sind.

Der Stellungnahme der belangten Behörde vom 27. November 2001 ist zu entnehmen, dass die von ihr im fortgesetzten Verfahren in dieser Hinsicht angestellten Erhebungen ergebnislos verlaufen sind, bzw. dass die belangte Behörde einen Zufluss derartiger Einnahmen an den Beschwerdeführer nicht feststellen konnte.

In seiner Stellungnahme vom 26. Februar 2002 hat der Beschwerdeführer vorgebracht, dass er sämtliche Mietzinseinnahmen im maßgeblichen Zeitraum zur Rückzahlung jenes Kredites (in der Höhe von 6,5 Mio. S bzw. EUR 472.373,42) verwendet habe, mit dem er seinerzeit die Vergrößerung seines Mieteigentumsanteiles finanziert gehabt habe. Dass dem Beschwerdeführer darüber hinaus im Zeitraum 1. Jänner 1991 bis 31. Dezember 1994 verrechnungsfreie Einnahmen zugeflossen wären, über die er zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes hätte verfügen können, ist nicht hervorgekommen bzw. ist Derartiges den vom Beschwerdeführer vorgelegten Belegen im Zusammenhalt mit seinem Vorbringen nicht zu entnehmen. Es ist daher davon auszugehen, dass dem Beschwerdeführer Einkommen zur Bestreitung seines Lebensunterhaltes, welches im Sinne des § 11 Abs. 13 OFG auf seine Unterhaltsrente anzurechnen war, in den Jahren 1991 bis 1994 nicht zugeflossen ist.

Demnach war der berechtigten Berufung des Beschwerdeführers gegen den erstinstanzlichen Bescheid, mit dem im Wege einer rechtswidrigen Neubemessung die Kürzung seiner Rente festgestellt worden war, Folge zu geben, dieser erstinstanzliche Bescheid ersatzlos zu beheben und gleichzeitig auszusprechen, dass dem Beschwerdeführer im maßgeblichen Zeitraum die Unterhaltsrente nach dem Opferfürsorgegesetz ungekürzt im gesetzlichen Ausmaß (entsprechend den jeweiligen Einkommensgrenzen des § 11 Abs. 5 OFG) gebührt.

Die Kostenentscheidung beruht auf den § 47 ff insbesondere auch § 55 Abs. 1 erster Satz VwGG iVm der Verordnung des Bundeskanzlers BGBl. II Nr. 333/2003.

Die belangte Behörde hat weder Gründe im Sinne des § 55 Abs. 2 VwGG nachzuweisen vermocht, noch war die Verzögerung der behördlichen Erledigung ausschließlich auf Verschulden des Beschwerdeführers im Sinne des § 55 Abs. 3 VwGG zurückzuführen, stand doch - angesichts ergebnisloser Ermittlungen über ein dem Beschwerdeführer anzurechnendes Einkommen - der Erlassung eines Ersatzbescheides durch die belangte Behörde kein Hindernis entgegen. Dass kein Ersatzbescheid (im Sinne der spruchgemäßen Erledigung dieses Erkenntnisses) erlassen wurde, weil die belangte Behörde vermeinte, anzurechnendes Einkommen (aufgrund weiterer Ermittlungen) feststellen zu können, ist dem Beschwerdeführer nicht (noch viel weniger als ausschließliches Verschulden) vorzuwerfen. Im Übrigen wäre die belangte Behörde gehalten gewesen, ihre Ermittlungen im fortgesetzten Berufungsverfahren konkret auf den im hg Erkenntnis zur Zl. 97/09/0132 bzw. in der hg. Verfügung vom 17. Dezember 2001 umschriebenen Inhalte zu richten. Dass die belangte Behörde in dieser Hinsicht (wie im verwaltungsgerichtlichen Verfahren) die Mitwirkung des Beschwerdeführers verlangte, ist den vorgelegten Verwaltungsakten nicht zu entnehmen.

Wien, am 4. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2001090147.X00

Im RIS seit

09.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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