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27 RechtspflegeNorm
DSt 1990 §25Leitsatz
Keine Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte durch Abweisung eines Antrags der beschwerdeführenden Rechtsanwältin auf Übertragung der Durchführung des Disziplinarverfahrens auf einen anderen Disziplinarrat wegen BefangenheitSpruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid weder in einem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht noch wegen Anwendung einer rechtswidrigen generellen Norm in ihren Rechten verletzt worden.
Die Beschwerde wird abgewiesen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die Beschwerdeführerin war Rechtsanwältin. Mit Einleitungsbeschluß des Disziplinarrates der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer vom 6. Februar 1996 wurde ausgesprochen, daß "Grund zur Disziplinarbehandlung" vorhanden sei.
2. Mit einem am 30. April 1996 zur Post gegebenen Schriftsatz beantragte die Beschwerdeführerin gemäß §25 Abs1 Disziplinarstatut 1990 (im folgenden: DSt), die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission für Rechtsanwälte und Rechtsanwaltsanwärter (im folgenden: OBDK) möge die Durchführung des Disziplinarverfahrens einem anderen Disziplinarrat übertragen. Dieser Antrag wurde mit Beschluß der OBDK vom 25. November 1996 wegen Verspätung zurückgewiesen. Gegen diesen Bescheid erhob die Beschwerdeführerin Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof nach Art144 B-VG. Mit Erkenntnis vom 29. September 1997 (VfSlg. 14907/1997) stellte der Verfassungsgerichtshof fest, daß die Beschwerdeführerin in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden war, und hob den Bescheid der OBDK vom 25. November 1996 auf.
3. Mit Ersatzbescheid vom 2. Februar 1998 wies die OBDK den Delegierungsantrag mit der Begründung ab, das Vorbringen der Disziplinarbeschuldigten lasse eine Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrates nicht erkennen. Auch andere wichtige Gründe sprächen nicht gegen die Behandlung der Sache durch den Disziplinarrat der Steiermärkischen Rechtsanwaltskammer.
4. Gegen diesen Bescheid wendet sich die vorliegende, auf Art144 B-VG gestützte Beschwerde, in der die Verletzung der verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechte auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter, auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz, auf freie Erwerbsausübung und auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides begehrt wird.
Begründend wird ausgeführt, die belangte Behörde habe sich mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin nicht auseinandergesetzt und gehe vom aufgehobenen Beschluß aus. Die Verlegung ihres Kanzleisitzes werde der Beschwerdeführerin entgegen §21 Rechtsanwaltsordnung, der eine solche frei gestatte, nachteilig vorgehalten. §25 Abs1 DSt werde von der belangten Behörde gesetzwidrig ausgelegt, da laut den Erläuterungen zur Regierungsvorlage zu dieser Bestimmung verfahrensökonomische Überlegungen als wichtige Gründe im Sinne dieser Bestimmung anzusehen seien. Für den Fall der Gesetzmäßigkeit der Auslegung der belangten Behörde macht die Beschwerdeführerin geltend, daß "dieser gesetzliche Bestimmungsteil" den Gleichheitsgrundsatz, das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter sowie das Recht auf Erwerbsausübungsfreiheit verletze.
5. Die OBDK als belangte Behörde hat die Verwaltungsakten vorgelegt, jedoch keine Gegenschrift erstattet.
II. Der Verfassungsgerichtshof hat über die - zulässige - Beschwerde erwogen:
1. Die Beschwerde behauptet, ohne dies näher darzutun, die Verfassungswidrigkeit der den Bescheid tragenden gesetzlichen Grundlagen, der Sache nach sohin des §25 Abs1 DSt. Dieser lautet wie folgt:
"§25. (1) Die Durchführung des Disziplinarverfahrens kann wegen Befangenheit der Mitglieder des Disziplinarrats oder aus anderen wichtigen Gründen auf Antrag des Beschuldigten, des Kammeranwalts oder des Disziplinarrats selbst einem anderen Disziplinarrat übertragen werden. Über den Antrag entscheidet die Oberste Berufungs- und Disziplinarkommission ohne mündliche Verhandlung."
Der Verfassungsgerichtshof hegte in seiner bisherigen Judikatur keine Bedenken ob der Verfassungsmäßigkeit des §25 Abs1 DSt (vgl. hiezu ausführlich VfSlg. 13460/1993 mwH, VfSlg. 13488/1993) und sieht sich auch durch das Beschwerdevorbringen nicht veranlaßt, in eine Prüfung dieser Bestimmung einzutreten.
Eine Verletzung der Beschwerdeführerin in Rechten wegen Anwendung verfassungswidriger Gesetzesbestimmungen hat sohin nicht stattgefunden.
2. Die Beschwerdeführerin stützt ihre Behauptung, durch den angefochtenen Bescheid im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt zu sein, darauf, daß die belangte Behörde es unterlassen habe, auf die von ihr geltend gemachten Befangenheitsgründe einzugehen, und ihrem Delegierungsantrag zu Unrecht keine Folge gegeben habe.
Das Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter wird durch den Bescheid einer Verwaltungsbehörde verletzt, wenn die Behörde eine ihr gesetzlich nicht zukommende Zuständigkeit in Anspruch nimmt oder in gesetzwidriger Weise ihre Zuständigkeit ablehnt (zB VfSlg. 9696/1983), etwa indem sie zu Unrecht eine Sachentscheidung verweigert (zB VfSlg. 10374/1985, 11405/1987, 13280/1992).
Gemäß §25 Abs1 DSt war die OBDK zur Entscheidung über den Delegierungsantrag zuständig. Dies wird von der Beschwerdeführerin auch nicht bestritten. Da die zuständige Behörde entschieden hat, ist die Beschwerdeführerin nicht im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf ein Verfahren vor dem gesetzlichen Richter verletzt worden. Nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes gewährleistet dieses Grundrecht die Fällung einer Sachentscheidung durch die hiezu gesetzlich berufene und richtig zusammengesetzte Behörde. Allenfalls unterlaufene Verfahrensmängel oder inhaltliche Unrichtigkeiten in der Sachentscheidung sind für das Urteil, ob die Entscheidung von der sachlich zuständigen Behörde getroffen wurde, unbeachtlich (vgl. VfSlg. 5033/1965, 7645/1975, 8144/1977, 8240/1978).
3. Die Beschwerdeführerin behauptet weiters, durch den angefochtenen Bescheid im Gleichheitsrecht verletzt worden zu sein.
Eine Verletzung des verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechtes auf Gleichheit aller Staatsbürger vor dem Gesetz kann nach der ständigen Rechtsprechung des Verfassungsgerichtshofes (zB VfSlg. 10413/1985, 11682/1988) nur vorliegen, wenn der angefochtene Bescheid auf einer dem Gleichheitsgebot widersprechenden Rechtsgrundlage beruht, wenn die Behörde der angewandten Rechtsvorschrift fälschlicherweise einen gleichheitswidrigen Inhalt unterstellt oder wenn sie bei Erlassung des Bescheides Willkür geübt hat.
Die Bedenken der Beschwerdeführerin gegen Mitglieder des Disziplinarrates erschöpfen sich im wesentlichen darin, daß zwei namentlich genannte Rechtsanwälte, die als Vertreter in Rechtsstreitigkeiten gegen die Beschwerdeführerin eingeschritten seien, Kammerfunktionäre seien und Mitglieder des Disziplinarrates, die Rechtsanwaltsprüfer und Richterprüfer seien, kennten. Weiters bringt die Beschwerdeführerin vor, daß die von ihr initiierte Anzeige gegen einen dieser Kollegen zurückgelegt worden sei, sowie daß ein anderer Kollege von Sachverhalten Kenntnis hätte, die er ihrer Meinung nach nur aufgrund einer Indiskretion von Mitgliedern des Disziplinarrates erfahren haben könne.
Die belangte Behörde hat sich in der Begründung des bekämpften Bescheides mit dem Vorbringen der Beschwerdeführerin sachlich auseinandergesetzt und dargelegt, daß sie daraus keine Befangenheit ableiten könne. Weiters rügt die Beschwerdeführerin, die belangte Behörde habe die Abwägung, ob andere gewichtige Gründe für eine Delegierung vorliegen, unrichtig vorgenommen. Darin kann aber kein in die Verfassungssphäre reichender Vollzugsmangel erblickt werden.
Insoweit die Beschwerdeführerin in der Beschwerde jedoch auf die Begründung des seinerzeit behobenen Bescheides abstellt, war auf dieses Vorbringen nicht einzugehen, zumal dieser Bescheid nicht Gegenstand des Verfahrens ist. Weiters war auch auf erstmals in der Beschwerde aufgezeigte allfällige Befangenheitsgründe nicht einzugehen; diese wären gemäß §25 Abs1 DStG geltend zu machen gewesen.
Die Beschwerdeführerin ist sohin insoweit im Gleichheitsrecht nicht verletzt worden.
4. Die Beschwerdeführerin behauptet, daß ihr die Verlegung ihres Kanzleisitzes nachteilig vorgehalten werde. Hiedurch erachtet sie sich in den verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten auf Gleichheit vor dem Gesetz, auf Freizügigkeit der Person und des Vermögens sowie auf Freiheit der Erwerbsausübung verletzt. Da sich ein solcher Vorhalt im angefochtenen Bescheid nicht findet (allenfalls nimmt die Beschwerdeführerin hier auf den seinerzeit aufgehobenen Bescheid Bezug) kann eine Verletzung in den genannten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten allein schon deshalb nicht gegeben sein.
5. Das Verfahren hat auch nicht ergeben, daß die Beschwerdeführerin in von ihr nicht geltend gemachten verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten verletzt wurde.
Ob der Bescheid in jeder Hinsicht dem Gesetz entspricht, ist vom Verfassungsgerichtshof nicht zu prüfen, und zwar auch dann nicht, wenn sich die Beschwerde - wie im vorliegenden Fall - gegen eine Entscheidung einer Kollegialbehörde nach Art133 Z4 B-VG richtet, die beim Verwaltungsgerichtshof nicht bekämpft werden kann (vgl. etwa VfSlg. 13419/1993, 14408/1996; VfGH 8.6.1999 B788/99).
Die Beschwerde war daher abzuweisen.
6. Diese Entscheidung konnte gemäß §19 Abs4 erster Satz VerfGG 1953 ohne vorangegangene mündliche Verhandlung in nichtöffentlicher Sitzung getroffen werden.
Schlagworte
Rechtsanwälte, Disziplinarrecht Rechtsanwälte, Verwaltungsverfahren, BefangenheitEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B916.1998Dokumentnummer
JFT_09999387_98B00916_00