TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/4 2000/09/0011

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Veröffentlicht am 04.09.2003
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Index

61/01 Familienlastenausgleich;
72/09 Sozial- und Wirtschaftswissenschaftliche Studienrichtung;

Norm

FamLAG 1967 §2 Abs1 litb idF 1992/311;
StudienO Betriebswirtschaft 1984 §5 Abs1 lita Z1 sublitaa idF 1993/651;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Germ und die Hofräte Dr. Händschke, Dr. Blaschek, Dr. Rosenmayr und Dr. Bachler als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Lamprecht, über die Beschwerde des T in G, vertreten durch Dr. Candidus Cortolezis, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Hauptplatz 14, gegen den Bescheid der Schiedskommission beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen in Wien vom 4. November 1999, Zl. OB. 642-045651-024, betreffend Abweisung eines Antrages auf Halbwaisenrente, zu Recht erkannt:

Spruch

Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.

Der Bund hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 991,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen. Das Mehrbegehren wird abgewiesen.

Begründung

Mit einem mit 3. Jänner 1998 datierten und am 18. März 1998 eingelangtem Schreiben stellte der am 7. September 1972 geborene Beschwerdeführer an das Bundessozialamt Steiermark den Antrag auf Weiterbezug seiner Waisenrente ab November 1997 nach dem KOVG 1957 und schloss diesem Antrag eine allgemeine Bestätigung des Studienerfolges der Karl-Franzens-Universität vom 17. Dezember 1997 an.

Mit Bescheid des Bundessozialamtes Steiermark vom 21. Juni 1999 wurde der Antrag des Beschwerdeführers auf Gewährung der Halbwaisenrente für die Zeit ab dem 1. Oktober 1996 gemäß § 41 des Kriegsopferversorgungsgesetzes - KOVG 1957 abgewiesen. Diese Entscheidung wurde im Wesentlichen damit begründet, dass das Finanzamt Weiz für die Zeit ab dem 1. Oktober 1996 mangels Vorlage eines Studienerfolgsnachweises keine Familienbeihilfe geleistet habe.

Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer Berufung, in der er unter Vorlage von Bestätigungen der Karl-Franzens-Universität Graz ausführte, seit Juni 1997 Prüfungen in verschiedenen Lehrveranstaltungen über insgesamt 22 Wochenstunden bis einschließlich 4. Februar 1999 abgelegt zu haben und zusätzlich noch Vorprüfungen in den Fächern Allgemeine Betriebswirtschaftslehre, Englisch, Soziologie und Privatrecht abgelegt zu haben.

Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Berufung keine Folge gegeben und der erstinstanzliche Bescheid gemäß § 66 Abs. 4 AVG bestätigt. Der angefochtene Bescheid wurde damit begründet, dass der Antrag des Beschwerdeführers im März 1998 eingebracht worden sei und sich daraus gemäß § 52 Abs. 2 KOVG 1957 ein Entscheidungszeitraum ab 1. April 1998 ergebe. Aus der Studienzeitbestätigung der Karl-Franzens-Universität Graz vom 2. Juli 1999 sei ersichtlich, dass der Beschwerdeführer im Studium Betriebswirtschaft vom Wintersemester 1992/1993 bis zum Sommersemester 1999 bzw. im Studium Wirtschaftspädagogik vom Wintersemester 1994/1995 bis zum Sommersemester 1999 inskribiert gewesen sei. In der Allgemeinen Bestätigung des Studienerfolges vom 2. Juli 1999 schienen im Entscheidungszeitraum folgende Prüfungen mit je zwei Wochenstunden auf:

"Fremdsprache Englisch Vorprüfung

v. 16. April

1998

Note 4

Soziologie Vorprüfung

v. 9. Juni

1998

Note 3

Einführung in BANKING and FINANCE

v. 22. Jänner

1999

Note 5

Finanzwissenschaft

v. 26. Jänner

1999

Note 2

Öffentliches Recht u. Staatslehre

v. 26. Jänner

1999

Note 5

Finanzrecht

v. 4. Februar

1999

Note 6

 

(teilgenommen jedoch nicht
positiv beurteilt)"

Im Entscheidungszeitraum habe der Beschwerdeführer also nur eine Prüfung mit gutem Erfolg absolviert. Es könne daher nicht davon ausgegangen werden, dass ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 betrieben worden sei.

Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, den angefochtenen Bescheid aufzuheben.

Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, erstattete eine Gegenschrift und beantragte die kostenpflichtige Abweisung der Beschwerde.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

Ist der Tod die unmittelbare oder mittelbare Folge einer Dienstbeschädigung, die als Dienstbeschädigung nach dem Kriegsopferversorgungsgesetz 1957 - KOVG 1957, BGBl. Nr. 152, anerkannt war, und für die der Beschädigte bis zum Tod Anspruch auf Beschädigtenrente hatte, so wird nach den Bestimmungen der §§ 34 KOVG 1957 Hinterbliebenenrente gewährt.

§ 41 Abs. 1 des KOVG 1957 in der im Beschwerdefall maßgeblichen Fassung BGBl. I Nr. 139/1997 lautet:

"§ 41. (1) Die Waisenrente ist auf Antrag auch nach Vollendung des 18. Lebensjahres zu leisten, wenn die Waise

1. wegen wissenschaftlicher oder sonstiger regelmäßiger Schul- oder Berufsausbildung sich noch nicht selbst erhalten kann, bis zur ordnungsmäßigen Beendigung der Ausbildung, längstens jedoch bis zur Vollendung des 27. Lebensjahres. Waisen, die eine im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, gebührt die Rente nur dann, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992, betreiben;"

§ 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967, BGBl. Nr. 376, in der Fassung des Bundesgesetzes BGBl. Nr. 311/1992, lautet:

"§ 2. (1) Anspruch auf Familienbeihilfe haben Personen, die im Bundesgebiet einen Wohnsitz oder ihren gewöhnlichen Aufenthalt haben,

...

b) für volljährige Kinder, die das 27. Lebensjahr noch nicht vollendet haben und die für einen Beruf ausgebildet oder in einem erlernten Beruf in einer Fachschule fortgebildet werden, wenn ihnen durch den Schulbesuch die Ausübung ihres Berufes nicht möglich ist. Bei Kindern, die eine in § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992, BGBl. Nr. 305, genannte Einrichtung besuchen, ist eine Berufsausbildung nur dann anzunehmen, wenn sie ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betreiben. Das Studium wird ernsthaft und zielstrebig betrieben, wenn im ersten Studienabschnitt nach jedem Studienjahr die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen wird. Die Aufnahme als ordentlicher Hörer gilt als Anspruchsvoraussetzung für das erste Studienjahr. Die Erbringung des Studiennachweises ist Voraussetzung für den Anspruch ab dem zweiten und den folgenden Studienjahren des ersten Studienabschnittes. Der Nachweis ist erstmals zu Beginn des Studienjahres 1993/94 und unabhängig von einem Wechsel der Einrichtung oder des Studiums durch Bestätigungen der im § 3 des Studienförderungsgesetzes 1992 genannten Einrichtungen zu erbringen. Der Nachweiszeitraum wird durch eine vollständige Studienbehinderung infolge eines unvorhergesehenen oder unabwendbaren Ereignisses (zB Krankheit) oder ein nachgewiesenes Auslandsstudium verlängert. Eine Studienbehinderung von jeweils drei Monaten bewirkt dabei eine Verlängerung des Nachweiszeitraumes um ein Semester. Zeiten des Mutterschutzes sowie der Pflege und Erziehung eines eigenen Kindes bis zur Vollendung des zweiten Lebensjahres hemmen den Ablauf des Nachweiszeitraumes."

Nach der Aktenlage war dem Beschwerdeführer zuletzt vor der Stellung seines Antrages mit Bescheid des Bundesamtes für Soziales und Behindertenwesen Steiermark vom 4. Juli 1997 eine Waisenrente vom 1. Mai bis 30. September 1996 nach seinem am 19. Februar 1992 verstorbenen, anspruchsberechtigten Vater zuerkannt worden.

Gemäß § 51 Abs. 2 zweiter Satz KOVG 1957 tritt die Fälligkeit einer Hinterbliebenenrente frühestens mit dem auf die Antragstellung folgenden Monat ein, wenn der Anspruch erst nach Ablauf eines Jahres nach dem Sterbetag geltend gemacht wird (vgl. dazu das hg. Erkenntnis vom 18. Jänner 1990, Zl. 89/09/0070). Der belangten Behörde ist daher zunächst kein Vorwurf dahingehend zu machen, dass sie die Anspruchsberechtigung des Beschwerdeführers auf Hinterbliebenenrente nach dem KOVG 1957 angesichts des Umstandes, dass sein Antrag unbestritten erst am 18. März 1998 beim Bundesamt für Soziales und Behindertenwesen Steiermark eingelangt ist, erst für den Zeitraum ab 1. April 1998 prüfte.

Voraussetzung für den vom Beschwerdeführer geltend gemachten Anspruch auf Hinterbliebenenrente ist nach dem in § 41 Abs. 1 KOVG 1957 verwiesenen § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in seiner im Gesetz genannten maßgeblichen Fassung sohin, ob der - unbestritten im ersten Studienabschnitt befindliche - Beschwerdeführer in den in Betracht kommenden Studienjahren ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betrieb, also für die jeweils vorangegangenen Studienjahre die Ablegung einer Teilprüfung der ersten Diplomprüfung oder des ersten Rigorosums oder von Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern des betriebenen Studiums im Gesamtumfang von acht Semesterwochenstunden nachgewiesen hatte. Für die Berechtigung der Annahme, dass ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig betrieben wird, stellt das Gesetz in der genannten Fassung insofern eine gesetzliche Beweisregel auf, als für Studierende im ersten Studienabschnitt ab dem zweiten Studienjahr nach jedem Studienjahr (gemäß § 6 Abs. 1 zweiter Satz des Universitäts-Studiengesetzes, BGBl. I Nr. 48/1997, beginnt das Studienjahr am 1. Oktober und endet am 30. September des folgenden Jahres) die Ablegung bestimmter Prüfungen nachzuweisen ist. Diese gesetzliche Beweisregel schließt andere Beweismittel aus (vgl. das hg. Erkenntnis vom 18. März 1997, Zl. 96/14/0073, m.w.N.). Dies war anhand der für die vom Beschwerdeführer betriebenen Studien geltenden Studienvorschriften, nämlich nach der Studienordnung Betriebswirtschaft, BGBl. Nr. 173/1984 i.d.F. BGBl. Nr. 651/1993, und der Studienordnung Wirtschaftspädagogik, BGBl. Nr. 175/1984 i. d.F. BGBl. Nr. 822/1993, zu beurteilen.

In den Akten des Verwaltungsverfahrens liegen Bestätigungen des "Studienerfolges" der Karl Franzens Universität Graz vom 17. Dezember 1997, vom 27. Juli 1998 und vom 2. Juli 1999 ein. Da mit dem angefochtenen Bescheid der Anspruch des Beschwerdeführers nicht zeitlich beschränkt abgewiesen worden ist, müssen die Voraussetzungen dafür bis zum Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides gegeben sein, wobei die Prüfung der Tatbestandsvoraussetzungen jeweils für ein Studienjahr ausgehend vom positiven Erfolg im vorhergehenden Studienjahr zu erfolgen hat.

Ob der Beschwerdeführer sein Studium im Studienjahr 1997/1998 ernsthaft und zielstrebig im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 betrieb, hängt daher davon ab, ob er für das vorangegangene Studienjahr 1996/1997 dieser Gesetzesstelle entsprechende Nachweise erbracht hatte. Dies war an Hand der in den Akten des Verwaltungsverfahrens einliegenden Nachweise des Studienerfolges jedoch zu verneinen. Für das Studienjahr 1996/1997 hatte der Beschwerdeführer nämlich keinen entsprechenden - für die Beurteilung des Studienjahres 1997/1998 maßgeblichen - Nachweis erbracht, weil es sich bei der am 26. November 1997 im Rahmen seines Studiums aus Wirtschaftspädagogik erfolgten Ablegung der Prüfung aus Privatrecht nur um eine Vorprüfung, nicht aber um eine Teilprüfung der ersten Diplomprüfung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der anzuwendenden Fassung (vgl. § 5 Abs. 1 lit. b Z. 2 der Studienordnung Wirtschaftspädagogik, BGBl. Nr. 175/1984) handelte. Nach der vom Beschwerdeführer vorgelegten Bestätigung des Studienerfolges umfassen seine dem Studienjahr 1996/1997 zuzuordnenden Prüfungen aus Pflicht- oder Wahlfächern auch nicht das Ausmaß von acht Semesterwochenstunden. Im Ergebnis kann der belangten Behörde daher hinsichtlich des Studienjahres 1997/1998 nicht entgegen getreten werden, wenn sie im Grunde des § 2 Abs. 1 lit. b zweiter Satz Familienlastenausgleichsgesetz 1967 in der anzuwendenden Fassung auf Grund des Studienerfolgs für 1996/1997 davon ausging, dass der Beschwerdeführer im Studienjahr 1997/1998 sein Studium nicht hinreichend ernsthaft und zielstrebig betrieb.

Ein anderes Bild ergibt jedoch die auf Grundlage der Leistungen des Studienjahres 1997/1998 vorzunehmende Einschätzung des Studienjahres 1998/1999. Am 30. September 1998 hat der Beschwerdeführer nach der von ihm vorgelegten allgemeinen Bestätigung des Studienerfolges der Karl Franzens Universität Graz die Teilprüfung der Diplomprüfung aus "Allgemeine Betriebswirtschaftslehre" in der Studienrichtung Betriebswirtschaft bestanden. Angesichts des § 5 Abs. 1 lit. a Z. 1 sublit. aa der angeführten Studienordnung Betriebswirtschaft handelt es sich dabei um die Teilprüfung der ersten Diplomprüfung aus "Grundzüge der Betriebswirtschaftslehre einschließlich Datenverarbeitung". Dieses Fach stellt nach der angeführten Vorschrift der Studienordnung Betriebswirtschaft ein Diplomprüfungsfach dar. Die Prüfung wäre sohin - wie auch aus der vorgelegten Bestätigung hervorgeht - als eine Teilprüfung zur ersten Diplomprüfung im Sinne des § 2 Abs. 1 lit. b des Familienlastenausgleichsgesetzes 1967 in der anzuwendenden Fassung zu werten. Damit hätte der Beschwerdeführer für das Studienjahr 1998/1999 bis einschließlich September 1999 aber den Nachweis, ein ordentliches Studium ernsthaft und zielstrebig zu betreiben, erbracht. Die belangte Behörde ist aber offenbar ausgehend von einer unrichtigen Rechtsauffassung auf diesen Aspekt gar nicht eingegangen, sondern hat den Anspruch des Beschwerdeführers generell verneint.

Im Studienjahr 1999/2000 hatte der am 7. September 1972 geborene Beschwerdeführer bereits sein 27. Lebensjahr vollendet, für dieses Studienjahr stand ihm daher schon im Hinblick darauf, dass die Waisenrente gemäß § 41 Abs. 1 Z. 1 KOVG 1957 längstens bis zur Vollendung dieses Lebensjahres zu gewähren ist, eine solche nicht zu.

Nach dem Gesagten war der angefochtene Bescheid, weil die belangte Behörde Feststellungen unterlassen hat und daher zu einem rechtswidrigen Ergebnis gekommen ist, gemäß § 42 Abs. 2 Z. 1 VwGG aufzuheben.

Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003, BGBl. II Nr. 333. Das Mehrbegehren war im Hinblick darauf abzuweisen, dass die Entrichtung von Mehrwertsteuer außerhalb der Pauschalgebühr vom Gesetz nicht vorgesehen ist und der Beschwerdeführer gemäß § 64 Abs. 2 KOVG 1957 von der Entrichtung der Gebühr nach § 24 Abs. 2 VwGG befreit war.

Wien, am 4. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2000090011.X00

Im RIS seit

23.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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