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41/02 Staatsbürgerschaft;Norm
StbG 1985 §10 Abs5 Z3 idF 1998/I/124;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Berger als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des T in N, vertreten durch Dr. Wolfgang Vacarescu, Rechtsanwalt in 8010 Graz, Jakominiplatz 16/II, gegen den Bescheid der Steiermärkischen Landesregierung vom 2. April 2002, Zl. 2-11.V/206-2001, betreffend Verleihung der Staatsbürgerschaft und Erstreckung derselben, zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit des Inhaltes aufgehoben.
Das Land Steiermark hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.171,20 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Mit dem angefochtenen Bescheid wies die belangte Behörde den Antrag des Beschwerdeführers auf Verleihung der Staatsbürgerschaft und auf Erstreckung der Verleihung auf seine Ehefrau sowie auf das - am 6. Jänner 1994 in Österreich geborene - gemeinsame Kind gemäß §§ 10 Abs. 1, 11, 16, 17 Abs. 1 iVm § 39 des Staatbürgerschaftsgesetzes 1985 (StbG) "i.d.g.F.," ab.
Begründend stellte sie fest, der Beschwerdeführer, ein vietnamesischer Staatsangehöriger, habe seinen Wohnsitz seit 14. August 1991 in Österreich und sei seit 5. Juli 2000 beim selben Unternehmen beschäftigt. Der Beschwerdeführer sei Asylwerber; er und seine Ehefrau (Erstreckungswerberin) "verfügen über eine Bescheinigung über die vorläufige Aufenthaltsberechtigung, ausgestellt vom Bundesasylamt, Außenstelle Graz". Das Asylverfahren sei noch nicht abgeschlossen.
In der weiteren Begründung des angefochtenen Bescheides gab die belangte Behörde eine Stellungnahme des Beschwerdeführers zu den Ermittlungsergebnissen wieder und fasste die einschlägige Rechtslage zusammen. In rechtlicher Hinsicht vertrat sie - ausgehend von einer vorläufigen Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem Asylgesetz 1997 (AsylG) und einem erlaubten Zugang zum Arbeitsmarkt - die Meinung, ein gefestigter Aufenthalt des Beschwerdeführers in Österreich liege nicht vor. Schon "formalrechtlich" könne nicht davon ausgegangen werden, dass der Beschwerdeführer jenes Ausmaß der Integration erreicht habe, dass auch die öffentlichen Interessen gewahrt wären. Der Status des Beschwerdeführers könne mit einem "schwebenden Zustand" verglichen werden, weil grundsätzlich davon auszugehen sei, dass sein Asylantrag von der zur Entscheidung berufenen Behörde letztlich negativ beschieden werden könnte, wodurch nach Rechtskraft dieser Entscheidung das "schwebende Aufenthaltsrecht" in dieser Form beendet würde. Die Absicht des Beschwerdeführers, in Österreich bleiben zu wollen, werde zwar durch den bisherigen Aufenthalt dokumentiert. Trotzdem könne nur von einem "geduldeten Aufenthaltsrecht" gesprochen werden, solange über ein "tatsächliches Aufenthaltsrecht" nicht endgültig abgesprochen und entschieden worden sei. Damit sei "formell festgelegt", dass die Frage des Ausmaßes der Integration des Beschwerdeführers erst dann beantwortet werden könne, wenn das "geduldete" Aufenthaltsrecht durch eine definitive Entscheidung über das Aufenthaltsrecht abgelöst werde. Nachdem ein gefestigtes Aufenthaltsrecht nicht vorliege, sei auch das vom Gesetzgeber geforderte Ausmaß der Integration des Beschwerdeführers nicht gegeben, weil er "derzeit nur über ein automatisches, vorläufiges (vorübergehendes) Aufenthaltsrecht (ein geduldetes Aufenthaltsrecht bis zur vollziehbaren Entscheidung der Frage der Flüchtlingseigenschaft) verfügt". Der Antrag des Beschwerdeführers sei aus diesem Grund abzuweisen gewesen. Die Abweisung der Erstreckungsanträge ergebe sich aus dem Umstand, dass eine Erstreckung nur gleichzeitig mit der Verleihung der Staatsbürgerschaft und nur mit dem selben Erwerbszeitpunkt verfügt werden dürfe.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde, zu der die belangte Behörde eine Gegenschrift erstattete, hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde ging beim Beschwerdeführer vom Vorliegen sämtlicher Verleihungsvoraussetzungen gemäß § 10 StbG aus, übte jedoch das Ermessen gemäß § 11 StbG zu Lasten des Beschwerdeführers, weil er wegen seiner "nur" vorläufigen Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG "schon formalrechtlich" nicht das erforderliche Ausmaß der Integration erreicht habe. Die Integration hänge von einem "definitiven Niederlassungsrecht" ab.
Dieser Auffassung hält der Beschwerdeführer in seiner Beschwerde entgegen, dass das Vorliegen der gemäß § 11 StbG zu beurteilenden Integration - ungeachtet anderer integrationsbegründender Umstände - nicht schon deshalb verneint werden dürfe, weil der Beschwerdeführer "lediglich" über eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG verfüge. Mit dieser Ansicht ist der Beschwerdeführer aus folgenden Gründen im Recht:
Gemäß § 11 StbG hat sich die Behörde unter Bedachtnahme auf das Gesamtverhalten des Fremden bei der Ausübung des ihr in § 10 eingeräumten freien Ermessens von Rücksichten auf das allgemeine Wohl, die öffentlichen Interessen und das Ausmaß der Integration des Fremden leiten zu lassen.
Der Verwaltungsgerichtshof hat im Erkenntnis vom 25. März 2003, Zl. 2001/01/0515, konfrontiert mit der Rechtsansicht der belangten Behörde, eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG könne zu keiner nachhaltigen persönlichen Integration nach § 10 Abs. 5 Z 3 StbG führen, weil in einem solchen Fall der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Staatbürgerschaftswerbers naturgemäß nicht im Bundesgebiet liegen könne, ausgeführt, dass eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG einer nachhaltigen persönlichen Integration nicht entgegenstehe, und dass die Schlussfolgerung der belangten Behörde, wegen der vorläufigen Aufenthaltsberechtigung könne der Mittelpunkt der Lebensinteressen des Staatsbürgerschaftswerbers naturgemäß nicht im Bundesgebiet liegen, der Feststellung eines ununterbrochenen Hauptwohnsitzes im Bundesgebiet, der einen solcher Mittelpunkt seiner Interessen im Bundesgebiet begrifflich voraussetzt, widerstreitet. Auf die nähere Begründung dieses Erkenntnisses wird gemäß § 43 Abs. 2 VwGG verwiesen.
Ist aber eine vorläufige Aufenthaltsberechtigung nach dem AsylG kein Ausschlussgrund für die nachhaltige persönliche Integration eines Staatsbürgerschaftswerbers, muss dies umso mehr für die gemäß § 11 StbG zu beurteilende - einfache - Integration gelten, weil für deren Vorliegen ein geringeres Ausmaß an Eingliederung durch den Fremden erforderlich ist.
Im vorliegenden Fall hat die belangte Behörde entgegen dieser Rechtslage nicht auf das Vorliegen der festgestellten integrationsbegründenden Umstände (Familie in Österreich, Geburt des gemeinsamen Kindes in Österreich, etwa zweijähriges durchgehendes Arbeitsverhältnis) Bedacht genommen, sondern die vorläufige Aufenthaltsberechtigung des Beschwerdeführers nach dem AsylG als Integrationshindernis allein tragend für die abweisende Entscheidung heran gezogen.
Der angefochtene Bescheid ist nach dem Gesagten inhaltlich rechtswidrig und war gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG - unter Absehen von einer Verhandlung gemäß § 39 Abs. 2 Z 4 VwGG - aufzuheben.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003.
Wien, am 9. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010185.X00Im RIS seit
10.10.2003