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L10014 Gemeindeordnung Gemeindeaufsicht GemeindehaushaltNorm
B-VG Art117 Abs5;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des K in W, vertreten durch Dr. Benno Wageneder, Rechtsanwalt in 4910 Ried/Innkreis, Adalbert-Stifter-Straße 16, gegen den Bescheid der Oberösterreichischen Landesregierung vom 5. März 2001, Zl. Gem- 130261/10-2001-Ra/Dr, betreffend Verlustigerklärung eines Mandates als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen der Marktgemeinde H (mitbeteiligte Partei: Marktgemeinde H, vertreten durch den Bürgermeister), zu Recht erkannt:
Spruch
Der angefochtene Bescheid wird wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes aufgehoben.
Das Land Oberösterreich hat dem Beschwerdeführer Aufwendungen in der Höhe von EUR 1.172,68 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Nach dem unbestrittenen Beschwerdevorbringen - auch der angefochtene Bescheid geht davon aus - kandidierte der Beschwerdeführer bei der am 5. Oktober 1997 stattgefundenen Wahl zum Gemeinderat der Marktgemeinde H. auf der Parteiliste der ÖVP. Nach der Wahl wurde er als Mitglied des Gemeinderates angelobt und in der Gemeinderatssitzung vom 17. Oktober 1997 zum Mitglied des Gemeindevorstandes und am 5. November 1997 zum Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen gewählt. In der Folge beendete der Beschwerdeführer seine Mitgliedschaft zur ÖVP Oberösterreich, was die Marktgemeinde H. mit Schreiben vom 27. Juni 2000 der belangten Behörde mitteilte. Auch die Landesparteileitung der ÖVP Oberösterreich gab diesen Umstand mit Schreiben vom 15. Jänner 2001 der belangten Behörde bekannt.
Mit dem angefochtenen Bescheid wurde der Beschwerdeführer seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes und als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen der Gemeinde H. für verlustig erklärt. In der Begründung wurden die (unten dargestellten) von der belangten Behörde herangezogenen Bestimmungen der Oberösterreichischen Gemeindeordnung 1990 (GemO) genannt und der eingangs wiedergegebene Sachverhalt dargelegt. In rechtlicher Hinsicht vertrat die belangte Behörde zusammengefasst die Ansicht, der Beschwerdeführer habe die Wählbarkeit in den Gemeindevorstand und als Mitglied eines Ausschusses verloren, weil er aus der ÖVP ausgetreten sei. In die genannten Gremien seien nämlich nur Mitglieder des Gemeinderates wählbar, die einer im Gemeinderat vertretenen Wahlpartei angehörten. Der Beschwerdeführer sei aus der ÖVP ausgetreten. Bei dieser "Sach- und Rechtslage war somit der Verlust des Mandates im Gemeindevorstand und im Ausschuss für örtliche Umweltfragen auszusprechen".
Der Beschwerdeführer hat gegen diesen Bescheid, soweit er ihn seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes für verlustig erklärt hat, Beschwerde beim Verfassungsgerichtshof erhoben, der den Bescheid mit Erkenntnis vom 7. März 2002, W II-1/01-6, im angefochtenen Umfang aufgehoben hat.
Mit der vorliegenden Beschwerde bekämpft der Beschwerdeführer den genannten Bescheid insoweit, als mit diesem der Beschwerdeführer des Mandats als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen verlustig erklärt worden ist.
Über diese Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die im Beschwerdefall maßgeblichen Bestimmungen der GemO in der hier anzuwendenden (Stamm-)Fassung LGBl. Nr. 91/1990 lauten:
"§ 23
Mandatsverlust
...
(2) Den Verlust des Mandates hat die Landesregierung in einem von Amts wegen abzuführenden Verfahren mit Bescheid auszusprechen...
...
§ 28
Passives Wahlrecht in den Gemeindevorstand
(1) Soweit gesetzlich nichts anderes bestimmt ist, können zu Mitgliedern des Gemeindevorstandes nur Mitglieder des Gemeinderates gewählt werden, die
a) einer Wahlpartei angehören...
§ 30
Erledigung des Mandates eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes
(1) Das Mandat eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes wird erledigt:
a)
durch Mandatsverzicht (Abs. 2);
b)
durch Mandatsverlust (Abs. 3).
...
(3) Ein Mitglied des Gemeindevorstandes wird seines Mandates verlustig:
...
b) wenn bei ihm ein Umstand eintritt, der seine Wählbarkeit in den Gemeindevorstand gehindert hätte, oder wenn ein solcher Umstand nachträglich bekannt wird;
...
(4) Der Verlust des Mandates tritt im Falle des Abs. 3 lit. a von Gesetzes wegen ein. In den Fällen des Abs. 3 lit. b bis d gilt § 23 Abs. 2 sinngemäß.
(5) Das Mandat als Mitglied des Gemeinderates wird durch die Erledigung des Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes - ausgenommen den Fall des Abs. 3 lit. a - nicht berührt.
§ 33
Wahlen in Ausschüsse und in Organe außerhalb der Gemeinde (1)... Im übrigen sind für die Wahl der Mitglieder
(Ersatzmitglieder) der Ausschüsse die Bestimmungen über die Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes sinngemäß anzuwenden, sofern der Gemeinderat nicht einstimmig etwas anderes beschließt.
...
(3) Jeder Ausschuß wählt aus seiner Mitte den Obmann und den Obmann-Stellvertreter, sofern nicht der Gemeinderat selbst den Obmann und den Obmann-Stellvertreter gewählt hat.
...
(8) Für die Erledigung des Mandates eines Mitgliedes (Ersatzmitgliedes) eines Ausschusses gelten die Bestimmungen des § 30 ... sinngemäß."
Nach der dargestellten Rechtslage bestehen für die - hier allein verfahrensgegenständliche - Verlustigerklärung des Mandates eines Mitgliedes eines Ausschusses dieselben Voraussetzungen wie für die Verlustigerklärung des Mandates eines Mitgliedes des Gemeindevorstandes. Zu Letzterem führte der Verfassungsgerichtshof im zitierten Erkenntnis vom 7. März 2002 im Hinblick auf die von der belangten Behörde im angefochtenen Bescheid angenommene und dessen Ergebnis tragende Gleichsetzung des Begriffes der politischen Partei mit dem Begriff der Wahlpartei im Sinne des § 28 Abs. 1 lit. a GemO Folgendes aus:
"Der Anfechtungswerber (das ist der Beschwerdeführer im vorliegenden Verfahren) steht nun zusammengefasst auf dem Standpunkt, dass die Beendigung seiner Mitgliedschaft zur ÖVP Oberösterreich kein Umstand iSd § 30 Abs 3 lit b GemO sei; die belangte Behörde verwechsle vielmehr die Begriffe 'politische Partei' und 'Wahlpartei'. Die Oberösterreichische Landesregierung wieder vertritt - in ihrer Gegenschrift - die Auffassung, dass unter dem vom Gesetzgeber in § 28 Abs 1 GemO verwendeten Wort 'Wahlpartei' die 'politische Partei' zu verstehen sei und durch den Austritt des Anfechtungswerbers aus der - wie die Oberösterreichische Landesregierung formuliert - 'Wahlpartei ÖVP' somit ein Umstand eingetreten sei, der die ursprüngliche Wählbarkeit in den Gemeindevorstand gehindert hätte, weshalb er seiner Funktion im Gemeindevorstand verlustig erklärt werden musste.
2.2.2.2. Der Anfechtungswerber ist aus den folgenden Erwägungen im Recht:
In seinem Erkenntnis VfSlg. 13.643/1993 führte der Verfassungsgerichtshof zu Art. 117 Abs. 5 B-VG (über die Bestellung des Gemeindevorstandes) aus:
'Art. 117 Abs 5 B-VG spricht von '(i)m Gemeinderat vertretene(n) Wahlparteien'. Wenn auch die 'wahlwerbenden Parteien' im strengen Sinn im Zeitpunkt der Bestellung des Gemeindevorstandes nicht mehr existieren (müssen), so deutet der Ausdruck 'Wahlpartei' doch unmissverständlich darauf hin, dass es sich hier nicht um beliebig zusammengestellte Fraktionen handelt, sondern um Personengruppen, die im engen Zusammenhang mit einer wahlwerbenden Partei stehen, und zwar einer Partei, die auf Grund des Wahlergebnisses in den Gemeinderat einzog. Demgemäß stellt die Vorschrift des Art. 117 Abs 5 B-VG auf die letzte Gemeinderatswahl ab (Putschögl, Wahl der Mitglieder des Gemeindevorstandes (des Bürgermeisters) und der Gemeinderatsausschüsse, in:
Fröhler/Oberndorfer, Das österreichische Gemeinderecht,
3.6 (1982) 15: 'die aus demselben Wahlvorschlag für gewählt erklärten Gemeinderatsmitglieder'); sie hat den Zweck, dem Wähler bei der Gemeinderatswahl mittelbar auch einen Einfluss auf die Zusammensetzung des Gemeindevorstandes einzuräumen. Die Gemeindevorstandssitze dürfen danach nur auf jene im Gemeinderat vertretenen Parteien aufgeteilt werden, die als solche aus der Gemeinderatswahl hervorgegangen sind, und nur nach Maßgabe ihrer bei der Gemeinderatswahl erreichten Stärke. Daraus folgt nicht nur, dass zwei oder mehrere Fraktionen sich insoweit nicht zu einer neuen, gelegentlichen Wahlpartei zusammenschließen dürfen, sondern zugleich auch, dass sie nicht gespalten oder verkleinert werden können, weil die Zugehörigkeit zu einer derartigen Wahlpartei nicht von (späteren) Willenserklärungen abhängt, sondern sich von der Kandidatur auf derselben Liste ableitet.'
Angesichts dessen ist es von Verfassungs wegen ausgeschlossen, den Begriff der 'Wahlpartei' iSd § 28 Abs. 1 lit a GemO mit dem Begriff der 'politischen Partei' gleichzusetzen, wovon die belangte Behörde aber ausgeht. Sie legte daher dem im vorliegenden Fall herangezogenen Verlusttatbestand des § 30 Abs 3 lit b GemO einen verfassungswidrigen Inhalt bei. Wenn - nach dem oben zitierten Erkenntnis - die Zugehörigkeit zu einer derartigen Wahlpartei nicht von (späteren) Willenserklärungen abhängt, sondern sich von der Kandidatur auf der(selben) Liste ableitet, dann widerspricht dem jedenfalls eine Auslegung der in Rede stehenden Bestimmung, wonach der Austritt aus einer 'politischen Partei' für den Betreffenden den Verlust seines Mandates im Gemeindevorstand zur Folge hat.
Somit unterstellte die belangte Behörde dem (verfassungskonform auslegbaren) Verlusttatbestand des § 30 Abs. 3 lit. b GemO einen verfassungswidrigen - weil gegen Art. 117 Abs. 5 B-VG verstoßenden - Inhalt.
2.2.3. Aus diesen Gründen war der Anfechtung Folge zu geben und der Bescheid, soweit er den Anfechter seines Mandates als Mitglied des Gemeindevorstandes der Gemeinde H. verlustig erklärt, aufzuheben."
Der Verwaltungsgerichtshof schließt sich dieser Beurteilung durch den Verfassungsgerichtshof an. In Anbetracht der gemäß § 33 Abs. 8 GemO für die Erledigung des Mandates eines Mitgliedes eines Ausschusses gleichen Voraussetzungen wie für die Erledigung des Mandates eines Gemeindevorstandes ergibt sich für die im Beschwerdefall zu lösende Rechtsfrage, dass die belangte Behörde im Hinblick auf das Mandat des Beschwerdeführers als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen zu Unrecht das Vorliegen eines Verlusttatbestandes angenommen hat. Eine Verlustigerklärung dieses Mandates wegen des Austrittes des Beschwerdeführers aus der "politischen Partei" ÖVP entspricht nicht der dargestellten Rechtslage, weil die "politische Partei" nicht der in Rede stehenden "Wahlpartei" gleich zu setzen ist.
Indem die belangte Behörde dies verkannt hat, hat sie den angefochtenen Bescheid mit Rechtswidrigkeit des Inhaltes belastet, weshalb dieser gemäß § 42 Abs. 2 Z 1 VwGG aufzuheben war.
Bei diesem Ergebnis kann dahin stehen, ob - wie der Beschwerdeführer meint - er dem Spruch des angefochtenen Bescheides folgend lediglich als Obmann des Ausschusses für örtliche Umweltfragen abberufen worden sei, oder ob damit die Mitgliedschaft im genannten Ausschuss, wie sich aus der Bescheidbegründung deutlich ergibt, beendet werden sollte.
Die Entscheidung über den Aufwandersatz beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Die im Betrag von S 2.500,-- angefallene Gebühr nach § 24 Abs. 3 VwGG war im Betrag von EUR 181,68 zuzusprechen.
Wien, am 9. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2001010195.X00Im RIS seit
13.10.2003Zuletzt aktualisiert am
07.10.2008