Index
40/01 Verwaltungsverfahren;Norm
AVG §56;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Höß und die Hofräte Dr. Nowakowski, Dr. Pelant, Dr. Köller und Dr. Thoma als Richter, im Beisein der Schriftführerin Dr. Stieger, über die Beschwerde des E, Rechtsanwalt in Wien, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. Juli 2002, Zl. SD 52/02, betreffend Zurückweisung einer Berufung als unzulässig, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
Dem von der belangten Behörde vorgelegten Verwaltungsakt bzw. dem Inhalt von drei mit der Beschwerde vorgelegten Telefax-Nachrichten ist der nachstehend dargestellte - unbestrittene - Sachverhalt zu entnehmen. Danach übermittelte der Beschwerdeführer am 26. Oktober 2001 um 21.29 Uhr der Bundespolizeidirektion Wien ein Telefax mit folgendem Inhalt:
"Ich vertrete Herrn A. und wollte meinen Mandanten heute gegen 21.00 Uhr im PGH Rossauer Lände besuchen. Dabei wurde mir von den diensthabenden Beamten mitgeteilt, dass laut einer Weisung vom heutigen Tag ein Besuch nicht erlaubt sei und ich mich zwecks genauerer Begründung an Herrn Dr. F., Tel... wenden möge.
Herr Dr. F. hat mir gegenüber bestätigt, dass eine Besprechung mit meinem Mandanten nicht möglich sei, dies mit einem Hinweis auf die geltenden Besuchszeiten begründet und es abgelehnt, mir eine schriftliche Bestätigung dieser Auskunft samt Begründung zukommen zu lassen. In einem weiteren Telefonat wurde diese Mitteilung - laut Angaben Dris F. nach Rücksprache mit dem Bundesministerium für Inneres - bestätigt.
Ich erachte mich durch diese Vorgangsweise in der Ausübung meines Berufes behindert und ersuche um Bekanntgabe der Gründe, aus denen mir eine Besprechung mit meinem Mandanten verwehrt wird."
Am selben Abend erhielt der Beschwerdeführer von der Bundespolizeidirektion Wien ein von Dr. F gezeichnetes Telefax, in dem es heißt:
"Bezugnehmend auf ihr Schreiben vom 26.10.2001 wird mitgeteilt, dass eine Ausnahme von den Besuchzeiten mangels Begründung nicht gewährt wurde. Eine Antragstellung ist, wie telefonisch besprochen wurde, jederzeit möglich. Eine Besuchserlaubnis wird bei entsprechender Begründung auch erteilt werden."
Als Reaktion auf diese Nachricht teilte der Beschwerdeführer - ebenfalls noch am selben Abend und mittels Telekopie - der Bundespolizeidirektion Wien mit, er benötige seines Erachtens keine Besuchserlaubnis für eine Besprechung mit seinem Mandanten; dieser müsste einen Verfahrenshilfeantrag unterfertigen. Er beantrage daher, "im Sinne ihrer Auskunft mit dieser Begründung, mir eine Besprechung zu genehmigen..."
In der Folge erhob der Beschwerdeführer mit Schriftsatz vom 9. November 2001 Berufung an die Bundespolizeidirektion Wien, in der er zunächst den wesentlichen Inhalt der eben zitierten Telefax-Nachrichten wiedergab und dann die Ansicht vertrat, das Telefax der Bundespolizeidirektion Wien sei als Bescheid zu werten; dagegen richte sich seine Berufung. In der Begründung der Berufung verwies der Beschwerdeführer auf § 21 Abs. 3 Anhalteordnung (AnhO), wonach Besuche von Rechtsbeiständen jederzeit empfangen werden dürften. Für den Besuch eines Rechtsbeistandes sei weder eine Ausnahme von den Besuchszeiten noch eine gesonderte Begründung erforderlich. Daher sei auch der von der Bundespolizeidirektion Wien im genannten Telefax erteilte Auftrag, eine Antragstellung durchzuführen, rechtswidrig. Der Vollständigkeit halber sei zu erwähnen, dass dem Beschwerdeführer ein Besuch am Vormittag des 26. Oktober 2001 ohne jegliche Schwierigkeiten, insbesondere ohne Antragstellung und ohne Begründung, gewährt worden sei.
Nach Zurückweisung dieser Berufung mit Berufungsvorentscheidung der Bundespolizeidirektion Wien wies die belangte Behörde auf Grund eines Vorlageantrages des Beschwerdeführers "die Berufung vom 9. 11. 2001 gegen die Telefax-Mitteilung der Bundespolizeidirektion Wien vom 26.10.2001 betreffend Vornahme eines Besuchs von Herrn A. im Polizeianhaltezentrum durch Rechtsanwalt (Beschwerdeführer) ... gemäß § 66 Abs. 4 AVG und 21 Anhalteordnung als unzulässig" zurück.
Begründend stellte die belangte Behörde nach Wiedergabe des Verwaltungsgeschehens allgemeine Überlegungen zur Frage an, in welchen Fällen einem Akt Bescheidqualität zukomme. Zum Beschwerdefall vertrat die belangte Behörde die Auffassung, die erstinstanzliche Behörde habe nicht die Absicht gehabt, mit dem vom Beschwerdeführer als Bescheid gewerteten Telefax vom 26. Oktober 2001 "hoheitliche Gewalt" zu üben, sondern habe damit lediglich eine Belehrung dahingehend zusammengefasst, dass eine Antragstellung zum Zwecke der Erwirkung eines Besuchsrechtes (einer Besuchserlaubnis) jederzeit möglich sei und bei entsprechender Begründung auch erteilt würde. Die Äußerung der erstinstanzlichen Behörde, dass eine Ausnahme von den Besuchszeiten mangels Begründung nicht gewährt worden sei, habe sich auf ein offenbar zuvor geführtes Telefongespräch des Beschwerdeführers mit Organen der erstinstanzlichen Behörde, auf das die vorliegende Berufung nicht gerichtet sei, bezogen. Darüber hinaus fehle dem Beschwerdeführer jegliche Rechtsmittellegitimation. Gemäß § 21 Abs. 1 AnhO dürfe das Recht der Häftlinge, Besuche zu empfangen, nicht über das durch die Hausordnung festgelegte Maß hinaus beschränkt werden. Aus dieser Formulierung lasse sich ableiten, dass es sich bei diesem Recht um ein (ausschließliches) Recht des Angehaltenen handle. Der Beschwerdeführer, der einen Angehaltenen habe besuchen wollen, sei daher schon allein aus diesem Grund zur Einbringung eines Rechtsmittels gegen die vorliegende "Mitteilung" nicht legitimiert.
Über die gegen diesen Bescheid erhobene Beschwerde hat der Verwaltungsgerichtshof erwogen:
Die belangte Behörde begründete die Zurückweisung der Berufung des Beschwerdeführers in erster Linie mit dem Argument, das Telefax der erstinstanzlichen Behörde vom 26. Oktober 2001 sei kein Bescheid.
Nach der Rechtsprechung der Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts ist unter einem Bescheid jede Erledigung einer Verwaltungsbehörde zu verstehen, mit der ein individuelles Rechtsverhältnis gestaltet oder festgestellt wird, ob sie nun in Form eines Bescheides nach § 56 AVG ergeht oder nicht. Ein Verwaltungsakt ist dann ein Bescheid, wenn er gegenüber individuell bestimmten Personen eine Verwaltungsangelegenheit in einer der Rechtskraft fähigen Weise normativ regelt, wenn er also für den Einzelfall bindend die Gestaltung oder Feststellung von Rechtsverhältnissen zum Inhalt hat. Dem Bescheidbegriff wesentlich ist, dass sich der normative Abspruch auf konkrete Rechte und Rechtsverhältnisse bestimmter Personen (der Parteien des Verfahrens) bezieht. Ob eine Erledigung ein Bescheid ist, bestimmt sich nach ihrem Inhalt, aus dem sich in eindeutiger Weise ergeben muss, dass die Behörde mit dieser Erledigung entweder bestehende Rechtsverhältnisse feststellt oder aber neue Rechtsverhältnisse begründet. Aus dem Inhalt der Erledigung muss demnach der Bescheidwille erkennbar sein (vgl. das Erkenntnis vom 13. September 2001, Zl. 2001/12/0134, und die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2, zu § 56 AVG, Rz 7 ff, und bei Mayer, Bundes-Verfassungsrecht3, 451, wiedergegebene Rechtsprechung).
Im Hinblick auf die äußere Form der zu beurteilenden Telekopie (eine Behörde ist als Absender bezeichnet, ein Empfänger ist genannt und eine Unterschrift ist gesetzt worden) kann ihr - trotz der fehlenden Bezeichnung als Bescheid - nicht schon deswegen die Bescheidqualität abgesprochen werden (vgl. § 58 AVG).
Inhaltlich ergibt sich zunächst aus dem ersten Satz des - nicht näher gegliederten - Textes die Aussage, dass dem Beschwerdeführer kein Besuch außerhalb der Besuchszeiten gewährt worden sei, weil er ein solches Anliegen nicht begründet habe. Der Beschwerdeführer selbst beurteilt diesen Satz in seiner Beschwerde dahin, dass damit "(auch schriftlich) bestätigt (wurde), dass eine Ausnahme von den Besuchzeiten mangels Begründung nicht gewährt wurde" und spricht von einer "Mitteilung". Auch die Wendung "wird mitgeteilt" deutet darauf hin, dass die Behörde durch das Schreiben keine Bindung erzeugen wollte (vgl. den Beschluss des Verfassungsgerichtshofes vom 27. November 1986, VfSlg 11.094). Tatsächlich beschrieb die Behörde mit diesem Satz einen in der Vergangenheit gelegenen Vorgang, ohne dass daraus der Wille der Behörde hervorging, über ein Recht bzw. ein Rechtsverhältnis des Beschwerdeführers abzusprechen. Dabei kann dahin stehen, ob die Verweigerung eines Besuches in einem Polizeigefangenenhaus - wie der Beschwerdeführer in diesem Zusammenhang in der Beschwerde meint - einen Hoheitsakt darstellt, weil weder dieser Akt selbst noch eine später telefonisch erfragte Bestätigung dieses Vorgangs, sondern die in Rede stehende Telefax-Nachricht zu beurteilen ist.
Sieht der Beschwerdeführer im weiteren Text des in Rede stehenden Telefaxes ("Eine Antragstellung ist, wie telefonisch besprochen wurde, jederzeit möglich. Eine Besuchserlaubnis wird bei entsprechender Begründung auch erteilt werden.") eine Aufforderung der Behörde zu einem bestimmten Verhalten, nämlich zur Stellung eines begründeten Antrages zwecks Mandantenbesuches, was dem Telefax Bescheidcharakter verleihe, kann einem solchen normativen Verständnis der beiden Sätze nicht beigetreten werden. Schon nach ihrem Wortlaut treffen sie keine die Rechte des Beschwerdeführers berührende Anordnung, sondern enthalten lediglich eine Rechtsbelehrung und haben damit informativen Charakter. Es ist offensichtlich, dass die Behörde den Beschwerdeführer dadurch nicht zur Antragstellung verhalten wollte.
Aus dem Gesagten folgt, dass die belangte Behörde den Bescheidcharakter des Telefax der Bundespolizeidirektion Wien vom 26. Oktober 2001 wegen des Fehlens eines zum Ausdruck kommenden Bescheidwillens ohne Rechtsirrtum verneint und die dagegen vom Beschwerdeführer erhobene Berufung zutreffend als unzulässig zurückgewiesen hat. Bei diesem Ergebnis kann dahin stehen, ob der Beschwerdeführer überhaupt in einem subjektiven Recht verletzt werden konnte.
Soweit der Beschwerdeführer schließlich damit argumentiert, der angefochtene Bescheid widerspreche einem seinen Mandanten betreffenden Bescheid der belangten Behörde, führt er nicht näher aus, inwiefern dieser Umstand für den Beschwerdefall von Bedeutung sein könnte, weshalb auf dieses Argument nicht einzugehen war.
Insgesamt ist es dem Beschwerdeführer nicht gelungen, die Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, weshalb die Beschwerde gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen war.
Die Kostenentscheidung beruht auf den §§ 47 ff VwGG in Verbindung mit der VwGH-Aufwandersatzverordnung 2003. Wien, am 9. September 2003
Schlagworte
Bescheidbegriff Mangelnder Bescheidcharakter Belehrungen MitteilungenEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2002010407.X00Im RIS seit
10.10.2003