TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/10 2003/18/0062

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Veröffentlicht am 10.09.2003
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Index

E1E;
E3L E05204020;
10/07 Verwaltungsgerichtshof;
19/05 Menschenrechte;
40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
59/04 EU - EWR;

Norm

11997E234 EG Art234;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art8;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9 Abs1;
31964L0221 Koordinierung-RL EWGVArt56 ordre public Art9;
AVG §38;
AVG §69 Abs1 Z1;
AVG §69 Abs3;
FrG 1997 §44;
FrG 1997 §47 Abs2;
FrG 1997 §47 Abs3 Z1;
FrG 1997 §49 Abs1;
MRK Art8 Abs2;
VwGG §62 Abs1;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Z, geboren 1972, vertreten durch Dr. Eva Roland und Dr. Manfred Roland, Rechtsanwälte in 1130 Wien, Eitelbergergasse 7, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 8. November 2002, Zl. SD 146/02, betreffend Wiederaufnahme eines Verfahrens zur Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, Versagung einer Niederlassungsbewilligung und Aufhebung eines Aufenthaltsverbots,

1. zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird, soweit sie sich gegen die Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Erteilung einer Niederlassungsbewilligung und gegen die Versagung einer Niederlassungsbewilligung richtet, als unbegründet abgewiesen.

2. den Beschluss gefasst:

Soweit sich die Beschwerde gegen die Abweisung des Antrages auf Aufhebung eines Aufenthaltsverbots richtet, wird das Beschwerdeverfahren bis zur Vorabentscheidung des in den hg. Beschwerdesachen Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 angerufenen Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften ausgesetzt.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 8. November 2002 wurde das Verfahren über den Antrag des Beschwerdeführers, eines jugoslawischen Staatsangehörigen, vom 25. August 2000 auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung zum Zweck "Angehöriger eines österreichischen Staatsbürgers" gemäß § 69 AVG wieder aufgenommen und der Antrag gemäß § 47 Abs. 2 und Abs. 3 Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, abgewiesen. Weiters wurde mit diesem Bescheid der Antrag des Beschwerdeführers vom 21. November 2001 auf Aufhebung des gegen ihn unter dem Namen Steva M erlassenen unbefristeten Aufenthaltsverbots gemäß § 44 FrG abgewiesen.

Der Beschwerdeführer sei erstmals am 9. Juni 1994 von Polizeibeamten in Besitz von zwölf Briefchen Heroin betreten und vorläufig festgenommen worden. Dabei habe er sich mit einem - auf den Namen Steva M lautenden - Reisepass ausgewiesen, der eine gefälschte deutsche Aufenthaltsbewilligung enthalten habe. Mit Urteil des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 30. August 1994 sei der Beschwerdeführer wegen des Handels mit einer großen Menge (60 Gramm) Heroin und des Bereithaltens von weiteren 16 Gramm Heroin gemäß § 12 Abs. 1 Suchtgiftgesetz (SGG), § 15 StGB, § 16 Abs. 1 SGG sowie wegen des Vergehens der Fälschung besonders geschützter Urkunden gemäß § 223 Abs. 2 und § 224 StGB zu einer Freiheitsstrafe in der Dauer von 18 Monaten rechtskräftig verurteilt worden.

Im fremdenpolizeilichen Verfahren habe sich überdies herausgestellt, dass der Beschwerdeführer auch mittellos sei. Mit Bescheid der Bundespolizeidirektion Wien vom 24. Oktober 1994 sei gegen den Beschwerdeführer gemäß § 18 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 und Z. 7 des Fremdengesetzes aus 1992 ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen worden. Dieser Bescheid sei dem Beschwerdeführer am 28. Oktober 1994 eigenhändig zugestellt worden.

Nach Beendigung der Strafhaft sei der Beschwerdeführer in Schubhaft überstellt worden. Da von seinen Heimatbehörden kein Heimreisedokument ausgestellt worden sei, habe er am 28. Juli 1995 aus der Schubhaft entlassen werden müssen. In weiterer Folge habe sich herausgestellt, dass der vom Beschwerdeführer verwendete Reisepass gestohlen gewesen sei und der Beschwerdeführer nicht Steva M sondern Zoran S heiße.

Am 20. Juli 2000 habe der Beschwerdeführer unter seinem richtigen Namen die Erteilung eines Visums beantragt. Dabei habe er (bei Punkt 2. des Antragsformulars) seine zuvor in Österreich geführte Alias-Identität verschwiegen. Unter Punkt 22. des Antragsformulars habe er als frühere Aufenthalte in den Schengen-Staaten nur angegeben, sich im September 1993 und im Februar 1999 in Österreich aufgehalten zu haben. Seinen mehrjährigen, zum Großteil in Haft verbrachten Aufenthalt in den Jahren 1994 und 1995 habe er verschwiegen. Mit dem daraufhin ausgestellten Visum C, gültig bis 27. August 2000, sei der Beschwerdeführer am 1. August 2000 nach Österreich eingereist. Sechs Tage später, nämlich am 7. August 2000, habe er eine österreichische Staatsangehörige geheiratet und über Antrag (vom 25. August 2000) eine bis zum 10. September 2001 gültige Niederlassungsbewilligung erhalten. Bei der Beantragung dieser Niederlassungsbewilligung habe der Beschwerdeführer insofern wahrheitswidrige Angaben gemacht, als er den Punkt 23. des Formulars (bisherige strafrechtliche Verurteilungen) unausgefüllt gelassen habe, obwohl er mit seiner Unterschrift erklärt habe, wahrheitsgemäß vollständige Angaben gemacht zu haben. Ebenso unwahr sei die vom Beschwerdeführer vorgelegte Verpflichtungserklärung hinsichtlich des behaupteten Verwandtschaftsverhältnisses zu den sich verpflichtenden Personen ("Cousin, Neffe") gewesen, weil es sich bei diesen Personen in Wahrheit um die nunmehrige Schwiegermutter und den Schwager des Beschwerdeführers gehandelt habe. Aus dem vom Beschwerdeführer erstatteten Schriftsatz vom 21. Oktober 2002 ergebe sich überdies, dass er bereits bei seiner Einreise vorgehabt habe, in Österreich zu heiraten, was er wenige Tage nach der Eineise auch verwirklicht habe. Die Angabe im Sichtvermerksantrag über den Zweck des beabsichtigten Aufenthalts ("Besuch") sei daher falsch.

Auf Grund eines aufrechten Haftbefehls sei der Beschwerdeführer am 22. Mai 2001 festgenommen worden. Bei der mit ihm aufgenommenen Niederschrift sei die zuvor geführte Alias-Identität zu Tage getreten. Der Beschwerdeführer habe eingestanden, dass er nicht nur das Visum, sondern auch den von ihm verwendeten Reisepass auf den Namen M gekauft habe.

Am 7. September 2001 sei der Beschwerdeführer von den gegen ihn erhobenen (weiteren) Anklagen gemäß § 28 Suchtmittelgesetz rechtskräftig freigesprochen worden.

Auf Grund dieses Sachverhalts sei die Erstbehörde zu Recht zu dem Ergebnis gekommen, dass sich der Beschwerdeführer die ihm erteilte Niederlassungsbewilligung erschlichen habe. Der Beschwerdeführer habe in seinem Sichtvermerksantrag bei der österreichischen Botschaft in Belgrad in der Absicht, die Behörde über das gegen ihn bestehende rechtskräftige Aufenthaltsverbot und die rechtskräftigen Verurteilungen zu täuschen, wahrheitswidrige und unvollständige Angaben gemacht. Gleiches gelte für seinen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung. Der wahre Sachverhalt - also die frühere Alias-Identität des Beschwerdeführers, unter der er rechtskräftig verurteilt und mit einem Aufenthaltsverbot belegt worden sei - sei der Behörde mangels diesbezüglicher Hinweise auch nicht erkennbar gewesen. Diese Umstände seien für die Erteilung des Aufenthaltstitels wesentlich gewesen, weil ihnen für die Frage, ob der Beschwerdeführer die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährde, Relevanz zukomme.

Zum Einwand des Beschwerdeführers, er hätte von der Erlassung des Aufenthaltsverbots nicht gewusst, sei auszuführen, dass er den Aufenthaltsverbotsbescheid persönlich übernommen habe und bei der niederschriftlichen Einvernahme vom 3. Juli 1995 angegeben habe, von der Rechtskraft des Aufenthaltsverbots in Kenntnis zu sein.

Durch das Verschweigen der vormals geführten Identität, der unter dieser Identität erlittenen rechtskräftigen Verurteilung und des bestehenden Aufenthaltsverbots habe der Beschwerdeführer nicht nur (was hier nicht näher zu untersuchen sei) ein Visum, sondern auch die Niederlassungsbewilligung erschlichen. Zu Recht habe die Erstbehörde daher das Verfahren zur Erteilung der Niederlassungsbewilligung wieder aufgenommen.

Ebenso zu Recht habe die Erstbehörde in der Sache abweisend entschieden. Das bisherige Verhalten des Beschwerdeführers lasse dessen geringe Verbundenheit mit den maßgeblichen, in Österreich geltenden Rechtsvorschriften erkennen. Der Beschwerdeführer habe über einen mehrmonatigen Zeitraum im Jahr 1994 gewerbsmäßig eine große Menge Heroin verkauft. Überdies habe er versucht, durch Vorlage eines gekauften Reisepasses mit einem darin befindlichen gefälschten Sichtvermerk unter anderem Namen seinen Aufenthalt als rechtmäßig erscheinen zu lassen. Weiters habe er durch Verschweigen der vormals geführten Alias-Identität und eines Voraufenthalts unter dieser Identität die Erteilung eines Sichtvermerkes erwirkt. Überdies habe er seinem Sichtvermerksantrag Verpflichtungserklärungen von Personen beigelegt, deren Verwandtschaftsverhältnis er unrichtig angegeben habe. Auch den Zweck und die beabsichtigte Dauer seines Aufenthaltes habe er im Sichtvermerksantrag unrichtig angegeben. Auch wenn das der Verurteilung zu Grunde liegende Fehlverhalten bereits etwa acht Jahre zurückliege, habe sich der Beschwerdeführer in weiterer Folge keinesfalls wohlverhalten, sondern durch das beschriebene Verhalten seine gleichgültige Einstellung gegenüber der österreichischen Rechtsordnung gezeigt. Seine gesamtes Fehlverhalten lasse auch zum heutigen Zeitpunkt die Annahme gerechtfertigt erscheinen, dass sein Aufenthalt die öffentliche Ordnung und Sicherheit gefährde. Die Versagung des begehrten Aufenthaltstitels im Grund des § 47 Abs. 2 FrG sei daher gerechtfertigt. Dies auch unter Bedachtnahme auf die nunmehrigen familiären Bindungen des Beschwerdeführers. Zum Einen sei zu beachten, dass diese Bindungen erst zu einem Zeitpunkt eingegangen worden seien, als der Beschwerdeführer auf Grund eines rechtskräftigen Aufenthaltsverbots keinesfalls mit einer Einreise und einem Verbleib in Österreich rechnen habe dürfen. Zum anderen habe er sich die Einreise und damit die Eheschließung in Österreich sowie seinen nunmehrigen Aufenthalt durch das dargestellte täuschende Verhalten erst ermöglicht. Das Familienleben eines Fremden mit einem österreichischen Staatsbürger genieße zwar einen erhöhten Schutz, Voraussetzung dafür sei allerdings, dass die familiären Beziehungen zu einem Zeitpunkt begründet worden seien, in dem der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen gewesen sei und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen habe rechnen dürfen. Dies sei vorliegend nicht gegeben.

Weiters führte die belangte Behörde aus, aus welchen Gründen der Antrag des Beschwerdeführers auf Aufhebung des unbefristeten Aufenthaltsverbots gemäß § 44 FrG abzuweisen gewesen sei.

2. Gegen diesen Bescheid erhob der Beschwerdeführer zunächst eine Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof. Dieser Gerichtshof lehnte die Behandlung der Beschwerde ab und trat sie dem Verwaltungsgerichtshof zur Entscheidung ab (Beschluss vom 24. Februar 2003, B 1825/02). Im verwaltungsgerichtlichen Verfahren beantragt der Beschwerdeführer die Aufhebung des angefochtenen Bescheides wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Zur Wiederaufnahme des Verfahrens betreffend Erteilung einer Niederlassungsbewilligung:

1.1. Gemäß § 69 Abs. 1 AVG ist dem Antrag einer Partei auf Wiederaufnahme eines durch Bescheid abgeschlossenen Verfahrens stattzugeben, wenn ein Rechtsmittel gegen den Bescheid nicht oder nicht mehr zulässig ist und (Z. 1) der Bescheid durch Fälschung einer Urkunde, falsches Zeugnis oder eine andere gerichtlich strafbare Handlung herbeigeführt oder sonstwie erschlichen worden ist.

Gemäß § 69 Abs. 3 erster Satz leg. cit. kann unter den Voraussetzungen des Abs. 1 die Wiederaufnahme des Verfahrens auch von Amts wegen verfügt werden.

Das Tatbild des Erschleichens setzt einen in der Weise zu Stande gekommenen Bescheid voraus, dass die Partei vor der Behörde objektiv unrichtige Angaben von wesentlicher Bedeutung mit Irreführungsabsicht gemacht hat und diese unrichtigen Angaben dann dem Bescheid zu Grunde gelegt worden sind, wobei das Verschweigen wesentlicher Umstände unrichtigen Angaben gleichzusetzen ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 22. April 1998, Zl. 97/01/0223).

Irreführungsabsicht setzt voraus, dass die Partei wider besseres Wissen gehandelt hat und dies deshalb, um einen sonst vielleicht nicht erreichbaren Vorteil zu erlangen (vgl. die bei Walter/Thienel, Verwaltungsverfahren I2 (1998) E 96 zu § 69 AVG wiedergegebene hg. Judikatur).

1.2.1. Der Beschwerdeführer bringt vor, keine falschen Angaben gemacht zu haben und führt dazu ins Treffen, vom Aufenthaltsverbot keine Kenntnis gehabt zu haben. Dies sei dadurch "bewiesen", dass er den Antrag auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots erst am 21. November 2001 gestellt habe.

1.2.2. Dazu ist zunächst auszuführen, dass sich der Beschwerdeführer unstrittig auf Grund des Aufenthaltsverbots in Schubhaft befunden hat und er die - mit dem Akteninhalt übereinstimmenden - Feststellungen der belangten Behörde, dass er den Aufenthaltsverbotsbescheid persönlich übernommen und bei der niederschriftlichen Vernehmung vom 3. Juli 1995 angegeben habe, vom rechtskräftigen Aufenthaltsverbot in Kenntnis zu sein, nicht konkret bestreitet.

Unstrittig hat der Beschwerdeführer bei der Beantragung der Niederlassungsbewilligung im Antragsformular bei der Frage nach den bisherigen strafrechtlichen Verurteilungen nichts ausgefüllt und in der Folge die Richtigkeit und Vollständigkeit seiner Angaben bestätigt. Gegen die - nicht konkret bekämpfte - Ansicht der belangten Behörde, dass der Beschwerdeführer seine rechtskräftige Verurteilung bewusst verschwiegen habe, um eine Niederlassungsbewilligung zu erhalten, bestehen keine Bedenken, zumal ihm klar sein musste, dass eine rechtskräftige Verurteilung der Erteilung einer Niederlassungsbewilligung entgegenstehen könnte.

Bei den der vom Beschwerdeführer verschwiegenen Verurteilung zu Grunde liegenden Straftaten handelte es sich nach den untenstehenden (2.2. und 2.3.) Ausführungen um für die Entscheidung über den Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung wesentliche Umstände.

1.3. Das Verschweigen der rechtskräftigen Verurteilung, das nach der oben 1.1. wiedergegebenen Judikatur unrichtigen Angaben gleichzusetzen ist, betrifft Umstände von wesentlicher Bedeutung für das Niederlassungsbewilligungsverfahren. Da der Beschwerdeführer in Irreführungsabsicht handelte, hat die belangte Behörde das Verfahren zur Erteilung dieser Bewilligung gemäß § 69 Abs. 1 Z. 1 AVG zu Recht wieder aufgenommen.

2. Zur Versagung der Niederlassungsbewilligung:

2.1. Da der Beschwerdeführer mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet ist und ihm somit die Stellung eines begünstigten Angehörigen eines Österreichers gemäß § 47 Abs. 3 Z. 1 iVm § 49 Abs. 1 FrG zukommt, hat er gemäß § 47 Abs. 2 erster Satz leg. cit. einen Rechtsanspruch auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung, wenn sein Aufenthalt nicht die öffentliche Ordnung oder Sicherheit gefährdet.

2.2. Der Beschwerdeführer hat unstrittig im Jahr 1994 über einen mehrmonatigen Zeitraum das besonders gefährliche Suchtgift Heroin verkauft bzw. zum Verkauf bereitgehalten. Dabei hat er insgesamt eine "große Menge", also eine solche Menge, deren Weitergabe geeignet ist, in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen entstehen zu lassen (§ 12 Abs. 1 SGG), verkauft, wobei er in der Absicht vorgegangen ist, sich durch die wiederkehrende Begehung derartiger Straftaten eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen (gewerbsmäßig gemäß § 70 StGB).

Dieses Verhalten stellt eine große Beeinträchtigung des gewichtigen öffentlichen Interesses an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität dar. Im Hinblick auf den mehrmonatigen Tatzeitraum, in dem der Beschwerdeführer gewerbsmäßig vorgegangen ist, kann die vom Beschwerdeführer auf Grund dieser Straftaten ausgehende Gefahr für die öffentliche Sicherheit auch angesichts des seit der Tatbegehung verstrichenen Zeitraumes von etwas mehr als acht Jahren nicht als weggefallen angesehen werden.

Weiters hat der Beschwerdeführer einen gestohlenen, auf eine andere Person lautenden Reisepass mit einer gefälschten deutschen Aufenthaltsbewilligung verwendet, um sich gegenüber einer österreichischen Behörde auszuweisen. Er hat bei der Beantragung des Sichtvermerks bei der österreichischen Botschaft in Belgrad unrichtige Angaben über den Zweck und die beabsichtige Dauer seines Aufenthalts gemacht sowie das bestehende Aufenthaltsverbot, seine gerichtliche Verurteilung und den Voraufenthalt in Österreich unter einer anderen Identität verschwiegen. Ebenso hat er im gegenständlichen Antrag auf Erteilung einer Niederlassungsbewilligung seine gerichtliche Verurteilung bewusst verschwiegen, um eine Niederlassungsbewilligung zu erlangen.

Auch von diesem Fehlverhalten geht eine erhebliche Beeinträchtigung öffentlicher Interessen, insbesondere des großen Interesses an der Aufrechterhaltung eines geordneten Fremdenwesens, aus.

2.3. Die vom Beschwerdeführer ausgehende Gefährdung der öffentlichen Ordnung und Sicherheit kann jedoch nur dann zur Versagung einer Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 FrG führen, wenn die Gefährlichkeit des Beschwerdeführers eine Intensität erreicht, welche den Eingriff in sein Privat- und Familienleben im Sinn des Art. 8 Abs. 2 EMRK rechtfertigt (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 19. Dezember 2000, Zl. 98/19/0304).

Der Beschwerdeführer befindet sich seit seiner am 1. August 2000 auf Grund eines Visums C erfolgten Einreise im Bundesgebiet. Seit 7. August 2000 ist er mit einer österreichischen Staatsangehörigen verheiratet. Davor hat er sich in den Jahren 1994 und 1995 in Österreich aufgehalten, wobei er die festgestellten Straftaten begangen hat, verurteilt worden ist und in der Folge seine Strafhaft verbüßt hat. Weitere Voraufenthalte von einer für die Verstärkung der persönlichen Interessen des Beschwerdeführers relevanten Dauer hat die belangte Behörde nicht festgestellt und werden in der Beschwerde auch nicht vorgebracht. Der Beschwerdeführer macht jedoch geltend, dass seine Gattin im Zeitpunkt der Erlassung des angefochtenen Bescheides kurz vor der Entbindung des am 14. Dezember 2002 geborenen Sohnes gestanden sei. Er habe für die Renovierung der ehelichen Wohnung zwei Kredite im Gesamtbetrag von EUR 25.435,-- aufgenommen. Seine Gattin wäre mit den monatlichen Rückzahlungsraten von EUR 421,50 überfordert. Überdies habe er sich freiwillig einer Behandlung seiner Sucht im Spital unterzogen.

Das Familienleben eines Fremden mit einem österreichischen Staatsangehörigen genießt - wie die belangten Behörde richtig erkannt hat - nur unter der Voraussetzung einen erhöhten Schutz, dass diese familiäre Beziehung zu einem Zeitpunkt begründet wurde, als der Fremde rechtmäßig im Bundesgebiet niedergelassen war und mit der Erteilung weiterer Bewilligungen rechnen durfte (vgl. etwa das bereits zitierte Erkenntnis Zl. 98/19/0304). Da sich der Beschwerdeführer bei seiner Eheschließung nur auf Grund eines Visums C - das er unter bewusster Verschweigung des bestehenden Aufenthaltsverbots erschlichen hat - im Bundesgebiet aufgehalten hat, ist diese Voraussetzung bei ihm nicht gegeben. Von daher ist die Ansicht der belangten Behörde, dass die persönlichen Interessen des Beschwerdeführers an einem Aufenthalt im Bundesgebiet von den dargestellten gegenläufigen öffentlichen Interessen überwogen werden, selbst dann unbedenklich, wenn man die in der Beschwerde zusätzlich vorgebrachten Umstände zu Gunsten des Beschwerdeführers berücksichtigt.

2.4. Die Abweisung des Antrages des Beschwerdeführers vom 25. August 2000 auf Erteilung einer (Erst-)Niederlassungsbewilligung gemäß § 47 Abs. 2 FrG kann daher nicht als rechtswidrig erkannt werden.

3. Mit seinem Vorbringen, es sei ihm der entscheidungswesentliche Sachverhalt nicht zur Kenntnis gebracht worden, macht der Beschwerdeführer schon deshalb keinen relevanten Verfahrensmangel geltend, weil er jedenfalls in der Berufung Gelegenheit hatte, zum Ergebnis des Ermittlungsverfahrens Stellung zu nehmen und die belangte Behörde ihrem Bescheid den gleichen Sachverhalt zu Grunde gelegt hat wie die Erstbehörde.

4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung durch die Aussprüche im angefochtenen Bescheid über die Bewilligung der Wiederaufnahme des Niederlassungsbewilligungsverfahrens und die Versagung der Niederlassungsbewilligung nicht vorliegt, war die Beschwerde insoweit gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.

5. Zur Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots:

5.1. Mit hg. Beschluss vom 18. März 2003, Zlen. 99/21/0018 und 2002/21/0067 (EU 2003/0001 und 0002), wurde dem Gerichtshof der Europäischen Gemeinschaften u.a. folgende Frage zur Vorabentscheidung gemäß Art. 234 EG vorgelegt:

Sind die Art. 8 und 9 der Richtlinie 64/221/EWG des Rates vom 25. Februar 1964 zur Koordinierung der Sondervorschriften für die Einreise und den Aufenthalt von Ausländern, soweit sie aus Gründen der öffentlichen Ordnung, Sicherheit oder Gesundheit gerechtfertigt sind (RL), dahin auszulegen, dass die Verwaltungsbehörden - ungeachtet des Bestehens eines innerbehördlichen Instanzenzuges - die Entscheidung über die Entfernung aus dem Hoheitsgebiet ohne Erhalt der Stellungnahme einer (in der österreichischen Rechtsordnung nicht vorgesehenen) zuständigen Stelle nach Art. 9 Abs. 1 der RL - außer in dringenden Fällen - dann nicht treffen dürfen, wenn gegen ihre Entscheidung bloß die Erhebung von Beschwerden an Gerichtshöfe des öffentlichen Rechts mit nachgenannten Einschränkungen zulässig ist: Diesen Beschwerden kommt nicht von vornherein eine aufschiebende Wirkung zu, den Gerichtshöfen ist eine Zweckmäßigkeitsentscheidung verwehrt und sie können den angefochtenen Bescheid nur aufheben; weiters ist der eine Gerichtshof (Verwaltungsgerichtshof) im Bereich der Tatsachenfeststellungen auf eine Schlüssigkeitsprüfung, der andere Gerichtshof (Verfassungsgerichtshof) darüber hinaus auf die Prüfung der Verletzung verfassungsgesetzlich gewährleisteter Rechte beschränkt?

5.2. Da der Beschwerdeführer als Ehegatte einer österreichischen Staatsangehörigen zum Kreis der begünstigten Drittstaatsangehörigen gehört, bildet diese Frage auch im gegenständlichen Fall eine Vorfrage, die zufolge des Auslegungsmonopols des Gerichtshofes der Europäischen Gemeinschaften in Angelegenheiten des (primären oder sekundären) Gemeinschaftsrechts von einem anderen Gericht zu entscheiden ist.

5.3. Da das entsprechende Verfahren zur Einholung einer Vorabentscheidung bereits anhängig gemacht wurde, liegen die Voraussetzungen des gemäß § 62 Abs. 1 VwGG auch vom Verwaltungsgerichtshof anzuwendenden § 38 AVG vor, sodass mit einer Aussetzung des gegenständlichen Beschwerdeverfahrens, soweit es die Abweisung des Antrages auf Aufhebung des Aufenthaltsverbots zum Gegenstand hat, vorgegangen werden konnte (vgl. etwa den hg. Beschluss vom 29. Jänner 2003, Zl. 99/03/0365).

Wien, am 10. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:2003180062.X00

Im RIS seit

07.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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