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32 SteuerrechtNorm
B-VG Art144 Abs1 / LegitimationLeitsatz
Legitimation einer GmbH & Co KG zur Beschwerdeführung gegen die einheitliche und gesonderte Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb (unter Außerachtlassung der geltend gemachten Firmenwertabschreibung) gegeben; Quasianlaßfall; Anlaßfallwirkung der Aufhebung der lita der Z4 des 3. Teiles des UmgründungssteuerG, BGBl 699/1991 idF BGBl 201/1996, mit E v 03.03.00, G172/99Spruch
Die Beschwerdeführerin ist durch den angefochtenen Bescheid wegen Anwendung einer verfassungswidrigen Gesetzesbestimmung in ihren Rechten verletzt worden.
Der Bescheid wird aufgehoben.
Der Bund (Bundesminister für Finanzen) ist schuldig, der Beschwerdeführerin zuhanden ihres Rechtsvertreters die mit ATS 29.500,-- bestimmten Prozeßkosten binnen 14 Tagen bei Exekution zu bezahlen.
Begründung
Entscheidungsgründe:
I. 1. Die nunmehr beschwerdeführende L/P GmbH & Co.KG ist auf Grund einer Umwandlung nach dem Umwandlungsgesetz Gesamtrechtsnachfolgerin einer GmbH, die in den Jahren 1993 bis 1996 einen Firmenwert gemäß §3 Abs2 Z2 UmgrStG, idF BGBl. 699/1991, zu je 1/15 abschreiben konnte. Sie reichte 1998 beim Finanzamt eine Einkünfteerklärung für das Jahr 1997 ein und legte in einer Beilage die Geltendmachung einer steuerlichen Firmenwertabschreibung gem. §3 Abs2 Z2 UmgrStG, idF BGBl. 699/1991, offen; diese wurde vom Finanzamt bei der Feststellung der Einkünfte aus Gewerbebetrieb nicht berücksichtigt.
2. Mit Berufungsbescheid der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland vom 25. August 1999 wurde der Beschwerdeführerin der Abzug der Firmenwertabschreibung - bei der Feststellung ihrer Einkünfte aus Gewerbebetrieb für das Jahr 1997 - gemäß §3 Abs2 Z2 UmgrStG, idF BGBl. 699/1991, ebenfalls versagt und ihre Berufung als unbegründet abgewiesen. Begründend führt die belangte Behörde aus, daß die Firmenwertabschreibung gemäß §3 Abs2 Z2 UmgrStG, idF BGBl. 699/1991, in Verbindung mit §8 Abs3 EStG 1988 gemäß dem 3. Teil Z4 lita UmgrStG, idF BGBl. 201/1996, letztmalig im letzten, vor dem 1. Jänner 1997 endenden Wirtschaftsjahr geltend gemacht werden könne.
3. Gegen diesen Bescheid wendet sich die auf Art144 Abs1 B-VG gestützte Beschwerde an den Verfassungsgerichtshof, in der die Beschwerdeführerin die Verletzung im verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums sowie die Verletzung in Rechten wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes behauptet und die kostenpflichtige Aufhebung des bekämpften Bescheides beantragt.
4. Die belangte Behörde legte innerhalb der ihr gesetzten Frist die Verwaltungsakten vor und erstattete eine Gegenschrift, in der sie lediglich ausführt, daß durch den angefochtenen Bescheid weder direkt noch indirekt an die Beschwerdeführerin ein Leistungsgebot gerichtet werde. Das gegenständliche Einkünftefeststellungsverfahren könne ein Leistungsgebot nur im abgeleiteten Körperschaftsteuerverfahren der einzigen Kommanditistin der Beschwerdeführerin bewirken, welche den gesamten über die Haftungsprämie der einzigen Komplementärin hinausgehenden Gewinn erhalte. Aus diesem Grund sei nicht ersichtlich, wie die Beschwerdeführerin durch den angefochtenen Bescheid in ihrem verfassungsgesetzlich gewährleisteten Recht auf Unversehrtheit des Eigentums verletzt worden sei und worin der von ihr relevierte "Eingriff von erheblichem Gewicht" bestehen könnte; ein derartiger Eingriff wäre nur bei der Kommanditistin der beschwerdeführenden Gesellschaft denkbar, gegenüber welcher der angefochtene Bescheid gemäß §191 Abs3 litc BAO auch wirke, die aber im vorliegenden Beschwerdeverfahren nicht als Beschwerdeführerin auftrete. Im übrigen wird beantragt, die Beschwerde abzuweisen.
5. Die Beschwerdeführerin erstattete mit Schriftsatz vom 10. Dezember 1999 eine Äußerung; in dieser tritt sie mit ins Einzelne gehender Begründung der Äußerung der Finanzlandesdirektion für Wien, Niederösterreich und Burgenland entgegen und legt ausführlich - unter Bezugnahme auf die Judikatur des Verfassungsgerichtshofes - ihre Beschwerdelegitimation dar.
II. 1. Der Verfassungsgerichtshof hat über die Zulässigkeit der Beschwerde erwogen:
Gemäß §188 Abs1 BAO werden (u.a.) Einkünfte aus Gewerbebetrieb einheitlich und gesondert festgestellt, wenn an den Einkünften mehrere Personen beteiligt sind. Gegenstand der Feststellung ist auch die Verteilung des festgestellten Betrages auf die Teilhaber. Gemäß §191 Abs1 BAO ergeht der Feststellungsbescheid in diesem Fall an die Personenvereinigung, deren Gesellschaftern gemeinschaftliche Einkünfte zugeflossen sind; nach Abs3 leg.cit. wirken derartige Feststellungsbescheide gegen alle, denen gemeinschaftliche Einkünfte zufließen. Zur Einbringung einer Berufung gegen Feststellungsbescheide ist nach §246 BAO nicht nur derjenige befugt, an den der den Gegenstand der Anfechtung bildende Bescheid ergangen ist, sondern auch jeder, gegen den dieser Bescheid (u.a.) gemäß §191 Abs3 leg.cit. wirkt. Nach §252 Abs1 BAO kann ein (Abgaben)Bescheid, dem Entscheidungen zugrundeliegen, die in einem Feststellungsbescheid getroffen worden sind, nicht mit der Begründung angefochten werden, daß die im Feststellungsbescheid getroffenen Entscheidungen unzutreffend sind.
Der Verfassungsgerichtshof hat angesichts dieser Rechtslage, die primär die Personenvereinigung als Bescheidadressaten nennt, primär ihr das Berufungsrecht einräumt und dem Feststellungsbescheid Bindungswirkung für das Veranlagungsverfahren der Gesellschafter zumißt, schon bisher keine Zweifel gehegt, daß zur Einbringung einer Beschwerde gegen derartige Feststellungsbescheide, in der die Verletzung in verfassungsgesetzlich gewährleisteten Rechten und/oder die Verletzung in Rechten wegen Anwendung rechtswidriger genereller Normen gerügt wird, jedenfalls auch die Gesellschaft (Gemeinschaft) selbst befugt ist, mag sie auch selbst nicht Adressat eines Leistungsgebotes im Bereich der Einkommensteuer sein (vgl. z.B. VfSlg. 10.734/1985, 13.729/1994). Im vorliegenden Fall ist daher auch die Kommanditgesellschaft selbst in ihrer Eigenschaft als Gesamtrechtsnachfolgerin jener GmbH, bei der der strittige Firmenwert vormals abgeschrieben wurde, zur Erhebung der Beschwerde legitimiert.
Da auch sonst keine Prozeßhindernisse hervorgekommen sind, ist die Beschwerde zulässig.
2. In der Sache hat der Verfassungsgerichtshof erwogen:
2.1. Mit Erkenntnis vom 3. März 2000, G172/99, hat der Verfassungsgerichtshof die lita der Z4 des 3. Teiles des UmgrStG, BGBl. 699/1991, idF BGBl. 201/1996, als verfassungswidrig aufgehoben.
2.2. Gemäß Art140 Abs7 B-VG wirkt die Aufhebung eines Gesetzes auf den Anlaßfall zurück. Es ist daher hinsichtlich des Anlaßfalles so vorzugehen, als ob die als verfassungswidrig erkannte Norm bereits zum Zeitpunkt der Verwirklichung des dem Bescheid zugrundegelegten Tatbestandes nicht mehr der Rechtsordnung angehört hätte.
2.3. Dem in Art140 Abs7 B-VG genannten Anlaßfall (im engeren Sinn), anläßlich dessen das Gesetzesprüfungsverfahren tatsächlich eingeleitet worden ist, sind all jene Beschwerdefälle gleichzuhalten, die zum Zeitpunkt der mündlichen Verhandlung im Gesetzesprüfungsverfahren (bei Unterbleiben einer mündlichen Verhandlung zu Beginn der nichtöffentlichen Beratung) beim Verfassungsgerichtshof bereits anhängig waren (VfSlg. 10.616/1985, 11.711/1988).
2.4. Die nichtöffentliche Beratung des Verfassungsgerichtshofes im Gesetzesprüfungsverfahren fand am 3. März 2000 statt. Die vorliegende Beschwerde ist beim Verfassungsgerichtshof am 7. Oktober 1999 eingelangt, war also zum Zeitpunkt der nichtöffentlichen Beratung schon anhängig; der ihr zugrundeliegende Fall ist somit einem Anlaßfall gleichzuhalten.
2.5. Die belangte Behörde wendete bei Erlassung des angefochtenen Bescheides die als verfassungswidrig aufgehobene Gesetzesbestimmung an. Es ist nach Lage des Falles offenkundig, daß diese Gesetzesanwendung für die Rechtsstellung der Beschwerdeführerin nachteilig war. Die Beschwerdeführerin wurde somit wegen Anwendung eines verfassungswidrigen Gesetzes in ihren Rechten verletzt.
Der Bescheid ist daher aufzuheben.
3. Von der Durchführung einer mündlichen Verhandlung wurde gemäß §19 Abs4 Z3 VerfGG abgesehen.
4. Die Kostenentscheidung gründet sich auf §88 VerfGG. In den zugesprochenen Kosten ist eine Eingabegebühr gemäß §17a VerfGG in Höhe von ATS 2.500,-- und Umsatzsteuer in Höhe von ATS 4.500,-- enthalten.
Schlagworte
VfGH / Anlaßfall, VfGH / Legitimation, EinkommensteuerEuropean Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VFGH:2000:B1654.1999Dokumentnummer
JFT_09999386_99B01654_00