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10/07 Verwaltungsgerichtshof;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des Z, geboren 1973, vertreten durch Dr. Friedrich Fromherz, Dr. Wolfgang Fromherz und Dr. Bernhard Glawitsch, Rechtsanwälte in 4010 Linz, Graben 9, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 10. April 2003, Zl. St 182/02, betreffend Erlassung eines unbefristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 51,50 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 10. April 2003 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm § 37 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein unbefristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Die Bundespolizeidirektion Linz (die Erstbehörde) habe festgestellt, dass sich der Beschwerdeführer seit Jänner 1992 in Österreich aufhielte und im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck wäre. Am 10. Juni 2002 wäre er vom Landesgericht Linz gemäß § 28 Abs. 2 und 3 erster Fall und § 27 Abs. 1 erster und zweiter Fall Suchtmittelgesetz - SMG zu einer Freiheitsstrafe von 24 Monaten, wovon ein Teil von 16 Monaten auf eine Probezeit von drei Jahren bedingt nachgesehen worden wäre, rechtskräftig verurteilt worden. Weiters schienen bei der Behörde zwei verwaltungsstrafrechtliche Vormerkungen, und zwar jeweils wegen Übertretung des § 20 Abs. 2 StVO (jeweils Verhängung einer Geldstrafe), auf. In seiner Stellungnahme vom 2. August 2002 hätte der Beschwerdeführer vorgebracht, seit 1991 in Österreich aufhältig und berufstätig und hier sowohl privat als auch beruflich voll integriert zu sein. Er wäre verheiratet, hätte zwei Kinder im Alter von sechs und zweieinhalb Jahren und beabsichtigte nunmehr, zusammen mit seiner Familie zu seiner Mutter nach Deutschland zu ziehen. Im Hinblick darauf schiene es nicht erforderlich, gegen ihn ein Aufenthaltsverbot zu erlassen, das ihm in seinem Fortkommen in Deutschland hinderlich wäre. Auch hätte das Landesgericht Linz bei der Urteilsbegründung ausgeführt, dass der Unrechtsgehalt der ihm vorgeworfenen Straftaten nicht so hoch anzusetzen wäre, dass eine längere unbedingte Haft aus general- oder spezialpräventiven Gründen erforderlich wäre. Das Landesgericht Linz wäre davon ausgegangen, dass er die Straftaten unter dem Einfluss seiner Drogenabhängigkeit begangen hätte, die jedoch nicht mehr vorläge. Ihm wäre ein Strafaufschub von einem Jahr zur Durchführung einer Suchtmitteltherapie mit der Aussicht erteilt worden, dass nach positiver Absolvierung der Therapie eine gänzliche Nachsicht des unbedingten Teils der Strafe gewährt werden würde. Mit der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes würden die Therapie und die Möglichkeit des Erhalts der Strafnachsicht verhindert, sodass diese Maßnahme einen unverhältnismäßig starken Eingriff in seine persönliche und berufliche Lebenssituation darstellen würde.
Bezüglich der Verurteilung des Beschwerdeführers habe die Erstbehörde ausgeführt, dass er zwischen April und Dezember 2001 wiederholt den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in großer Menge in der Absicht in Verkehr gesetzt hätte, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und von Anfang 1996 bis 28. Jänner 2002 Suchtgifte erworben, besessen und konsumiert hätte. Der Beschwerdeführer hielte sich seit Jänner 1992 in Österreich auf und wäre zuletzt bei mehreren Unternehmen als LKW-Fahrer beschäftigt gewesen. Er wäre verheiratet und sorgepflichtig gegenüber seinem außerehelichen Sohn, der in Jugoslawien lebte, und gegenüber seiner in Tschechien lebenden Ehegattin und seiner Tochter.
In der (gegen den erstinstanzlichen Bescheid erhobenen) Berufung vom 12. September 2002 habe sich der Beschwerdeführer gegen die im erstinstanzlichen Bescheid mit zehn Jahren festgesetzte Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes gewendet und vorgebracht, die belangte Behörde hätte jede Ermittlungstätigkeit und Sachverhaltsfeststellung bzw. Beurteilung darüber unterlassen, warum er trotz der zahlreichen berücksichtigten Milderungsgründe eine besondere Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstellen sollte. Es wäre auch der allgemeine Hinweis auf die evident hohe Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten verfehlt. Das Landesgericht Linz hätte zwei Drittel der verhängten Freiheitsstrafe bedingt nachgesehen und eine Drogenberatung empfohlen. Im Gutachten des Sachverständigen Dr. Schmidbauer vom 26. Juli 2002 würde davon ausgegangen, dass der Beschwerdeführer "bezüglich einer weiteren Abstinenz von Drogen recht gut motiviert sein dürfte ... eine körperliche Abhängigkeit bestehe sicherlich nicht".
Begründend führte die belangte Behörde weiter aus, dass in Anbetracht der gerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei. Als besonders schwer sei der sehr lange Zeitraum des strafbaren Verhaltens des Beschwerdeführers von Anfang 1996 bis 28. Jänner 2002 zu werten, in dem er entsprechend den genannten Ausführungen (der Erstbehörde) Suchtgifte erworben, besessen und konsumiert habe. Dabei handle es sich um einen Zeitraum von sechs Jahren, in dem er schwerste Verfehlungen gegen das SMG begangen habe. In Anbetracht der oben angeführten Tatsachen sei nicht nur die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme, sondern das Aufenthaltsverbot auch im Licht des § 37 Abs. 1 FrG gerechtfertigt.
Durch die Erlassung dieser Maßnahme werde zweifelsohne in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers in nicht unerheblicher Weise eingegriffen, weil er sich seit Jänner 1992 in Österreich aufhalte und im Besitz einer unbefristeten Niederlassungsbewilligung für jeglichen Aufenthaltszweck sei. Seine persönlichen und familiären Verhältnisse seien jedoch insofern zu relativieren, als er ausgeführt habe, dass er beabsichtigte, mit seiner Familie nach Deutschland zu ziehen. Es sei ihm auch eine der Dauer seines Aufenthalts entsprechende Integration zuzubilligen, wobei auch seine berufliche Tätigkeit berücksichtigt werde. Im Hinblick auf die für den weiteren Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet zu stellende negative "Zukunftsprognose" wögen die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes wesentlich schwerer als die Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation, weshalb das Aufenthaltsverbot auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig sei. Daran könne auch die der Berufung beigelegte Gutachtensergänzung, die mangels fachlich fundierter Ausführungen unbeachtlich sei, nichts ändern.
Ferner sei das Gesamtfehlverhalten des Beschwerdeführers "doch schwerwiegenderer Art", weshalb nicht mehr mit einer bloßen niederschriftlichen Ermahnung das Auslangen habe gefunden werden können, sondern von der Ermessensbestimmung des § 36 Abs. 1 FrG habe Gebrauch gemacht werden müssen. Insbesondere die bei Suchtgiftdelikten gegebene besonders große Wiederholungsgefahr mache die Anwendung dieser Ermessensbestimmung dringendst nötig.
In Anbetracht der hohen Wiederholungsgefahr im Suchtmittelbereich könne die belangte Behörde nicht absehen, wann die zur Erlassung des Aufenthaltsverbotes führenden Gründe beim Beschwerdeführer weggefallen sein würden. Eine diesbezügliche konkrete Ausführung habe die Erstbehörde, die das Aufenthaltsverbot mit zehn Jahren befristet habe, unterlassen. Das Aufenthaltsverbot habe somit "lediglich" auf unbefristete Dauer verhängt werden können.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes oder Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor, sah jedoch von der Erstattung einer Gegenschrift ab.
II.
Der Verwaltungsgerichthof hat erwogen:
1. In der Beschwerde bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die insoweit unbestrittenen Feststellungen im angefochtenen Bescheid betreffend die strafgerichtliche Verurteilung des Beschwerdeführers begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2. Die Beschwerde bringt vor, der Beschwerdeführer habe laut den Urteilsfeststellungen (des Landesgerichtes Linz) bereits längere Zeit vor seiner Verurteilung und seit dieser keine strafbare Handlung mehr begangen und sich wohlverhalten, sodass der mit dem Aufenthaltsverbot erreichte Zweck bereits erreicht und die Erlassung dieser Maßnahme nicht mehr erforderlich sei.
3. Dieses Vorbringen ist nicht zielführend.
Nach den von der belangen Behörde ihrer Beurteilung zugrunde gelegten, insoweit unbestrittenen Feststellungen hat der Beschwerdeführer entgegen den bestehenden Vorschriften zwischen April und Dezember 2001 wiederholt Suchtgift in einer großen Menge in der Absicht in Verkehr gesetzt, sich dadurch eine fortlaufende Einnahme zu verschaffen, und von Anfang 1996 bis 28. Jänner 2002 Suchtgifte erworben, besessen und konsumiert. Eine solche große Menge ist geeignet, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG). Insbesondere in Anbetracht des mehrmonatigen gewerbsmäßigen In-Verkehr-Setzens von Suchtgift in einer großen Menge durch den Beschwerdeführer und im Hinblick darauf, dass erfahrungsgemäß die Wiederholungsgefahr bei der Suchtgiftkriminalität besonders groß ist (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 10. April 2003, Zl. 2003/18/0064, mwN), begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinen Bedenken. Entgegen der Beschwerdeansicht lag das gravierende Fehlverhalten des Beschwerdeführers nach dem SMG bei Erlassung des angefochtenen Bescheides auch noch nicht so lange zurück, um aufgrund des seither verstrichenen Zeitraums einen Wegfall oder eine wesentliche Minderung der von ihm aufgrund dieses Fehlverhaltens ausgehenden Gefahr annehmen zu können.
4. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den mehrjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers (seit Jänner 1992), seine Berufstätigkeit als LKW-Fahrer in Österreich und seine daraus abzuleitende Integration zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat jedoch ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme (zur Erreichung der in Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Ziele) dringend geboten und somit gemäß § 37 Abs. 1 FrG zulässig sei, manifestiert sich doch in den vom Beschwerdeführer unbestritten über einen Zeitraum von rund sechs Jahren verübten Suchtgiftdelikten, insbesondere in dem zwischen April und Dezember 2001 gewerbsmäßig begangenen In-Verkehr-Setzen von Suchtgift in einer großen Menge, die von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit.
Im Licht dessen konnte die Interessensabwägung im Grund des § 37 Abs. 2 FrG nicht zu Gunsten des Beschwerdeführers ausgehen. Wenngleich die für seinen Verbleib in Österreich sprechenden persönlichen Interessen nicht unbeträchtlich sind, hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung des Aufenthaltsverbotes - selbst bei Berücksichtigung des von der Beschwerde behaupteten Umstandes, dass der Beschwerdeführer bereits seit 1991 in Österreich aufhältig sei - zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als seinen gegenläufigen persönlichen Interessen. Hiebei vermag die Beschwerde auch mit ihrem Vorbringen, dass der Beschwerdeführer (mit seinen im Ausland lebenden Familienangehörigen) zu seiner Mutter nach Deutschland ziehen wolle, sodass er nicht nur in Österreich, sondern auch im (übrigen) "Schengen-Raum" enge persönliche Beziehungen habe, keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides aufzuzeigen, dies unter dem Blickwinkel, dass ihm gegebenenfalls infolge einer Ausschreibung zur Einreiseverweigerung nach dem Schengener Durchführungsübereinkommen (SDÜ, vgl. § 1 Abs. 6 FrG) auf Grund des vorliegenden Aufenthaltsverbotes die Einreise und der Aufenthalt in Deutschland verweigert werden würde (vgl. in diesem Zusammenhang insbesondere Art. 5, 7, 18, 23, 25 und 96 SDÜ). Denn abgesehen davon, dass gemäß Art. 5 Abs. 2 und Art. 25 Abs. 1 SDÜ die Möglichkeit besteht, bei Vorliegen gewichtiger Gründe, insbesondere wegen humanitärer Erwägungen, einem von einem anderen Vertragsstaat im Schengener Informationssystem zur Einreiseverweigerung ausgeschriebenen Drittausländer einen Aufenthaltstitel zu erteilen, würden auch die behaupteten persönlichen Interessen des Beschwerdeführers, wären diese nicht in Deutschland, sondern in Österreich begründet, zu keinem Überwiegen gegenüber den vorgenannten öffentlichen Interessen führen. Im Übrigen ist das Vorbringen, dass der Beschwerdeführer nunmehr vom Ehemann seiner Mutter in Deutschland adoptiert worden sei - mit der Beschwerde wurde eine Kopie eines diesbezüglichen Adoptionsbeschlusses des Amtsgerichtes Ludwigshafen am Rhein, datiert mit 21. Februar 2003, vorgelegt -, schon deshalb nicht zielführend, weil der Beschwerdeführer vor Erlassung des angefochtenen Bescheides nicht vorgebracht hat, dass er mittlerweile adoptiert worden sei, sodass auf dieses Beschwerdevorbringen wegen des im verwaltungsgerichtlichen Verfahren geltenden Neuerungsverbotes (vgl. § 41 Abs. 1 VwGG) nicht weiter einzugehen ist.
5. Schließlich kann auch keine Rede davon sein, dass die belangte Behörde die Festsetzung der unbefristeten Gültigkeitsdauer des Aufenthaltsverbotes nicht begründet habe. Die Auffassung der belangten Behörde, es könne nicht vorhergesehen werden, wann die zur Erlassung dieser Maßnahme gegen den Beschwerdeführer, der entgegen den bestehenden Vorschriften über einen Zeitraum von vielen Jahren Suchtgiftdelikte verübt hat und hiebei in einem Zeitraum von mehreren Monaten gewerbsmäßig Suchtgift in einer großen Menge in Verkehr gesetzt hat, führenden Gründe weggefallen sein würden, begegnet in Anbetracht dieses Gesamtfehlverhaltens des Beschwerdeführers keinen Bedenken.
6. Die Beschwerde erweist sich sohin als unbegründet, weshalb sie gemäß § 42 Abs. 1 VwGG abzuweisen war.
7. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.
8. Bei diesem Ergebnis erübrigte sich ein Abspruch über den mit der Beschwerde verbundenen Antrag, dieser aufschiebende Wirkung zuzuerkennen.
Wien, am 10. September 2003
Schlagworte
Sachverhalt Neuerungsverbot Allgemein (siehe auch Angenommener Sachverhalt)European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180172.X00Im RIS seit
07.10.2003