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19/05 Menschenrechte;Norm
FrG 1997 §36 Abs1;Betreff
Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des C, geboren am 1969, vertreten durch Dr. Lennart Binder, Rechtsanwalt in 1140 Wien, Hadikgasse 104, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich vom 9. August 2002, Zl. St 163/02, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbotes, zu Recht erkannt:
Spruch
Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.
Begründung
I.
1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Oberösterreich (der belangten Behörde) vom 9. August 2002 wurde gegen den Beschwerdeführer, laut seinen Behauptungen ein Staatsangehöriger von Kamerun, gemäß § 36 Abs. 1 und 2 Z. 1 iVm den §§ 37 und 39 des Fremdengesetzes 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein auf zehn Jahre befristetes Aufenthaltsverbot erlassen.
Der Beschwerdeführer sei am 22. Jänner 1999 in einem PKW unter Umgehung der Grenzkontrolle in das Bundesgebiet eingereist und habe am 23. Jänner 1999 beim Bundesasylamt einen Asylantrag eingebracht, der mit Bescheid dieser Behörde vom 9. November 1999 abgewiesen worden sei. Über seine gegen diesen Bescheid eingebrachte Berufung sei bisher noch nicht entschieden worden. Der von ihm im Asylverfahren vorgewiesene Personalausweis habe sich als Fälschung herausgestellt, und er besitze keine Dokumente.
Das Landesgericht für Strafsachen Wien habe den Beschwerdeführer mit Urteil vom 1. März 2000 wegen des teils vollendeten, teils versuchten Verbrechens nach dem § 28 Abs. 2 und Abs. 3 erster Fall Suchtmittelgesetz - SMG iVm § 15 StGB und wegen des Vergehens nach § 27 SMG zu einer Freiheitsstrafe von zwei Jahren rechtskräftig verurteilt, weil er in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider Suchtgift in einer nicht mehr feststellbaren, jedoch großen Menge in der Größenordnung von insgesamt zumindest 100 g bis 120 g Heroin und Kokain mit teilweise nicht mehr feststellbarem, zumindest jedoch durchschnittlichem Wirkstoffgehalt gewerbsmäßig in Verkehr gesetzt habe, und zwar durch im Einzelnen im Urteilsspruch angeführte Verkäufe, die in der Zeit zwischen Ende Jänner bis 27. Mai 1999 gelegen seien. Außerdem habe er von Anfang Februar 1999 bis 27. Mai 1999 wiederholt Kokain erworben und besessen.
In seiner Berufung gegen den erstinstanzlichen Bescheid der Bundespolizeidirektion Linz vom 12. Juli 2002 führe der Beschwerdeführer aus, er hätte seit seiner Haftentlassung am 27. Mai 2001 einen ordentlichen Wohnsitz und würde seither als Zeitungsverteiler arbeiten, um einen Teil seines Lebensunterhaltes selbst verdienen zu können. Sein Einkommen daraus betrüge EUR 250,-
- bis 300,-- monatlich. Fallweise würden ihn soziale Organisationen unterstützen, sodass es ihm möglich wäre, für Miete und Lebensunterhalt selbstständig aufzukommen. Er würde monatlich über insgesamt rund EUR 500,-- verfügen und daher keine finanzielle Belastung für eine Gebietskörperschaft bedeuten. Mit Hilfe des Arbeitsmarktservice Oberösterreich wäre er aktiv auf Arbeitssuche. In seiner Heimat würde ihm der Tod drohen, weil er der politischen Opposition angehörte, die in seinem Heimatland verfolgt würde. Es wäre verabsäumt worden, dies zu ermitteln.
Begründend führte die belangte Behörde nach Wiedergabe der maßgeblichen Gesetzesbestimmungen weiter aus, dass in Anbetracht der rechtskräftigen Verurteilung des Beschwerdeführers zu einer unbedingten Freiheitsstrafe von zwei Jahren der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 erster Fall FrG verwirklicht sei. Die Art der von ihm begangenen Delikte, nämlich der Verkauf von Suchtgiften, und die Höhe der über ihn verhängten Strafe, die einen Rückschluss auf sein Verschulden zulasse, rechtfertige die Annahme, dass sein weiterer Aufenthalt im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde. Im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität sei eine derartige Annahme jedenfalls gerechtfertigt.
Der Beschwerdeführer halte sich erst seit 22. Jänner 1999, also seit etwa zweieinhalb (gemeint: dreieinhalb) Jahren, im Bundesgebiet auf, wovon er zwei Jahre in Strafhaft verbracht habe. Selbst wenn man bei dieser Sachlage einen durch das Aufenthaltsverbot erfolgenden relevanten Eingriff in sein in Österreich geführtes Privatleben annehmen wollte, sei ein solcher aus den in Art. 8 Abs. 2 EMRK umschriebenen öffentlichen Interessen (Verhinderung von strafbaren Handlungen und Schutz der Gesundheit) im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG dringend geboten.
Das Aufenthaltsverbot sei jedoch auch im Sinn des § 37 Abs. 2 FrG zulässig. Selbst wenn der Beschwerdeführer derzeit einer Beschäftigung nachgehe und fallweise unterstützt werde, könne noch nicht von einem so hohen Grad der Integration gesprochen werden, dass dies die gravierenden, gegen seinen weiteren Aufenthalt im Bundesgebiet sprechenden Bedenken auch nur entfernt aufzuwiegen vermöchte. Gerade bei der Suchtgiftkriminalität sei die Gefahr der Wiederholung groß.
Die Einwendungen des Beschwerdeführers hinsichtlich der ihm bei einer Abschiebung in seinen Heimatstaat drohenden Gefahren sei für das vorliegende Verfahren nicht von Relevanz, weil mit dem Aufenthaltsverbot nicht (auch) darüber abgesprochen werde, dass er in ein bestimmtes Land auszureisen hätte oder dass er (allenfalls) dorthin abgeschoben würde. Im Übrigen werde sich im Asylverfahren noch ergeben, inwieweit seinem Vorbringen Berechtigung zukomme. Das derzeit noch offene Asylverfahren und der Umstand, dass er als Asylwerber anzusehen sei, stünden der Erlassung des Aufenthaltsverbotes nicht entgegen.
Gründe, in Ausübung des bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes eingeräumten Ermessens von dieser Maßnahme Abstand zu nehmen, seien nicht zu ersehen.
In Anbetracht der großen Wiederholungsgefahr bei Suchtgiftdelikten hätte das Aufenthaltsverbot durchaus unbefristet erlassen können. Jedenfalls ergebe sich kein Grund zu einer Herabsetzung der mit zehn Jahren festgesetzten Gültigkeitsdauer.
2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes, allenfalls wegen Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.
II.
Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:
1. Die Beschwerde bestreitet nicht die im angefochtenen Bescheid getroffenen Feststellungen zur strafgerichtlichen Verurteilung des Beschwerdeführers und wendet sich auch nicht gegen die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei. Auf dem Boden der unbestrittenen Feststellungen begegnet diese Beurteilung keinen Bedenken.
2.1. Die Beschwerde erschöpft sich im Wesentlichen in dem Vorbringen, der "Automatismus" von Verurteilung und Aufenthaltsverbot bedeute eine unzulässige Doppelbestrafung, wenn nicht auf die individuellen Verhältnisse eingegangen werde, und es widerspreche darüber hinaus der Unschuldsvermutung, wenn davon ausgegangen werde, dass der Verurteilte nach der Verurteilung wegen eines Delikts neuerlich Delikte begehen würde und daher eine Gefährdung der Sicherheit darstellte.
2.2. Mit diesem Vorbringen zeigt die Beschwerde keine Rechtswidrigkeit des angefochtenen Bescheides auf.
Nach den Feststellungen der belangten Behörde hat der Beschwerdeführer zwischen Ende Jänner bis 27. Mai 1999 in Wien den bestehenden Vorschriften zuwider eine große Menge Suchtgift - somit eine Menge an Suchtgift, die geeignet ist, Gewöhnung hervorzurufen und in großem Ausmaß eine Gefahr für das Leben oder die Gesundheit von Menschen herbeizuführen (vgl. § 28 Abs. 6 SMG) - , nämlich insgesamt zumindest 100 g bis 120 g Heroin und Kokain, gewerbsmäßig durch mehrere Verkäufe in Verkehr gesetzt. Ferner hat er in der Zeit von Anfang Februar 1999 bis 27. Mai 1999 wiederholt Kokain erworben und besessen. Schon im Hinblick auf die besondere Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität und die dieser innewohnende Wiederholungsgefahr (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 20. Juni 2002, Zl. 2002/18/0128, mwN) begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der weitere Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit gefährde und somit die in § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand. Auch lag das besagte Fehlverhalten des Beschwerdeführers bei Erlassung des angefochtenen Bescheides noch nicht so lange zurück, um einen Wegfall oder eine erhebliche Minderung der von ihm ausgehenden Gefahr annehmen zu können. Entgegen der Beschwerdeansicht handelt es sich bei der Erlassung eines Aufenthaltsverbotes nach erfolgter strafgerichtlicher Verurteilung des Fremden nicht um eine Doppelbestrafung, sondern um eine administrativ-rechtliche Maßnahme (vgl. etwa das hg. Erkenntnis vom 18. Dezember 2002, Zl. 2002/18/0259, mwN), weshalb schon deshalb der Beschwerdehinweis auf die Unschuldsvermutung ins Leere geht.
3. Im Übrigen kann auf dem Boden der unbestrittenen Sachverhaltsfeststellungen im angefochtenen Bescheid die Ansicht der belangten Behörde, dass die Erlassung des Aufenthaltsverbotes zur Erreichung von im Art. 8 Abs. 2 EMRK genannten Zielen (zur Verhinderung von strafbaren Handlungen und zum Schutz der Gesundheit) dringend geboten und das Aufenthaltsverbot im Grund des § 37 Abs. 1 und Abs. 2 FrG zulässig sei, nicht als rechtswidrig erkannt werden.
4. Da somit bereits der Beschwerdeinhalt erkennen lässt, dass die behauptete Rechtsverletzung nicht vorliegt, war die Beschwerde gemäß § 35 Abs. 1 VwGG ohne weiteres Verfahren in nichtöffentlicher Sitzung als unbegründet abzuweisen.
Wien, am 10. September 2003
European Case Law Identifier (ECLI)
ECLI:AT:VWGH:2003:2003180222.X00Im RIS seit
07.10.2003