TE Vwgh Erkenntnis 2003/9/10 99/18/0121

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Veröffentlicht am 10.09.2003
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Index

40/01 Verwaltungsverfahren;
41/02 Passrecht Fremdenrecht;
82/02 Gesundheitsrecht allgemein;

Norm

AVG §59 Abs1;
FrG 1997 §35 Abs2;
FrG 1997 §36 Abs1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z1;
FrG 1997 §36 Abs2 Z7;
FrG 1997 §37 Abs1;
FrG 1997 §37 Abs2;
FrG 1997 §38 Abs1 Z2;
SGG §16 Abs1;
SMG 1997 §27 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs1;
SMG 1997 §28 Abs2;

Betreff

Der Verwaltungsgerichtshof hat durch den Vorsitzenden Senatspräsident Dr. Zeizinger und die Hofräte Dr. Rigler, Dr. Handstanger, Dr. Enzenhofer und Dr. Strohmayer als Richter, im Beisein des Schriftführers Mag. Stummer, über die Beschwerde des D in Wien, geboren 1977, vertreten durch Dr. Michael Drexler, Rechtsanwalt in 1090 Wien, Hörlgasse 4/5, gegen den Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien vom 3. März 1999, Zl. SD 112/99, betreffend Erlassung eines befristeten Aufenthaltsverbots, zu Recht erkannt:

Spruch

Die Beschwerde wird als unbegründet abgewiesen.

Der Beschwerdeführer hat dem Bund Aufwendungen in der Höhe von EUR 381,90 binnen zwei Wochen bei sonstiger Exekution zu ersetzen.

Begründung

I.

1. Mit dem im Instanzenzug ergangenen Bescheid der Sicherheitsdirektion für das Bundesland Wien (der belangten Behörde) vom 3. März 1999 wurde gegen den Beschwerdeführer, einen jugoslawischen Staatsangehörigen, gemäß § 36 Abs. 1 iVm "Abs 2 Z 7" Fremdengesetz 1997 - FrG, BGBl. I Nr. 75, ein Aufenthaltsverbot für die Dauer von zehn Jahren erlassen.

Die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides seien auch für die Berufungsentscheidung maßgebend. Der Beschwerdeführer, der sich nach der Aktenlage seit 29. September 1991 im Bundesgebiet aufhalte, sei am 19. November 1993 vom Jugendgerichtshof Wien wegen § 16 Abs. 1 des Suchtgiftgesetzes zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Monat und am 6. Oktober 1998 vom Landesgericht für Strafsachen Wien wegen § 28 Abs. 2 SMG, § 12 StGB und § 27 Abs. 1 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Jahr rechtskräftig verurteilt worden. Demnach liege der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG vor. Der zuletzt genannten Verurteilung liege zu Grunde, dass der Beschwerdeführer in der Zeit zwischen Ende Februar 1998 und dem 24. Juni 1998 dazu beigetragen habe, dass "schwarzafrikanische Drogenhändler" eine große Heroinmenge, nämlich etwa 50 Gramm, in Verkehr gesetzt hätten. Der Beschwerdeführer habe innerhalb des genannten Zeitraumes wiederholt Suchtgift erworben und besessen. Sein Fehlverhalten gefährde die öffentliche Ordnung und Sicherheit, sodass sich die Erlassung des Aufenthaltsverbots auch im Grund des § 36 Abs. 1 FrG - vorbehaltlich der Bestimmungen der §§ 37 und 38 leg. cit. - als gerechtfertigt erweise.

Auf Grund des langjährigen inländischen Aufenthaltes des Beschwerdeführers und im Hinblick darauf, dass sowohl seine Eltern als auch seine Großeltern im Bundesgebiet lebten, liege ein mit dem Aufenthaltsverbot verbundener Eingriff in das Privat- und Familienleben des Beschwerdeführers vor. Trotzdem sei wegen der Gefährlichkeit der Suchtgiftkriminalität die Zulässigkeit der Maßnahme im Grund des § 37 Abs. 1 FrG zu bejahen. Der Beschwerdeführer habe nicht einmal durch eine rechtskräftige Verurteilung davon abgehalten werden können, neuerlich einschlägig straffällig zu werden. Eine positive Zukunftsprognose sei deshalb nicht möglich. Die Erlassung des Aufenthaltsverbots sei zur Verhinderung weiterer strafbarer Handlungen, zum Schutz der öffentlichen Ordnung sowie zum Schutz der Gesundheit dringend geboten.

Im Rahmen der gemäß § 37 Abs. 2 FrG vorzunehmenden Interessenabwägung sei auf den siebeneinhalbjährigen inländischen Aufenthalt des Beschwerdeführers Bedacht zu nehmen. Der daraus ableitbaren Integration komme jedoch kein entscheidendes Gewicht zu, weil die dafür erforderliche soziale Komponente durch die schwer wiegenden Straftaten des Beschwerdeführers erheblich gemindert würden. Die Bindung des Beschwerdeführers zu seinen im Bundesgebiet lebenden Angehörigen sei zu relativieren, weil er volljährig sei.

Den solcherart geschmälerten privaten und familiären Interessen des Beschwerdeführers stehe das hoch zu veranschlagende Interesse an der Verhinderung der Suchtgiftkriminalität gegenüber. Bei Abwägung dieser Interessenlagen gelange die belangte Behörde zur Auffassung, dass die Auswirkungen des Aufenthaltsverbots auf die Lebenssituation des Beschwerdeführers und seiner Familie nicht schwerer wögen als die gegenläufigen öffentlichen Interessen und damit die nachteiligen Folgen der Abstandnahme von dieser Maßnahme.

Die vom Beschwerdeführer absolvierte Suchtgifttherapie könne die von ihm ausgehende Gefahr für die genannten öffentlichen Interessen nicht ausschließen.

Die Behauptung des Beschwerdeführers, er halte sich seit Juni 1990 im Bundesgebiet auf, finde im Verwaltungsakt keine Deckung. Der Beschwerdeführer werde hinsichtlich seiner Auffassung, gegen ihn dürfe kein Aufenthaltsverbot erlassen werden, auf § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG verwiesen.

Von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots könne auch nicht im Rahmen des der Behörde zustehenden Ermessens abgesehen werden. Ein Wegfall des für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Grundes könne nicht vor Verstreichen des für das Aufenthaltsverbot festgesetzten Zeitraums erwartet werden.

2. Gegen diesen Bescheid richtet sich die vorliegende Beschwerde mit dem Begehren, ihn wegen Rechtswidrigkeit seines Inhaltes und Rechtswidrigkeit infolge Verletzung von Verfahrensvorschriften aufzuheben.

3. Die belangte Behörde legte die Akten des Verwaltungsverfahrens vor und erstattete eine Gegenschrift mit dem Antrag, die Beschwerde kostenpflichtig abzuweisen.

II.

Der Verwaltungsgerichtshof hat erwogen:

1. Die Beschwerde bringt vor, die belangte Behörde habe das Aufenthaltsverbot im Spruch ihres Bescheides ausdrücklich auf § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 FrG (mangelnder Nachweis des Besitzes der Mittel zum Unterhalt des Fremden) gestützt. Der Spruch decke sich nicht mit der im Bescheid wiedergegebenen Begründung und sei daher nicht nachvollziehbar.

Die belangte Behörde hat im Spruch des angefochtenen Bescheides den erstinstanzlichen Bescheid bestätigt. Dieser stützt sich auf § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 FrG. Damit beruht auch der angefochtene Bescheid auf dieser Rechtsgrundlage. Der Umstand, dass bei der Wiedergabe des erstinstanzlichen Bescheidspruches davon abweichend versehentlich § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 7 FrG angeführt wurde, ist normativ ohne Relevanz, weshalb eine Verletzung von Rechten des Beschwerdeführers nicht vorliegt. Dazu kommt, dass sich die Begründung des angefochtenen Bescheides ausdrücklich auf § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG bezieht. Es trifft zu, dass ein Bescheid gemäß § 59 Abs. 1 AVG seine Rechtsgrundlagen zweifelsfrei erkennen lassen muss. Die Verletzung des § 59 Abs. 1 AVG hinsichtlich der Anführung der angewendeten Gesetzesbestimmungen steht aber nicht schlechthin unter der Sanktion der Rechtswidrigkeit, sondern nur unter der weiteren Voraussetzung, dass auch die Begründung des Bescheides Zweifel über die angewendeten Vorschriften nicht beseitigen. Im vorliegenden Fall bezog sich die belangte Behörde jedoch in ihrer Begründung einerseits auf die Gründe des erstinstanzlichen Bescheides vom 19. Jänner 1999 (und damit auf § 36 Abs. 1 iVm Abs. 2 Z. 1 FrG), als auch ihrerseits auf den Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG. In Anbetracht dieser eindeutigen Begründung ist daher weder der Beschwerdeführer an der zweckmäßigen Verfolgung seiner Rechte, noch der Verwaltungsgerichtshof an der verfassungsgemäßen Wahrnehmung seiner Kontrollbefugnis gehindert (vgl.  Walter/Thienel, Verwaltungsverfahrensgesetze I2, E 209, 211, 214, 216 zu § 59 AVG). Die unrichtige Wiedergabe der von der belangten Behörde angewendeten Gesetzesstelle im Spruch des angefochtenen Bescheides bewirkt daher keine vom Verwaltungsgerichtshof aufzugreifende Rechtswidrigkeit.

2. Im Übrigen bleibt die Auffassung der belangten Behörde, dass vorliegend der Tatbestand des § 36 Abs. 2 Z. 1 FrG verwirklicht sei, unbekämpft. Im Hinblick auf die beiden unbestrittenen rechtskräftigen gerichtlichen Verurteilungen des Beschwerdeführers bestehen gegen diese Beurteilung keine Bedenken.

3.1. Nach den Feststellungen der belangten Behörde und nach der im Akt erliegenden Ausfertigung des Urteils des Landesgerichts für Strafsachen Wien vom 6. Oktober 1998 hat der Beschwerdeführer - der bereits vom Jugendgerichtshof Wien am 19. November 1993 wegen § 16 Abs. 1 SGG zu einer bedingten Freiheitsstrafe von einem Monat verurteilt worden war, in der Zeit zwischen Ende Februar 1998 und dem 24. Juni 1998, dadurch, dass er zahlreiche unbekannt gebliebene Heroinkonsumenten zum Zweck des Heroinankaufs an bislang nicht ausgeforschte schwarzafrikanische Drogendealer vermittelte, dazu beigetragen, dass die genannten schwarzafrikanischen Drogenhändler eine große Heroinmenge, nämlich etwa 50 Gramm, in Verkehr setzen konnten. Er habe weiters im gleichen Zeitraum wiederholt Heroin erworben und besessen. Er hat damit das Verbrechen nach § 28 Abs. 2 SMG als Beteiligter nach § 12 StGB sowie das Verbrechen nach § 27 Abs. 1 SMG begangen und wurde unter Anwendung des § 28 Abs. 1 StGB nach § 28 Abs. 2 SMG zu einer bedingten Freiheitsstrafe in der Dauer von einem Jahr verurteilt.

3.2. Der Beschwerdeführer bringt dazu vor, dass der inkriminierte Sachverhalt bereits rund ein Jahr zurückliege und er sich seither wohlverhalten habe. Er komme infolge seiner Drogentherapie mit Suchtmitteln nicht mehr in Kontakt. Damit sei Gewähr dafür geboten, dass er sich in Hinkunft wohlverhalten werde. Dem ist entgegen zu halten, dass selbst eine erfolgreiche Suchtgifttherapie keine Gewähr dafür böte, dass vom Beschwerdeführer keine Gefährdung der maßgeblichen öffentlichen Interessen mehr ausgehe. Es kann auch nicht angenommen werden, dass von ihm, sollte sich die Suchtgifttherapie künftig als erfolglos erweisen, nach vollzogener Freiheitsstrafe keine solche Gefahr mehr ausginge (vgl. das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0148).

Nach der ständigen Rechtsprechung des Verwaltungsgerichtshofes handelt es sich bei der Suchtgiftkriminalität um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist (vgl. nochmals das hg. Erkenntnis vom 24. Juli 2002, Zl. 2002/18/0148). Bei Würdigung des Fehlverhaltens des Beschwerdeführers, insbesondere der wiederholten, und zuletzt über einen langen Zeitraum begangenen Straftaten, begegnet die Auffassung der belangten Behörde, dass der Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet eine Gefahr für die öffentliche Ruhe, Ordnung und Sicherheit darstelle und somit die im § 36 Abs. 1 FrG umschriebene Annahme gerechtfertigt sei, keinem Einwand.

4. Die belangte Behörde ist davon ausgegangen, dass sich der Beschwerdeführer seit dem 29. September 1991 im Bundesgebiet aufhalte. Selbst wenn der Beschwerdeführer - wie er in seiner Berufung und in der Beschwerde vorbringt - schon im Juni 1990 nach Österreich gekommen wäre, könnte dies an der Zulässigkeit des Aufenthaltsverbots mit Blick auf § 38 Abs. 1 Z. 2 iVm § 35 Abs. 2 FrG nichts ändern, weil der für das Aufenthaltsverbot maßgebliche Sachverhalt erstmals im Jahr 1993 und dann ein weiteres Mal in der Zeit von Februar 1998 bis Juni 1998 verwirklicht worden ist. Eine Aufenthaltsverfestigung im Sinn des § 35 Abs. 2 FrG, die das Aufenthaltsverbot unzulässig machen würde, liegt daher nicht vor.

5. Bei der Interessenabwägung gemäß § 37 Abs. 1 und 2 FrG hat die belangte Behörde im Hinblick auf den auf Grund von Aufenthaltstiteln seit 29. September 1991 rechtmäßigen Aufenthalt des (volljährigen) Beschwerdeführers und seine Bindungen zu seinen Eltern und seinen Großeltern zutreffend einen mit dem Aufenthaltsverbot verbundenen relevanten Eingriff im Sinn des § 37 Abs. 1 FrG angenommen. Sie hat jedoch - unter Bedachtnahme auf seine persönlichen Interessen - ebenso zutreffend den Standpunkt vertreten, dass diese Maßnahme im Grund dieser Gesetzesbestimmung dringend geboten und somit zulässig sei, manifestiert sich doch in den vom Beschwerdeführer wiederholt, und zuletzt über mehrere Monate begangenen Verbrechen nach dem SMG die von ihm ausgehende massive Gefahr für die Allgemeinheit, zumal es sich bei der Suchtgiftkriminalität, wie oben dargelegt, um eine besonders gefährliche Art der Kriminalität handelt, bei der die Wiederholungsgefahr erfahrungsgemäß besonders groß ist und bei der - wie auch der Fall des Beschwerdeführers zeigt - selbst nach einem Zeitraum von mehreren Jahren die Rückfallsgefahr keineswegs gebannt ist.

Von daher gesehen hat die belangte Behörde der durch sein gravierendes Fehlverhalten bewirkten Gefährdung der öffentlichen Interessen und damit den nachteiligen Folgen einer Abstandnahme von der Erlassung eines Aufenthaltsverbots zutreffend kein geringeres Gewicht beigemessen als den Auswirkungen dieser Maßnahme auf seine Lebenssituation und die seiner Familie, zumal die aus dem bisherigen Aufenthalt des Beschwerdeführers im Bundesgebiet resultierende Integration in der für sie wesentlichen sozialen Komponente durch die von ihm ab 1993 verübten Straftaten eine erhebliche Minderung erfahren hat. An dieser Einschätzung änderte sich nichts, wenn man - im Sinn des Beschwerdevorbringens -

davon ausginge, dass der Beschwerdeführer bereits seit Juni 1990 rechtmäßig im Bundesgebiet ist, sich auch seine Schwester hier aufhält und er einer Berufstätigkeit nachgeht.

6. Für die belangte Behörde bestand entgegen der Beschwerde auch keine Veranlassung, von dem ihr gemäß § 36 Abs. 1 FrG bei der Verhängung eines Aufenthaltsverbots zukommenden Ermessen zu Gunsten des Beschwerdeführers Gebrauch zu machen, sind doch weder aus der Beschwerde noch aus dem angefochtenen Bescheid im Zusammenhalt mit dem Akteninhalt Umstände ersichtlich, die für eine derartige Ermessungsübung sprächen.

7. Ferner kann der belangten Behörde nicht entgegengetreten werde, wenn sie angesichts dessen, dass der Beschwerdeführer, der bereits einmal wegen eines Drogendeliktes verurteilt worden ist und nunmehr neuerlich in gravierender Weise gegen die Vorschriften zur Verhinderung des Suchtgiftmissbrauches verstoßen hat, die Auffassung vertreten hat, dass der Zeitpunkt des Wegfalls der für die Erlassung des Aufenthaltsverbots maßgeblichen Umstände nicht vor Ablauf von zehn Jahren erwartet werden könne.

8. Die Beschwerde war daher gemäß § 42 Abs. 1 VwGG als unbegründet abzuweisen.

9. Der Spruch über den Aufwandersatz gründet sich auf die §§ 47 ff VwGG iVm § 3 Abs. 2 der Verordnung BGBl. II Nr. 333/2003.

Wien, am 10. September 2003

European Case Law Identifier (ECLI)

ECLI:AT:VWGH:2003:1999180121.X00

Im RIS seit

07.10.2003
Quelle: Verwaltungsgerichtshof VwGH, http://www.vwgh.gv.at
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